Quo Vadis Profit Split?
Eine holistische Relevanzanalyse der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode in Deutschland
Zusammenfassung
Fremdvergleichsgrundsatz steuerlicher
Verrechnungspreise wissenschaftlich und
praxisorientiert weiterzuentwickeln. Im Fokus
steht die geschäftsvorfallbezogene
Gewinnaufteilungsmethode (PSM), bisher als
Notfallmethode mit hoher Rechtsunsicherheit
betrachtet. Durch Strukturierung und Analyse
wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie durch
Experteninterviews mit Steuerberatern und
Vertretern der Finanzverwaltung wird der
Kenntnisstand zur PSM in Deutschland
erweitert. Transparenz über ihre Anwendung
und das Verhalten fremder Dritter wird
geschaffen und die Existenz von
Konsenspotenzialen belegt. Ferner wird
Reformbedarf für die Präzisierung der
Regelwerke und konsensfördernde Hilfsmittel
aufgezeigt. Diese Monografie verdeutlicht die
Notwendigkeit einer länderübergreifenden
Standardisierung der PSM und zeigt, dass der
Fremdvergleichsgrundsatz durch die PSM
systemkonform weiterentwickelt werden kann.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Untersuchung
- 1.2 Methodik und Aufbau der Untersuchung
- 2 Grundlagen steuerlicher Verrechnungspreise
- 2.1 Definition von Verrechnungspreisen
- 2.2 Relevanz- und Umfeldanalyse
- 2.3 Interdisziplinarität
- 2.3.1 Betriebswirtschaftslehre
- 2.3.2 Volkswirtschaftslehre
- 2.3.3 Recht
- 2.4 Multifunktionalität
- 2.4.1 Funktionen von Verrechnungspreisen
- 2.4.2 Steuerliche Prägung
- 2.5 Fremdvergleichsgrundsatz (FVG)
- 2.5.1 Definition und Kodifizierung des FVG
- 2.5.2 Anwendungsformen des Fremdvergleichs
- 2.5.3 Zeitpunkt des Fremdvergleichs
- 2.5.4 Vergleichbarkeit und Datenverfügbarkeit
- 2.5.5 Allokationsheuristik des FVG
- 2.5.5.1 Wertschöpfungsorientierung
- 2.5.5.2 Funktions- und Risikoanalyse (FAR)
- 2.5.5.3 Klassifizierungsdualismus des Ergebnispotenzials
- 2.6 Verrechnungspreismethoden
- 2.6.1 Betriebswirtschaftliche Verrechnungspreismethoden
- 2.6.2 Steuerliche Verrechnungspreismethoden
- 2.6.2.1 Preisvergleichsmethode
- 2.6.2.2 Wiederverkaufspreismethode
- 2.6.2.3 Kostenaufschlagsmethode
- 2.6.2.4 Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM)
- 2.6.2.5 Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (PSM)
- 2.6.2.6 Sonstige Methoden
- 2.7 Nationales Verrechnungspreisregelwerk
- 2.7.1 Das Verrechnungspreisregelwerk in Deutschland
- 2.7.2 Verfahrensrechtliche Grundlagen (AO)
- 2.7.3 Außensteuerliche Grundlagen (AStG)
- 2.7.4 Verwaltungsanweisungen und Rechtsverordnungen
- 2.7.5 Rechtsprechung
- 2.8 Konfliktvermeidung steuerlicher Verrechnungspreise
- 2.8.1 Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsinstrumente
- 2.8.2 Systematisch inhärente Risiken
- 3 Systematische Literaturanalyse und Metasynthese
- 3.1 Vorgehensweise und Begründung des SLR
- 3.2 Suchkonzept des SLR
- 3.3 Umsetzung des SLR
- 3.4 Deskriptive Auswertung des SLR
- 3.5 Ergebnisse des SLR
- 3.6 Metasynthese der Erkenntnisse des SLR
- 3.6.1 Forschungsströme und Standortbestimmung
- 3.6.2 Begründung und Methodik der Metasynthese
- 3.6.3 Regulationshistorie und Regelwerk der PSM
- 3.6.3.1 Regulationshistorie der PSM in den OECD-TPG
- 3.6.3.2 Regulationshistorie der PSM im deutschen Steuerrecht
- 3.6.4 Anwendungsindizien der PSM
- 3.6.4.1 Auslegung der Anwendungsindizien
- 3.6.4.2 Einzigartige und wertvolle Beiträge
- 3.6.4.3 Hohe Integration der Geschäftstätigkeit
- 3.6.4.4 Gemeinsame Risikoübernahme
- 3.6.4.5 Negativabgrenzungen
- 3.6.4.6 Würdigung des derzeitigen Regelwerkes
- 3.6.5 Ausprägungsformen der PSM
- 3.6.5.1 Beitragsorientierte PSM (CPSM)
- 3.6.5.2 Residualorientierte PSM (RPSM)
- 3.6.5.3 Abgrenzung zur Global-Formelbasierten PSM (GPSM)
- 3.6.5.4 Wissenschaftliche Erkenntnisse zur GPSM
- 3.6.6 Praktische Herausforderungen der PSM
- 3.6.6.1 Ermittlung des aufzuteilenden Ergebnisses
- 3.6.6.2 Ermittlung der Aufteilungsfaktoren
- 3.6.7 Herausforderungen in Sonderfällen
- 3.6.7.1 Verlustsituationen
- 3.6.7.2 Immaterielle Werte
- 3.6.8 Konsensorientierte Anwendungshilfsmittel in der PSM
- 3.6.8.1 Interessensschnittmenge
- 3.6.8.2 Methoden als Hilfsmittel
- 3.6.8.3 Narrative als Hilfsmittel
- 3.6.9 Empirische Relevanzanalyse der PSM
- 3.6.10 Thesenformulierung aus der Metasynthese
- 4 Experteninterview
- 4.1 Vorgehensweise und Begründung
- 4.1.1 Interviewmethodik
- 4.1.2 Expertenauswahl
- 4.1.3 Rahmenkonzept und Interviewleitfaden
- 4.1.4 Erstellung und Begründung der Fragen
- 4.1.5 Interviewdurchführung
- 4.1.6 Dokumentation
- 4.2 Auswertungs- und Analysemethodik
- 4.2.1 Ablauf und Systematik der Kodierung
- 4.2.2 Konsensorientierte Schnittmengenanalyse
- 4.2.3 Auswertung der Gliederungselemente und des Expertentums
- 4.3 Interviewauswertung und Ergebnissynthesen
- 4.3.1 KG 1: Relevanzabfrage
- 4.3.1.1 Relevanzabfrage
- 4.3.1.2 Ergebnissynthese KG 1
- 4.3.2 KG 2: Beginn und Eignungsnachweis
- 4.3.2.1 Projektbeginn und Eignungsnachweis
- 4.3.2.2 Ergebnissynthese KG 2
- 4.3.3 KG 3: Geschäftsvorfall und Ergebnisermittlung
- 4.3.3.1 Erfassung und Abgrenzung des Geschäftsvorfalls
- 4.3.3.2 Ergebnisermittlung
- 4.3.3.3 Ergebnissynthese KG 3
- 4.3.4 KG 4: Aufteilung, Dokumentation und (Rechts-)Folgen
- 4.3.4.1 Aufteilungsmechanismus und Aufteilungsfaktoren
- 4.3.4.2 Dokumentation und (Rechts-)Folgen
- 4.3.4.3 Ergebnissynthese KG 4
- 4.3.5 KG 5: Betriebsprüfung und Rechtsmittel
- 4.3.5.1 Betriebsprüfung
- 4.3.5.2 Einsatz von Rechtsmitteln
- 4.3.5.3 Ergebnissynthese KG 5
- 4.3.6 KG 6: Zwischenfazit der holistischen Anwendungsanalyse
- 4.3.6.1 Lernkurve und Erfahrungen
- 4.3.6.2 Ergebnissynthese KG 6
- 4.3.7 KG 7: Hilfsmittel in der PSM
- 4.3.7.1 Nutzung und Auswahl von Hilfsmitteln
- 4.3.7.2 Ergebnissynthese KG 7
- 4.3.8 KG 8: Konsensorientierung und Intersubjektivität
- 4.3.8.1 Konsensorientierung und Intersubjektivität in der PSM
- 4.3.8.2 Ergebnissynthese KG 8
- 4.3.9 KG 9: Interviewabschluss
- 4.3.9.1 Zusammenfassung, Reformvorschläge und Cliffhanger
- 4.3.9.2 Ergebnissynthese KG 9
- 4.4 Ergebniszusammenfassung des Experteninterviews
- 4.4.1 Schnittmengenanalyse und Konsenspotenziale
- 4.4.2 Zusammenfassung der Ergebnissynthesen
- 5 Ergebniszusammenfassung, Forschungslimitationen und Ausblick
- 5.1 Ergebniszusammenfassung dieser Untersuchung
- 5.2 Forschungslimitationen dieser Untersuchung
- 5.3 Ausblick dieser Untersuchung
- Anhangsverzeichnis
- Rechtsprechungsverzeichnis
- Gesetzes- und Regelwerksverzeichnis
- Verzeichnis amtlicher Schriften
- Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Definitionsübersicht zu Verrechnungspreisen
Tabelle 2: Anwendungsformen des FV
Tabelle 3: Fiskalische Interessensmatrix
Tabelle 4: Primärquellen, Sekundärquellen und Methodik des SLR
Tabelle 5: Selektionstypen, Selektionskriterien und Selektionsziele des SLR
Tabelle 6: Finale Einordnungskategorien des SLR
Tabelle 7: Schlüsselwörter des SLR
Tabelle 8: Boolesche Suchparameter des Keyword Research
Tabelle 9: Datenbanken des SLR
Tabelle 10: Durchführungsprozess des SLR
Tabelle 11: Prozessanalyse des SLR
Tabelle 12: Thesenformulierung auf Grundlage der MS
Tabelle 13: Paramter der Expertenauswahl
Tabelle 14: Sukzessiv-iterative Evaluationszyklen der Interviewdurchführung
Tabelle 15: Inhaltlich-semantische Transkriptionsregeln
Tabelle 16: Überführung Interviewleitfaden in Kodierungsgruppen
Tabelle 17: Gliederungselemente des Experteninterviews
Tabelle 18: Sukzessiv-iterative Evaluationszyklen der Kodierung
Tabelle 19: Analyseelemente mit abnehmender Konsensorientierung
Tabelle 20: Ergebnisse der Schnittmengenanalyse in Konsenspotenzialen
Tabelle 21: Zusammenfassung deduktiver und induktiver Erkenntnisse
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Untersuchung
Diese Untersuchung thematisiert das Fachgebiet der steuerlichen Verrechnungspreise. Das Forschungsobjekt ist die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode beziehungsweise (bzw.) die Profit-Split-Methode (PSM) in Deutschland.1
Verrechnungspreise stehen in einem Spannungsfeld aus steuerlichen und politischen Interessen sowie multiplen betriebswirtschaftlichen Funktionen. Folglich existieren bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen stets Interessengegensätze und inhärente Zielkonflikte.2 Das gilt im besonderen Maße für Verrechnungspreise im steuerlichen Kontext, da Steuern und Verrechnungspreise faktisch in jeder Unternehmensgruppe existieren. Dieses Spannungsfeld erklärt die obskure Prominenz steuerlicher Verrechnungspreise in der öffentlichen Wahrnehmung. Sie werden medial häufig mit Steuerflucht, Steueroasen und Steuervermeidung kontextualisiert und regelmäßig auf Steuersparmodelle internationaler Konzerne reduziert.3 Die Veröffentlichung diverser Steuerleaks bestärkten diese Perspektive, da hierdurch die steuerlichen Gestaltungspotenziale von Verrechnungspreise für eine breite Öffentlichkeit einsehbar wurden.4 Das erklärt, weshalb Verrechnungspreise seit Jahren auf der Agenda investigativer Journalisten5 stehen und – spätestens seit dem Jahr 2013 – auf sämtlichen Ebenen der internationalen Politik, wie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Europäischen Union (EU), G20, G7/8 und den Vereinten Nationen (UN) als steuerliches Gestaltungsinstrument proklamiert werden.6 Primärziel dieser politischen Bemühungen war es, unerwünschte Gestaltungsspielräume zu reduzieren, was letztlich in weitgehende Reformen der Verrechnungsregelwerke und des internationalen Steuerrechts mündete. Prägend hierfür war die Zusammenarbeit von OECD und den G-20-Staaten im Rahmen des Base-Erosion-and- Profit-Shifting-Projektes (BEPS-Projekt).7 Die politische Brisanz des Themas basiert auf einer ökonomischen Signifikanz, denn unternehmensinterne Leistungsbeziehungen sind ein globaler Wirtschaftsfaktor.8 Die Forschung in diesem Bereich belegt, dass mit steueroptimierten Verrechnungspreisen unternehmerische Gewinne (partiell) in verschiedene Jurisdiktionen verlagert werden können (Profit-Shifting) oder steuerliche Bemessungsgrundlagen gezielt reduziert werden können (Base-Erosion).9
Diametral zur öffentlichen Wahrnehmung ist es wissenschaftlich nicht sachgerecht Verrechnungspreise auf den missbräuchlichen Anteil zu reduzieren. Verrechnungspreise sind mehr als ein steuerliches Gestaltungsinstrument multinationaler Unternehmensgruppen (MNE), sondern stellen vielmehr ein betriebswirtschaftliches Erfordernis dar.10 Ihre Existenz als traditionell betriebswirtschaftliches Steuerungswerkzeug ist eine ökonomische Notwendigkeit, die durch eine langjährige wissenschaftliche Historie untermauert wird.11 Sie fundiert unter anderem (u.a.) auf der Habilitationsschrift von Schmalenbach aus dem Jahr 1903 sowie seiner ausführlichen Stellungnahme über die Notwendigkeit konzerninterner Verrechnungspreise im Jahr 1908.12 Darüber hinaus wurde das heutige Verständnis von Verrechnungspreisen insbesondere (insb.) durch den Transaktionskostenansatz von Coase und Williamson sowie den theoretischen Grundlagen der unternehmerischen Dezentralisationsstrategie von Cook und Dean im Jahr 1955 geprägt.13 Ferner war die Existenz von Verrechnungspreisen ausschlaggebend für die Entwicklung von Grundprinzipien des internationalen Steuerrechts.14
Ungeachtet der wissenschaftlichen Historie von Verrechnungspreisen, verändert sich die wirtschaftliche Praxis schneller als das Recht. Diese Divergenz begründet die Notwendigkeit, Regelwerke stetig zu evaluieren. Das gilt auch für das internationale Steuerrecht und in diesem Kontext insb. für die Verrechnungspreisregulation. Ein wesentlicher Grundsatz dieser Regelwerke ist der Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser stammt in den Grundzügen aus den 1920er Jahren – also weit vor Beginn der Globalisierung und der Kommerzialisierung des Internets – und wurde lange Zeit kaum weiterentwickelt, was seit seiner Begründung bis heute Gegenstand zahlreicher Debatten in Wissenschaft und Praxis ist.15 Der Fremdvergleichsgrundsatz agiert als Interessenskorrektiv, indem er die Bestimmung von Verrechnungspreisen an das tatsächliche Verhalten fremder Dritter angleichen soll. In der praktischen Anwendung stößt dieses Prinzip jedoch regelmäßig an Grenzen, sofern ein Vergleich mit fremden Dritten nicht möglich ist. Das gewinnt gegenwärtig an Relevanz, da eine zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft vermehrt einzigartige immaterielle Werttreiber mit individuellen ökonomischen Charakteristika16 und global-dezentralisierte Geschäftsmodellen hervorbringt, bei welchen eine Abbildung durch einseitige Verrechnungspreismethoden fraglich erscheint und eine Vergleichbarkeit nicht immer gewährleistet ist.17 In solchen Fällen kann der Fremdvergleichsgrundsatz mangels Referenzwert oder aufgrund von Limitationen einseitiger Verrechnungspreismethoden ins Leere laufen, wodurch erhebliche Unsicherheiten, Doppelbesteuerungsrisiken sowie Konfliktpotenziale zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen entstehen können.18 Diese Herausforderungen bestärken Reformdebatten in Bezug auf den Fremdvergleichsgrundsatz.19 Es fehlt derzeit an konsensfähigen und zugleich praxisfähigen Alternativen zum Fremdvergleichsgrundsatz. Mögliche Alternativen, wie eine global-formelbasierte Aufteilung, zeigen Mängel in Hinblick auf ihre Kohärenz sowie einen fehlenden wissenschaftlichen und politischen Konsens.20
Details
- Seiten
- 328
- Erscheinungsjahr
- 2024
- ISBN (PDF)
- 9783631921517
- ISBN (ePUB)
- 9783631921524
- ISBN (Hardcover)
- 9783631921494
- DOI
- 10.3726/b21979
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2024 (August)
- Schlagworte
- Experteninterviews Deutschland Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Internationales Steuerrecht Fremdvergleichsgrundsatz Verrechnungspreise / Transfer Pricing Profit Split Methode Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode
- Erschienen
- Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 328 S., Abb., 18 s/w Abb., 21 Tab.