Feuchtwanger und die Erinnerungskultur in Frankreich / Feuchtwanger et la culture mémorielle en France
Summary
Die Konferenz widmete sich der Frage, welche Erinnerungen an die deutschsprachige Emigration zwischen 1933 und 1940 in Frankreich noch heute präsent sind, inwieweit sie materialisiert, eventuell auch institutionalisiert wurden und welche Ereignisse der damaligen Zeit sich im kollektiven Gedächtnis nicht verankern konnten. Die Beiträge des Bandes konzentrieren sich auf die unterschiedlichen Formen und Medien einer öffentlichen Erinnerungskultur im deutsch-französischen Kontext. Der Band verbindet die wissenschaftlichen Arbeiten der Exilforschung mit den Erkenntnissen der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Vernetzung der beiden Forschungsfelder sowie zur Erweiterung der theoretischen Ansätze im Rahmen der Lion-Feuchtwanger-Forschung.
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt / Table des matières
- Danksagung / Remerciements
- Vorwort
- Avant-propos
- I Exil als besondere Lebenserfahrung in der kollektiven Wahrnehmung / L’exil comme expérience singulière dans la perception collective
- Die Geschwister Oppermann: A German-Jewish Family in Extremis
- « Eine Überfülle von Gegenwart » : Errance en France de Soma Morgenstern comme mémoire des camps d’internement
- Leben ? Oder Theater ? L’exil de Charlotte Salomon en France, un exil « double », ferment d’une œuvre unique – quelques pistes de réflexion
- „VORWÄRTS, UND […] VERGESSEN?“ Hanns Eislers Exilzeit in Paris
- Das Hotelzimmer als Metapher des Exils: 1933–1943
- Metamorphosen: Zur Exilerfahrung bei Albert Drach und Fred Wander
- Franz Werfel: Schreiben im Exil
- Klaus Manns Exilerfahrungen in Frankreich
- II Vermittlung politischer Exilerfahrung durch Presse und Literatur / Transmission de l’exil comme expérience politique à travers la presse et la littérature
- Wirtschaftskolumnen des Pariser Tageblatts/Pariser Tageszeitung oder Von der Schwierigkeit, Wirtschaftsliberalismus mit linkem Gedankengut unter einen Hut zu bringen
- Das deutsche Volk klagt an (1936) – Le peuple allemand accuse (1937/1938): Editions- und Rezeptionsgeschichte einer Exilpublikation
- Für ein unabhängiges Österreich: Stimmen französischer Intellektueller in der Exilzeitschrift Nouvelles d’Autriche /Österreichische Nachrichten (1939)
- In Defense of Culture: German-Jewish Émigrés at the Paris Antifascist Writers’ Congress of 1935 – Lion Feuchtwanger’s Engagement with Barbarism in the Novel Exil (1935/1940)
- III Der Film als möglicher Begegnungsraum / Le film comme lieu de rencontre possible
- Deutschland und die Deutschen in den Klassikern des französischen Vorkriegsfilms (1930–1939)
- Fritz Lang en France : autour de Liliom (1934)
- Pariser Exilromane im Film: Formen transnationaler Neucodierung von Erinnerungskultur
- Die Nebenzahls, Nero-Film und Filmexil in Frankreich
- An uns glaubt Gott nicht mehr: Axel Cortis Film und Georg Stefan Trollers Erinnerungen an Frankreich zur Zeit des Dritten Reiches
- IV Erinnerungsverankerung im deutsch-französischen Kontext / L’ancrage mémoriel dans le contexte franco-allemand
- Sanary als Exil- und Erinnerungsort
- Rémanence d’une archive : les écrits d’exil en langue allemande traduits vers le français, des années 1930 à aujourd’hui
- ‘French people here are very kind but too shallow to understand us’: A Young Exile’s View of France and the French, 1939–1940
- Begegnungen zwischen Frankreich und Emigranten im Blickwinkel des Romans Transit von Anna Seghers
- Ein Land für Emigranten und Nazis? Das Bild von Frankreich und den Franzosen in Lion Feuchtwangers Exil
- „Wo wird einst des Wandermüden/Letzte Ruhestätte seyn?“ Heinrich – Henri – Heine als Schicksalsgenosse der Exilanten von 1933 bis 1945
- Calligrammes : entre l’exil, la mémoire et la culture allemande à Paris
- Verzeichnis der AutorInnen / Notes sur les auteurs
- Register
- Reihenübersicht
Die achte Zweijahreskonferenz der Internationalen Feuchtwanger-Gesellschaft fand vom 12. bis 14. Oktober 2017 im Heinrich Heine Haus in Paris statt. Die Veranstalter danken im Namen der Gesellschaft allen Institutionen, die durch ihre freundliche Unterstützung zum Gelingen der Tagung und zur Publikation des vorliegenden Bandes beigetragen haben:
Der Fondation pour la Mémoire de la Shoah in Paris; dem Heinrich Heine Haus und dem Goethe-Institut in Paris; dem Centre de Recherches et d’Études Germaniques (CREG) in Montpellier; dem Centre d’Études Germaniques Interculturelles de Lorraine (CEGIL) in Metz sowie dem Centre d’Études des Relations et Contacts Linguistiques et Littéraires (CERCLL) in Amiens.
Le 8e Congrès biennal de l’Association Internationale Lion Feuchtwanger a eu lieu du 12 au 14 octobre 2017 à Paris. Au nom de l’Association, les organisateurs remercient les institutions qui ont apporté leur aide financière et matérielle pour que cette manifestation se déroule dans les meilleures conditions: La Fondation pour la Mémoire de la Shoah, la Maison Heinrich Heine et l’Institut Goethe de Paris, le Centre de Recherches et d’Études Germaniques (CREG) de Montpellier, le Centre d’Études Germaniques Interculturelles de Lorraine (CEGIL) de Metz ainsi que le Centre d’Études des Relations et Contacts Linguistiques et Littéraires (CERCLL) d’Amiens.
Eine […] öffentliche Erinnerungskultur stellt
sich nach beschämenden oder traumatischen
Ereignissen in der Regel erst nach einem
zeitlichen Intervall […] ein.
— Aleida Assmann
Während es nicht an Erinnerungsorten1 zur deutschen Präsenz in Frankreich in den Jahren der Vichy-Regierung und des besetzten Landes mangelt, scheint die Zeit davor, in der Frankreich zahlreichen Exilanten Zuflucht bot, im kollektiven Gedächtnis der französischen Bevölkerung weniger tief verankert zu sein, obwohl es sich weitgehend nicht um traumatische Geschichtserfahrung handelt, zumindest, wenn von der Zeit nach der französischen Kriegserklärung abgesehen wird, in der zahlreiche Exilanten als „feindliche Ausländer“ interniert wurden. Während das Hotel Lutetia den meisten Parisern als Zentrale der deutschen „Abwehr“ bzw. der Gestapo in der Besatzungszeit bekannt ist, erinnern sich nur Wenige daran, dass es zwischen 1935 und 1937 dem „Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront“2 als Sitzungsort und unmittelbar nach Kriegsende als Anlaufstelle für aus der Deportation zurückkehrende KZ-Überlebende diente. Initiativen wie die der Gemeinde Sanary-sur-mer bleiben die Ausnahme, und das Bewahren der Erinnerung an diese Jahre (1933–1940) bleibt sowohl in Frankreich als auch in Deutschland weitgehend der Forschung vorbehalten. In diesem Zusammenhang erinnert Anne Hartmann in ihrem Beitrag an die Exilgemeinschaft, die sich in den 1930er Jahren in dem kleinen Ort am Mittelmeer zusammenfand und für die heutige Gemeinde die Frage der Erinnerungskultur aufwirft.
Das kollektive Gedächtnis in Deutschland und Frankreich wurde und wird durch viele unterschiedliche Quellen gespeist, die den Erinnerungsdiskurs im Nachbarland bis heute prägen. Bewusst oder unbewusst bedient man sich gewisser Medien, um an vergangene Ereignisse zu erinnern und diese zu überliefern. Die Internationale Feuchtwanger-Gesellschaft widmete ihre achte Tagung der Frage, welche Erinnerungen an die deutschsprachige, spezifisch auch deutsch-jüdische und österreichisch-jüdische Emigration zwischen 1933 und 1940 in Frankreich noch heute präsent sind, inwieweit sie materialisiert, eventuell auch institutionalisiert wurden und welche Ereignisse der damaligen Zeit sich im kollektiven Gedächtnis nicht verankern konnten oder zumindest heute nicht mehr erinnert werden. Michaela Enderle-Ristori konzentriert sich diesbezüglich in ihrem Beitrag auf Bibliotheken – namentlich die Deutsche Freiheitsbibliothek in Paris – und andere kulturelle Einrichtungen, die als Gedächtnisorte fungieren, insbesondere aber auch auf Übersetzungen ins Französische und deren Bedeutung für die Verbreitung und Archivierung des von den Exilanten getragenen antifaschistischen Diskurses im Gastland.
Die Erinnerung an vergangene Epochen sowie das Bild, das sich die Nachwelt von einer bestimmten Zeitspanne macht, wird nicht nur durch Gedenkstätten geprägt. Texte, ob juristischer, journalistischer oder literarischer Natur, politische Kampfschriften und Reden, Briefe, Tagebücher, Filme und Fotographien bewahren Zeitgeschehen – trotz Subjektivität und Zufälligkeit des Konservierten – für die Mit- und Nachwelt auf. Welche Erinnerungen konkret in das kollektive Gedächtnis eines Landes eingehen, scheint dabei auch vom Nutzen abzuhängen, den das Bewahrte für die Gemeinschaft der Bewahrer mit sich bringt. Mehrere Artikel des vorliegenden Bandes weisen auf die Bedeutung von Literatur für den Prozess der Verankerung von Erinnerung hin. So arbeitet Jacob Boas die Verbindung zwischen zwei Formen des antifaschistischen Kampfes heraus, einer politisch motivierten Veranstaltung, dem „Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur“ (1935), und Lion Feuchtwangers Roman Exil. Andere Beiträge konzentrieren sich auf bestimmte Motive, die den Erinnerungsdiskurs beeinflussen, so zum Beispiel das des Hotelzimmers, das Alfred Prédhumeau in seinem Artikel analysiert und das in den Werken der Exilanten – von Lion Feuchtwanger bis Klaus Mann – häufig thematisiert wird und im Allgemeinen als „locus politicus“ fungiert. Auch an anderen künstlerischen Ausdrucksformen wie dem autobiographischen Singspiel Leben? oder Theater? der deutsch-jüdischen Malerin Charlotte Salomon, einer tragischen, weniger bekannten Figur des Exils, wird der Zusammenhang zwischen Exilerfahrung, Form und Inhalt eines Werks und dessen Übergang ins kollektive Gedächtnis des Gastlandes aufgezeigt (cf. Beitrag von Camille Jenn-Gastal). Die Beiträge gehen sowohl von Bewahrtem als auch von Vergessenem aus, heben dementsprechend Ereignisse und Personen hervor, die in das kollektive Gedächtnis eingegangen oder eben nicht eingegangen sind, um in beiden Fällen zu versuchen, die für die Bewahrung der spezifischen Erinnerung an eine bestimmte Epoche der europäischen Geschichte erforderlichen Bedingungen zu definieren. Die Rolle einer so emblematischen Figur wie Heinrich Heine, der im Exil oft exemplarisch heraufbeschworen wurde, ermöglicht es, eine Verbindung herzustellen zwischen der deutsch-jüdischen Vergangenheit Deutschlands und Österreichs und der tragischen Realität der Exilzeit, die der romantische Schriftsteller in fast prophetischer Weise in seinen Schriften vorausgeahnt hatte (vgl. Magali Nieradka-Steiner).
Mit der Bildung der Volksfrontregierung (Front populaire) 1936 wurde die Emigration aus Nazideutschland nach Frankreich erleichtert. Die florierende deutschsprachige Exilpresse gab den Exilanten die Möglichkeit, sich politisch zu artikulieren. Es fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, die gegen Nazideutschland gerichtet waren, wobei jedoch nicht vergessen werden darf, dass die Exilanten keine homogene Gruppe bildeten und auch Frankreich nicht als politisch einheitliches Land betrachtet werden kann, selbst dann nicht, wenn von der Diskrepanz zwischen Hauptstadt und Provinz abgesehen wird. Inwiefern die deutschsprachige Emigration von der französischen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, zeigen auch offizielle Stellungnahmen – bzw. deren Ausbleiben – von Seiten französischer Politiker, Journalisten, Intellektueller und Künstler in den Kontroversen zwischen den einzelnen politischen Lagern der Emigration, wie etwa dem konsequenzreichen Konflikt zwischen den beiden Arbeiterparteien oder deren Differenzen mit dem liberalen Exilantenmilieu. Archivierte Presseartikel bilden dabei eine wichtige Quelle, um die Reaktionen der französischen Öffentlichkeit auf die Exilanten zu erfassen und beispielsweise nachvollziehen zu können, wie die Arbeit des Lutetia-Kreises im Gastland beurteilt wurde. Um zu ermitteln, welche Darstellung der jeweiligen Ereignisse der Nachwelt bevorzugt vermittelt wurde, erwies es sich als sinnvoll, zunächst die Wirkung zu rekonstruieren, die die Ereignisse in der Zeit selbst sowohl auf die Bewohner des Gastlandes als auch auf die Exilanten ausübten. Diesen Aspekten widmet sich Daniel Azuélos in seinem Beitrag zur Exilpresse bzw. zur politischen Positionierung des Pariser Tageblatts/ der Pariser Tageszeitung durch seine/ihre Wirtschaftskolumnen sowie Ute Lemke, die in ihrem Artikel zur Editions- und Rezeptionsgeschichte der antifaschistischen Exilpublikation Das deutsche Volk klagt an (1936) und deren französischer Übersetzung die Rolle der Editions du Carrefour und der französischen Gewerkschaften bei der Verbreitung der Schrift in Frankreich untersucht. Helga Schreckenberger befasst sich in ihrem Beitrag spezifisch mit der französisch-österreichischen Kooperation im Rahmen der Zeitschrift Nouvelles d’Autriche / Österreichische Nachrichten und somit auch mit der Rezeption von Exilveranstaltungen durch französische Intellektuelle. Einige der bereits erwähnten Beiträge analysieren zudem spezifisch die Reaktion der jüdischen Gemeinde Frankreichs auf die Flüchtlinge aus dem deutschsprachigen Raum (Aufrufe in der jüdischen Presse, Hilfsorganisationen, Veranstaltungen, persönlicher Einsatz).
Langfristige Verankerung von Erlebtem sowie Vermittlung und Weitergabe von Erinnerung auf individueller, insbesondere aber auf kollektiver Ebene sind vielschichtige Prozesse, zu denen auch die Rezeption literarischer bzw. insgesamt künstlerischer Werke im Gastland gehört (cf. Adrian Feuchtwanger zum Roman Die Geschwister Oppermann von Lion Feuchtwanger sowie respektive die Beiträge von Günther Scheidl zu den österreichischen Schriftstellern Albert Drach und Fred Wander und von Gesa Singer zu Klaus Mann). Was den Bereich der Musik betrifft, erinnert Maren Köster in ihrem Beitrag an die Pariser Jahre des Komponisten Hanns Eisler, der nach anfänglichen Erfolgen in seinem ersten Exilland nicht wirklich Fuß fassen konnte und dessen Wirken in Frankreich heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist. An Rezensionen, Ausstellungsberichten, Theater- und Filmkritiken kann nachvollzogen werden, wie das künstlerische Schaffen der Exilanten von der französischen Bevölkerung aufgenommen wurde, wobei dem Bereich des Films besondere Bedeutung zukommt. Während zahlreiche literarische Werke von Exilschriftstellern dem französischen Leser erst spät, oft auch gar nicht zugänglich waren, erfolgte die Rezeption von Filmen unmittelbar. Welche Aufnahme fanden die im Pariser Exil entstandenen Filme von Billy Wilder, Max Ophüls oder Fritz Lang beim französischen Publikum der Dreißigerjahre? Wurden sie spezifisch als Werke der deutschsprachigen Emigration rezipiert? Wie ist man in der Folgezeit mit dem filmischen Erbe dieser Zeit umgegangen? Einigen dieser Fragen widmet sich Olivier Agard in seinem Beitrag zu Fritz Lang, den die französische Kritik zwar schätzte, dem sie jedoch aufgrund der Mehrdeutigkeit seiner Filme zugleich auch mit einer gewissen Reserve begegnete. Anne-Marie Corbin ihrerseits erinnert an die filmische Rekonstruktion der bewegten Exiljahre Georg Stefan Trollers unter der Regie von Axel Corti, der den Weg des Journalisten zwischen Frankreich und den USA bis zu seiner Rückkehr nach Österreich nachzeichnet. Die Frage des Übergangs von der literarischen Fiktion oder Autobiographie zur kinematografischen Gestaltung steht auch im Mittelpunkt der Beiträge von Christiane Schönfeld (zur Neucodierung von Erinnerungskultur am Beispiel filmischer Adaptationen von Exilromanen), von François Genton (zum Bild Deutschlands und der Deutschen im französischen Film der Vorkriegsjahre) sowie von Margit Frölich, die über die Schwierigkeiten der Familie Nebenzahl berichtet, sich mit ihrer Produktionsgesellschaft, der Nero-Film, in Frankreich zu etablieren.
Um im Einzelnen nachvollziehen zu können, welches Bild der deutschsprachigen Emigration bzw. des Gastlandes in den Dreißigerjahren geprägt und gegebenenfalls den nachfolgenden Generationen vermittelt wurde, verleihen mehrere Beiträge der Perspektive der Exilanten selbst Ausdruck. So konzentriert sich Birgit Maier-Katkin auf das Prinzip der „Gastfreundschaft“ in Anna Seghers Roman Transit und Ruth Werfel auf die im französischen Exil entstandenen Werke Franz Werfels. Wie wird die Haltung Frankreichs zur Emigration in ihren literarischen Werken, ihren Korrespondenzen, in Presseartikeln oder auch Fotographien und Reden dargestellt? Das Bild, das die Exilanten von Frankreich und den Franzosen vermitteln, wurde zweifellos durch Persönlichkeiten wie Lion Feuchtwanger entscheidend geprägt (cf. Tadeusz Skwara zu Feuchtwangers Bild von Frankreich im Roman Exil), doch muss es durch das vervollständigt werden, das die sogenannten kleinen Leute, die sich ins Exil retteten, von dieser Zeit entwerfen. Jacqueline Vansant untersucht in ihrem Beitrag das Bild des Gastlandes, das in der Korrespondenz (1939–1940) des aus Österreich geflohenen jüdischen Gymnasiasten Joachim Felberbaum entsteht. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage aufgeworfen, ob Judentum und Deutschtum in ihrem Verhältnis zueinander als unversöhnliches Gegensatzpaar erinnert oder aus französischer Sicht eher als sich im Exil einander ergänzend empfunden werden. Dass der Antifaschismus der aus den deutschsprachigen Ländern Geflohenen nur begrenzt gemeinschaftsbildend wirkte – und das sowohl in der Eigen- als auch in der Fremdwahrnehmung – lässt sich ab März 1938 u.a. am Verhältnis zwischen Deutschen und Österreichern in Frankreich erkennen, wie der Artikel von Jacques Lajarrige über Soma Morgenstern und die Internierungslager in Frankreich exemplarisch veranschaulicht.
Die unterschiedlichen theoretischen Ansätze der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung ermöglichten es, in den einzelnen Beiträgen zu diesem Band Formen und Medien der Erinnerungskultur sowie Mechanismen der Überlieferung und Transformation gesellschaftlicher Erinnerung am Beispiel des Erbes der deutschsprachigen Emigration in Frankreich zwischen 1933 und 1940 herauszuarbeiten und eine Brücke zu schlagen zwischen der deutschsprachigen Emigration zur Zeit des Nazismus und deren Fortbestand im Frankreich der Nachkriegszeit. Letztere Aufgabe hatten sich Annette Antignac und Dorothea Bohnekamp mit ihrem zweistimmigen Beitrag zur Gründung einer deutschen Buchhandlung durch zwei deutsch-jüdische Exilanten im Paris der Nachkriegszeit gestellt. Die Buchhandlung Calligrammes wurde zu einer Begegnungsstätte zwischen in Frankreich verbliebenen Emigranten, jüngeren deutschen Autoren und der französischen Leserschaft und förderte in den langen Jahren ihrer Existenz zahlreiche deutsch-französische Kulturinitiativen. Dass aus dem heutigen Frankreich fast alle deutschen Buchhandlungen verschwunden sind, mag hauptsächlich wirtschaftliche Gründe haben, kann uns aber zu Recht beunruhigen und schließt ein Kapitel der deutsch-französischen Beziehungen ab, dessen Anfänge auf die Exilzeit zurückgehen.
–Daniel Azuélos, Andrea Chartier-Bunzel, Frédéric Teinturier
1 Der Begriff wird – gemäß der Definition des französischen Historikers Pierre Nora – in einem weit gefassten Sinn gebraucht.
2 Der Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront war der erste und einzige Versuch im französischen Exil, Intellektuelle, Schriftsteller und Politiker aller Parteien zu einer antifaschistischen Front zusammenzuschließen.
À la suite d’événements honteux ou traumatisants,
la règle veut qu’une culture mémorielle ne se mette
en place qu’après un certain laps de temps.
— Aleida Assmann
Alors qu’en France il existe de nombreux lieux de mémoire (cf. Pierre Nora (éd.), Les lieux de mémoire, Collection Quarto, Paris, Gallimard) au sujet de la relation franco-allemande pendant le régime de Vichy et l’Occupation, il semble que la période précédente, qui a vu la France servir de refuge aux nombreux exilés de langue allemande, soit moins profondément ancrée dans la mémoire collective des Français, alors même que cette période n’est à l’évidence pas un traumatisme dans l’histoire de France. Des initiatives comme celle de la commune de Sanary-sur-Mer sont l’exception et le souvenir de ces années (1933–1940) demeure réservé à la recherche universitaire, aussi bien en Allemagne qu’en France. Anne Hartmann évoque la communauté littéraire de Sanary pendant l’exil qui est cependant devenue pour la municipalité actuelle un enjeu de culture mémorielle. Alors que la plupart des Parisiens savent que l’Hôtel Lutetia était l’adresse des services allemands de contre-espionnage pendant l’Occupation, peu sans doute gardent en mémoire qu’il avait depuis 1935 été le siège du « Comité pour la préparation d’un Front populaire allemand »1 (Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront), avant d’être transformé, immédiatement après la fin de la guerre, en station d’accueil des rescapés des camps de concentration.
Le souvenir des époques passées, ainsi que l’image que la postérité se fait d’une période historique donnée ne se résume pas aux seuls monuments commémoratifs. Textes de nature juridique, journalistique ou littéraire, écrits politiques et de combat, lettres, journaux intimes, films et photographies sont autant de témoins qui conservent et transmettent une trace des événements historiques pour les contemporains comme pour la postérité – et ce malgré le caractère parfois subjectif et contingent de ce qui est ainsi saisi. Les événements et les personnes qui trouvent leur place dans la mémoire collective d’un pays sont ceux, semble-t-il, dont la communauté nationale en question peut ou a pu avoir intérêt à se souvenir. On a pu, dans ce volume, mettre en valeur des manifestations purement politiques comme le Congrès antifasciste évoqué par Jacob Boas, évoquer des mythes chers aux exilés comme la chambre d’hôtel à travers la création littéraire, de Feuchtwanger à Klaus Mann (Alfred Prédhumeau), ou mettre en pleine lumière une figure tragique et peu connue de l’exil, Charlotte Salomon (Camille Jenn-Gastal).
Le 8ème Congrès de l’Association Internationale Lion Feuchtwanger (International Feuchtwanger Society) s’est principalement consacré aux sources qui ont nourri la mémoire collective en France et en Allemagne et qui ont forgé le discours mémoriel jusqu’à aujourd’hui. Quels souvenirs a-t-on en France aujourd’hui encore des émigrés de langue allemande entre 1933 et 1940? Dans quelle mesure ces souvenirs ont-ils été matérialisés, éventuellement aussi institutionnalisés ? Quels événements au contraire sont-ils exclus du souvenir, et n’ont-ils jamais pu trouver leur place dans la mémoire collective française ? Qu’a-t-il été transmis de cette période ? Michaela Enderle-Ristori s’est penchée tout particulièrement sur le rôle de la traduction vers le français comme vecteur de transmission des valeurs des exilés des années trente jusqu’à aujourd’hui. De quels types de documents et de discours s’est-on servi, consciemment ou inconsciemment, pour évoquer le souvenir de ces événements et pour les graver dans la mémoire? Pour répondre à ces interrogations, les contributeurs se sont penchés sur des documents français et étrangers, mais aussi sur le cas des médias spécifiques progressivement mis en place par l’émigration germanophone en général, sans oublier le cas particulier de l’émigration juive allemande et juive autrichienne.
Details
- Pages
- XXIV, 410
- ISBN (PDF)
- 9781789977189
- ISBN (ePUB)
- 9781789977196
- ISBN (MOBI)
- 9781789977202
- ISBN (Softcover)
- 9781789976687
- DOI
- 10.3726/b16441
- Language
- English
- Publication date
- 2020 (May)
- Keywords
- Feuchtwanger und die Erinnerungskultur in Frankreich Deutsche Literatur des Exils Deutschsprachige Emigration in Frankreich Deutsche Geschichte des 20. Jh
- Published
- Oxford, Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Wien, 2020. XXIV, 410 pp., 1 fig. col., 2 fig. b/w.