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Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz in der Frankophonie

Eine soziolinguistische Untersuchung zu laienlinguistischen Einstellungen

by Lina Rebecca Arnold (Author)
©2024 Thesis 872 Pages
Series: Bonner romanistische Arbeiten, Volume 125

Summary

In ihrer Dissertation taucht die Autorin tief in die Kontroverse der geschlechts-indifferenten Referenz, einer Thematik, die weltweit ins öffentliche Interesse gerückt ist, ein. Sie untersucht laienlinguistische Einstellungen frankophoner Studierender aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und Québec in Bezug auf die zwei Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz: den generischen Gebrauch des Maskulinums und die geschlechtersensible Formulierung. Ziel ist es, herauszufinden, welches Grundprinzip Studierende bevorzugen. Ferner sollen gebiets- und geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf diese Einstellungen überprüft werden. Dafür wurde eine Online-Fragebogen-erhebung mit 1.000 Befragten durchgeführt, deren Ergebnisse qualitativ und quantitativ ausgewertet wurden.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Diagrammverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Zusammenfassung
  • Keywords
  • 1 Einführung in Thematik, Fragestellung und Methode
  • 2 Terminologische, grammatische, soziolinguistische, historische und rechtliche Grundlagen der Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz
  • 2.1 Terminologische Grundlagen
  • 2.1.1 Frauenbewegung, Feminismus, feministische Linguistik, feministische Sprachkritik, feministische Sprachpolitik und Genderlinguistik
  • 2.1.2 Sexismus und Androzentrismus im Allgemeinen sowie sprachlicher Sexismus und Androzentrismus
  • 2.1.3 Das Konzept der geschlechtersensiblen Sprache und seine vielfältigen Bezeichnungen
  • 2.2 Das Genus: intra- und interlinguale Charakterisierung
  • 2.2.1 Etymologie, Definition und Charakterisierung des Genus im Allgemeinen sowie im Französischen
  • 2.2.2 Genuszuweisungssysteme und Klassifizierung der Sprachen nach diesen
  • 2.2.3 Entwicklung des Genus im Indoeuropäischen unter Fokussierung des Französischen
  • 2.2.4 Konträre Ansichten hinsichtlich der Definition, der Funktion(en) und des Ursprungs des Genus
  • 2.2.5 Differenzierung zwischen grammatischem Genus, biologischem Sexus und soziokulturellem Gender
  • 2.2.6 Die vier Arten der Geschlechtsmarkierung bei Personenbezeichnungen im Französischen
  • 2.2.7 Asymmetrien zwischen den zwei Genera im Französischen und ihre Entwicklung
  • 2.3 Die zwei adversativen Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz
  • 2.3.1 Der generische Gebrauch des Maskulinums
  • 2.3.2 Die formulation non sexiste
  • 2.3.3 Studien zu den Auswirkungen der zwei adversativen Grundprinzipien sowie den Maßnahmen zur Förderung der Verwendung der geschlechtersensiblen Formulierung
  • 2.3.4 Studien zu den Einstellungen hinsichtlich der GS und der zwei adversativen Grundprinzipien
  • 2.4 Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz
  • 2.4.1 Standpunkte der offiziellen frankophonen Sprachinstitutionen in den vier Gebieten
  • 2.4.2 Standpunkt der strukturalistischen Linguistik
  • 2.4.3 Standpunkt der feministischen Linguistik
  • 2.4.4 Argumente der Befürworter*innen des generischen Gebrauchs des Maskulinums bzw. der Kritiker*innen der geschlechtersensiblen Sprache und Formulierung sowie der formulation non sexiste
  • 2.4.5 Argumente der Befürworter*innen der geschlechtersensiblen Sprache und Formulierung bzw. der Kritiker*innen des generischen Gebrauchs des Maskulinums
  • 2.4.6 Illustration der konträren Ansichten der zwei Lager mit diachronen Beispielen und Präsentation einer Zwischenposition
  • 2.4.7 Grundlegende Unterschiede der zwei Lager
  • 2.5 Relation zwischen Sprachsystem und anderen Systemen
  • 2.5.1 Relation zwischen Sprache, Denken und Realität/Wirklichkeit
  • 2.5.2 Relation zwischen Sprache und Gesellschaft
  • 2.5.3 Relation zwischen Sprache und Geschlecht
  • 2.5.4 Relation zwischen Sprache und Macht, die symbolische Macht der Sprache und ihre Instrumentalisierung als Herrschafts- und Befreiungsinstrument
  • 2.5.5 Internationale Tendenzen der Einstellungen zur geschlechtersensiblen Sprache und Fusion der konträren Grundannahmen der Lager der Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz hinsichtlich der Relation zwischen Sprache und Gesellschaft
  • 2.5.6 Rolle, Relevanz, Grad der Implementierung und rechtlichen Protektion sowie konkrete Umsetzung der GS in exemplarisch ausgewählten Bereichen der Gesellschaft
  • 2.6 Entwicklung der gesellschaftlichen und sprachlichen Situation der Geschlechter
  • 2.6.1 Internationaler und europäischer Kontext
  • 2.6.2 Frankreich
  • 2.6.3 Belgien
  • 2.6.4 Schweiz
  • 2.6.5 Kanada und Québec
  • 2.6.6 Vergleich der gesellschaftlichen und sprachlichen Situation der Geschlechter
  • 2.7 Entwicklung und aktuelle Situation der rechtlichen Grundlagen und offiziellen sowie nicht offiziellen Referenzwerke zur geschlechtersensiblen Sprache
  • 2.7.1 Internationaler und europäischer Kontext
  • 2.7.2 Frankreich
  • 2.7.3 Belgien
  • 2.7.4 Schweiz
  • 2.7.5 Kanada und Québec
  • 2.7.6 Vergleich der rechtlichen Grundlagen und offiziellen Empfehlungen im internationalen und frankophonen Kontext
  • 3 Soziolinguistische Befragung zu laienlinguistischen Einstellungen frankophoner Studierender hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz
  • 3.1 Theoretische und begriffliche Grundlagen der Befragung
  • 3.1.1 Intention und inhaltlicher Aufbau der Befragung
  • 3.1.2 Untersuchungsgegenstand der Befragung: laienlinguistische Einstellungen
  • 3.1.3 Umfrage-, Einstellungs- und Meinungsforschung
  • 3.1.4 Aufspaltung der drei Forschungsfragen und zwei Forschungshypothesen in 18 Subfragenkomplexe und 71 theoretische Subhypothesen
  • 3.2 Methodische und inhaltliche Umsetzung der Befragung
  • 3.2.1 Festlegung der Population und Auswahl der Stichprobe
  • 3.2.2 Forschungsansatz, Studiendesign, Erhebungsverfahren, Befragungsmethode und Instrument
  • 3.2.3 Fragebogenaufbau
  • 3.2.4 Fragetypen und allgemeine Grundsätze der Frageformulierung
  • 3.2.5 Durchführung des Pretests und Optimierung des Fragebogens
  • 3.2.6 Auswertung des Fragebogens
  • 3.2.7 Interpretation der empirischen Ergebnisse
  • 3.3 Analyse und Auswertung der empirischen Ergebnisse der Befragung
  • 3.3.1 Das Konzept der geschlechtersensiblen Sprache
  • 3.3.2 Der generische Gebrauch des Maskulinums
  • 3.3.3 Die formulation non sexiste
  • 3.3.4 Die Präferenzen hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien sowie deren Begründungen
  • 3.3.5 Zusätzliche Kommentare und Anmerkungen
  • 3.3.6 Auffälligkeiten bei den Bewertungen der Beispielsätze
  • 3.4 Analyse und Annäherung an eine Begründung der gebiets- und geschlechtsspezifischen Unterschiede
  • 3.4.1 Gebietsspezifische Unterschiede
  • 3.4.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede
  • 4Fazit und Ausblick
  • 4.1 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
  • 4.1.1 Das Konzept der geschlechtersensiblen Sprache
  • 4.1.2 Der generische Gebrauch des Maskulinums
  • 4.1.3 Die formulation non sexiste
  • 4.1.4 Die Präferenzen hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien sowie deren Begründungen
  • 4.2 Vergleich der Ergebnisse mit den Ergebnissen anderer Studien zu den Einstellungen hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien
  • 4.2.1 Das Konzept der geschlechtersensiblen Sprache
  • 4.2.2 Der generische Gebrauch des Maskulinums
  • 4.2.3 Die formulation non sexiste
  • 4.2.4 Die Präferenzen hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien sowie deren Begründungen
  • 4.3 Diskussion der gesellschaftlichen und sprachpolitischen Relevanz der Ergebnisse sowie der Grenzen und Anknüpfungspunkte der soziolinguistischen Befragung
  • 4.3.1 Gesellschaftliche und sprachpolitische Relevanz der Ergebnisse
  • 4.3.2 Grenzen und Anknüpfungspunkte der soziolinguistischen Befragung
  • 5 Bibliographie
  • 6 Appendix

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammenspiel zwischen Numerus und Genus

Tabelle 2:Sprachliche Darstellung der Geschlechter nach Stahlberg et al. (2007: 166)

Tabelle 3:Typologie der Personenbezeichnungen von Larivière (2001: 20)

Tabelle 4:Verwendung der Genera bei den Personenbezeichnungen im Französischen

Tabelle 5:Zweigliedrige Differenzierung zwischen den Genera

Tabelle 6:Dreigliedrige Differenzierung zwischen den Genera

Tabelle 7:Strukturalistische Differenzierung zwischen den Genera

Tabelle 8:Verbalisierung von Prozentzahlen

Zusammenfassung

Diese Dissertation untersucht die geschlechtsindifferente Referenz in der Frankophonie, die durch zwei adversative Grundprinzipien erfolgen kann: den tradierten, gegenwärtig vermehrt – vor allem aus feministischer Sicht – als sexistisch kritisierten generischen Gebrauch des Maskulinums (GM) und die geschlechtersensible Formulierung (GsF) als Hyperonym für die Alternativen zum GM. Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz ist eine internationale Debatte, an der sich alle Teile der Bevölkerung beteiligen. Da die linguistischen Positionen bereits vielfach thematisiert wurden, liegt der Fokus auf den laienlinguistischen Einstellungen. Studierenden kommt als Bildungselite und angehende Führungskräfte eine Sonderstellung zu, da sie gesellschaftliche Entwicklungen initiieren, stimulieren und potenzieren können. Deshalb erfolgt eine Online-Fragebogenerhebung (n = 1.000) zu den laienlinguistischen Einstellungen frankophoner Studierender in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Québec. Den Ergebnissen zufolge stehen diese der GsF positiver gegenüber als dem GM; schließlich fällt ihre Akzeptanz größer sowie ihre Bewertung positiver aus und sie wird öfter präferiert. Zugleich manifestiert sich eine Diskrepanz zwischen den verbalisierten Einstellungen und dem angenommenen tatsächlichen Verhalten, da diese positiven Einstellungen zur GsF oft nicht mit deren Verwendung bzw. Bereitschaft zu deren Verwendung im privaten Sprachgebrauch einhergehen. Ferner liegen gebiets- und geschlechtsspezifische Unterschiede vor: Zum einen sind die Einstellungen zur GsF in der Schweiz und in Québec positiver als in Frankreich und in Belgien, zum anderen sind nicht binäre Menschen und Frauen ihr gegenüber positiver eingestellt als Männer.

1 Einführung in Thematik, Fragestellung und Methode

Die in demokratischen Verfassungen verankerte Geschlechtergleichberechtigung ist international „eines der meistdiskutierten gesellschaftlichen Probleme“ (Brunner/Frank-Cyrus 1998: VII) und „ein bestehendes gesamtgesellschaftliches Desiderat“ (Gburzynski/Stolzke/Strauss/Fischer/Weitzel 2015: 200). Ein ebenfalls international polemisch diskutierter Teilaspekt dieser Geschlechtergleichberechtigung ist die gleichberechtigte sprachliche Darstellung der Geschlechter durch eine geschlechtersensible Sprache (GS).1 Bestrebungen zur sprachlichen Geschlechtergleichberechtigung trafen und treffen oft immer noch in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen auf teilweise starken Widerstand. Nichtsdestotrotz ist es der feministischen Linguistik2 gelungen, „einen internationalen Sprachwandelprozeß in Gang zu setzen, der zumindest in Medien, Politik und Institutionen deutliche Zeichen eines neuen Bewußtseins gesetzt hat. Vorreiter in diesem übernationalen Prozeß sind Kanada und die USA“ (Bußmann 1995: 145). Die GS ist eine internationale und transdisziplinäre Thematik, die linguistische, psychologische, soziologische und politische Aspekte umfasst und im engen „Zusammenhang mit Gleichstellungsbemühungen in allen gesellschaftlichen Bereichen und mit entsprechenden gesetzgeberischen Tätigkeiten“ (Diewald 2018: 284) steht. Bestrebungen zur geschlechtersensiblen Umgestaltung „androzentrischer“ (Pober 2007: 25) und/oder „patriarchalischer Sprachen“ (Oomen-Welke 2004: 68) existierten in allen Jahrhunderten, haben sich jedoch „nicht in allen Kulturen und Staaten in gleicher Weise und auf den gleichen Ebenen vollzogen“ (Schafroth 1998: 7). Weltweit sind diese erst seit dem 20. Jh. ins öffentliche, wissenschaftliche und staatliche Interesse gerückt. „Da Sprachverhalten als konstitutiv für Geschlechterrollenverhalten verstanden wurde, erhielt das Verhältnis von Sprache und Geschlecht3 gesellschaftliche und politische Relevanz“ (Reiss 2008: 743). Die gesellschaftliche Geschlechtergleichberechtigung wird mittlerweile als Ziel meist nicht mehr infrage gestellt, es geht vielmehr um die Debatte, ob und, wenn ja, wie diese durch Sprache gefördert und ausgedrückt werden kann.

Die wissenschaftliche Untersuchung der Relation von Sprache und Geschlecht wurde durch die Neue Frauenbewegung4 verstärkt, in deren Folge einige neue, interdependente linguistische Teildisziplinen entstanden: die feministische Linguistik, die feministische Sprachkritik, die feministische Sprachpolitik und die Genderlinguistik.5 Grundlegende Frage ist, ob die Struktur einer Sprache (langue) und/oder deren Gebrauch (parole) „geschlechtsdiskriminierend sind, d. h. sowohl die historisch belegte Geschlechtsdiskriminierung einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft widerspiegeln als auch zu ihr beitragen und für ihre Perpetuierung sorgen“ (Bierbach/Ellrich 1990: 248). In den feministischen Teildisziplinen wird die sprachliche Diskriminierung der Frau durch das sexistische Sprachsystem und/oder den sexistischen Sprachgebrauch kritisiert.6 Bei der GS als geteiltes Ziel dieser Teildisziplinen sind die Geschlechter durch Transformationen des Sprachsystems und -gebrauchs gleichberechtigt, d. h. Frauen und je nach Ausrichtung auch nicht binäre Menschen7 werden nicht mehr nur mitgemeint, sondern explizit genannt. Aus feministischer Sicht ist dieses Ziel deshalb bedeutend, weil die Ansicht vertreten wird, Sprache repräsentiere und präge Realität/Wirklichkeit8, sodass die GS als Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Realität/Wirklichkeit gilt. Gemeinsame Grundannahme ist eine Interdependenz zwischen Sprache und Gesellschaft, nach der Sprache Spiegel der gesellschaftlichen Situation und Instrument zur Initiierung gesellschaftlicher Veränderungen ist.9 Da nach dieser Ansicht „die gesellschaftlichen Zustände über ein verändertes Sprechen und über eine veränderte Sprache geändert werden können“ (Samel 2000: 131), soll die GS durch die sprachliche Gleichberechtigung der Geschlechter auch zu deren gesellschaftlicher Gleichberechtigung beitragen. Somit ist sie ein Teil des gesellschaftlichen Wandels mit dem Ziel der Geschlechtergleichberechtigung in allen Bereichen der Gesellschaft sowie eine diachrone, soziolinguistische Thematik mit aktuellen Auswirkungen, da die sprachlichen Asymmetrien zwischen den Genera10 Resultat historisch bedingter, gesellschaftlicher Asymmetrien zwischen den Geschlechtern sind und zugleich dazu beitragen, diese zu tradieren.

Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz „ist nicht auf die Sprachwissenschaft beschränkt, an ihr beteiligen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Psychologie, Jurisprudenz, Theologie, Philosophie [und] Politik“ (Bußmann 2005: 503). Sie ist als „Phänomen […], das nicht nur LinguistInnen und besonders interessierte BeobachterInnen, sondern auch ‚gewöhnliche‘ SprecherInnen beschäftigt“ (Peyer/Wyss 1998: 140) weltweit „eine der größten Kontroversen in der öffentlichen Diskussion“ (Kotthoff/Nübling 2018: 91) mit „eine[r]‌ Vielzahl an Akteuren, die sich auch in einer beeindruckenden Vielfalt der Textsorten äußert“ (Baumann/Meinunger 2017: 8): u. a. wissenschaftliche Beiträge, Zeitungsartikel, politische Reden, Onlinekommentare und Blogs (vgl. Baumann/Meinunger 2017: 9). Diese öffentliche, scheinbar allgegenwärtige Debatte betrifft in doppelter Hinsicht alle Teile der Bevölkerung: Einerseits greifen alle Menschen auf Sprache als primäres Kommunikationsmittel zurück, andererseits spielt das Geschlecht11 als wesentlicher Bestandteil der Identität für (fast) alle Menschen eine entscheidende Rolle. Aufgrund dieser doppelten Involviertheit ist es nicht überraschend, dass diese Debatte besonders intensiv und kontrovers geführt wird, und dass sich neben Expert*innen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen (u. a. Linguistik, Psychologie, Politik-, Geschichts- und Sozialwissenschaft) auch Lai*innen beteiligen. Diesen kommt eine ambivalente Stellung zu: Zum einen verfügen sie bezüglich der wissenschaftlichen Disziplinen über keine profunden Fachkenntnisse, zum anderen haben sie als Teil der Sprachgemeinschaft12 Sprachkompetenz und -gefühl für ihre Muttersprache13 und sind zudem oft der Ansicht, sich allein als Muttersprachler*innen kompetent über Sprache äußern zu können.14 Lobin (2021: 9) erklärt die Intensität und Brisanz sprachlicher Debatten im Allgemeinen wie folgt:

Vielleicht ist die Sprache das, was den Menschen selbst am deutlichsten erkennbar als ein gemeinsamer Besitz gehört. Weil die Sprache, die in einem Land oder einer Region verwendet wird, von allen, indem sie sprechen oder schreiben, immer wieder reproduziert und dabei nach und nach auch verändert wird, kann man sie als Manifestation gesellschaftlichen Handelns, ja der Gesellschaft überhaupt verstehen. Das mag die Heftigkeit erklären, mit der öffentliche Debatten zu sprachlichen Themen häufig geführt werden. Zugleich verweisen solche Debatten […] immer auch über das Sprachliche hinaus auf strittige Fragen in Gesellschaft und Politik überhaupt.

Aufgrund von sprachstrukturellen und soziokulturellen Differenzen divergiert die Thematisierung der GS bezüglich Intensität, Brisanz sowie Grad der offiziellen und rechtlichen Protektion von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft. Hergenhan (2015: 106) stellt diesbezüglich fest: „Sprachliche Innovationen verschiedener Sprachräume inspirieren sich gegenseitig, sind jedoch aufgrund unterschiedlicher sprachsystematischer Voraussetzungen und gesellschaftlicher Kontexte nicht direkt übertragbar“. In der Anglo- und Germanophonie wird die GS z. B. weniger intensiv und kontrovers diskutiert sowie von offizieller Seite stärker rechtlich protegiert als in der Frankophonie. Dies zeigt sich u. a. darin, dass es im germanophonen Kontext kostenlose Hilfsmittel wie das Genderwörterbuch Geschickt Gendern15 gibt. Selbst innerhalb einer Sprachgemeinschaft (z. B. der Frankophonie) können diesbezüglich erhebliche Unterschiede bestehen, die meist entlang der staatlichen Grenzen verlaufen. In den in dieser Dissertation berücksichtigten frankophonen Gebieten16 ist die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz stark umstritten. Zu einer Kontroverse wird die geschlechtsindifferente Referenz durch das „Spannungsfeld, das von traditionellen und innovativen Kräften erzeugt wird“ (Lebsanft 1997: 288). Erstere fokussieren die Sprachpflege als „bewußtes, zielorientiertes Eingreifen in Sprechen und Sprache […] [zur] gelenkten Herausbildung, Entwicklung und Bewahrung der Gemeinsprache“ (Schmitt 1998: 220). „Vor allem die Sozialgebundenheit von Sprache kann ein wichtiges Argument zugunsten der Sprachpflege bilden, da Sprache ein Kommunikationssystem darstellt, dessen Ziel es ist, über geographische und soziale Barrieren der Gesellschaft hinweg Verständigung zu ermöglichen“ (Schmitt 1998: 235). Deshalb befürworten sie die Bewahrung traditioneller Formen (generischer Gebrauch des Maskulinums (GM)17), die sie u. a. als einfacher und ästhetischer erachten. Demgegenüber liegt der Fokus letzterer auf der Sprachlenkung zur Anpassung der Sprache und ihres Gebrauches an die Realität/Wirklichkeit sowie zur Beeinflussung dieser durch sprachliche Veränderungen. Sie unterstützen innovative Formen (GS), weil sie der Ansicht sind, Sprache müsse gesellschaftliche Veränderungen spiegeln. Da diese Kräfte in der Frankophonie18 unterschiedlich verteilt sind, agieren bestimmte Gebiete innovativer als andere. Um diese Unterschiede sowie deren potenzielle Gründe zu untersuchen, erfolgt die dieser Dissertation zugrundeliegende Befragung in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Québec.19 Diese Auswahl basiert einerseits auf der Tatsache, dass das Französische in diesen Gebieten Amts- und Muttersprache ist, andererseits auf der Annahme, die Situation der Geschlechter sei in diesen westlich geprägten und demokratischen Gebieten im Kontrast zu anderen frankophonen Gebieten beispielsweise in Afrika vergleichbar. Für die vergleichende Untersuchung ist zudem bedeutsam, dass bei diesen Gebieten u. a. soziolinguistische Unterschiede bestehen. Abgesehen von Frankreich befindet sich das Französische in allen Gebieten im engen Sprachkontakt mit anderen Amtssprachen auf der Bundesebene: mit dem Deutschen, Italienischen und Rätoromanischen in der Schweiz, mit dem Deutschen und Niederländischen in Belgien sowie mit dem Englischen in Kanada. Mit diesem Sprachkontakt geht zugleich auch ein Kulturkontakt einher, der ebenfalls zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus charakterisierten und charakterisieren sich diese Gebiete partiell immer noch durch ein Gefühl sprachlicher Unsicherheit oder sogar Minderwertigkeit im Vergleich zum Französischen Frankreichs, wodurch die Einstellungen der Sprachgemeinschaften zu Sprachveränderungen (wie der GS) beeinflusst werden können. Umfrageergebnisse und eigene Standardwerke der Gebiete verdeutlichen, dass diese Gefühle abgenommen haben, wobei diesbezüglich gebietsspezifische Unterschiede hinsichtlich des zeitlichen Beginns und der Intensität dieser Reduktion zu verzeichnen sind.

Durch den soziolinguistischen und komparativen Ansatz dieser Befragung kann der Einfluss kultureller und politischer Variablen der Sprachgemeinschaften (z. B. Sprach- und Kulturkontakt sowie politische Landschaft) und sozialer Variablen der Sprechenden (z. B. das Geschlecht) auf die Einstellungen zur GS und zu den Grundprinzipien untersucht werden. Der Vergleich der Ergebnisse dieser Untersuchung mit Ergebnissen vorangehender und zukünftiger Untersuchungen ermöglicht zudem, die Entwicklung dieser Einstellungen nachzuvollziehen. Die Relevanz dieser Einstellungen und ihrer Entwicklung zeigt sich vorrangig darin, dass sie als empirische Basis für öffentliche Diskussionen und politische Entscheidungen dienen können. Primäres Ziel dieser Befragung ist die Eruierung eines Meinungsbildes20 frankophoner Studierender hinsichtlich der Grundprinzipien und diesbezüglicher gebiets- und geschlechtsspezifischer Unterschiede sowie deren Begründungen. Ferner könnte sie als Grundlage dienen, um zur Vernetzung und Kooperation der frankophonen Gebiete sowie zum Erfahrungstransfer innerhalb der Frankophonie beizutragen. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass sie für das Französische Anregungen und Tendenzen für die Realisierung der geschlechtsindifferenten Referenz liefert.

Die Vielzahl von Referenzwerken zur GS21 offenbart ihre Aktualität und Brisanz. Dieser regen Produktion von Referenzwerken steht ein Mangel an empirisch fundierter Forschung zu dieser Thematik gegenüber. Bisher liegen zu den zwei adversativen Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz (GM22 und geschlechtersensible Formulierung (GsF)) primär empirische Untersuchungen im Bereich der Kognitiven Psychologie und Textlinguistik vor.23 Ziel dieser Dissertation ist es, diesen Fokus durch eine soziolinguistische Befragung zu laienlinguistischen Einstellungen zu erweitern. Dieser soziolinguistische Zugang entspringt folgender Feststellung von Hymes (1974: 202): „There really is no way that linguistic theory can become a theory of language without encompassing social meaning, and that means become part of the general study of communicative conduct and social action“. Bei dieser Dissertation handelt es sich um eine vertiefende Fortsetzung der im Jahr 2018 an der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vorgelegten Masterarbeit „Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz in Frankreich – Eine empirische Befragung zu den laienlinguistischen Einstellungen der Pariser Studierenden hinsichtlich des generischen Gebrauchs des Maskulinums und der écriture inclusive“ (vgl. Arnold, L. 2018). Inhaltlich und methodisch baut die Dissertation auf der Masterarbeit auf, es werden jedoch drei grundlegende Veränderungen vorgenommen: erstens eine geographische Expansion der Befragung von Paris auf vier frankophone Gebiete (Frankreich, Belgien, Schweiz und Québec), zweitens eine inhaltliche Ausweitung des Fragebogens um das Konzept der GS, eine Differenzierung zwischen der Verwendung der Grundprinzipien im öffentlichen und privaten Bereich sowie die konkreten Verfahren der fns und drittens eine methodische Veränderung bezüglich der Rekrutierung der Befragten, indem der Fragebogen nicht in universitären Facebookgruppen publiziert, sondern per E-Mail an Studierende verschickt wurde. Ferner wurden nicht binäre Menschen sowohl bei der Theorie als auch der empirischen Auswertung berücksichtigt.

Die drei Forschungsfragen dieser Dissertation sind:

  1. 1. „Welche Einstellungen haben frankophone Studierende in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Québec hinsichtlich der zwei adversativen Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz?“
  2. 2. „Welche gebiets- und geschlechtsspezifischen Unterschiede liegen in der Frankophonie in Bezug auf diese Einstellungen vor?“
  3. 3. „Wie lassen sich diese Unterschiede innerhalb der Frankophonie begründen?“

Angesichts der empirischen Evidenz, dass der GM meist nicht geschlechtsindifferent interpretiert wird24, werden zur geschlechtsindifferenten Referenz in dieser Dissertation im Deutschen folgende, u. a. vom Gleichstellungsbüro der Universität Bonn (o. J.), der Gleichstellungsstelle der Bundesstadt Bonn (2021) sowie dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (2021) empfohlene Alternativen zum GM verwendet: geschlechtsneutrale Formulierungen und Kurzformen mit Asterisk. Für das Deutsche fungiert der Asterisk als typographisches Zeichen dank seiner Bekanntheit und Symbolkraft, da seine Strahlen die Geschlechtervielfalt symbolisieren (vgl. Genderleicht.de o. J. a, o. J. b). Zugleich ist darauf zu verweisen, dass dem Rat für deutsche Rechtschreibung (2023) zufolge „Wortbinnenzeichen […] [wie der Asterisk] nicht zum Kernbestand der deutschen Orthographie [gehören]“ und diese Zeichen „in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen [können], die noch nicht geklärt sind, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).“ Deshalb zieht er folgendes Fazit: „Die Entwicklung des Gesamtbereichs ist noch nicht abgeschlossen und wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung weiter beobachtet werden“ (Rat für deutsche Rechtschreibung 2023). Nach Körner, Abraham, Rummer und Strack (2022: 13) sind Kurzformen mit Asterisk jedoch trotzdem „the dominant gender inclusive language form in German“. An dieser Stelle ist anzuführen, dass diese Formen der Studie von Körner et al. (2022) zufolge zu einer Prädominanz weiblicher Assoziationen führen, die jedoch geringer und weniger stabil ausfällt als die Prädominanz männlicher Assoziationen beim GM.25 Für das Französische werden ebenfalls geschlechtsneutrale Formulierungen, allerdings in Kombination mit Kurzformen mit Mediopunkt verwendet, weil dieses typographische Zeichen in der Frankophonie üblicher ist (vgl. Arbogast 2017: 17). Körner et al. (2022: 14) bezeichnen Kurzformen mit Mediopunkt als „most prominent contracted form“ im Französischen und nehmen an, dass analog zu den Kurzformen mit Asterisk diese Kurzformen mit Mediopunkt zu einer Prädominanz weiblicher Assoziationen führen (vgl. Körner et al. 2022: 566).26 Um alle Geschlechtsidentitäten zu inkludieren, werden Kurzformen statt Vollformen genutzt.27 Diese können phonisch als Vollformen oder mithilfe einer kurzen Pause realisiert werden. Personenbezeichnungen in Zitaten bleiben unverändert.

Im Anschluss an diese Einführung, werden im zweiten Kapitel terminologische, grammatische, soziolinguistische, historische und rechtliche Grundlagen der Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz erläutert. Der erste Abschnitt thematisiert die terminologischen Grundlagen. Zu Beginn werden die Frauenbewegung, der Feminismus, die feministische Linguistik, die feministische Sprachkritik, die feministische Sprachpolitik und die Genderlinguistik dargelegt. Daraufhin erfolgt die Erörterung der bei diesen Bewegungen und linguistischen Teildisziplinen verwendeten Terminologie. Abschließend wird das Konzept der GS unter Fokussierung der vielfältigen Bezeichnungen dargelegt und es wird die terminologische Wahl dieser Dissertation begründet. Im zweiten Abschnitt erfolgt die inter- und intralinguale Charakterisierung der grammatischen Kategorie Genus. Zunächst werden Etymologie, Definition, Charakterisierung und Entwicklung des Genus im Allgemeinen sowie insbesondere im Französischen skizziert. Im Anschluss werden die konträren Ansichten hinsichtlich der Definition, der Funktion(en) und des Ursprungs des Genus kontrastiert und eine synthetisierende Mittelposition als Grundlage dieser Dissertation präsentiert. Daraufhin erfolgt die Differenzierung zwischen grammatischem Genus, biologischem Sexus und soziokulturellem Gender. Anschließend werden die vier Arten der Geschlechtsmarkierung bei Personenbezeichnungen im Französischen behandelt. Zum Schluss folgt die Schilderung der Asymmetrien zwischen den zwei Genera im Französischen und ihrer Entwicklung. Der dritte Abschnitt behandelt die zwei Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz. Zunächst werden der generische Gebrauch des Maskulinums und die formulation non sexiste erläutert. Es folgt ein Resümee ausgewählter Studien zu den Auswirkungen dieser Grundprinzipien auf kognitiv-psychologische und rezeptive Kriterien sowie zu den Maßnahmen zur Förderung der Verwendung der GsF. Abschließend werden relevante Studien zu den Einstellungen hinsichtlich der GS und den zwei Grundprinzipien dargelegt. Der vierte Abschnitt erörtert die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz. Zu Beginn werden die Standpunkte der offiziellen frankophonen Sprachinstitutionen in den vier in dieser Dissertation untersuchten Gebieten dargelegt. Es schließt sich die Kontrastierung der Standpunkte der strukturalistischen und der feministischen Linguistik an. Daraufhin erfolgt die Gegenüberstellung exemplarischer Argumente und Gegenargumente der Befürworter*innen und Kritiker*innen der Grundprinzipien. Abschließend werden grundlegende Unterschiede dieser Lager festgehalten. Der fünfte Abschnitt hat die Relation zwischen Sprachsystem und anderen Systemen zum Thema. Als erstes werden die drei grundlegenden Sichtweisen bezüglich der Relation zwischen Sprache, Denken und Realität/Wirklichkeit kontrastiert und ihre abgeschwächten Versionen fusioniert. Anschließend werden die Relation zwischen Sprache und Gesellschaft sowie die Relation zwischen Sprache und Geschlecht unter Fokussierung der sechs Funktionen von Sprache vertieft. Es schließt sich die Thematisierung der Relation zwischen Sprache und Macht, der symbolischen Macht der Sprache sowie ihrer Instrumentalisierung als Herrschafts- und Befreiungsinstrument an. Im Anschluss werden die internationalen Tendenzen hinsichtlich der Einstellungen zur GS erläutert und es wird versucht, die zwei konträren Grundannahmen der zwei Lager der Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz bezüglich der Relation zwischen Sprache und Gesellschaft zu fusionieren. Zum Abschluss werden Rolle, Relevanz, Grad der Implementierung und rechtlichen Protektion sowie konkrete Umsetzung der GS in exemplarisch selektierten Bereichen der Gesellschaft – Bildungswesen, Medien als Teil des Bereiches Kultur, Religion, Rechtswesen, Politik, Arbeitsmarkt und Administration – skizziert und sofern möglich bezüglich der frankophonen Gebiete präzisiert. Die Entwicklung der gesellschaftlichen und sprachlichen Situation der Geschlechter wird im sechsten Abschnitt summarisch und kontrastiv dargelegt. Der siebte Abschnitt kontrastiert die Entwicklung sowie aktuelle Situation der rechtlichen Grundlagen und offiziellen sowie nicht offiziellen Referenzwerke zur GS.

Diese Grundlagen werden im dritten Kapitel durch die soziolinguistische Befragung zu laienlinguistischen Einstellungen frankophoner Studierender hinsichtlich der Grundprinzipien zur geschlechtsindifferenten Referenz vertieft. Der erste Abschnitt erläutert theoretische und begriffliche Grundlagen der Befragung. Zunächst werden deren Intention und inhaltlicher Aufbau dargelegt. Anschließend erfolgt die Definition des Untersuchungsgegenstandes: laienlinguistische Einstellungen. Nachfolgend werden die Umfrage-, Einstellungs- und Meinungsforschung sowie deren Methoden beschrieben und bezüglich ihrer Schnittpunkte mit dieser Befragung illustriert. Zum Schluss erfolgt die Aufspaltung der drei Forschungsfragen und zwei Forschungshypothesen in 18 Subfragenkomplexe und 71 theoretische Subhypothesen. Im zweiten Abschnitt steht die methodische und inhaltliche Umsetzung der Befragung im Fokus. Zuerst werden Festlegung der Population und Auswahl der Stichprobe erläutert. Danach werden Forschungsansatz, Studiendesign, Erhebungsverfahren, Befragungsmethode und Instrument sowie Vor- und Nachteile der gewählten Befragungsmethode dargestellt. Anschließend erfolgt die Erläuterung des Fragebogenaufbaus. Es schließt sich die Erörterung der Fragetypen und ihrer Vor- und Nachteile sowie der allgemeinen Grundsätze der Frageformulierung an. Daraufhin wird über die Durchführung des Pretests zur Optimierung des Fragebogens berichtet und es werden die vorgenommenen Veränderungen erläutert. Es folgt die Darlegung der Auswertung des Fragebogens. Abschließend wird die Interpretation der empirischen Ergebnisse beschrieben. Der dritte Abschnitt beantwortet die 18 Subfragenkomplexe und überprüft die 71 theoretischen Subhypothesen mithilfe der empirischen Ergebnisse und leitet daraus die Beantwortung der drei Forschungsfragen sowie die Überprüfung der zwei Forschungshypothesen ab. Des Weiteren wird über die qualitative und quantitative Auswertung der zusätzlichen Kommentare und Anmerkungen sowie die bei der Analyse und Auswertung hervortretenden Auffälligkeiten bei den Bewertungen der Beispielsätze berichtet. Im vierten Abschnitt erfolgen die Analyse und Annäherung an eine Begründung der gebiets- und geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Das vierte Kapitel enthält im ersten Abschnitt eine Zusammenfassung der gewonnenen empirischen Ergebnisse in nachstehenden vier thematischen Bereichen: das Konzept der GS, der generische Gebrauch des Maskulinums, die formulation non sexiste und die Präferenzen hinsichtlich der zwei Grundprinzipien sowie deren Begründungen. Der zweite Abschnitt vergleicht die Ergebnisse innerhalb der Frankophonie sowie diese Ergebnisse mit denen anderer Studien zu den Einstellungen hinsichtlich der Grundprinzipien für andere Sprachen und Sprachgemeinschaften. Im dritten Abschnitt erfolgen die Diskussion der gesellschaftlichen und sprachpolitischen Relevanz der Ergebnisse sowie die Darlegung der Grenzen und Anknüpfungspunkte dieser soziolinguistischen Untersuchung.


1 Siehe Unterabschnitt 2.1.3.

2 Siehe Unterabschnitt 2.1.1.

3 Siehe Unterabschnitt 2.5.3.

4 Diese entspricht der zweiten, theoretisch orientierten Welle feministischer Bestrebungen (siehe Unterabschnitt 2.1.1).

5 Siehe Unterabschnitt 2.1.1.

6 Siehe Unterabschnitt 2.1.2.

7 Die Bezeichnung nicht binäre Menschen fungiert im Rahmen dieser Dissertation zur Referenz auf Personen, die nicht (immer) den binären Geschlechterkategorien männlich oder weiblich zugeordnet werden können bzw. sich nicht (nur) mit diesen identifizieren, beispielsweise geschlechtsfreie Menschen, die „jegliche Geschlechtszugehörigkeit“ (Kotthoff/Nübling 2018: 15) negieren.

8 Zur Erläuterung der terminologischen Unterscheidung zwischen Realität und Wirklichkeit siehe Unterabschnitt 2.5.1.

9 Siehe Unterabschnitt 2.5.2.

10 Für die sprachübergreifenden Asymmetrien zwischen den Genera siehe Unterabschnitt 2.1.2 und für die Asymmetrien zwischen den zwei Genera im Französischen siehe Unterabschnitt 2.2.6.

11 In dieser Dissertation fungiert der Terminus Geschlecht als Hyperonym für das biologische (Sexus) und soziokulturelle Geschlecht (Gender) (siehe Unterabschnitt 2.2.5).

12 Der Terminus Sprachgemeinschaft dient in dieser Dissertation zur Referenz auf „eine Gemeinschaft als abstrakte Summe aller Sprecher (Muttersprachler) einer Sprache“ (Tacke 2015: 8) und untergliedert sich „in eine Vielzahl von – geographisch verschiedenorts situierten – Sprechergemeinschaften (auch: ‚Nationen‘), die sich jeweils durch diverse identitäre Merkmale wie eine gemeinsame Kultur, bestimmte sprachliche Varietäten und nicht zuletzt eine gemeinsame Siedlungsgeschichte definieren“ (Tacke 2015: 8).

13 Im Sinne des in der Sprachlehr- und -lernforschung häufig verwendeten Terminus Erstsprache.

14 Siehe Unterabschnitt 3.1.2.

15 Usinger.

16 Frankreich, frankophone Teile Belgiens und der Schweiz sowie Québec.

17 Siehe Unterabschnitt 2.3.1.

18 In dieser Dissertation beschränkt sich der Terminus Frankophonie auf frankophone Nationen in Europa (Frankreich, Belgien und die Schweiz) und Kanada (Québec), in denen das Französische als Vernakular- und Vehikularsprache fungiert.

19 Im Rahmen dieser Dissertation referiert der Terminus Frankreich lediglich auf das Hexagon, die Termini Belgien und Schweiz beziehen sich nur auf die frankophonen Gebiete der Länder und Québec wird als einzige offiziell einsprachig frankophone Provinz stellvertretend für den gesamten frankophonen Teil Kanadas untersucht.

20 In diesem Kontext werden Meinungen als verbalisierter Ausdruck von Einstellungen (vgl. Childs 1965: 13) angesehen (siehe Unterabschnitt 3.1.3).

21 Siehe Abschnitt 2.7.

Details

Pages
872
Year
2024
ISBN (PDF)
9783631912904
ISBN (ePUB)
9783631912911
ISBN (Hardcover)
9783631912898
DOI
10.3726/b21708
Language
German
Keywords
Genderlinguistik empirische Umfrageforschung laienlinguistische Einstellungen Frankophonie generischer Gebrauch des Maskulinums geschlechtersensible Formulierung
Published
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 872 S., 73 s/w Abb., 8 Tab.

Biographical notes

Lina Rebecca Arnold (Author)

Lina Rebecca Arnold studierte Französisch und Spanisch an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach dem Master of Arts in Romanistik (2018) und dem Master of Education (2019) promovierte sie in der Französischen Philologie und lehrte im Bereich der Sprachwissenschaft.

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Title: Die Kontroverse um die geschlechtsindifferente Referenz in der Frankophonie