Sprachliche Hybridität in der italo-brasilianischen Literatur
eine soziolinguistische Analyse der Sprachmischung zwischen Italienisch/Talian und Portugiesisch in literarischen Texten aus São Paulo und Rio Grande do Sul
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Abkürzungen
- Danksagung
- 1. Einleitung
- 2. Sprachkontaktsituation: Italienisch in Brasilien
- 2.1 São Paulo
- 2.2 Rio Grande do Sul und Santa Catarina
- 2.3 Funktion der Literatur in der italo-brasilianischen Sprachkontaktsituation
- 3. Hybridität und Code-Switching in der mehrsprachigen Literatur
- 3.1 Sprachliche Hybridität
- 3.1.1 Hybridisierung bei Bachtin und in den Kulturwissenschaften
- 3.1.2 Hybridisierung in der Soziolinguistik
- 3.2 Mehrsprachigkeit und Code-Switching in der Literatur
- 3.2.1 Code-Switching: Definitionen
- 3.2.2 Konzepte der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
- 3.2.3 Literarische Mündlichkeit
- 3.2.4 Mehrsprachigkeit in der Literatur
- 4. Methoden und Literaturauswahl
- 4.1 Literarisches Code-Switching: Formen und Funktionen
- 4.2 Literaturauswahl
- 5. Sprachmischung in der italo-brasilianischen Literatur (Analyse)
- 5.1 Italo-brasilianische Literatur aus São Paulo
- 5.1.1 Modernismus
- 5.1.1.1 Juó Bananére: La Divina Increnca (1917)
- 5.1.1.2 Antônio de Alcântara Machado: Brás, Bexiga e Barra Funda (1927)
- 5.1.1.3 Mário de Andrade: Os Contos de Belazarte (1934)
- 5.1.2 Italo-paulistanische Autor*innen nach 1960
- 5.1.2.1 Jorge Andrade: Os Ossos do Barão (1963)
- 5.1.2.2 Zélia Gattai
- 5.1.2.2.1 Anarquistas, graças a Deus (1979)
- 5.1.2.2.2 Città di Roma (2000)
- 5.1.2.3 Liliana Laganá: Terra Amada (2005)
- 5.2 Zwischen São Paulo und Rio Grande do Sul: Brasilianische Literatur in der italienischen Standardsprache
- 5.2.1 Carlo Porrini: Masticapolenta (1936)
- 5.2.2 Pietro Azzi: Al di qua dell’Oceano (1948)
- 5.3 Italo-brasilianische Literatur aus Rio Grande do Sul
- 5.3.1 Werke von religiösen Autoren auf Talian bis 1960
- 5.3.1.1 Aquiles Bernardi: Nanetto Pipetta (1924-26)
- 5.3.1.2 Ricardo Domingos Liberali: Togno Brusafrati (1941)
- 5.3.1.3 Nanni Contastórie: Stória de Peder (1949-1954)
- 5.3.1.3.1 Switches aus lexikalischer Notwendigkeit (Funktion I)
- 5.3.1.3.2 Situationelles Code-Switching / Zitate (Funktion II)
- 5.3.1.3.3 Code-Switching zur Hervorhebung (Funktion III)
- 5.3.1.3.4 Sprachliche Routinen (Funktion IV)
- 5.3.1.3.5 Code-Mixing mit stilistischer/komischer Funktion (Funktion V)
- 5.3.1.3.6 Metasprachliche Kommentare (Funktion VI)
- 5.3.1.3.7 Code-Switching zur Darstellung anderer Kontaktvarietäten
- 5.3.2 Werke auf Talian seit 1960
- 5.3.2.1 Aquiles Bernardi: Stória de Nino Fradello de Nanetto Pipetta (1965-1967)
- 5.3.2.1.1 Switches aus lexikalischer Notwendigkeit (Funktion I)
- 5.3.2.1.2 Situationelles Code-Switching / Zitate (Funktion II)
- 5.3.2.1.3 Code-Switching zur Hervorhebung (Funktion III)
- 5.3.2.1.4 Sprachliche Routinen (Funktion IV)
- 5.3.2.1.5 Code-Mixing mit stilistischer/komischer Funktion (Funktion V)
- 5.3.2.1.6 Metasprachliche Kommentare (Funktion VI)
- 5.3.2.1.7 Code-Switching zur Darstellung anderer Kontaktvarietäten
- 5.3.2.2 Neuere Fortsetzungsgeschichten von Nanetto Pipetta
- 5.3.2.2.1 Pedro Parenti: El ritorno de Nanetto Pipetta (2000)
- 5.3.2.2.2 Rafael Baldissera: Nanetto in Val Véneta (2003)
- 5.3.2.3 Darcy Loss Luzzatto: Ghen’avemo fàto arquante (1985)
- 5.3.3 Portugiesisch basierte Werke
- 5.3.3.1 José Clemente Pozenato
- 5.3.3.1.1 O Quatrilho (1985)
- 5.3.3.1.2 A Cocanha (2000)
- 5.3.3.1.3 A Babilônia (2006)
- 5.3.3.2 Maria Adami Tcacenco: Heróicos Imigrantes (La Storia d’Una Vita) (1986)
- 6. Schlussbetrachtung
- 6.1 Interpretation im Hinblick auf Code-Switching-Theorien
- 6.2 Interpretation im Hinblick auf Theorien zur sprachlichen Hybridität
- 6.3 Fazit
- 6.4 Ausblick
- 7. Bibliographie
- 7.1 Literarische Texte
- 7.2 Wissenschaftliche Literatur
- 7.3 Wörterbücher
- Reihenübersicht
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2: Funktionen des literarischen Code-Switching
Tabelle 3: Basilianismen aus dem Wortfeld ‚Landschaft‘
Tabelle 4: Brasilianismen für Flora und Fauna
Tabelle 5: Brasilianismen aus dem Bereich ‚Jagd und Fischfang‘
Tabelle 6: Brasilianismen aus der Landwirtschaft
Tabelle 7: Brasilianismen aus Nutztierhaltung und Pferdezucht
Tabelle 8: Brasilianismen aus dem Bereich ‚Essen und Trinken‘
Tabelle 9: Brasilianismen aus der Zuckerrohrproduktion
Tabelle 10: Brasilianismen für Familie und Freundeskreis
Tabelle 11: Brasilianismen aus dem Handel
Tabelle 12: Brasilianismen aus der Arbeitswelt
Tabelle 13: Brasilianismen aus dem Bereich ‚Wohnen und Hausbau‘
Tabelle 14: Brasilianismen für Kleidung
Tabelle 15: Brasilianismen aus der städtischen Verwaltungssprache
Abkürzungen
bras. |
brasilianisch |
crem. |
cremonesisch |
it. |
italienisch |
lat. |
lateinisch |
neapol. |
neapolitanisch |
port. |
portugiesisch |
RCI |
Região de Colonização Italiana / Regione di Colonizzazione Italiana, italienische Einwanderungsregion im Nordosten Rio Grande do Suls |
span. |
spanisch |
trent. |
trentinisch |
ugs. |
umgangssprachlich |
ven. |
venetisch |
vs. |
versus |
Literarische Werke
AG |
Anarquistas, graças a Deus (Gattai 2003) |
AO |
Al di qua dell’Oceano (Azzi 1948) |
BA |
A Babilônia (Pozenato 2006) |
BB |
Brás, Bexiga e Barra Funda (Machado 1961) |
CB |
Os Contos de Belazarte (Andrade 1972) |
CO |
A Cocanha (Pozenato 2000) |
CR |
Città di Roma (Gattai 2002) |
DI |
La Divina Increnca (Bananére 1966) |
GF |
Ghen’avemo fàto arquante (Luzzatto 1985) |
HI |
Heróicos Imigrantes (Tcacenco 1986) |
MP |
Masticapolenta (Porrini 1978) |
NP |
Nanetto Pipetta (Bernardi 1980) |
NV |
Nanetto in Val Véneta (Baldissera 2003) |
OB |
Os Ossos do Barão (Andrade 1970) |
QU |
O Quatrilho (Pozenato 2001) |
RN |
El ritorno de Nanetto Pipetta (Parenti 2000) |
SN |
Stória de Nino Fradello de Nanetto Pipetta (Bernardi 1976) |
SP |
Stória de Peder (Contastórie 1975) |
TA |
Terra Amada (Laganá 2005) |
TB |
Togno Brusafrati (Liberali 1975) |
UF |
A Última Fábula (Laganá 2002) |
Danksagung
Allen, die mich während der Entstehung und Publikation der vorliegenden Arbeit unterstützt haben, möchte ich meinen ganz herzlichen Dank aussprechen.
Insbesondere danke ich Prof. Dr. Joachim Born und Prof. Dr. Falk Seiler für die Betreuung dieser Arbeit und ihre hilfreichen Anmerkungen und Anregungen. Ebenso herzlich möchte ich Prof. Dr. Helmuth Feilke für seine konstruktiven Hinweise und Fragen im Rahmen des Linguistikkolloquiums des Graduate Center for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen danken. Dem GCSC bin ich außerdem für die Finanzierung zweier Forschungsreisen nach Brasilien zum Dank verpflichtet.
Prof. Dr. Cléo Altenhofen und Prof. Dr. Florence Carboni von der UFRGS in Porto Alegre sowie Prof. Dr. Giselle Mantovani dal Corno von der UCS in Caxias do Sul gebührt sich mein Dank für ihre Unterstützung in Rio Grande do Sul. Dr. Luciane Leipnitz und Nathercia Marinho möchte ich für ihre Gastfreundschaft in Porto Alegre und São Paulo danken und Estela Rubia Brugalli Corbellini und ihrer Familie, dass sie mir die italienische Einwanderungsgemeinde Garibaldi und ihre Umgebung gezeigt haben.
Außerdem möchte ich mich ganz herzlich bei dem Kulturwissenschaftler und Schriftsteller Prof. Dr. José Clemente Pozenato und dem leider inzwischen verstorbenen Autor Darcy Loss Luzzatto bedanken, dass sie sich die Zeit genommen und Mühe gemacht haben, meine Interviewfragen zu beantworten.
Dr. Melanie Kunkel und Ellen Bräunig danke ich für ihre gründliche Lektüre der Arbeit und ihre hilfreichen Kommentare und Dr. Susy Anne Almeida Cabral und Willian Radünz für das Überprüfen von Teilen der Transkription des Interviews mit José Clemente Pozenato.
Nicht zuletzt möchte ich auch meiner Familie herzlich danken, die immer für mich da ist und auf deren Unterstützung ich mich immer verlassen kann.
1. Einleitung
Durch die Globalisierung hat das Thema der Migration in jüngster Zeit an immer größerer Bedeutung gewonnen. Mit Migration sind meist Sprachkontakte verbunden, die zu Mehrsprachigkeit und Sprachwandelprozessen führen. Dabei ist migrationsbedingte Mehrsprachigkeit kein neues Phänomen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Massenemigration aus Europa nach Süd- und Nordamerika, wobei die Einwander*innen sprachlich und kulturell ihre Spuren in den jeweiligen Aufnahmeländern hinterlassen haben. Dies wird auch in der Literatur reflektiert. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind viele mehrsprachige literarische Texte entstanden, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich mit dem Thema der Migration auseinandersetzen. Diese weisen verschiedene Formen der Sprachmischung auf und sind neuerdings verstärkt Thema literatur- und sprachwissenschaftlicher Studien geworden, die jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen disziplinären Verortung bisher nur selten miteinander in Dialog treten (vgl. Dembeck 2017).
Ein frühes, aber bislang kaum untersuchtes Beispiel der literarischen Auseinandersetzung mit Migration und Mehrsprachigkeit ist die italo-brasilianische Literatur, die sich mit der italienischen Einwanderung in Brasilien am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Dabei war die italienische Präsenz und somit auch die literarische Produktion in den Bundesstaaten São Paulo und Rio Grande do Sul am stärksten. Die von den italienischen Einwander*innen und ihren Nachkommen in Südbrasilien gesprochene venetische Koiné, Talian genannt, ist seit 2009 in Rio Grande do Sul und Santa Catarina und seit 2014 in ganz Brasilien offiziell als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Bis heute gibt es Theateraufführungen, Radioprogramme, Zeitungskolumnen und literarische Texte auf Talian (vgl. Pozenato et al. 2010).
Die Sprachmischung in der italo-brasilianischen Literatur soll in der vorliegenden Arbeit aus soziolinguistischer Perspektive analysiert werden. Dabei gehen die ersten italo-brasilianischen Texte bereits auf die 1920er-Jahre zurück, als in São Paulo Texte auf Portugiesisch mit italienischen Code-Switches von meist luso-brasilianischen Autoren (Alexandre Marcondes Machado alias Juó Bananére, Antônio de Alcântara Machado und Mário de Andrade) veröffentlicht wurden. Diese sind Vertreter des brasilianischen Modernismus, der u.a. die Suche nach einer eigenen brasilianischen (Literatur)Sprache beinhaltet, in ←17 | 18→die die Einwanderungssprachen im Sinne der Anthropophagie-Bewegung1 einverleibt werden. In Rio Grande do Sul hingegen entstanden zur gleichen Zeit Texte im von den Einwander*innen gesprochenen Veneto-Dialekt oder in seltenen Fällen auf Standarditalienisch, die zunächst von klerikalen Autoren italienischer Abstammung (Aquiles Bernardi, Carlo Porrini, Ricardo Domingos Liberali und Nicolau Lucian alias Nanni Contastórie) verfasst wurden. Besonders einflussreich sind dabei die Geschichten von Nanetto Pipetta von Aquiles Bernardi, die ursprünglich 1924-25 in Episodenform in der Zeitung Staffetta Riorandense erschienen und von denen bis heute Fortsetzungen veröffentlicht werden. Sie werden sogar als „einer der Faktoren, die für den Erhalt der italienischen Kultur in Rio Grande do Sul verantwortlich sind“2 (Battistel/Costa zit. in Parenti 2000: 9) bezeichnet.
Eine Zäsur erlebte die literarische Produktion durch das Verbot der Einwanderungssprachen in Brasilien von 1939 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, wobei diese auch in den darauffolgenden Jahren noch sozial stigmatisiert blieben. Erst seit den 1960er-Jahren und insbesondere seit der 100-Jahr-Feier der italienischen Einwanderung in Rio Grande do Sul 1975 entstanden wieder neue mehrsprachige italo-brasilianische Texte. Seitdem gibt es sowohl in São Paulo (Zélia Gattai) als auch in Rio Grande do Sul (José Clemente Pozenato) brasilianische Autor*innen mit italienischen Vorfahren, die in ihren portugiesischsprachigen Texten mit italienischen Code-Switches die italienische Einwanderung in Brasilien thematisieren, wobei in Rio Grande do Sul auch weiterhin Texte auf Talian mit portugiesischen Code-Switches veröffentlicht werden (z. B. von Darcy Loss Luzzatto).
Diese Texte sind bislang nur in Einzelfällen sprachwissenschaftlich analysiert worden, vor allem die Pionierwerke La Divina Increnca von Juó Bananére (Antunes 1998), Brás, Bexiga e Barra Funda von Antônio de Alcântara Machado (Picherle 2006) und Os Contos de Belazarte von Mário de Andrade (Pincherle 2006, 2008) aus São Paulo sowie die Werke Vita e stória de Nanetto Pipetta und Stória de Nino Fradello de Nanetto Pipetta von Aquiles Bernardi (Meo Zilio 2001a, 2001b, 2001c, 2001d, 2004), Togno Brusafrati von Domingos Liberali und Stória ←18 | 19→de Peder von Nanni Constastórie (Gardelin 1988) sowie die Bücher von Darcy Loss Luzzatto (Faggion 2012) auf Talian aus Rio Grande do Sul. Übergreifende Studien untersuchen aus literaturwissenschaftlicher Perspektive entweder die Texte aus São Paulo (Carelli 1985; Ghirardi 1985 und 1994; Hohlfeldt 1994) oder Rio Grande do Sul (Gardelin 1988; Hohlfeldt 2001: 207 f., der ansatzweise die Literatur aus Rio Grande do Sul mit der aus São Paulo vergleicht), thematisieren jedoch die Sprachmischung wenn überhaupt nur am Rande. Zudem gibt es zu den neueren Texten, die seit 1960 entstanden sind, bislang nur wenige Studien.
Dabei können die Sprachwahl und die Sprachmischung in der mehrsprachigen Literatur durchaus Aufschlüsse über die Sprachkontaktsituation geben, auch wenn die literarische Sprache natürlich kein exaktes Abbild der gesprochenen Sprache ist. Es ist jedoch von Bedeutung, welche sprachlichen Mittel für die Darstellung der Sprachkontaktsituation eingesetzt werden und warum. Dies soll in der folgenden Analyse von 20 italo-brasilianischen Texten untersucht werden. In die Interpretation fließen auch Erkenntnisse aus zwei von mir geführten Interviews mit exemplarischen zeitgenössischen Autoren (José Clemente Pozenato und Darcy Loss Luzzatto) ein, von denen einer auf Portugiesisch und der andere in der venetischen Koiné schreibt.3
Insbesondere soll in dieser Arbeit analysiert werden, welche Arten der Sprachmischung und vor allem des Code-Switching und Code-Mixing in den jeweiligen italo-brasilianischen Texten verwendet werden und welche Funktion dies hat. Zudem sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Mehrsprachigkeit in der italo-brasilianischen Literatur in São Paulo und Rio Grande do Sul nicht nur diatopisch, sondern auch diachron (vor und nach 1960) analysiert werden. Die sprachliche Verwandtschaft zwischen den italienischen Varietäten und dem brasilianischen Portugiesisch erleichtert dabei die Sprachmischung.
Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die literarische Mündlichkeit und besonders das literarische Code-Switching, das vor allem (aber nicht nur) in der Figurenrede eingesetzt wird. Daher werden in dieser Arbeit Theorien zur literarischen Mündlichkeit und der Mehrsprachigkeit in der Literatur mit denen des Code-Switching verbunden, wie dies Dembeck (2017: 189) im Handbuch Literatur und Mehrsprachigkeit fordert. Dadurch wird eine eigene Klassifikation für die Formen und Funktionen des literarischen Code-Switching entwickelt, die dann auf die italo-brasilianische Literatur angewendet wird. Damit soll diese Arbeit einen Beitrag zur Erforschung des schriftlichen und ←19 | 20→speziell des literarischen Code-Switching leisten, zu dem es nach wie vor nur wenige Studien gibt (vgl. Sebba 2012, 2013; Gardner-Chloros/Weston 2015).
Bei der Interpretation des literarischen Code-Switching wird auch auf das Hybriditätskonzept von Bachtin (1979) zurückgegriffen, bei dem die Sprachwahl mit ihrer sozialen Bedeutung verknüpft ist, die dialogisch konstruiert wird. Diese Dialogizität ist mit der konzeptionellen Nähe im Sinne von Koch/Oesterreicher (1985) verbunden, die in literarischen Texten gezielt eingesetzt wird, um die Leser*innen miteinzubeziehen. Diesbezüglich werden kulturwissenschaftliche und soziolinguistische Hybriditätstheorien berücksichtigt. Für Brasilien ist dabei vor allem der Literaturwissenschaftler Silviano Santiago zu nennen, der Hybridität in Zusammenhang mit dem brasilianischen Modernismus und der Anthropophagie-Bewegung sieht, während in der Soziolinguistik Formen und Funktionen von sprachlicher Hybridität im Mittelpunkt stehen (vgl. Whinnom 1971; Erfurt 2003; Gugenberger 2018). Dabei stellt sich die Frage, welchen Beitrag verschiedene Hybriditätstheorien zur Interpretation des Code-Switching in der Literatur leisten können. Darüber hinaus soll die Frage beantwortet werden, inwiefern der italo-brasilianischen Literatur und vor allem den literarischen Texten in der venetischen Koiné als prestigereiches Sprachmodell eine sprachnormierende Funktion zukommt. Ziel der Arbeit ist es somit auch, zur Erforschung und Dokumentation der italienischen Varietäten in Brasilien und insbesondere des Talian beizutragen.
Details
- Seiten
- 332
- Erscheinungsjahr
- 2022
- ISBN (PDF)
- 9783631881842
- ISBN (ePUB)
- 9783631881859
- ISBN (MOBI)
- 9783631881866
- ISBN (Hardcover)
- 9783631881835
- DOI
- 10.3726/b19853
- DOI
- 10.3726/b19982
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2022 (Juli)
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 332 S., 1 farb. Abb., 1 s/w Abb.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG