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Bühne und Bürgertum

Das Hamburger Stadttheater (1770–1850)

von Bernhard Jahn (Band-Herausgeber:in) Claudia Maurer Zenck (Band-Herausgeber:in)
©2016 Konferenzband 593 Seiten

Zusammenfassung

Der vorliegende Band versammelt die Beiträge einer interdisziplinär ausgerichteten Tagung, die im März 2015 in Hamburg stattfand und das Hamburger Stadttheater (1770–1850) zum Thema hatte. Im Mittelpunkt der ersten Sektion steht die Frage nach dem spezifischen Profil des Hamburger Stadttheaters, die durch Vergleiche mit anderen Stadt- und Hoftheatern der Zeit perspektiviert wird. Aspekte der Spielplangestaltung, der Repertoirebildung und der dabei verwendeten Gattungen des Sprech- und Musiktheaters bilden das Thema der zweiten Sektion. Die Beiträge des dritten Teils widmen sich den Akteuren des Hamburger Theaters sowie den Austauschprozessen zwischen Bühne, Theaterpublikum und Presse. Die vierte Sektion beschäftigt sich mit der Kanonbildung am Beispiel von Shakespeare-, Lessing- und Beaumarchais-Aufführungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Bühne und Bürgertum. Das Hamburger Stadttheater 1770–1850. Einleitung
  • I. Hof- und Stadttheater: Ihre spezifischen Profile und Interaktionsmuster
  • Die Aufführungsmaterialien des Hamburger Stadttheaters
  • 1. Die Textbücher
  • 2. Die musikalischen Aufführungsmaterialien
  • Stuttgarter Hoftheater und Hamburger Stadttheater: Institutionen der deutschsprachigen Theaterlandschaft zwischen regionaler Prägung und Kulturtransfer
  • 1. Hof- und Stadttheater
  • 2. Vorgeschichten: Die Stuttgarter Hofoper und Fürstenkapelle und das bürgerlich geprägte Hamburger Sprechtheater
  • 3. Selbstinszenierungen und Erinnerungsfiguren: das kulturelle Gedächtnis der Institutionen im neunzehnten Jahrhundert
  • 4. Gastspiele und Repertoire
  • Musiktheater für das Bürgertum? Zum Profil des Leipziger Theaters zwischen 1770 und 1800
  • Zwischen Hof und Stadt. Die Etablierung bürgerlicher Sekundär-Theater in Berlin und München
  • 1. Stadtentwicklung und Bürgerkultur
  • 2. Institution, Finanzierung, Verwaltung
  • 3. Berlin, Königsstädtisches Theater/Königliches Schauspiel
  • 4. München, Isarthor-Theater/Hof- und Nationaltheater
  • 5. Die Erprobung der ‚Bürgerlichen Theater-Institution’
  • Ingenieure der Theaterkunst. Die Professionalisierung der Theaterregie im 19. Jahrhundert am Beispiel des Düsseldorfer Stadttheaters unter Karl Immermann (1834–1837)
  • 1. Karl Immermann geht in Hamburg ins Theater
  • 2. Düsseldorf: Ein Theater ohne alle lukrative Zwecke
  • 3. Stadttheater als Projekt
  • 4. Professionalisierung der Theaterregie
  • Überlegungen zum Weimarer Hoftheater im ungewohnten Kontext von Bühne und Bürgertum1
  • II. Gattungen und die Praxis der Spielplangestaltung
  • Der bunte Theaterabend. Zur Entwicklung, Gestaltung und Funktion von Potpourri-Programmen am Hamburger Stadttheater
  • Virtuosen als Interpreten und Bühnenfiguren im Hamburger Stadttheater
  • Niederdeutsch in den Dramen des Hamburger Stadttheaters und als Alltagssprache um 1800
  • 1. Niederdeutsch und Missingsch im Hamburger Stadttheater
  • 1.1. Niederdeutsch
  • 1.2. Niederdeutsch und Hochdeutsch
  • 1.3. Missingsch
  • 1.4. Niederdeutsch in den Konzert- und Deklamationsveranstaltungen
  • 1.5. Ein Fazit: Niederdeutsche Theaterpraxis im Hamburger Stadttheater zwischen 1770 und 1850
  • 2. Niederdeutsch in Hamburg zwischen 1770 und 1850
  • 2.1. Metasprachliche Zeugnisse
  • 2.2. Objektsprachliche Zeugnisse
  • 3. Fazit: Niederdeutsch in der Theaterpraxis und als Alltagssprache
  • Anhang Niederdeutsches in Konzert- und Deklamationsveranstaltungen
  • Das Repertoire des französischen Theaters und Beispiele von Übersetzungen französischer Opern für das deutsche Theater in Hamburg
  • 1. Das französische Theater in der Hamburger Presse
  • 2. Das Repertoire im Spiegel der Periodika
  • 3. Die Bearbeitung französischer Stücke am deutschen Theater in Hamburg
  • ANHANG 1 Repertoire des „französischen Schauspiels“ gemäß der Berichte in den Periodika
  • ANHANG 2 Autoren, Librettisten, Komponisten und Werke, die in den Periodika genannt sind
  • Hamburgisch- und altonaische Theater- und Litteratur-Zeitung (1799)ed)
  • Nordische Miszellen (1804–1810)
  • Musiktheater
  • Komödien, Dramen, Vaudevilles, Melodramen
  • Hamburg und Altona (1801–1806)
  • Musiktheater
  • Komödien, Dramen, Vaudevilles, Melodramen
  • Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (1804)
  • Musiktheater
  • Komödien, Dramen, Vaudevilles
  • ANHANG 3 Repertoire-Auswahl französischer Opern am deutschen Theater Hamburg
  • „Abgegriffene Musiklappen“. Das Melodrama von Pygmalion bis Cardillac in Hamburg
  • 1. Die Melodramen des 18. Jahrhunderts in Hamburg
  • 2. „Die wahre Begeisterung des Gefühls“ – das Melodrama des 19. Jahrhunderts
  • 3. Musikalische Konsequenzen: Charakter und „Gemüthlichkeit“
  • 4. „Abgegriffene Musiklappen“ – Carl Blum: Drei Tage aus dem Leben eines Spielers (1828) und Georg Abraham Schneider: Cardillac (1831)
  • III. Theaterpraxis in Hamburg: Akteure und Aufführungen
  • Bild, Bühne, Bürgertum. Intermediale Formen der Gemeinschaftsstiftung am Beispiel der Hamburger Inszenierungen von A. W. Ifflands Friedrich von Oesterreich (1790) und F. L. Schmidts Der Tag der Erlösung (1814–1863) sowie der Wiener Inszenierung von Joseph Sonnleithners Die Weihe der Zukunft (1814)*
  • 1. Gemeinschaft im Tableau
  • 2. Visuelle Gemeinschaftsstiftung im Theater des 18. und 19. Jahrhunderts
  • 3. August Wilhelm Ifflands Friedrich von Oesterreich, Hamburg 1790
  • 4. Friedrich Ludwig Schmidts Prolog Der Tag der Erlösung, Hamburg 1814
  • 5. Joseph Sonnleithners Die Weihe der Zukunft, Wien 1814
  • Johann Friedrich Schink und das Theater in Hamburg in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts
  • 1.
  • 2.
  • 3.
  • 4.
  • Ifflands Gastrollen auf dem Hamburger Stadttheater im Jahr 1805
  • „Aber in Hamburg war Sollen und Wollen gegen mich“ Karoline Schulze-Kummerfeld (1742–1815) und das Hamburger Publikum
  • 1. Karoline Schulze-Kummerfeld (1742–1815)
  • 2. Die Lebenserinnerungen
  • 2.1. Die Überlieferung
  • 2.2. Die Editionen
  • 3. Kummerfeld und das Hamburger Publikum
  • 4. Resümee
  • Zur Kotzebue-Rezeption am Hamburger Stadttheater zu Lebzeiten des Erfolgsautors – unter besonderer Berücksichtigung bürgerlicher und aristokratischer Wertvorstellungen
  • 1. Kotzebue im Spannungsfeld von Bürgertum und Aristokratie
  • 2. Kotzebues Werke im Spielplan des Hamburger Stadttheaters. Ein Überblick
  • 2.1. Quantitative Betrachtung
  • 2.2. Zur Bedeutung der musikdramatischen Werke im weitesten Sinn
  • 2.3. Unspezifische Musik der Zwischenaktsammlungen ND VII 524 und 525
  • 2.4. Die Hamburger Kotzebue-Rezeption im Vergleich mit Berlin und Wien
  • 3. Gründe für den Erfolg oder Misserfolg der Schauspiele Kotzebues in Hamburg
  • 4. Zu den Hamburger Bühnenfassungen der Schauspiele Kotzebues
  • 4.1. Die Hamburger Aufführungen des Dorfs im Gebirge in den Jahren 1811/12
  • 4.2. Kontextualisierung
  • 5. Zusammenfassung
  • IV. Theaterpraxis in Hamburg: Klassikerbildung
  • Im Licht des Hamburger Nationaltheaters: Lessings Aufklärungskomödie Minna von Barnhelm
  • 1. Ein vielversprechendes Angebot und sein Vorlauf
  • 2. Anfang und Aufschub
  • 3. Ein Stück von deutschem Nationalgehalt
  • 4. Eine Komödie neuen Zuschnitts
  • 5. Die Aufklärungskomödie
  • 6. Jenseits der Entreprise
  • Bürgerliches Theater? Zu Friedrich Ludwig Schröders Bühnenbearbeitung von Beaumarchais’ Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit
  • 1. Bürgertum und Bürgerlichkeit im 18. Jahrhundert
  • 2. Zu Beaumarchais’ Komödie
  • 3. Zu Schröders Bühnenbearbeitungen
  • 4. Fazit
  • Der Hamburger Kaufmann von Venedig. Übersetzung, Bearbeitung und Inszenierung von Schröder bis Schlegel
  • 1. Die Bearbeitung Schröders
  • 2. Shylock auf der Bühne
  • 2.1. Der Hamburger Shylock
  • 2.2. Zeitgenössische Interpretationen des Shylock
  • 3. Die Übersetzung Schlegels
  • 4. Übersetzungskonzepte im 18. Jahrhundert
  • 4.1. Ein Vergleich der Textfassungen
  • Schröders und Bocks King Lear-Bühnenadaptionen der 1770er. Eschenburgs Kommentar als dramaturgischer Baukasten
  • 1. König Lears Auftritt im deutschsprachigen Theater
  • 2. Samuel Johnson als Bezugspunkt bei Eschenburg
  • 3. Schröders und Bocks Bühnenfassungen: Mitleidsdramaturgie und abgemilderte Enden
  • 4. Tate-Anleihen bei Bock – und auch bei Schröder
  • Hamburgische und britische Dramaturgie der Komödie. Das Hamburger Theater im 18. Jahrhunderts als interkultureller Verhandlungsort
  • 1. Einleitende Bemerkungen zur Dramaturgie der Komödie
  • 2. Bearbeitungstendenzen bei der Adaption zeitgenössischer britischer Komödien
  • 3. Bürgerliche Gesinnung an Shakespeares Höfen – Much Ado about Nothing auf der Hamburger Bühne
  • 4. Schlussbemerkung: Bühnenübersetzungen als interkulturelles Interface
  • Shakespeare, Kotzebue, Beaumarchais: Blicke in die Hamburger Schauspielmusik-Werkstatt
  • Vorbemerkungen
  • 1. Quellenproblematik
  • 2. Musikalische Facetten Hamburger Schauspielabende
  • 2.1. Carl David Stegmanns Musik zu William Shakespeares King Lear (1778)
  • 2.2. Carl Hanke, Musik zu Pierre Augustin Caron de Beaumarchais’ Figaro oder der tolle Tag
  • 2.3. August von Kotzebue, Bruder Moritz und das Konzert im Schauspiel
  • 3. Der große Rest: Die „gewöhnlichen“ Abende
  • 4. Exklusive Kompositionen fremder Provenienz
  • Fazit und Ausblick
  • Anhang: Übersicht über die für gewöhnliche Schauspielabende zur Verfügung stehende ‚Fundusmusik‘63
  • Register der Orts- und Personennamen

Bernhard Jahn / Claudia Maurer Zenck (Hrsg.)

Bühne und Bürgertum

Das Hamburger Stadttheater (1770–1850)

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Autorenangaben

Bernhard Jahn, Professor für Deutsche Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg; Forschungsschwerpunkte unter anderem: Theater, Intermedialität, Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit. Claudia Maurer Zenck, Professorin (i.R.) für Historische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg; Forschungsschwerpunkte unter anderem: Ernst Krenek; Musik im Exil und im „Dritten Reich“, Mozart, Oper um 1800 in Hamburg.

Über das Buch

Der vorliegende Band versammelt die Beiträge einer interdisziplinär ausgerichteten Tagung, die im März 2015 in Hamburg stattfand und das Hamburger Stadttheater (1770–1850) zum Thema hatte. Im Mittelpunkt der ersten Sektion steht die Frage nach dem spezifischen Profil des Hamburger Stadttheaters, die durch Vergleiche mit anderen Stadt- und Hoftheatern der Zeit perspektiviert wird. Aspekte der Spielplangestaltung, der Repertoirebildung und der dabei verwendeten Gattungen des Sprech- und Musiktheaters bilden das Thema der zweiten Sektion. Die Beiträge des dritten Teils widmen sich den Akteuren des Hamburger Theaters sowie den Austauschprozessen zwischen Bühne, Theaterpublikum und Presse. Die vierte Sektion beschäftigt sich mit der Kanonbildung am Beispiel von Shakespeare-, Lessing- und Beaumarchais-Aufführungen.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Inhalt

Bernhard Jahn

Bühne und Bürgertum. Das Hamburger Stadttheater 1770–1850.
Einleitung

I. Hof- und Stadttheater: Ihre spezifischen Profile und Interaktionsmuster

Jürgen Neubacher

Die Aufführungsmaterialien des Hamburger Stadttheaters

Antje Tumat

Stuttgarter Hoftheater und Hamburger Stadttheater: Institutionen der deutschsprachigen Theaterlandschaft zwischen regionaler Prägung und Kulturtransfer

Panja Mücke

Musiktheater für das Bürgertum? Zum Profil des Leipziger Theaters zwischen 1770 und 1800

Meike Wagner

Zwischen Hof und Stadt. Die Etablierung bürgerlicher Sekundär-Theater in Berlin und München

Jens Roselt

Ingenieure der Theaterkunst. Die Professionalisierung der Theaterregie im 19. Jahrhundert am Beispiel des Düsseldorfer Stadttheaters unter Karl Immermann (1834–1837)

Saskia Maria Woyke

Überlegungen zum Weimarer Hoftheater im ungewohnten Kontext von Bühne und Bürgertum

II. Gattungen und die Praxis der Spielplangestaltung

Friederike Mühle

Der bunte Theaterabend. Zur Entwicklung, Gestaltung und Funktion von Potpourri-Programmen am Hamburger Stadttheater←5 | 6→

Petra Eisenhardt

Virtuosen als Interpreten und Bühnenfiguren im Hamburger Stadttheater

Ingrid Schröder

Niederdeutsch in den Dramen des Hamburger Stadttheaters und als Alltagssprache um 1800

Herbert Schneider

Das Repertoire des französischen Theaters und Beispiele von Übersetzungen französischer Opern für das deutsche Theater in Hamburg

Ivana Rentsch

„Abgegriffene Musiklappen“. Das Melodrama von Pygmalion bis Cardillac in Hamburg

III. Theaterpraxis in Hamburg: Akteure und Aufführungen

Martin Schneider

Bild, Bühne, Bürgertum. Intermediale Formen der Gemeinschaftsstiftung am Beispiel der Hamburger Inszenierungen von A. W. Ifflands Friedrich von Oesterreich (1790) und F. L. Schmidts Der Tag der Erlösung (1814–1863) sowie der Wiener Inszenierung von Joseph Sonnleithners Die Weihe der Zukunft (1814)

Peter Heßelmann

Johann Friedrich Schink und das Theater in Hamburg in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts

Alexander Košenina

Ifflands Gastrollen auf dem Hamburger Stadttheater im Jahr 1805

Gudrun Emberger

„Aber in Hamburg war Sollen und Wollen gegen mich“ Karoline Schulze-Kummerfeld (1742–1815) und das Hamburger Publikum

Axel Schröter

Zur Kotzebue-Rezeption am Hamburger Stadttheater zu Lebzeiten des Erfolgsautors – unter besonderer Berücksichtigung bürgerlicher und aristokratischer Wertvorstellungen←6 | 7→

IV. Theaterpraxis in Hamburg: Klassikerbildung

Ortrud Gutjahr

Im Licht des Hamburger Nationaltheaters: Lessings Aufklärungskomödie Minna von Barnhelm

Nina Birkner

Bürgerliches Theater? Zu Friedrich Ludwig Schröders Bühnenbearbeitung von Beaumarchais’ Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit

Jacqueline Malchow

Der Hamburger Kaufmann von Venedig. Übersetzung, Bearbeitung und Inszenierung von Schröder bis Schlegel

Martin Jörg Schäfer

Schröders und Bocks King Lear-Bühnenadaptionen der 1770er. Eschenburgs Kommentar als dramaturgischer Baukasten

Norbert Greiner

Hamburgische und britische Dramaturgie der Komödie. Das Hamburger Theater im 18. Jahrhunderts als interkultureller Verhandlungsort

Ursula Kramer

Shakespeare, Kotzebue, Beaumarchais: Blicke in die Hamburger Schauspielmusik-Werkstatt

Register der Orts- und Personennamen←7 | 8→ ←8 | 9→

Bernhard Jahn

Bühne und Bürgertum. Das Hamburger Stadttheater 1770–1850.
Einleitung

Wohl keine zweite Stadt im deutschen Sprachgebiet kann auf eine so reiche und kontinuierliche Tradition nichthöfischen Theaters zurückblicken wie Hamburg. Seit der Gründung der Oper am Gänsemarkt 1678, an der der Adel immerhin noch beteiligt war,1 gab es eine nahezu ununterbrochene Reihe von Theaterunternehmungen, die, angetrieben von den Energien engagierter Bürger und auf Aktienbasis operierend, Theater für die Hansestadt ermöglichten, zunächst in einem Gebäude an der Binnenalster in der Nähe des Gänsemarktes, ab 1827 dann in einem Gebäude an der Stelle, an der sich heute die Staatsoper befindet, und das dann auch von Anfang an unter dem Namen Stadttheater firmierte. Die Bezeichnung Stadttheater war in Hamburg seit etwa 1800 gebräuchlich, vorher wurde das Theater meist als Comödien-Haus bezeichnet.2

Die einzelnen Phasen der Hamburger Theatergeschichte sind unterschiedlich gut erforscht.3 Während das Nationaltheaterprojekt 1765–1768 dank Lessings←9 | 10→ Hamburgischer Dramaturgie in der germanistischen Forschung ein seit dem späten 19. Jahrhundert ungebrochenes Interesse beanspruchen konnte,4 während sich die Gänsemarktoper (1678–1738) immerhin seit den 1990er Jahren einer erhöhten Aufmerksamkeit seitens der Musik- und Literaturwissenschaft erfreut,5 ist vor allem die Phase nach dem Ende des Nationaltheaterprojektes von der neueren Forschung, sieht man einmal vom Aspekt der Shakespeare-Rezeption6 und dem Musiktheater in den beiden Jahrzehnten vor und nach 18007 ab, weitgehend unberücksichtigt geblieben. Die Zeit zwischen 1770 und 1850 kann, wenn sie auf einen Nenner gebracht werden müßte, wohl als Schröder-Zeit bezeichnet werden, da sie zunächst durch die drei Intendanzen Friedrich Ludwig Schröders geprägt wurde,8 sowie nach seinem←10 | 11→ Tod (1816) dann durch eine massive Schröder-Verehrung, die sich etwa im Prolog zur Eröffnung des neuerbauten Theaters 1827 widerspiegelt, in dem Schröders Büste auf der Bühne mit einem Lorbeerkranz gekrönt und er als Schutzgeist des Theaters angerufen wird.9 Diese langandauernde Verehrung Schröders zeigt sich auch noch bei den Totenfeiern der Direktoren Jacob Herzfeld und Friedrich Ludwig Schmidt, im November 1826 und im April 1841, die beide als Schüler des „großen Meisters Schröder“10 gewürdigt werden.11 Als Meister wird er auch bei der Feier seines 100. Geburtstags am 03. November 1844 im Prolog bezeichnet.12

Daß diese Phase der Hamburger Theatergeschichte zwischen 1770 und 1850 seit den Forschungen des 19. Jahrhunderts keine Aufmerksamkeit gefunden hat, überrascht noch mehr angesichts der quellengeschichtlichen Überlieferungslage. In der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek befindet sich das Archiv des Stadttheaters mit zahlreichen Dokumenten aus der Zeit zwischen 1770 und 1850,13 ein in seiner Geschlossenheit einmaliger Bestand. Das Archiv setzt sich zusammen aus rund 2.100 Textbüchern zu etwa 1.700 Sprech- und circa 400 Musiktheaterwerken des deutschen Sprachraums (einschließlich Übersetzungen englischer, französischer und italienischer Werke ins Deutsche), die am Hamburger Stadttheater als Inspektions- und/oder Soufflierbücher in Gebrauch waren. Dabei handelt es sich um ein heute zu großen Teilen unbekanntes, in vielen Fällen wohl auch unikal erhaltenes Repertoire.

Das Material stammt aus der Zeit zwischen 1770 und 1850, in der die weit über Hamburg hinaus bekannten Theaterdirektoren Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816), Jacob Herzfeld (1763–1826) und Friedrich Ludwig Schmidt (1772–1841) das Repertoire des Theaters geprägt und ausgebaut hatten. Wichtige Repertoireschwerpunkte lagen im Bereich des Schauspiels bei Autoren wie Shakespeare, Schiller, Iffland, Kotzebue, auch Schröder selbst, Georg Nikolaus Bärmann, Charlotte Birch-Pfeiffer, Carl August Lebrun, Julius von Voß, Johanna Franul von Weißenthurn, Friedrich Wilhelm Ziegler und im Bereich des Musiktheaters beim deutschen, insbesondere dem Wiener Singspiel (darunter auch←11 | 12→ Mozart) sowie dem französischen Vaudeville, der Opéra Comique, der Grand Opéra und italienischen Opern in deutschen Übersetzungen.

Hinzu kommen die jetzt ebenfalls in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek aufbewahrten Theaterzettel aus diesem Zeitraum sowie die die Theaterproduktion begleitende reiche Flugblattproduktion und diverse Theaterzeitschriften, so daß eine nahezu lückenlose Rekonstruktion des Spielplans möglich ist, ja sogar, dank der erhaltenen Soufflier- und Regiebücher sowie des Musikalienbestandes, die Rekonstruktion einzelner Inszenierungen.

Der hier vorgelegte Sammelband mit Beiträgen zum Hamburger Stadttheater (1770–1850) geht zurück auf eine Hamburger Tagung (19.–22.3.2015), bei der sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Theater-, Literatur- und Musikwissenschaft trafen, um Fragen nach der Besonderheit eines Stadttheaters gerade auch gegenüber den im selben Zeitraum dominanteren Hoftheatern nachzugehen. Die Tagung war Teil eines von der DFG geförderten gleichnamigen Forschungsprojektes (2014–2016) unter der Leitung von Bernhard Jahn und Claudia Maurer Zenck. Das Projektteam, das aus dem Postdoktoranden Martin Schneider sowie aus den drei Doktorandinnen Jacqueline Malchow, Friederike Mühle und Petra Eisenhardt bestand, erstellte in einer ersten Arbeitsphase eine Datenbank zum Hamburger Stadttheater.14 Über die Datenbank ist es möglich, für jeden Tag des Jahres im genannten Zeitraum die gespielten Stücke sowie Informationen zum Autor, Komponisten, Librettisten oder Bearbeiter zu eruieren. Der jeweilige Theaterzettel des Spieltages ist als PDF hinzugefügt. Das Diarium ist nahezu vollständig, größere Lücken im Bestand der Theaterzettel finden sich lediglich in den 1770er Jahren. Diese Spielplan-Lücken wurden von Angela Eickmeyer auf der Basis von Angaben in Hamburger Tageszeitungen und Theaterjournalen weitgehend geschlossen. Das Projektteam konnte auf diese Weise rund 23.280 Hamburger Theaterabende dokumentieren.

Parallel zur Datenbank wurde in einem ebenfalls von der DFG geförderten Projekt der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg unter Leitung von Jürgen Neubacher von seinem Mitarbeiter Dominik Stoltz das Archiv des Stadttheaters katalogisiert und über den speziellen Katalog der Sonderbestände (HANS) der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek online zugänglich gemacht.15

Die im vorliegenden Band dokumentierten Tagungsbeiträge beschäftigen sich alle in der einen oder anderen Weise mit der Frage nach dem spezifischen Profil des Hamburger Stadttheaters, das zunächst einmal insofern als bürgerliches←12 | 13→ Theater bezeichnet werden kann, als es kein von einem Hof subventioniertes Theater darstellte, welches von einem bei Hofe angestellten adligen Intendanten geleitet wurde. Doch ist diese Minimaldefinition schon hinreichend, um aus einem Stadttheater ein bürgerliches Theater im emphatischen Sinne zu machen? Erschwerend kommt bei der Beantwortung der Frage hinzu, das die Begriffe ‚Bürger‘, ‚Bürgertum‘ und ‚bürgerlich‘ im 18. Jahrhundert eine in der Forschung vielbeschriebene Bedeutungserweiterung erfahren haben,16 die einfache Festlegungen etwa in soziologischer Hinsicht über die Struktur des Publikums17 unmöglich macht. Das Publikum des Hamburger Stadttheaters setzte sich zwar zu einem Großteil aus der Hamburger Oberschicht und oberen Mittelschicht zusammen,18 doch war dem Adel der Besuch nicht verboten und die Galerie blieb dem Dienstpersonal als einer nichtbürgerlichen Unterschicht vorbehalten, im 18. Jahrhundert phasenweise sogar bei kostenlosen Eintritt.19 In soziologischer Sicht wird man daher beim Hamburger Stadttheater mit Blick auf das Publikum nicht von einem rein bürgerlichen Theater sprechen können.

Die Frage nach der Bürgerlichkeit oder nach der Möglichkeit einer Verbürgerlichung des Theaters muß für den Zeitraum von 1770 bis 1850 noch einmal neu gestellt werden und dies vor allem vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte, die die in der älteren Forschung vernachlässigte←13 | 14→ Rolle der in Deutschland und Österreich bis 1918 bestehenden Hoftheater ins Zentrum rückte. Die Hoftheater wurden, etwa in den sozialgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten Reinhart Meyers20 und Ute Daniels21, als wesentliche Träger auch des bürgerlichen Theaters im deutschen Sprachraum definiert. Meyer geht für das ausgehende 18. Jahrhundert, aber auch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, von einer klaren Dominanz des Hoftheaters aus. Die Residenzbühnen hätten in relativ wenigen Jahren „das gesamte Theaterleben der Territorien“ normiert. Privatunternehmungen wie Hamburg, Leipzig oder Düsseldorf, die diese „höfische Phalanx“ zu brechen versuchten, seien „kurzlebig und entsprechend folgenlos“ geblieben, vor allem deshalb, weil selbst reiche Städte ohne Residenz kein Interesse daran hatten, „spezifisch bürgerliche dramatische und theatralische Formen weiterzuführen oder neu zu entwickeln.“22 Daß die auf Aktienbasis geführten Privattheater von den Stadtverwaltungen keine finanzielle Unterstützung erhielten, betont auch Ute Daniel. Sie hält den Begriff des „Stadttheaters“ für den Untersuchungszeitraum deshalb für problematisch. Statt dessen versucht Daniel in ihrer Studie darzulegen, daß es sich bei der Geschichte des Theaters um „die Geschichte der höfisch geprägten europäischen Unterhaltungskultur23 handelt. Die Hoftheater seien die Träger gerade auch der bürgerlichen Theaterkultur gewesen, weshalb Daniel die These von der „Verbürgerlichung“ des Theaters im 18. und 19. Jahrhundert einer fundamentalen Kritik unterzieht.

Die These vom Hoftheater als Träger der bürgerlichen Unterhaltungskultur war zweifellos produktiv, insofern sie den Auffassungen der älteren Forschung, die von einer Verbürgerlichung des Theaters ausgingen, entgegen trat und den Blick zu schärfen vermochte bei jenen Autorinnen und Autoren, die sich im Anschluß an Daniel und Meyer mit dem spezifischen Profil des nichthöfischen Theaters beschäftigen. Dieses nichthöfische Theater in seiner Diversität gab es wohl doch←14 | 15→ in größerem Umfange und in relevanterer Bedeutung, als die Thesen von der Dominanz der Hoftheater dies nahelegen.

Wenn es also Stadttheater gab, und jüngere Untersuchungen24 zu einzelnen Städten haben gezeigt, wie vielfältig die Erscheinungsform dieser Stadttheater ausfallen konnte, dann stellt sich noch einmal neu und um so dringlicher die Frage nach ihrem spezifischen Profil. Die Beiträge der ersten Sektion im vorliegenden Band widmen sich unter verschiedenen Blickwinkeln dem Vergleich zwischen Stadt- und Hoftheatern, sei es in Form eines direkten Vergleichs, wie im Beitrag von Antje Tumat, die das Hoftheater in Stuttgart mit dem Hamburger Stadttheater vergleicht, sei es in Form eines analogen Beispiels (Stadttheater Leipzig versus Hoftheater Dresden im Beitrag von Panja Mücke) oder sei es durch die Vorstellung der je spezifischen Bedingungen weiterer Stadttheater (Düsseldorf im Beitrag von Jens Roselt) oder Hoftheater (Weimar im Aufsatz von Saskia Maria Woyke). Den nur in den Metropolen gegebenen Sonderfall einer Koexistenz von Stadt- und Hoftheatern nimmt Meike Wagner am Beispiel von Berlin und München in den Blick.

Die Eigenständigkeit im Profil eines Stadttheaters ist wohl nicht in erster Linie auf der inhaltlichen Ebene der Spielpläne zu suchen. Zwar gibt es einige Unterschiede zwischen den großen Hoftheatern und den Stadttheatern im Bereich des Musiktheaters: Bis in die 1820er Jahre hinein wurden an den Hoftheatern in Berlin oder Dresden Opern in italienischer Sprache gespielt.25 An kleinen Hoftheatern←15 | 16→ wie Weimar26 oder Donaueschingen27 dagegen gab es wie am Hamburger Stadttheater ein rein deutschsprachiges Programm. Sieht man von solchen Aspekten ab, dann kann man generalisierend die These wagen, daß die Hoftheater sich in ihrer Wertevermittlung als ebenso bürgerlich präsentierten wie die Stadttheater, das Repertoire der im Hamburger Stadttheater gespielten Stücke unterscheidet sich nicht signifikant von dem der meisten zeitgenössischen Hoftheater.

Worin könnte nun aber das eigenständige, womöglich bürgerliche Profil des Hamburger Stadttheaters liegen, wenn es nicht das bürgerliche Programm des Spielplans ist? Die Beiträge der zweiten Sektion im vorliegenden Band widmen sich den Auffälligkeiten der Programmgestaltung im Hamburger Stadttheater wie etwa den Potpourri-Programmen (Friederike Mühle) oder den Auftritten von Virtuosen (Petra Eisenhardt), fragen nach der Rezeption von Werken des populären französischen Musiktheaters (Herbert Schneider), europäischen Modegattungen wie den Melodramen (Ivana Rentsch) sowie der Erscheinungsform und der Funktion von Schauspielen mit niederdeutschen Sprachanteilen (Ingrid Schröder). Ungeachtet all dieser in den einzelnen Beiträgen vorgestellten Besonderheiten des Spielplans ist jedoch Vorsicht geboten, wenn es um die Frage nach dem spezifisch bürgerlichen Profil des Stadttheaters geht. Niederdeutsche Dialektstücke finden sich weniger im Hamburger Stadttheater, sondern vor allem in den Vorstadttheatern. Melodramen, Vaudevilles und Potpourri-Programme gab es auch auf den höfischen Bühnen.

Um das Besondere des Hamburger Stadttheaters zu erfassen, muß der Blick nicht zuletzt auf die spezifischen Interaktionsmodi zwischen der Stadt und ihrem Theater gelenkt werden, und dies unter der Annahme, daß ein Stadttheater einen größeren Gestaltungsspielraum für die Wünsche und Erwartungen der Bürger bereitstellen konnte und mußte als ein Hoftheater in einer Residenzstadt. Die Bürger in Hamburg besaßen sehr direkte Möglichkeiten, auf das Theater und seinen←16 | 17→ Spielplan Einfluß zu nehmen und nutzten diese Möglichkeiten auch. Die Aufführungen zu boykottieren, war darunter noch die bei weitem harmloseste. Das bekannteste, aber nicht das einzige Beispiel einer sehr direkten Einflußnahme, ist der Direktionsstreit aus dem Jahre 1801,28 dessen tumultuöse Ausformungen selbst Züge eines Theaterstückes tragen und im zeitgenössischen Schrifttum auch so präsentiert wurden. Beispiele wie der Hamburger Direktionsstreit sind geeignet, die These von der domestizierenden Funktion des bürgerlichen Theaters zu hinterfragen, ja ad absurdum zu führen.29

Das Hamburger Stadttheater war dabei auch jenseits direkter Interventionen durch das Publikum stärker als das Hoftheater in eine besondere Kommunikationssituation eingebunden, und zwar in den Kontext der Hamburger Presselandschaft, die im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert von einzigartiger Vielfalt in deutschen Sprachraum war und in geringerem Maße der Zensur unterlag als die Presse in höfischen Residenzstädte.30 Neben der Tagespresse spielten Theaterzeitschriften, Theaterkalender sowie zahllose Flugschriften, die in Hamburg und Umgebung erschienen, eine zentrale Rolle für die Wahrnehmung des Theaters und bei der Gestaltung seines Spielplans. Autoren wie Johann Friedrich Schink widmen einen Großteil ihrer publizistischen Tätigkeit dem Hamburger Theater.31 Periodika und Flugschriften begleiteten die Hamburger Theaterproduktion intensiv, und die so entstehenden paratextuellen Rahmungen wären möglicherweise als spezifisch für das Stadttheater im Vergleich mit ausgewählten Hoftheatern←17 | 18→ zu beschreiben, zumal die Bemächtigungsversuche durch die Presse hier wohl wesentlich massiver ausfielen als im Falle der Hoftheater, die natürlich auch von Theaterjournalen und Skandalen begleitet wurden.

Die besondere Kommunikationssituation des Stadttheaters mit seiner Stadt könnte auch anhand der Rahmung durch szenische Prologe, Epiloge und Theaterreden deutlich werden. Die Aufführungen im Hamburger Theater wurden, wie im 18. und 19. Jahrhundert generell üblich, von zahlreichen rahmenden Elementen flankiert, die, einen Dialog mit dem Publikum herstellend, die aufzuführenden Werke in einen bestimmten Deutungskontext stellen möchten. Prologe und Epiloge finden sich in Hamburg nicht nur in Aufführungen am Beginn neuer Intendanzen, sondern auch zu städtischen Ereignissen oder anläßlich von Dichter- und Komponisten-Huldigungen. Da das Prolog- und Epilog-Wesen auch in den Hoftheatern üblich war, könnte ein Vergleich der paratextuellen Rahmungen hier vielleicht ebenfalls Unterschiede in der Kommunikationssituation zutage fördern. Martin Schneider demonstriert in seinem Beitrag den möglichen analytischen Gewinn eines solchen Verfahrens unter dem Gesichtspunkt theatraler Gemeinschaftsstiftung.

Die verglichen mit den Hoftheatern vermutlich stärkeren Einflußmöglichkeiten des Publikums zeitigten ambivalente Effekte, was sich in einem permanenten Schwanken der Intendanzen hinsichtlich der Spielplangestaltung äußert. Es galt, ein Publikum zufrieden zu stellen, das mit Bekanntem unterhalten werden wollte, aber auch Neues geboten bekommen mochte, Neues, das dann aber nicht zu experimentell ausfallen durfte. Die verschiedenen Intendanzen mußten, da das Stadttheater stärker als die bezuschußten Hoftheater auf ökonomischen Erfolg angewiesen war, Programme entwickeln, um dem Publikumsgeschmack zu entsprechen, bzw. Strategien finden, um das Publikumsinteresse zu formen und zu lenken. Daß dabei nicht immer, wie der nach dem Scheitern des Nationaltheaterexperiments enttäuschte Lessing meinte, der schlechte Geschmack siegen mußte,32 zeigen die Shakespeare-Rezeption und die Aufführung von Sturm-und-Drang-Dramen in der Ära Schröder in den 1770er Jahren, die auf den ganzen deutschen Sprachraum ausstrahlten. Unter dem Gesichtspunkt einer solchen Außenwirkung des Hamburger Stadttheaters, wie er im Falle der Shakespeare-Rezeption gegeben ist, wären durchaus produktive Austauschverhältnisse zwischen Stadt- und Hoftheatern anzunehmen, bei denen eben nicht nur die Hoftheater die Impulsgeber waren.←18 | 19→

Bei der Frage nach dem besonderen Profil des Hamburger Stadttheaters kommt der Rezeption der deutschen Klassik eine zentrale Rolle zu, wobei hier Shakespeare im Sinne des 18. Jahrhunderts zu den deutschen Klassikern gezählt werden darf. Mit diesem Aspekt der Hamburger Bühne beschäftigen sich die Beiträge der Sektion IV in diesem Band, die am Beispiel deutscher Klassikeretablierung (Lessings Minna von Barnhelm im Beitrag von Ortrud Gutjahr), französischer Adelskritik (Beaumarchais in Nina Birkners Aufsatz) und vor allem dem langwierigen Prozeß der Shakespeare-Adaption (vgl. die Beiträge von Jacqueline Malchow, Martin Jörg Schäfer, Norbert Greiner und Ursula Kramer) die Leistung des Hamburger Stadttheaters beim Aufbau eines deutschen Klassikerkanons ausloten. Die Etablierung einer deutschen Shakespeare-Tradition sowie die frühe und kontinuierliche Aufführung der Dramen von Lessing, Goethe, Schiller und, in geringerem Maße, auch von Kleist dürfte dabei nicht, wie bislang geschehen, mit den Kategorien einer Werkästhetik beschrieben werden, die danach fragt, welche Abweichungen vom kanonisierten Werk des Autors die Aufführung verursacht. Es geht vielmehr um die Frage, wie die genannten Autoren durch das Hamburger Theater zu Klassikern gemacht und als Klassiker auf die Bühne gebracht werden. So ist etwa die Neueröffnung des Hamburger Stadttheaters 1827 mit Goethes Egmont schon im Sinne einer Klassikerweihe interpretierbar,33 die Aufführung des Götz 1821 wird als Geburtstagsfeier des Dichters inszenatorisch mit einer Goethe-Huldigung (lorbeerumkränztes Brustbild des Dichters auf der Bühne) verbunden.34 All dies kann man wiederum mit der Praxis der Hoftheater vergleichen, um vielleicht auch auf diesem Weg zu einem spezifischen Profil des Stadttheaters zu gelangen: Bildeten in den Hoftheatern die letztlich barocken Verehrungsformen mit den traditionellen Fürstenfeiern (Namenstag, Geburtstag des Fürsten) bis 1918 einen festen Bestandteil des Programms, so wurden sie in den Stadttheatern zumindest bis zu einem gewissen Grad durch Dichter- oder Komponisten-Huldigungen ersetzt.

Wenn sich die Suche nach dem spezifischen Profil des Hamburger Stadttheaters, wie vorgeschlagen, der Leitdifferenz Stadttheater – Hoftheater bedient, so bleibt freilich zu bedenken, daß diese Differenz aufgrund der vielfältigen Austauschprozesse zwischen Hof- und Stadttheatern keine dualistische Statik aufweisen kann. Vielmehr soll auf diese Weise die Wahrnehmung für graduelle←19 | 20→ Unterschiede geschärft werden. Auch in Hoftheatern gab es Austauschprozesse zwischen Bühne und Publikum, gab es Theaterskandale und Klassiker-Rezeption, wurden bürgerliche Wertvorstellungen auf der Bühne propagiert. Gleichwohl waren die Verbindungen zwischen Stadt und Theater in Hamburg enger als in einer Residenzstadt, die daraus resultierenden Möglichkeiten der Einflußnahme, die sich den Zuschauern bot, breiter gefächert und in ihrem Wirkungsgrad stärker. Das spezifische Profil, mithin das Bürgerliche des Stadttheaters, bestünde dann in einem letztlich politischen Aspekt, in der Möglichkeit einer aktiven Partizipation aller Teilnehmenden.35←20 | 21→


1 Zur Gründungsphase der Hamburger Oper am Gänsemarkt vgl.: Werner Braun: Vom Remter zum Gänsemarkt. Aus der Frühgeschichte der alten Hamburger Oper (1677–1697). Saarbrücken 1987 (Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft Neue Folge 1).

2 Die Bezeichnung Stadttheater wird ab 1800 in verschiedenen Publikationen genutzt, u. a. in August Wilhelm Iffland: Almanach fürs Theater 1807. Berlin 1807, S. 328., ab dem 01.01.1809 wird die Spielstätte auf den eigenen Theaterzetteln als „Hamburgisches Stadt-Theater“ bezeichnet, s. Carl Lebrun: „Geschichte des Hamburger Theaters, von seiner Entstehung an bis zum Jahre 1817.“ In: Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde, hg. v. C. Lebrun. Erster Jahrgang. Neue Auflage. Mit Lithographien und Facsimiles. Hamburg und Leipzig, Verlag von Schuberth & Comp. 1846. S. 56–362. S. 279. Der Begriff „Comödienhaus“ findet sich u. a. in Jonas-Ludwig von Hess: Hamburg topographisch, politisch und historisch beschrieben. 1. Theil. 2. Bearb. Aufl. Hamburg 1810.

3 Für das 18. Jahrhundert vgl. Johann Friedrich Schütze: Hamburgische Theater-Geschichte. Hamburg 1794 (Reprint: Leipzig 1975); ferner: Ludwig Wollrabe: Chronologie sämmtlicher Hamburger Bühnen, nebst Angabe der meisten Schauspieler, Sänger, Tänzer und Musiker, welche seit 1230 bis 1846 an denselben engagirt gewesen und gastirt haben. Hamburg 1847; für die Zeit ab 1827: Hermann Uhde: Das Stadttheater in Hamburg 1827–1877. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Stuttgart 1879.

4 Einen Überblick über den Stand der Forschung bietet: Monika Fick: Lessing-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. 3. Auflage. Stuttgart, Weimar 2010, S. 335–338. Von den älteren Arbeiten immer noch nicht überholt: Rudolf Schlösser: Vom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbühne. 1767–1779. Dreizehn Jahre aus der Entwicklung eines deutschen Theaterspielplans. Hamburg, Leipzig 1895. (Theatergeschichtliche Forschungen 13); zu den in Gotha aufbewahrten Theaterzetteln der Hamburger Entreprise vgl. Richard Thiele: Die Theaterzettel der sogenannten Hamburgischen Entreprise 1767–1769. Erfurt 1895.

5 Unter den Arbeiten der letzten beiden Jahrzehnte seien exemplarisch genannt: Dorothea Schröder: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690–1745). Göttingen 1998 (Abhandlungen zur Musikgeschichte 2); Laure Gauthier: L’Opéra à Hambourg (1648 [sic!] – 1728). Naissance d’un genre, essor d’une ville. Paris 2010. Zur Hamburger Oper vgl. auch die Aufsätze in dem Band: Hamburg. Eine Metropolregion zwischen Früher Neuzeit und Aufklärung. Hg. von Johann Anselm Steiger, Sandra Richter. Berlin 2012, S. 525–700, sowie S. 855–876.

6 Neuere Literatur zur Rolle Schröders und Hamburgs bei der Einbürgerung Shakespeares auf der deutschen Bühne vgl. Renata Häublein: Die Entdeckung Shakespeares auf der deutschen Bühne des 18. Jahrhunderts. Adaption und Wirkung der Vermittlung auf dem Theater. Tübingen 2005; Nina Birkner: Hamlet auf der deutschen Bühne: Friedrich Ludwig Schröders Theatertext, Dramentheorie und Aufführungspraxis. In: Das achtzehnte Jahrhundert 31 (2007), S. 13–30; Peter W. Marx: Enter GHOST and HAMLET. Zur Vielstimmigkeit des Hamburger Hamlet 1776. In: Deutsche Vierteljahrsschrift 85 (2011), S. 508–523 sowie die Beiträge in diesem Band.

7 Vgl. etwa Claudia Maurer Zenck (Hg.): Musiktheater in Hamburg um 1800. Frankfurt a. M. 2005 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 22); dies.: Così fan tutte. Dramma giocoso und deutsches Singspiel. Frühe Abschriften und frühe Aufführungen. Schliengen 2007; vgl. jetzt für die Zeit vor 1790: Cristina Urchueguía: Allerliebste Ungeheuer. Das deutsche komische Singspiel 1760–1790. Frankfurt a. M. 2015. Für weitere Literatur siehe den Beitrag von Jürgen Neubacher in diesem Band.

8 Die drei Intendanzen waren von 1771–1781, 1786–1798 und 1811–1812. Zu Schröder vgl. Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer: Friedrich Ludwig Schröder: Beitrag zur Kunde des Menschen und des Künstlers, in zwei Teilen. Hamburg 1823.

9 Karl Gottlieb Prätzel: Prolog zur Eröffnung der neuen Schaubühne in Hamburg. Am 3. Mai 1827. Hamburg 1827, S. 23.

Details

Seiten
593
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (ePUB)
9783631699195
ISBN (MOBI)
9783631699201
ISBN (PDF)
9783653059069
ISBN (Hardcover)
9783631665565
DOI
10.3726/b10399
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (November)
Schlagworte
Theatergeschichte Musikgeschichte Repertoire Klassikerbildung Aufführungsanalyse Hoftheater
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2016. 593 S., 45 s/w Abb., 16 farb. Abb.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Bernhard Jahn (Band-Herausgeber:in) Claudia Maurer Zenck (Band-Herausgeber:in)

Bernhard Jahn, Professor für Deutsche Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg; Forschungsschwerpunkte unter anderem: Theater, Intermedialität, Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit. Claudia Maurer Zenck, Professorin (i.R.) für Historische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg; Forschungsschwerpunkte unter anderem: Ernst Krenek; Musik im Exil und im «Dritten Reich»; Mozart; Oper um 1800 in Hamburg.

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Titel: Bühne und Bürgertum