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Bibliodrama als Weg der Versöhnung in Kroatien

Herausforderungen und Impulse für Pastoral und Katechese

von Magdalena Višić (Autor:in)
©2024 Dissertation 376 Seiten

Zusammenfassung

Gegenstand dieser Untersuchung ist das religionspädagogische Potenzial bibliodramatischer Arbeit im Kontext von Vergebung und Versöhnung. Dieses wird aus seinen philosophischen und theologischen Grundlagen entwickelt, um dann anhand der exemplarischen Dokumentation mehrerer Bibliodramaspiele empirisch veranschaulicht zu werden.
Mit der Auswertung der Erfahrungsberichte (nach Inghard Langer) lässt sich zeigen, dass bibliodramatische Inszenierungen erlebnisstarke Begegnungen mit biblischen Versöhnungs- und Vergebungsgeschichten ermöglichen, die die Teilnehmer*innen ihr eigenes Potenzial von Vergebung und Versöhnung entdecken lassen. Die Autorin inspiriert damit die Arbeit der katholischen Kirche in Kroatien und trägt dazu bei, einen gesellschaftlich wirksamen Weg der Vergebung und der Versöhnung zu bahnen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Bibliodrama in der Versöhnungsarbeit – Geleitwort (Klaus Kießling)
  • Vorwort
  • 0. Einleitung
  • 0.1. Anliegen der Arbeit
  • 0.2. Einführende Bemerkungen zur Begrifflichkeit
  • 0.2.1. Verzeihen – Vergeben – Versöhnen
  • 0.2.2. Bibliodrama – Bibliolog
  • 0.3. Aufbau der Arbeit
  • A Vergebung und Versöhnung in Philosophie und Theologie
  • 1. Philosophische Zugänge
  • 1.1. Die Vergebung als Gabe
  • 1.2. Die Unbedingtheit der Vergebung
  • 1.3. Die entbindende Kraft der Vergebung
  • 1.3.1. Die Unwiderruflichkeit des Getanen und die Macht zu vergeben
  • 1.3.2. Jesus als Entdecker der Vergebung
  • 1.3.3. Die Vergebung im Verhältnis zu Rache und Strafe
  • 1.3.4. Der Vergebende als der Entscheidende im Vergebungsprozess
  • 2. Biblische und theologische Zugänge
  • 2.1. Biblisches Verständnis von Vergebung und Versöhnung
  • 2.1.1. Vergebung und Versöhnung im Alten Testament
  • 2.1.2. Vergebung und Versöhnung im Neuen Testament
  • 2.2. Theologische Sicht des Vergebungs- und Versöhnungsgeschehens
  • 2.2.1. Schuld und Schulderfahrung
  • 2.2.2. Sünde und Sündenvergebung
  • 2.2.3. Die sakramentale Versöhnung
  • 2.2.4. Versöhnung mit Gott, sich selbst und den Anderen
  • 3. Systematisch-theologische Zugänge
  • 3.1. Das versöhnende Opfer in der mimetischen Theorie von René Girard
  • 3.2. Das Heilsdrama in der dramatischen Theologie von Raymund Schwager
  • 3.3. Zusammenfassung
  • B Vergebung und Versöhnung im Bibliodrama
  • 4. Das Bibliodrama als Hinführung zu einer Mimesis von Vergebung und Versöhnung
  • 5. Das Bibliodrama-Modell von Hermann Andriessen und Nicolaas Derksen
  • 5.1. Bibliodrama als pastoral-katechetisches Handeln
  • 5.2. Bibliodrama als seelsorgliches Handeln
  • 5.3. Bibliodrama als „praktische Exegese“
  • 6. Grundzüge der bibliodramatischen Methode
  • 6.1. Die Berührung von Bibel- und Lebenstext
  • 6.2. Die „Versinnlichung“ des Textes durch Raumaufteilung
  • 6.3. Die Rolle als Zugang zur Selbstentdeckung und zur Entdeckung der anderen
  • 6.4. Das Fragegespräch als Anregung zu Suche und Bewegung
  • 6.4.1. Bewusstwerdung der eigenen Lebenssituation
  • 6.4.2. „In Glaubensbewegung kommen“
  • 6.5. Zusammenfassung
  • 7. Erfahrungsberichte und Auswertungsmethode nach Inghard Langer
  • 7.1. Der Verlauf des Bibliodramas nach Herman Andriessen und Nicolaas Derksen
  • 7.2. Methodisches Vorgehen nach Langer und die verdichtete Darstellung der Erfahrungsberichte
  • 7.2.1. Bibliodramaspiel zu Gen 45,1–15: „Ein neuer Anfang ist möglich.“
  • 7.2.2. Bibliodramaspiel zu Lk 15,11–32: „Ich spürte die Freude unserer Versöhnung.“
  • 7.2.3. Bibliodramaspiel zu Joh 20,19–29: „Weder Friede, noch Heilung, noch Vergebung sind möglich, ohne dass die Wunden gezeigt werden.“
  • 7.3. Gesamtbündelung der Ergebnisse
  • 7.3.1. … vom Weg zur eigenen Rolle
  • 7.3.2. … vom In-Bewegung-Kommen
  • 7.3.3. … von der Begegnung mit der eigenen Geschichte
  • 7.3.4. … von dem Mut, eigene Wunden zu zeigen und berühren zu lassen
  • 7.3.5. … von der Einsicht in die eigene Erfahrungswelt
  • 7.3.6. … von der Erkenntnis und dem Bekenntnis der eigenen Schuld und Sünde
  • 7.3.7. … von der eigenen Gottes- und Glaubenserfahrung
  • 7.3.8. … von der Vergebungs- und Versöhnungserfahrung
  • 7.3.9. … von der Sehnsucht nach dem Frieden
  • 7.4. Methode der qualitativ-empirischen Forschung im Rückblick
  • C Impulse und Herausforderungen des Bibliodramas für die Pastoral und Katechese in Kroatien
  • 8. Bibliodrama als Einstieg zur kirchlichen Versöhnungsarbeit in Kroatien
  • 8.1. Die Bedeutung von Vergebung und Versöhnung in Kroatien
  • 8.2. Die möglichen Einstellungsänderungen zu Vergebung und Versöhnung aufgrund der Erfahrungen im Bibliodrama
  • 9. Anwendung des Bibliodramas in Pastoral und Katechese in Kroatien
  • 9.1. In der Gemeindepastoral
  • 9.2. In der Gemeindekatechese
  • 9.3. Im Religionsunterricht
  • 10. Fazit und Ausblick
  • Anhang: Erfahrungsberichte der Bibliodrama-Teilnehmer*innen, Reflexionsberichte der Bibliodramaleiterin und Raumaufteilung zu den Bibliodramaspielen
  • Erfahrungsberichte der Bibliodrama-Teilnehmer*innen
  • Bibliodramaspiel zu Gen 45,1–15: Josefs Versöhnung mit seinen Brüdern
  • Bibliodramaspiel zu Lk 15,11–32: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
  • Bibliodramaspiel zu Joh 20,19–29: Die Beauftragung der Jünger
  • Reflexionsberichte der Bibliodramaleiterin
  • Raumeinteilung zu den Bibliodramaspielen
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

Bibliodrama in der Versöhnungsarbeit – Geleitwort (Klaus Kießling)

In der kirchlichen Erwachsenenbildung kommt dem Bibliodrama eine inzwischen unverzichtbare Bedeutung zu. Schon sein programmatischer Name lässt unschwer erkennen, dass es dabei um Dramatisierungen biblischer Texte geht, wie sie in katholischen Traditionen in vielerlei Gestalten lebendig waren und sind. Das spezifisch bibliodramatische Spiel leiten eigens dazu qualifizierte Personen an: In Gruppenprozessen übernehmen die Teilnehmenden Rollen, wie sie in ausgewählten Texten der Heiligen Schrift vorkommen, um auf kreativen Wegen biblische Geschichten in Szene zu setzen. Für die daran Beteiligten kommt es zur existenziellen Konfrontation mit ihren je eigenen Erfahrungen, und dadurch können sie auf ihren Lebens- und Glaubenswegen gefördert und inspiriert werden. Die Leitungsperson geht dabei der Aufgabe nach, das Zusammenspiel zwischen biblischem Text, den einzelnen Menschen in ihren Rollen und der gesamten Gruppe immer neu auszutarieren und auf diese Weise Spielräume zu eröffnen, die der Persönlichkeitsbildung und -entwicklung der Teilnehmenden dienen sowie dem diakonischen Auftrag der Kirchen nachkommen können.

Glaubenskommunikation angesichts des Kroatienkriegs

Sr. Magdalena Višić, aus Kroatien stammende und in der Pastoral im Bistum Limburg erfahrene Schulschwester der Franziskanerinnen, ist mit bibliodramatischer Arbeit in Praxis und Theorie vertraut. Sie fragt vor dem Hintergrund des Kroatienkriegs in den Neunzigerjahren und der damit verbundenen Gewalterfahrungen und Traumatisierungen danach, inwiefern sich bibliodramatische Konzepte eignen, um Wege der Vergebung und der Versöhnung in Kroatien zu initiieren, sowohl in der kirchlichen Erwachsenenbildung als auch an anderen Orten der Glaubenskommunikation.

In ihrer Einleitung postuliert die Autorin, dass dem Bibliodrama ein Potenzial zur Einstellungsänderung und damit zur Anbahnung von Prozessen innewohnt, wie sie eingangs skizziert wurden.

Zugleich klärt sie für ihr Vorhaben zentrale Begriffe: Wer Unrecht begeht, kann um Verzeihung bitten, darum, dass Betroffene darauf verzichten, den Täter einer Untat zu zeihen und eines Vergehens zu bezichtigen. Dabei lässt der gängige Sprachgebrauch darauf schließen, dass sich eine Bitte um Verzeihung auf weniger Gravierendes richtet als eine Vergebungsbitte. Wer Bereitschaft zur Vergebung entwickelt, verzichtet auf einen Schuldvorwurf und lässt seinem Gegenüber eine Gabe zukommen, nämlich das Geschenk der Entbindung von Schuld – unabhängig davon, ob sich der Täter oder die Täterin einsichtig und reumütig zeigt und ob die Beziehung, in der Vergebung geschehen kann, überhaupt weiterlebt. So oder so bleibt Unrecht Unrecht, es wird nicht vergessen, aber seine Bewertung ändert sich, Schuld wird erlassen. Setzen Menschen jedoch auf Versöhnung, sodass niemand mehr Sühne leisten muss, sind sie aufeinander angewiesen: auf die Vergebung durch die eine Seite und auf die Reue, die die andere Seite zeigt, auch auf ihre Verantwortungsübernahme und Wiedergutmachung. Vergebung kommt in der Versöhnung, wenn sie möglich wird, quasi zur Vollendung. Als interpersonales Geschehen unterscheidet sich letztere von ersterer, wobei Versöhnung auch eine intrapersonale Qualität eigen ist, wenn ein Mensch sich etwa mit seiner eigenen Biografie – und quasi in sich auch mit anderen Menschen – versöhnt.

Einleitend differenziert Sr. Magdalena Višić zudem zwischen zwar miteinander verwandten, aber doch deutlich zu unterscheidenden Verfahren: zwischen Bibliodrama in seiner Nähe zu psychodramatischen Prozessen und Dynamiken einerseits und Bibliolog in seiner Nähe zu jüdischen Auslegungstraditionen der Midraschim andererseits.

Schließlich skizziert die Autorin den Aufbau ihrer Untersuchung, die drei Teile mit insgesamt zehn Kapiteln umfasst.

Vergebung und Versöhnung in Philosophie und Theologie

Vergebung und Versöhnung in Philosophie und Theologie ist Teil A gewidmet.

In Kapitel 1 geht es um prominente philosophische Zugänge zum Thema: um Vergebung als Gabe bei Jacques Derrida, um ihre Unbedingtheit bei Paul Ricœur, um ihre entbindende Kraft bei Hannah Arendt.

Eine biblisch-theologische Spurensuche folgt in Kapitel 2.

Kapitel 3 bietet systematisch-theologische Zugänge im Anschluss an die mimetische Theorie René Girards und die sie rezipierende dramatische Theologie Raymund Schwagers.

Vergebung und Versöhnung im Bibliodrama

Vergebung und Versöhnung im Bibliodrama stehen im Zentrum dieser Untersuchung und nehmen ihren größten Raum ein (Teil B).

Sr. Magdalena Višić versteht Bibliodrama als Hinführung zu einer Mimesis der Versöhnung (Kapitel 4).

Freilich haben sich inzwischen vielfältige bibliodramatische Traditionen herausgebildet: Die Autorin konzentriert sich auf das Konzept von Herman Andriessen und Nicolaas Derksen, das in zahlreichen Feldern christlicher Glaubenskommunikation starke Verbreitung genießt (Kapitel 5). Die beiden Theologen setzen darauf, dass die Verbindung von Bibeltext und je eigenem Lebenstext als Herzstück der Pastoral im dramatischen Spiel eine jeweils neue Gestalt findet und eine eigene Geschichte gebiert. Die so initiierten Prozesse religiöser Bildung lassen sich als Katechese, in ihren heilsamen Wirkungen auch als mystagogisch geprägte Seelsorge und auf dem Wege einer Auslegung der Heiligen Schrift im leibhaftigen Tun als praktische Exegese fassen, wie die Autorin ausführt.

Methodischen Fragen zur bibliodramatischen Arbeit ist Kapitel 6 gewidmet. Darin wird deutlich, dass die Leitungsperson im Glaubensgespräch mit den Gruppenmitgliedern diese in ihrer Gottesbeziehung zu stützen und zu begleiten sucht.

In Kapitel 7, dem mit Abstand umfangreichsten überhaupt, folgt eine Präsentation von Erfahrungen, die Menschen in der Auseinandersetzung mit biblischen Geschichten (Gen 45,1–15; Lk 15,11–32; Joh 20,19–29) spielerisch gesammelt haben. Deren Berichte werden nach jenem qualitativ-empirischen Verfahren ausgewertet, das Inghard Langer in humanistisch-psychologischer Tradition entwickelte und das sich bereits vielfach bewährte, auch in der Praktischen Theologie. Die Verdichtungsprotokolle, die aus den Erfahrungen der einzelnen Beteiligten in ihren Rollen hervorgingen, erfahren eine Bündelung, sodass für jedes Bibliodramaspiel ein eigenes Gruppenergebnis entsteht. Dieses wiederum wird mit den jeweiligen exegetischen Befunden konfrontiert. Sodann erstellt die Autorin eine Gesamtzusammenfassung, die Lebens- und Glaubens-, Vergebungs- und Versöhnungserfahrungen bezeugt, die die Mitwirkenden auf den skizzierten Wegen sammeln konnten. Abschließend reflektiert Sr. Magdalena Višić die gewählte empirische Methodik auf ihre Stärken und Schwächen hin.

Bibliodramatische Impulse für die Glaubenskommunikation

Teil C bietet Impulse und Herausforderungen des Bibliodrama für Pastoral und Katechese in Kroatien.

Die Autorin fragt in Kapitel 8 nach der Rolle, die bibliodramatisches Arbeiten im Krieg nach dem Krieg, der in den Neunzigerjahren tobte, spielen könnte.

Schwerpunkte des möglichen Einsatzes von Bibliodrama in ihrer Heimat will Sr. Magdalena Višić auf Gemeinde und Schule legen (Kapitel 9). Sie setzt auf eine Diakonie der Versöhnung, die der Entwicklung einer Konfliktkultur und der Befriedung der kroatischen Gesellschaft zugutekommt.

Kapitel 10 bietet eine Bündelung der Ergebnisse dieses Forschungsgangs und weitere Impulse für die ausstehende kirchliche Versöhnungsarbeit in Kroatien.

Der Anhang umfasst Erfahrungsberichte von Personen, die an verschiedenen bibliodramatischen Prozessen mitgewirkt haben, Reflexionen der Leiterin der damit befassten Gruppen zu den einzelnen Spielbewegungen sowie grafische Veranschaulichungen der hier dokumentierten Szenerien.

Würdigung

Hoher persönlicher und gesellschaftlicher Leidensdruck einerseits und die Entdeckung der kreativen Kraft des Bibliodramaspiels und seines Versöhnungspotenzials andererseits motivierten Sr. Magdalena Višić zu ihrer klar aufgebauten Untersuchung: Auf die einleitende Klärung zentraler Begriffe folgt mit Teil A die Konturierung philosophischer, biblisch- und systematisch-theologischer Zugänge zu Vergebung und Versöhnung. Damit tut sich der Horizont auf, in den die Autorin das Bibliodrama und die Erfahrungen der Personen stellt, die sich dadurch in ihrem Leben und Glauben inspirieren lassen (Teil B). Welche Impulse und Aufgaben daraus für eine Diakonie der Versöhnung in Kroatien erwachsen, folgt in Teil C. In dieser Struktur vermag die Autorin ihr Anliegen konsequent umzusetzen sowie pastorale Möglichkeiten und Grenzen bibliodramatischer Arbeit vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrer Heimat auszuloten.

Leser*innen bleiben fortwährend gut orientiert, weil es an Hinführungen zu inhaltlich Neuem, an Bündelungen und an Überleitungen nirgendwo fehlt.

Einer eigenen Würdigung bedarf Kapitel 7. Ihm kommt für den gesamten Forschungsgang eine Schlüsselrolle zu.

Seine Qualität und seine Aussagekraft verdanken sich zum einen den vielfältigen und an Perspektiven reichen Erfahrungsberichten und Reflexionen, aus denen Sr. Magdalena Višić schöpft, und zum anderen den Kompetenzen, die die Forscherin im auswertenden Umgang damit zeigt: Dazu gehören ihr Vertrautsein mit bibliodramatischem Arbeiten und ihre Sorgfalt im Umgang mit den Erfahrungen der verschiedenen Rollenträger*innen, ebenso ihre Umsicht bei der Erstellung der Verdichtungsprotokolle, bei deren Bündelung und bei deren Konfrontation mit exegetischen Befunden sowie schließlich ihre Gabe, aus der Fülle der Ergebnisse eine klar strukturierte Gesamtzusammenfassung zu erstellen. So konnte ein „Panorama der vorgefundenen Lebenswirklichkeiten zu einem Thema“ entstehen, um eine Formulierung aufzunehmen, mit der Inghard Langer umschreibt, worauf die „Zusammenfügung von mehreren Gesprächsdokumentationen zu einer Gesamtaussage“ (Das Persönliche Gespräch als Weg in der psychologischen Forschung, Köln 2000, 80) zielt.

Der immer wieder eingeblendete Originalton verleiht der qualitativ-empirischen Analyse Klarheit und Lebendigkeit. Nüchterne Paraphrasierungen könnten den emotional bewegenden, existenziell berührenden und auf diese Weise auch verändernd wirkenden Charakter bibliodramatischer Prozesse nicht annähernd so treffend und überzeugend wiedergeben, wie es dank der zitierten Selbstaussagen der Beteiligten gelingt.

Der (selbst-)kritische Rückblick auf den eigenen Umgang mit den Daten macht sowohl auf Stärken als auch auf Schwächen und Grenzen dieses Vorgehens aufmerksam, wozu Sr. Magdalena Višić auch in ihrem Gesamtfazit wichtige Hinweise gibt. In erster Linie jedoch vermag sie exemplarisch zu zeigen, dass und wie bibliodramatisch inszenierte Schriftbegegnungen bei den Teilnehmenden nicht nur zur Irritation eingefahrener Denk- und Gefühlsmuster, sondern auch zu einem Haltungswandel und zu Umkehr führen können.

Sr. Magdalena Višić hat ihr Anliegen, das auf eine gesellschaftlich relevante Glaubenskommunikation zielt, in kompetenter und transparenter Weise umgesetzt. Dank ihrer empirischen Analysen konnte sie in exemplarischer Weise das Versöhnungspotenzial heben, das eine bibliodramatische Schriftbegegnung bereithält. Zugleich macht sie klar, dass trotz der eindrücklich geschilderten Möglichkeiten von Vergebung und Versöhnung deren ebenfalls ernst zu nehmende Unmöglichkeit nicht an Bedeutung einbüßen darf. Diesen Einsichten wünsche ich eine weite Verbreitung, auf dass die Chancen, die sie bergen, beherzt genutzt werden.

Frankfurt am Main, im Februar 2023

Klaus Kießling

Vorwort

Zu der vorliegenden Arbeit hat mich die bedrückende Situation der kroatischen Gesellschaft motiviert, die belastet ist durch die schlimmen Erfahrungen, die die Menschen im Kroatienkrieg während der 1990er Jahre machen mussten und die heute noch das Leben der meisten Kroat*innen bestimmen. Da ich selbst aus Kroatien stamme und auch den Krieg miterlebt habe, beschäftigt mich dies besonders. Durch meine Arbeit in der kroatischen Gemeinde und die Erfahrungen im franziskanischen Orden in Kroatien wurde mir die Dringlichkeit der Problematik immer wieder bewusst.

Während meines Studiums an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main lernte ich dann das Bibliodrama kennen und erfuhr in einem Seminar bei Dr. Claudia Mennen die eindrucksvolle Wirkung dieser Form der Schriftbegegnung. Ihr und den beteiligten Mitstudent*innen bin ich für diese Erfahrung noch heute dankbar.

Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Klaus Kießling gilt mein besonderer Dank dafür, dass er dieses Thema für diese Arbeit angenommen und meine Ausarbeitung mit vielen hilfreichen Anregungen, mit Geduld und Vertrauen begleitet und unterstützt hat.

Prof. Dr. Wolfgang Beck danke ich für seine Bereitschaft, das Zweitgutachten für diese Arbeit zu übernehmen.

Frau Dr. Mennen und viele Bibibliodrama-Teilnehmer*innen an der Hochschule Sankt Georgen, in Frankfurt am Main und in der Schweiz haben die für den empirischen Teil der Arbeit grundlegenden Bibliodramaspiele und ihre Dokumentation unter großem persönlichem Engagement durchgeführt. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle ganz herzlich danken.

Mein besonderer Dank gilt den Personalverantwortlichen im Bistum Limburg, ohne deren Zuspruch und finanzielle Unterstützung die Veröffentlichung meiner Arbeit nicht hätte erfolgen könnte.

Karl Fauth und Mario Trifunović danke ich für ihr geduldiges Korrekturlesen und wertvolle Formulierungshilfen.

Ich danke auch meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden, die mich während meines Studiums im ständigen Gebet begleitet und ermutigt haben.

Nicht zuletzt gilt mein Dank meiner Ordensgemeinschaft, den Schulschwestern der Franziskanerinnen, die mein Studium und meine Untersuchung immer bereitwillig unterstützt hat.

0. Einleitung

„Weil das Verzeihen ein Handeln eigener und eigenständiger Art ist, das zwar von einem Vergangenen provoziert, aber von ihm nicht bedingt ist, kann es von den Folgen dieser Vergangenheit sowohl denjenigen befreien, der verzeiht, wie den, dem verziehen wird.“1

Doch was lässt sich verzeihen und vergeben? Versehen, kleine Fehler, die vorkommen, weil Menschen Fehler machen? Aber wie steht es um Vergehen und Verbrechen, die man nicht so leicht mit Worten beschreiben könnte? Wie kann man mit den schlimmsten Erfahrungen, die als Unverzeihliches und Unvergebbares erscheinen, konkret Kriegserfahrungen, im eigenen Leben umgehen? Wie lässt sich von der Last der eigenen Vergangenheit befreit leben? Inwieweit kann man die eigene Lebensgeschichte als einen Neuanfang durch Vergebungs- und Versöhnungserfahrungen erleben?

Eine Antwort auf diese Fragen ist bereits in den Gedanken zum Verzeihen von Hannah Arendt in ihrem Werk Vita activa angedeutet. Ihrem Verständnis nach trägt die Vergebung in sich eine entbindende und befreiende Kraft. Wer vergibt, der gibt etwas her, was jedoch ihm selbst schon gegeben ist. Die Vergebung ist eine konkrete Haltung der Versöhnlichkeit. Ohne sie ist Versöhnung nicht vorstellbar.

Vergebung ist eine Voraussetzung für Versöhnung. Deshalb ist es nicht möglich, über Versöhnung zu sprechen, ohne dass zugleich über Vergebung nachgedacht wird. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit über das Thema von Vergebung und Versöhnung immer im Zusammenhang beider diskutiert, um damit einen adäquaten Weg zu einem versöhnten und befreiten Leben, in dem die Sehnsucht nach Frieden ihre Erfüllung findet, zu suchen.

Diese Arbeit unter dem Titel Das Bibliodrama als Weg der Versöhnung in Kroatien beschäftigt sich mit dem Versöhnungspotenzial des Bibliodramas für die Pastoral und die Katechese in Kroatien.

Als Ausgangspunkt nimmt die vorliegende Arbeit die Tatsache, dass sich viele Kroat*innen in wachsendem Maße als jene äußern, die angesichts der immer noch nachzuspürenden traumatischen Erfahrungen aus dem von 1991 bis 1995 andauernden Kroatienkrieg der Vergebung und Versöhnung bedürfen.

Als Arbeitsthese postuliert dieses Projekt, dass das Bibliodrama als eine pastoral-katechetische Methode der Initiierung von Einstellungsänderungen in sich ein Versöhnungspotenzial trägt.

Mein Vorschlag geht dahin, unter Verwendung des Bibliodramas eine erlebnisstarke Begegnung mit biblischen Texten von Versöhnungs- und Vergebungsgeschichten zu ermöglichen, die dadurch bei den Teilnehmer*innen eine Ahnung vom eigenen Potenzial zu Vergebung und Versöhnung auslösen kann, sodass sie darüber einen Weg zur Befriedung ihrer persönlichen Umgebung finden können.

Details

Seiten
376
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631910955
ISBN (ePUB)
9783631910962
ISBN (Hardcover)
9783631908976
DOI
10.3726/b21513
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (April)
Schlagworte
Bibliodrama Bibliolog Verzeihen Vergeben Versöhnen Versöhnungsprozesse Versöhnungsgeschichten Schulderfahrung Sündenvergebung Heilsdrama Kroatienkrieg Rache Strafe Religionsunterricht Gemeindekatechese Pastoral
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 376 S., 3 s/w Abb.

Biographische Angaben

Magdalena Višić (Autor:in)

Magdalena Višic´ ist franziskanische Schulschwester und wirkt als pastorale Mitarbeiterin in der kroatischen katholischen Gemeinde Main-Taunus/Hochtaunus. An der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main erwarb sie nach dem Studium der Katholischen Theologie das Lizentiat. Mit der vorliegenden Arbeit wurde sie schließlich im Fach Religionspädagogik zur Doktorin der Theologie promoviert.

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Titel: Bibliodrama als Weg der Versöhnung in Kroatien