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Die Europäisierung des Strafrechts auf dem Gebiet der Geldwäsche

Eine Analyse der Entwicklung geldwäschetauglicher Vortaten

von Maike Reuter (Autor:in)
©2024 Dissertation 226 Seiten

Zusammenfassung

Geldwäsche ist eine staatenübergreifende Problematik und als solche im Fokus der Europäischen Union. Diese nimmt durch ihre Gesetzgebung zunehmend Einfluss auf die Regelungen zur Geldwäschebekämpfung in den Mitgliedstaaten, zuletzt durch die erste Richtlinie zur strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche. Die Umsetzung dieser Richtlinie nahm der deutsche Gesetzgeber Anfang 2021 zum Anlass, den Geldwäschetatbestand im Strafgesetzbuch grundlegend zu reformieren. In diesem Buch wird untersucht, ob durch die vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der geldwäschetauglichen Vortaten und der Beibehaltung der Möglichkeit der leichtfertigen Geldwäsche die Geldwäschebekämpfung künftig effektiver sein wird. Zudem untersucht die Autorin, ob die vorgenommenen Änderungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Für herausgearbeitete Problematiken werden im Anschluss Lösungsansätze aufgezeigt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Kapitel 1: Einleitung
  • A. Problemdarstellung
  • B. Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2: Die Europäisierung des Geldwäschetatbestandes
  • A. Der Geldwäschebegriff
  • I. Kriminologisch
  • II. Im Strafgesetzbuch
  • B. Die Entwicklung der Geldwäschestrafbarkeit
  • I. Erste internationale und europäische Regelungen
  • 1. Wiener Suchtstoffübereinkommen, 1988
  • 2. Gründung der Financial Action Task Force (FATF), 1989
  • 3. Straßburger Geldwäscheübereinkommen, 1990
  • 4. Die Erste EG-Geldwäscherichtlinie, 1991
  • II. Weitere Entwicklungen ab Einführung des Geldwäschetatbestandes
  • 1. Einführung des Geldwäschetatbestandes in das Strafgesetzbuch, 1992
  • a) Das Organisationsprinzip
  • b) Das Herkunftsprinzip
  • c) Der ursprüngliche Tatbestand des § 261 StGB
  • 2. Verbrechensbekämpfungsgesetz, 1994
  • 3. Drittes Gesetz zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, 1998
  • 4. Die Zweite EG-Geldwäscherichtlinie, 2001
  • 5. Die Palermo-Konvention gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
  • a) Wesentliche Inhalte
  • b) Ansätze zur Einordnung geldwäschetauglicher Vortaten
  • 6. Die Warschauer Geldwäschekonvention
  • 7. Die Dritte EG-Geldwäscherichtlinie, 2005
  • 8. Die aktualisierten Empfehlungen der FATF
  • 9. Die Vierte Geldwäscherichtlinie, 2015
  • 10. Die Fünfte Geldwäscherichtlinie, 2018
  • C. Die grundlegende Reformierung des deutschen Geldwäschetatbestandes
  • I. Auslöser der Reform
  • 1. Die Richtlinie (EU) 2018/1673
  • a) Ziele
  • b) Inhalt
  • aa) Die neuen Deliktskategorien
  • bb) Vorgaben zu Auslandsvortaten
  • c) Legitimität der Vorgaben
  • aa) Primärrechtskonformität
  • bb) Förderung der Harmonisierungsbestrebungen
  • 2. Einfluss der FATF
  • a) Internationale Aufstellung der FATF
  • b) Durchsetzung des FATF-Regelwerks
  • c) Kritik an dem Einfluss der FATF
  • II. Reformierung des Geldwäschetatbestands, 2021
  • D. Zusammenfassung
  • Kapitel 3: Der neue Geldwäschetatbestand im Einzelnen
  • A. Kriminalpolitische Ziele und geschützte Rechtsgüter
  • I. Kriminalpolitische Ziele des Geldwäschetatbestandes
  • II. Das geschützte Rechtsgut
  • 1. Die innere Sicherheit Deutschlands und anderer Staaten
  • 2. Der legale Wirtschafts- und Finanzkreislauf
  • 3. Staatliche Rechtspflege und das durch die Vortat verletzte Rechtsgut
  • 4. Der staatliche Einziehungsanspruch
  • 5. Ergebnis
  • B. Der neue Geldwäschetatbestand
  • I. Systematische Einordnung
  • II. Deliktsstruktur
  • 1. Objektiver Tatbestand, Absatz 1 und 2
  • a) Tatobjekt und Tathandlungen der Geldwäsche
  • b) Phasen der Geldwäsche
  • 2. Subjektiver Tatbestand
  • a) Vorsätzliche Begehung
  • b) Leichtfertige Begehung, Absatz 6
  • 3. Qualifikation, Absatz 4
  • 4. Besonders schwerer Fall, Absatz 5
  • 5. Möglichkeit der Einziehung nach Absatz 10
  • Kapitel 4: Die Vortaten des § 261 StGB
  • A. Die Abschaffung des Vortatenkataloges
  • I. Vom Listenansatz zum All-Crimes-Ansatz
  • 1. Erwägungen des Gesetzgebers
  • 2. Schwächen des Katalogtatensystems
  • a) „Enfant terrible“ des Strafgesetzbuches
  • b) Das Kernproblem: Der Vortatnachweis
  • c) Ausuferung des Tatbestandes und Strafbarkeitslücken
  • d) (Miss)Erfolg in der Praxis
  • e) Ungleichbehandlung inkriminierter Vermögenswerte
  • II. Zwischenergebnis
  • B. Die Vortaten des reformierten § 261 Abs. 1, 2 StGB
  • I. Kriminalpolitische Untersuchung der neuen Deliktsstruktur der Absätze 1 und 2
  • 1. Einbeziehung von Fahrlässigkeitsdelikten
  • 2. Wegfall der „ersparten Aufwendungen“
  • 3. Folgen für die Praxis: Überlastung der Strafverfolgungsbehörden vor allem durch Bagatelldelikte
  • 4. Verhältnis zu den übrigen Anschlussdelikten
  • a) Funktion der Geldwäsche neben den übrigen Anschlussdelikten
  • b) Bedenken infolge der Ausweitung des Geldwäschetatbestandes
  • aa) Bedenken hinsichtlich der Ersatzhehlerei
  • bb) Bedenken hinsichtlich der Strafvereitelung
  • cc) Bedenken hinsichtlich der Begünstigung
  • dd) Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit der leichtfertigen Begehung
  • ee) Zwischenergebnis
  • c) Bedeutung der anderen Anschlussdelikte neben der Geldwäsche nach der Reform
  • 5. Lösung der Beweisführungsproblematik?
  • 6. Beibehaltung des Leichtfertigkeitstatbestandes
  • 7. Bewertung der Änderungen in den Absätzen 1 und 2
  • II. Verfassungsrechtliche Einordnung der Reform
  • 1. Beweiserleichterung durch Einführung des All-Crimes-Ansatzes
  • 2. Verfassungsmäßigkeit staatlicher Ermittlungsbefugnisse
  • 3. Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von Bagatellvortaten
  • a) Einordnung
  • b) Geeignetheit zur Geldwäschebekämpfung
  • c) Erforderlichkeit
  • aa) Vortaten mit geringwertigen Taterträgen
  • bb) Vortaten mit vergleichsweise geringer Strafandrohung
  • d) Angemessenheit
  • aa) Vortaten mit geringwertigen Taterträgen
  • bb) Vortaten mit vergleichsweise geringer Strafandrohung
  • 4. Uferlose Ausweitung des Tatbestandes durch Aufgabe des Vortatenkataloges: Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG?
  • a) Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz
  • b) Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes
  • 5. Verhältnismäßigkeit des Leichtfertigkeitstatbestandes
  • a) Legitimer Zweck
  • b) Geeignetheit
  • c) Erforderlichkeit
  • d) Angemessenheit
  • 6. Ergebnis: Keine vollständige Verfassungsmäßigkeit der Reform
  • III. Zusammenfassung
  • C. Auslandstaten als Vortaten, § 261 Abs. 9 StGB
  • I. Ausgangssituation
  • II. Die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/1673
  • III. Umsetzung in Deutschland
  • 1. Vereinbarkeit mit völkerrechtlichen und nationalen Rechtsgrundsätzen
  • a) Völkerrechtliches Interventionsverbot
  • b) Nullum crimen sine lege, Art. 103 Abs. 2 GG
  • c) Schuldgrundsatz
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Verhältnismäßigkeit
  • a) Geeignetheit zur Verfolgung der Ziele der Geldwäschebekämpfung
  • b) Kernaspekt: Erforderlichkeit zum Schutz der Rechtsgüter
  • aa) Die staatliche Rechtspflege
  • bb) Das verletzte Rechtsgut der Vortat
  • cc) Legitimer Wirtschafts- und Finanzkreislauf
  • dd) Zwischenergebnis
  • c) Angemessenheit
  • d) Ergebnis
  • 3. Formale Umsetzung: Liste der Übereinkommen in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB
  • IV. Zusammenfassung und Endergebnis
  • D. Abschließende Bewertung der Reform
  • Kapitel 5: Lösungsansätze und Alternativen
  • A. Lösungsmöglichkeiten für die Problematiken
  • I. Bagatellvortaten
  • 1. Kurzfristige Lösungsansätze für den Status quo
  • 2. Langfristige Lösung: Ergänzung des Tatbestandes um eine Bagatellgrenze
  • a) Mögliche Einschränkung der Bagatellgrenze
  • b) Gefahr der Umgehung der Bagatellgrenze
  • c) Konkrete Ausgestaltung der Bagatellgrenze
  • II. Leichtfertigkeitstatbestand
  • 1. Wegfall der leichtfertigen Geldwäsche
  • 2. Streichung des All-Crimes-Ansatzes
  • 3. Begrenzung des Leichtfertigkeitstatbestandes
  • III. Auslandsvortaten
  • 1. Teleologische Reduktion auf vom Weltrechtsprinzip erfasste Vortatenkategorien
  • 2. Teleologische Reduktion und Begrenzung auf verletzende Fallgruppen
  • B. Alternative Reformierungsmöglichkeiten
  • I. Das Höchstmaßkriterium des Art. 2 Nr. 1 S. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1673 in Verbindung mit dem Listenansatz
  • 1. Ausgestaltung
  • 2. Bewertung der Alternative
  • II. Differenzierung nach dem Organisationsprinzip
  • 1. Definitionsversuche für die „organisierte Kriminalität“
  • 2. Bewertung der Alternative
  • a) Nachweis des Bestehens einer organisierten kriminellen Gruppierung
  • b) Zuordnung des Tatobjekts zur kriminellen Organisation
  • c) Beschränkung der Geldwäsche auf die organisierte Kriminalität
  • 3. Kombination von Herkunfts- und Organisationsprinzip nach österreichischem Vorbild
  • 4. Ergebnis
  • III. Einführung eines Täuschungstatbestands nach Vogel
  • 1. Ausgestaltung
  • 2. Bewertung der Alternative
  • IV. Einführung eines Verschleierungstatbestands
  • 1. Ausgestaltung
  • 2. Bewertung der Alternative
  • V. Ergebnis
  • C. Zusammenfassung
  • Kapitel 6: Schlussbetrachtung
  • A. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
  • B. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

BDK

Bund Deutscher Kriminalbeamter

BNotK

Bundesnotarkammer

BT-Drs.

Drucksache des Deutschen Bundestages

DRB

Deutscher Richterbund

FATF

Financial Action Task Force

FIU

Financial Intelligence Unit

GdP

Gewerkschaft der Polizei

GRCh

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

OrgKG

Gesetz zur Bekämpfung des Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität

öStGB

Strafgesetzbuch Österreich

RiL

Richtlinie

WisteV

Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V.

Im Übrigen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage, Berlin 2021.

Kapitel 1: Einleitung

A. Problemdarstellung

Der Geldwäschetatbestand ist in § 261 StGB geregelt. Er wurde eingeführt mit dem Ziel, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen.1 Im Laufe der Jahre wurde er stark durch europarechtliche Einflüsse und Vorgaben geprägt und seit seiner Einführung im Jahr 1992 regelmäßig erweitert. Von diesen Erweiterungen war insbesondere der Vortatenkatalog des Geldwäschetatbestandes betroffen. In seiner Ursprungsfassung umfasste dieser drei Deliktsgruppen: Verbrechen, die Herstellung von und den Handel mit Betäubungsmitteln sowie Vergehen, die von einem Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen wurden.2 Bis 2020 wuchs der Vortatenkatalog des § 261 StGB stetig und beinhaltete nicht mehr ausschließlich typische Delikte der organisierten Kriminalität. Mit der Zeit hatte sich der Tatbestand von dieser ursprünglichen Zielrichtung immer weiter entfernt.3

Diese Arbeit analysiert die Entwicklung der geldwäschetauglichen Vortaten. Von den stetigen Erweiterungen des Vortatenkataloges über fast drei Jahrzehnte hinweg bis zur Einführung des All-Crimes-Ansatzes im März 2021. Nach dem All-Crimes-Ansatz sind alle Straftaten taugliche Vortaten der Geldwäsche, ohne Einschränkungen wie beim Listenansatz. Der Geldwäschetatbestand selektiert demnach nicht mehr nach tauglichen Vortaten. Nun können alle Delikte des Kern- und Nebenstrafrechts Vortaten des § 261 StGB sein. Die Untersuchung der Änderungen durch diese grundlegende Reformierung im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht sowie die kriminalpolitische Bewertung der Reform bilden den Schwerpunkt der Arbeit. In diesem Rahmen wird zunächst untersucht, ob der Geldwäschetatbestand nach dem Listenansatz tatsächlich so ungeeignet für die Geldwäschebekämpfung war, dass eine grundlegende Reform erforderlich wurde. Daran schließt sich die Frage an, welche Vor- und Nachteile der All-Crimes-Ansatz im Vergleich zum Listenansatz mit sich bringt, insbesondere inwieweit die Einführung des All-Crimes-Ansatzes für eine effektive Geldwäschebekämpfung förderlich sein kann (kriminalpolitische Bewertung). In diesem Rahmen wird am Maßstab der kriminalpolitischen Ziele der Geldwäschebekämpfung und des effektiven Schutzes der durch die Geldwäsche verletzten Rechtsgüter bewertet, inwiefern einzelne Deliktskategorien überhaupt geeignete Vortaten der Geldwäsche sein können, welche Folgen die Erweiterung für die praktische Anwendung des Tatbestandes haben wird, wie sich der neue Geldwäschetatbestand in die Systematik der Anschlussdelikte einfügt und insbesondere inwiefern der neue Tatbestand geeignet ist, die grundlegende Beweisproblematik des Geldwäschetatbestandes zu lösen. Weiterhin ist es essentiell zu klären, ob der Geldwäschetatbestand trotz der Ausweitung des Tatbestandes noch verfassungskonform ist.

Es braucht einen funktionsfähigen, praxistauglichen und verfassungskonformen Straftatbestand, um eine effektive Geldwäschebekämpfung gewährleisten zu können.

Die Reform hat auch im Bereich der im Ausland begangenen Vortaten eine signifikante Änderung mit sich gebracht. Es ist nun nicht mehr für alle Auslandsvortaten zwingend erforderlich, dass diese auch am Begehungsort strafbar sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Handlung strafbar gewesen wäre, wenn sie in Deutschland begangen worden wäre. Der teilweise Verzicht auf das doppelte Strafbarkeitserfordernis war zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1673 erforderlich. Die Arbeit wird untersuchen, ob diese Neuregelung mit dem Völkerrecht und nationalen Rechtsgrundsätzen vereinbar ist.

Sofern sich herausstellt, dass nicht alle durch die jüngste Reform vorgenommenen Änderungen kriminalpolitisch zielführend und verfassungskonform sind, sollen im Anschluss an die Bewertung der Reform Lösungsansätze entwickelt werden, um dies zu gewährleisten. Zuletzt wären anstelle der Einführung des All-Crimes-Ansatzes auch andere Modelle zur strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche denkbar gewesen. Es stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber mit dem Festhalten am Herkunftsprinzip und der Entscheidung für den All-Crimes-Ansatz die richtige Wahl getroffen hat, oder ob eine der in der Literatur diskutierten Alternativen eine bessere Geldwäschebekämpfung ermöglichen würde.

B. Gang der Untersuchung

Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten wird wie folgt vorgegangen: In den einleitenden Kapiteln wird zunächst grundlegend die Entwicklung der Geldwäschestrafbarkeit in der Europäischen Union und Deutschland dargestellt. Auch einige völkerrechtliche Übereinkommen haben auf die Entstehung und Entwicklung des Geldwäschetatbestandes in Deutschland Einfluss genommen. Am Ende des zweiten Kapitels werden die konkreten Auslöser für die Reform näher untersucht sowie das Gesetzgebungsverfahren zur umfangreichen Reformierung des Geldwäschetatbestandes im Jahr 2021 dargestellt.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der Vorstellung des Geldwäschetatbestandes im Einzelnen. Um die Zweckmäßigkeit der einzelnen Reformmaßnahmen bewerten zu können, muss zunächst herausgearbeitet werden, welche Ziele mit dem Geldwäschetatbestand verfolgt werden und welche Rechtsgüter es zu schützen gilt. Weiterhin wird die Deliktsstruktur des neuen Geldwäschetatbestandes kurz dargestellt.

Das vierte Kapitel wird sich in seinem ersten Teil ausführlich mit der Reformierung des § 261 Abs. 1, 2 StGB auseinandersetzen. Zunächst wird herausgearbeitet, wo die Probleme des Katalogtatenprinzips lagen und aus welchen Gründen eine Reformierung erforderlich war. Anschließend wird der neue Tatbestand nach dem All-Crimes-Ansatz in der Tiefe auf die Strafwürdigkeit der sanktionierten Verhaltensweisen hin analysiert. Hierbei wird zu untersuchen sein, welche Konsequenzen dieser Ansatz für die Geldwäschestrafverfolgung aber auch für die Systematik des Einundzwanzigsten Abschnitts des Strafgesetzbuches bedeutet. Weiterhin wird der neue Tatbestand hinsichtlich mehrerer Aspekte auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz untersucht. Diese Analysen werden zeigen, ob alle strafbewährten Handlungen des neuen Tatbestandes strafwürdig sind, konkret ob der Tatbestand nach dem All-Crimes-Ansatz aus kriminalpolitischer Sicht zielführend und verfassungskonform ist.

Der dritte Teil des vierten Kapitels befasst sich mit den Auslandsvortaten des neuen § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB. Dort wird zunächst auf die Gründe für die teilweise Abkehr vom doppelten Strafbarkeitserfordernis eingegangen. Anschließend wird die Vereinbarkeit der neuen Regelung mit höherrangigem Recht vertieft behandelt und auch die Form der Umsetzung kritisch betrachtet.

Am Ende des vierten Kapitels wird die Reform auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse zusammenfassend bewertet.

Im ersten Teil des fünften Kapitels werden Lösungsmöglichkeiten für etwaige Problematiken des All-Crimes-Ansatzes erarbeitet, die im Verlauf der Arbeit aufgedeckt wurden. Im zweiten Teil werden in der Literatur diskutierte alternative Reformierungsmöglichkeiten dargestellt und hinsichtlich einer etwaigen Vorzugswürdigkeit im Vergleich zum neuen Status quo untersucht. So soll ermittelt werden, ob der Gesetzgeber mit der Entscheidung für eine Reformierung durch Einführung des All-Crimes-Ansatzes die bestmögliche Wahl getroffen hat.

In einem abschließenden Kapitel werden alle Untersuchungsergebnisse noch einmal zusammengefasst und ein Blick auf die Weiterentwicklung der Geldwäschebekämpfung durch künftige europäische Vorgaben geworfen.


1 BT-Drs. 12/989, S. 1.

2 Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 17. Juli 1992 BGBl. I 1992, 1302 (1304).

3 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 26; Kargl, NJ 2001, 57 (58).

Kapitel 2: Die Europäisierung des Geldwäschetatbestandes

A. Der Geldwäschebegriff

Der Begriff „Geldwäsche“ hat seinen Ursprung in den USA, wo in den 1920er und 1930er Jahren Waschsalons (engl. Landromats, daher der englische Begriff „money laundering“) benutzt wurden, um die Herkunft von illegal erlangten Geldern zu verschleiern.4 Waschsalons eigneten sich gut für diesen Zweck, da sie hohe Bargeldumsätze erwirtschafteten – oftmals ohne Belege oder ein nachweisbares Endprodukt.5 Geldwäsche wurde ab den 1970er und 1980er Jahren durch die Ausbreitung krimineller Organisationen in den Industrieländern zu einem immer größeren und durch die Globalisierung staatenübergreifenden Problem.6 Aufgrund des rasanten Wachstums krimineller Organisationen wurde es für diese notwendig, weitere Wege zu finden, um illegal erlangte Gelder und Vermögenswerte nutzbar zu machen, sie zu „waschen“.7 Denn die Gewinne sollten für weitere illegale und auch legale Geschäfte verwendbar gemacht werden.8 Auf diese Entwicklungen reagierten betroffene Nationen mit der Einführung der Sanktionierung von Geldwäschehandlungen.

Dieser Abschnitt soll Aufschluss darüber geben, was unter dem Begriff der „Geldwäsche“ zu verstehen ist. Hierzu wird zunächst dargestellt, wie der Begriff in der Kriminologie definiert wird. Für die weitere Untersuchung ist zudem von besonderer Bedeutung, was der deutsche Gesetzgeber unter Geldwäsche versteht, wie also der Begriff in § 261 StGB definiert wird. Dies hat auch Auswirkungen auf andere Gesetze, beispielsweise ist Geldwäsche im Sinne des Geldwäschegesetzes gemäß § 1 Abs. 1 GwG eine Straftat nach § 261 StGB.

I. Kriminologisch

Die US-amerikanische Original President’s Commission on Organized Crime von 1985 definierte Geldwäsche wie folgt: „Als Geldwäscherei bezeichnet man die Mittel, mit denen man die Existenz, die illegale Quelle oder die illegale Verwendung von Einkommen verbirgt und dann dieses Einkommen so bemäntelt, dass es aus einer legalen Quelle zu stammen scheint“.9 Diese phänomenologische Definition ist eine der ersten,10 wenn nicht die erste normative Definition von Geldwäsche. Zu beachten ist, dass hier noch kein direkter Bezug zur organisierten Kriminalität herstellt wird.11 Auch im deutschen Schrifttum wird Geldwäsche als ein Vorgang beschrieben, der darauf abzielt illegal erlangte geldwerte Mittel zu verbergen und unbemerkt in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, um legale Investitionen und Transaktionen mit diesen Mitteln tätigen zu können.12 Es geht dem Straftäter also darum, die Erlöse seiner kriminellen Machenschaften als legal erlangte Mittel erscheinen zu lassen, um sie gefahrlos verwerten zu können (Beutesicherungsproblematik).13 Konstituierend für das kriminologische Verständnis des Geldwäschebegriffs ist demnach die Verschleierung von aus Straftaten stammenden Vermögenswerten.14

II. Im Strafgesetzbuch

Die Geldwäschedefinition im Strafgesetzbuch erfasst heute vier Tathandlungen der Geldwäsche: Das Verbergen (Nr. 1); das Umtauschen, Übertragen oder Verbringen in der Absicht, das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft zu vereiteln (Nr. 2); das sich oder einem Dritten Verschaffen (Nr. 3); sowie das Verwahren oder für Sich oder einen Dritten Verwenden eines Gegenstandes, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, wenn der Täter die Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat (Nr. 4).

Details

Seiten
226
Erscheinungsjahr
2024
ISBN (PDF)
9783631919255
ISBN (ePUB)
9783631919262
ISBN (Paperback)
9783631919231
DOI
10.3726/b21849
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Juni)
Schlagworte
Geldwäsche Geldwäschebekämpfung All-Crimes-Ansatz All-Crimes-Approach § 261 StGB Anschlussdelikte doppeltes Strafbarkeitserfordernis Bagatellvortat leichtfertige Geldwäsche Harmonisierung Katalogtatenprinzip Richtlinie (EU) 2018/1673 FATF Auslandsvortaten
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 226 S.

Biographische Angaben

Maike Reuter (Autor:in)

Maike Reuter studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Im Schwerpunkt studierte sie Wirtschaft und Wettbewerb. Mitte 2020 begann sie ihre Promotion. Im April 2022 hat sie das Referendariat am Landgericht Köln aufgenommen.

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