Phasenübergreifende Kooperation in der Lehramtsausbildung zur Verzahnung von Theorie und Praxis
Erfahrungen aus dem Modellprojekt Master Berufliche Bildung Integriert im QLB-Projekt Teach@TUM an der Technischen Universität München
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Zusammenfassung
- Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Theoretischer Teil
- 2.1 Das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Lehramtsausbildung
- 2.1.1 Die Theorie des Verhältnisses von Theorie und Praxis
- 2.1.2 Die Praxis des Verhältnisses von Theorie und Praxis
- 2.1.3 Verzahnung von Theorie und Praxis in der Lehramtsausbildung
- 2.2 Lehramtsausbildung im Versuch: Bisherige Maßnahmen zur Verbindung von Theorie und Praxis mit Fokus auf Kooperation
- 2.2.1 Modellversuch Einphasige Lehrerausbildung (MV ELAB), Oldenburg und Osnabrück
- 2.2.2 Modellversuch Effektivierung der Lehrerausbildung in der 1. und 2. Ausbildungsphase durch Kooperation und Medieneinsatz (ELKOM), Kiel
- 2.2.3 Modellversuch Förderung von innovativen Lernprozessen in der dualen Berufsausbildung am Beispiel der beruflichen Umweltbildung (IBU), Hannover
- 2.2.4 Modellversuch Praxisjahr Biberach, Weingarten
- 2.2.5 Jenaer Modell der Lehrerbildung, Jena
- 2.2.6 Sondermaßnahme Master of Vocational Education/Lehramt an beruflichen Schulen, Flensburg
- 2.2.7 Zentrum für Lehrerbildung, Hamburg und Professional School, Paderborn
- 2.2.8 Fazit zu bisherigen Maßnahmen, aktuelle Maßnahmen und erste Folgerungen für Bedingungen phasenübergreifender Kooperation
- 2.3 Phasenübergreifende Kooperation
- 2.3.1 Kooperation: Begriffsbestimmung und zentrale Bedingungen
- 2.3.2 Professionelle Lerngemeinschaften
- 2.3.3 Der hybride Raum als Ort zur phasenübergreifenden Kooperation
- III. Praktischer Teil
- 3.1 Der Masterstudiengang Berufliche Bildung Integriert
- 3.1.1 Zielgruppe und Bewerbungsverfahren
- 3.1.2 Aufbau des Studiums
- 3.1.3 Besonderheiten bei der inhaltlichen Gestaltung des Studiengangs
- 3.2 Ein Programm als Rahmen für die Kooperation
- 3.2.1 Konzeptionelle Rahmung
- 3.2.2 Das Professionalisierungs- und Kooperationsprogramm im MBBI
- 3.2.3 Die Umsetzung des Professionalisierungs- und Kooperationsprogramms
- 3.2.3.1 Thementag 1: Kompetenzorientierte Curriculumsentwicklung
- 3.2.3.2 Thementag 2: Unterrichtsqualität – Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards
- 3.2.3.3 Thementag 3: Theorie-Praxis-Verzahnung in Universität und Seminarschulen
- 3.2.3.4 Thementag 4: Theorie-Praxis-Verzahnung in Universität und Seminarschulen
- 3.2.3.5 Thementag 5: Theorie-Praxis-Verzahnung in Universität und Seminarschulen
- 3.2.3.6 Ein erstes Fazit nach fünf Thementagen
- IV. Empirischer Teil
- 4.1 Fragestellungen und Ziele
- 4.2 Methodisches Vorgehen
- 4.2.1 Untersuchungsdesign
- 4.2.2 Datengrundlage und Erhebungsinstrumente
- 4.2.2.1 Interview 1 (MZP 1)
- 4.2.2.2 Fragebogen zur Kooperation in der Lehrerbildung 1 (MZP 1)
- 4.2.2.3 Evaluationsbögen (MZP 2–5)
- 4.2.2.4 Interview 2 (MZP 5)
- 4.2.2.5 Fragebogen zur Kooperation in der Lehrerbildung 2 (MZP 5)
- 4.2.3 Gewährleistung der Güte und Umgang mit den erhobenen Daten
- 4.2.4 Stichprobe
- V. Ergebnisse und Diskussion
- 5.1 Frage 1: Ausprägungen der phasenübergreifenden Kooperation
- 5.1.1 Datengrundlage und methodisches Vorgehen bei der Auswertung
- 5.1.2 Ergebnisse zu der Kooperation vor dem MBBI
- 5.1.2.1 Bisherige Kooperationserfahrung
- 5.1.2.2 Ziele für phasenübergreifende Kooperation
- 5.1.2.3 Stellenwert der phasenübergreifenden Kooperation in der Lehramtsausbildung
- 5.1.2.4 Gründe für die Wichtigkeit der phasenübergreifenden Kooperation in der Lehramtsausbildung
- 5.1.3 Ergebnisse zu der initiierten Kooperation sowie Vergleich zur Ausgangslage
- 5.1.3.1 Kooperationsaktivitäten im MBBI
- 5.1.3.2 Kooperationsbereiche im MBBI
- 5.1.3.3 Gründe für die Wichtigkeit der phasenübergreifenden Kooperation in der Lehramtsausbildung nach den Erfahrungen im MBBI
- 5.1.3.4 Ziele der phasenübergreifenden Kooperation im MBBI
- 5.1.3.5 Bewertung der Kooperationen im MBBI
- 5.2 Frage 2: Bedingungen für die phasenübergreifende Kooperation
- 5.2.1 Datengrundlage und methodisches Vorgehen bei der Auswertung
- 5.2.2 Gelingensaspekte aufseiten der Lehrenden
- 5.2.2.1 Einschätzungen zu Gelingensaspekten vor der phasenübergreifenden Kooperation im MBBI
- 5.2.2.2 Gelingensaspekte im Verlauf des Prozesses
- 5.2.2.3 Gelingensaspekte nach einem Jahr der phasenübergreifenden Kooperation
- 5.2.2.4 Entwicklungen von der Ausgangslage zum Stand nach einem Jahr (MZP 1 zu MZP 5): Erwartungen zum Gelingen treffen auf Realität
- 5.2.3 Herausforderungen aufseiten der Lehrenden
- 5.2.3.1 Einschätzungen zu Herausforderungen vor der phasenübergreifenden Kooperation im MBBI
- 5.2.3.2 Herausforderungen im Verlauf des Prozesses
- 5.2.3.3 Herausforderungen nach einem Jahr der phasenübergreifenden Kooperation
- 5.2.3.4 Entwicklungen von der Ausgangslage zum Stand nach einem Jahr (MZP 1 zu MZP 5): Erwartungen zu Herausforderungen treffen auf Realität
- 5.3 Diskussion der zentralen Ergebnisse
- 5.3.1 Kooperationserfahrungen der Lehrenden vor dem MBBI
- 5.3.2 Initiierte Kooperationen im MBBI
- 5.3.3 Kooperationsbereiche und Kooperationsziele im MBBI
- 5.3.4 Stellenwert der Kooperation und vertiefende Einblicke in die Einstellungen der Lehrenden zur Kooperation
- 5.3.5 Beurteilung der Kooperation im MBBI
- 5.3.6 Zwei Sonderfälle: Physikdidaktik und Metalldidaktik
- 5.3.7 Gelingensaspekte und Herausforderungen phasenübergreifender Kooperation
- VI. Fazit und Ausblick
- 6.1 Zusammenfassung der Arbeit und Implikationen für die Lehramtsausbildung
- 6.2 Limitationen und weitere Forschungsperspektiven
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- VII. Literaturverzeichnis
- Reihenübersicht
I. Einleitung
Anders als in beinahe allen1 anderen Ländern der Welt2 (Czerwenka & Nölle, 2014, S. 468; Larcher & Oelkers, 2004, S. 143) ist die Lehramtsausbildung in Deutschland formal getrennt in einen Studiengang (Bachelor und Master oder Staatsexamen) an einer Universität3 sowie einen darauffolgenden Vorbereitungsdienst, der durch Staatliche Studienseminare4 verantwortet wird (Bellenberg & Thierack, 2003; Kleinespel & Lütgert, 2008). Diese formale Organisation beinhaltet aufgrund der historischen Entwicklung der Lehramtsausbildung in Deutschland (Makrinus, 2013; Schüpbach, 2005; Tack, 1982; Terhart, 2009) eine weitgehende Trennung von Theorie, auf der Seite der Universitätsausbildung, und Praxis, auf der Seite des Vorbereitungsdienstes (Hedtke, 2000; Iffert & Horeth, 2007, S. 201–202; Speck, Schubarth & Seidel, 2007, S. 11; Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland [KMK], vom 2004 i. d. F. vom 2014). Die Lehramtsstudierenden erleben dadurch zwei Ausbildungsphasen, die einer jeweils eigenen Logik der beiden getrennt voneinander arbeitenden Institutionen folgen und nicht systematisch aufeinander abgestimmt sind (Prenzel, 2013; Schaefers, 2002; Wigger, 2010). Die Zwei-Teilung der Ausbildung kann bei angehenden Lehrkräften zu Problemen wie einem ‚Praxisschock‘5, fehlender Anschlussfähigkeit, Redundanzen, Wissenslücken, Widersprüchen und zu einem damit verbundenen Zeitverlust führen (z.B. Arnold, 2010; Berntzen et al., 1998; Iffert & Horeth, 2007, S. 201–202; Schubarth, Speck, Große, Seidel & Gemsa, 2006; Terhart, 2004; Terhart, Czerwenka, Ehrich, ←17 | 18→Jordan & Schmidt, 1994). Dabei scheint jede Phase für sich aufgrund ihrer eigenen Qualitäten ihre Berechtigung zu haben und einen Teil zur Professionalisierung der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter beizutragen (Hericks, 2004, S. 302–303; Schüpbach, 2011, S. 39). „Die Ausbildung an und durch Wissenschaft soll verhindern, dass Berufsneulinge unter dem Druck des Berufsalltags in die Routinen des je Vorhandenen eingegliedert werden.“ (Terhart, 2004, S. 44). Doch dieses Ziel scheint nicht aufzugehen. Stattdessen wird das an der Universität Gelernte oftmals zu trägem Wissen, das nicht in praktisches Handeln übersetzt werden kann (Hascher, 2014, S. 548; Neuweg, 2011, S. 33; Schratz & Wieser, 2002, S. 22; Stadelmann, 2006, S. 157). Es gelingt den Studierenden nur selten, „(…) diese Wissensinhalte in einen inneren Sinneszusammenhang zu bringen und ihnen eine Bedeutung für ihre zukünftige Handlungskompetenz als Lehrer bzw. Lehrerin beizubemessen.“ (Arens, 1999, S. 68). Wenn Referendarinnen und Referendare erstmals selbst in der Situation sind, Unterricht zu planen und durchzuführen, greifen sie entsprechend oftmals auf Strategien zurück, die sie als Schülerinnen und Schüler selbst erlebt oder bei anderen Lehrkräften beobachtet haben, anstatt das theoretische Wissen aus der Universität in praktische Unterrichtshandlungen zu übersetzen (Dewey, 1992, S. 298; Hascher, 2014; im Überblick: Schaefers, 2002; Schrittesser, 2014, S. 40).
Denn eine Besonderheit der Lehramtsausbildung gegenüber anderen Berufsausbildungen besteht darin, dass die Studierenden bereits langjährige Schulerfahrungen haben und daher mit klaren Vorstellungen und gefestigten Überzeugungen zum guten Unterricht die Ausbildung beginnen. Diese Überzeugungen und Vorstellungen erweisen sich als äußerst robust, sodass Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter oftmals nicht an wissenschaftlich fundierten Kenntnissen zum Lernen und Lehren interessiert sind (Biedermann, Brühwiler & Krattenmacher, 2012, S. 460).
Die Aufgabe der ersten Phase sei es daher, die Brücke zwischen dem vorhandenen Schülerverhalten und -empfinden und der gewünschten Lehrerrolle zu schlagen (Baumann, 1982, S. 350). Gelingt ihr das nicht, passiert es, „(…) dass Studierende, die das erste Staatsexamen erhalten und meinen, bis hierhin war die Theorie und jetzt kommt die Praxis, im Vorbereitungsdienst gerade jene theoretischen-reflektorischen Kompetenzen nicht in ausreichendem Maße nachweisen, die das selbst-entwickelnde Element eines ‚Lernens im Beruf‘ ausmachen.“ (Iffert & Horeth, 2007, S. 202).
Eine solche „fatale“ Auffassung, es gehe im Vorbereitungsdienst „(…) nur noch um Handwerk (…)“, blockiere die Entwicklung eines „ (…) reflektierenden Praktikers (…)“ (Iffert & Horeth, 2007, S. 202).
←18 | 19→Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass erwünschte Effekte der ersten Phase, wie z.B. eine offene Haltung gegenüber Schülerinnen und Schülern durch Sozialisations- und Lernprozesse in der zweiten Phase revidiert werden (Brouwer & Brinke, 1995, S. 4; Hascher, 2014, S. 548; Zeichner & Tabachnick, 1981). Müller-Fohrbrodt, Cloetta und Dann (1978, S. 43), die den Praxisschock erstmals für Deutschland mit einer großen Quer- und Längsschnittstudie empirisch erforschten, halten fest, dass die beiden Phasen nicht in dieselbe Richtung wirken, sondern dass stattdessen die zweite Phase eine Art Kurswechsel gegenüber der ersten Phase darstelle.
Seit Jahrzehnten wird daher bereits über das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Lehramtsausbildung diskutiert (Scheidig, 2018, S. 135). Zentrale Diskussionsthemen sind beispielsweise „(…) wieviel ‚Theorie‘ und wieviel ‚Praxis‘ angehende Lehrerinnen eigentlich benötigen, um ihren Beruf kompetent ausüben zu können, welche Aufgaben den einzelnen Phasen der Lehrerinnenbildung im einzelnen zukommen, ob die erste und die zweite Phase funktionell strikt getrennt oder aber stärker aufeinander bezogen werden sollen, ob und unter welchen Prämissen überhaupt gesichert ist, dass zweiphasige Konzepte einphasigen Konzepten überlegen sind (…).“ (Neuweg, 2004, S. 14).
Doch diese Diskussion hat bislang noch nicht dazu geführt, dass sich die beiden Phasen mitsamt ihren Institutionen im Sinne einer kohärenten Lehramtsausbildung angenähert haben. Ganz im Gegenteil: Drewek (2013, S. 21) urteilt nach all den Jahrzehnten der Diskussion, dass sich die „(…) Kluft zwischen Theorie und Praxis in der Ausbildung der Lehrer (…)“ durch die „(…) fortschreitende Verwissenschaftlichung der Lehrerbildung (…)“ in den zurückliegenden Jahren „(…) paradoxerweise noch vergrößert (…)“ habe, obwohl diese „(…) traditionell zugunsten einer besseren Abstimmung sowie wechselseitiger Durchdringung von Theorie und Praxis gefordert worden (…)“ sei.
Das derzeitige Konzept der Trennung von Theorie und Praxis entspricht demnach nicht mehr den Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen Lehramtsausbildung (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland [KMK], 2004; Terhart, 2000), sodass bereits seit einigen Jahren Reformen diskutiert, gefordert und zum Teil auch durchgeführt werden (Bund-Länder-Kommission [BLK], 2013; Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft [DGFE], 2003). Es ergibt sich die Notwendigkeit einer stärkeren Verknüpfung der beiden Ausbildungsphasen (Arnold, 2010; Keuffer & Oelkers, 2001; Speck et al., 2007), um das Theorie- und Handlungswissen der angehenden Lehrkräfte zu verbinden (Bauer, Prenzel & Renkl, 2015; Reh, 2005), welches diese für ihre Lehr- und Lernprozesse in den unterschiedlichsten Unterrichtssituationen benötigen. Denn eine erfolgreiche Lehramtsausbildung unterstützt ←19 | 20→die Überführung von theoretischem Wissen in praktisches Können, was für die Arbeit als Lehrkraft unerlässlich ist (Kunter, 2011; Nölle, 2002). Darüber hinaus konnten Keuffer und Oelkers (2001) bei einer Befragung von Hamburger Lehramtsstudierenden sowie Schubarth, Speck und Seidel (2010) bei einer Untersuchung in Brandenburg feststellen, dass sich Studierende sowie Referendarinnen und Referendare ebenfalls eine bessere Verknüpfung der beiden Phasen wünschen.
Nach Ergebnissen einer Delphi-Studie von Jäger und Behrens mit Expertinnen und Experten der Lehramtsausbildung, die bereits im Jahr 1994 durchgeführt wurde, wird „Als mögliches ‚Zukunftsmodell‘ der Lehrerbildung (wird) von den Lehrenden eine enge Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase über gemeinsame Veranstaltungen, Prüfungen, Austausch von Personal sowie Bildung gemeinsamer Ausschüsse präferiert.“ (Schaefers, 2002, S. 71).
Ein derartiges Zukunftsmodell wurde auch nach mehr als zwanzig Jahren, wie in Kapitel 2.2 dargestellt wird, noch nicht systematisch und nachhaltig umgesetzt. Zahlreiche nationale und internationale Befunde verdeutlichen den Nutzen der Kooperation für Lehrkräfte und Schulen für eine Professionalisierung im Rahmen von Qualitätsentwicklungsprozessen (Admiraal, Lockhorst, Beishuizen & Pilot, 2007; Cochran-Smith & Lytle, 1999; Moonen & Voogt, 2000; Ostermeier, 2004; Prenzel & Fischer, 2009; van Es, 2012). Daher lässt sich annehmen, dass diese auch für eine phasenübergreifende Professionalisierung eine zentrale Rolle spielt. Die Wichtigkeit der Kooperation wird darüber hinaus z.B. durch die Aussagen von Seminarlehrkräften deutlich, die in einer Interviewstudie angaben, „(…) dass sie die Theorie-Praxis-Verknüpfung eher als Aufgabe der Hochschule und des Seminars betrachten.“ (Dieck et al., 2010, S. 107). Bisher scheint jede Phase der jeweils anderen den schwarzen Peter für die Mängel und die Probleme in der Lehramtsausbildung sowie die daraus resultierenden Konsequenzen und Aufgaben zuzuschieben (Bendig, 1999, S. 31); in der Tendenz sei das Verhältnis von Theoretikern und Praktikern von Misstrauen und gegenseitiger Geringschätzung geprägt (Jäger & Behrens, 1994, S. 65). So kommen auch Dieck und Kollegen (2010, S. 107) nach der Analyse des Modellversuchs Praxisjahr Biberach an der Pädagogischen Hochschule Weingarten zu dem Ergebnis, dass es für eine reflexive Theorie-Praxis-Verknüpfung kontinuierlicher gemeinsamer Austauschprozesse aller beteiligten Institutionen bedarf. Jedoch zeigt ein Strukturvergleich zwischen erster und zweiter Phase, „(…) dass ein gemeinsames Interesse an einer Kooperation nicht per se vorausgesetzt werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine schwierige, insgesamt eher divergierende Interessenlage und um deutliche Strukturunterschiede, die den bisherigen Mangel an Kooperation zumindest teilweise erklären können.“ (Schubarth, 2010, S. 85).
←20 | 21→Dies lässt den Schluss zu, dass eine phasenübergreifende Kooperation gut geplant und angeleitet, sowie kontinuierlich begleitet und unterstützt werden muss.
Diesen Plan verfolgt der neu implementierte Masterstudiengang Berufliche Bildung Integriert (MBBI) an der Technischen Universität München. Mit diesem Studiengang will man einen Schritt weitergehen als bisherige Konzepte und Maßnahmen, indem die beiden Ausbildungsphasen organisatorisch, strukturell und curricular miteinander verbunden werden sowie die inhaltliche Abstimmung zwischen den Lehrerbildenden der beiden Phasen in Richtung „(…) des Sprechens einer gemeinsamen Sprache (…)“ angestrebt wird (Herrmann & Reiss, 2014, S. 7). Auf diese Weise sollen die Stärken beider Phasen zusammengeführt werden, sodass ein phasenübergreifendes, abgestimmtes Konzept für die Lehramtsausbildung entsteht. Durch ein abgestimmtes Curriculum wird die Vernetzung der Lernorte Universität sowie Schule und Studienseminar auf inhaltlicher Ebene systematisch umgesetzt. Dabei werden vor allem fachdidaktische, erziehungswissenschaftliche und unterrichtspraktische Komponenten der Lehramtsausbildung inhaltlich miteinander verknüpft, wobei die Betreuung der Studierenden kooperativ von beiden Ausbildungsinstitutionen übernommen wird (Herrmann & Reiss, 2014, S. 7).
Dazu begann vor dem Studienstart der ersten Kohorte im Wintersemester 2016/17 ein strukturiertes Kooperationsprogramm aller am Studiengang beteiligten Personen der beiden Ausbildungsphasen. Die Konzeption und Umsetzung des Kooperationsprogrammes basiert auf aktuellen Befunden zu den Prinzipien effektiver Professionalisierung und Kooperationen in interdisziplinären Teams (z.B. Gräsel, Pröbstel, Freienberg & Parchmann, 2006; Gröschner, Seidel, Pehmer & Kiemer, 2014; Kunina-Habenicht, Decker & Kunter, 2016; Lipowsky, 2004; Lipowsky, Rzejak & Dorst, 2011; Little, 2002). Dabei wird mittels gemeinsamer Treffen, sogenannten Thementagen, und darauffolgenden Erarbeitungsphasen die Qualität der fachlichen, erziehungswissenschaftlichen und didaktischen Lehre und Betreuung weiterentwickelt, indem Kooperation und Austausch zwischen den an der Ausbildung beteiligten Lehrenden aus Universität und Studienseminar durch Input von Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis angeregt und systematisch durch ein interdisziplinäres Team begleitet werden. Abb. 1 gibt einen zeitlichen Überblick über die Thementage und Erarbeitungsphasen in den Jahren 2016 und 20176.
Details
- Pages
- 286
- Publication Year
- 2020
- ISBN (PDF)
- 9783631836552
- ISBN (ePUB)
- 9783631836569
- ISBN (MOBI)
- 9783631836576
- ISBN (Hardcover)
- 9783631826119
- DOI
- 10.3726/b17677
- Language
- German
- Publication date
- 2020 (September)
- Keywords
- Lehramtsausbildung Theorie-Praxis-Verzahnung Phasenübergreifende Kooperation Modellversuch Qualitätsoffensive Lehrerbildung
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 286 S., 62 s/w Abb., 3 Tab.
- Product Safety
- Peter Lang Group AG