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Georg Ludwig als / Gestalter und Praktiker in der Anstaltspsychiatrie im Großherzogtum Hessen

von Henrik Karl Döbold (Autor:in)
©2024 Dissertation 390 Seiten

Zusammenfassung

Georg Ludwig gilt als SchlüsselfigurHauptakteur in der Entwicklung der psychiatrischen Versorgung imVersorgung im Großherzogtum Hessen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bekannt ist er vor allem durch seine Rolle in der „öffentlichen Irrenfürsorge" und den durch ihn gegründeten „Hilfsverein für die Geisteskranken". In den von ihm geleiten Anstalten Hofheim (1855–1865) und Heppenheim (1866–1897) implementierte er die zeitgenössischen Behandlungsansätze. In dieser Arbeit werden die verschiedenen Facetten dieser Entwicklungen anhand von Sach-, Personal- und Krankenakten sowie zeitgenössischen Publikationen beleuchtet. Dazu gehören u. a.unter anderem die Implementierung des „non-restraint"-Prinzips (der „zwangsfreien Behandlung"), die Behandlung mit Arzneimitteln und die Entwicklung von Ärzten und Wartpersonalärztlichem und Wartpersonal.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Fragestellung
  • 2. Quellen und Methoden
  • 2.1 Zum bisherigen Forschungsstand
  • 2.2 Zu den untersuchten Quellen
  • 3. Historischer Kontext und Stand der Forschung in Bezug auf Georg Ludwig
  • 3.1 Zur Psychiatrie in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
  • 3.2 Zur Geschichte der Hofheimer Anstalt
  • 3.3 Die Hofheimer Anstalt unter Franz Amelung
  • 3.4 Die Hofheimer Anstalt unter Ludwig Hohenschild
  • 3.5 Zum Hintergrund und der Ausbildung Georg Ludwigs
  • 3.6 Georg Ludwig und die „öffentliche Irrenfürsorge“
  • 3.6.1 Georg Ludwig und die Psychiatrieplanung im Großherzogtum
  • 3.6.2 Der „Hilfsverein für Geisteskranke“
  • 4. Behandlung in Hofheim und Heppenheim unter Georg Ludwig
  • 4.1 Bisherige Erkenntnisse zum psychiatrisch-therapeutischen Konzept Georg Ludwigs
  • 4.2 Aufnahme, Entlassung und Tod in Hofheim und Heppenheim
  • 4.2.1 Aufnahmen und Entlassungen in Hofheim und Heppenheim
  • 4.2.2 Der Tod in den Anstalten
  • 4.3 Das Hospital Hofheim als Bezugsquelle für Leichen für den anatomischen Unterricht und die Intervention Georg Ludwigs
  • 4.3.1 Der anatomische Unterricht an der Gießener Universität
  • 4.3.2 Die Leichen des Hofheimer Hospitals
  • 4.3.3 Ludwigs Opposition und die Einstellung der „Lieferungen“
  • 4.3.4 Fazit: Georg Ludwig und die Leichen der Hofheimer Kranken
  • 4.4 Die (Nicht-)Implementierung des „Non-Restraint“ unter Georg Ludwig und die Isolierungen in Hofheim und Heppenheim
  • 4.4.1 Das Prinzip des „Non Restraint“ und seine Implementierung im deutschsprachigen Raum
  • 4.4.2 Implementierung in Hofheim und Heppenheim unter Georg Ludwig
  • 4.5 Arzneimittelanwendungen in Hofheim und Heppenheim unter Georg Ludwig
  • 4.5.1 Die „physische“ Behandlung in der Psychiatrie des frühen 19. Jahrhunderts
  • 4.5.2 Arzneimittelanwendungen und ärztliche Behandlung in Hofheim
  • 4.5.3 Das Werk Friedrich Oesterlens und die Arzneimitteltaxe des Assistenzarztes Ernst Vix
  • 4.5.4 Spätere Behandlungsansätze
  • 4.5.5 Fazit: Georg Ludwig und die pharmakologische Behandlung in Hofheim und Heppenheim
  • 4.6 Ludwigs „Heppenheimer Tabellen“ und die Befunderhebung psychischer Symptome in Heppenheim
  • 4.7 Arbeitstherapie und Ernährung unter Georg Ludwig
  • 4.7.1 Arbeitstherapie
  • 4.7.2 Ernährung
  • 4.7.3 Fazit: Arbeitstherapie und Ernährung unter Georg Ludwig
  • 5. Wissenschaft in den Anstalten Hofheim und Heppenheim
  • 5.1 Literatur in Hofheim und Heppenheim
  • 5.2 Forschung und Publikationen Hofheimer und Heppenheimer Ärzte
  • 5.2.1 Wissenschaftliche Publikationen in Hofheim vor 1855
  • 5.2.2 Wissenschaftliche Tätigkeit und Publikationen Georg Ludwigs
  • 5.2.3 Forschungsprojekte Hofheimer Assistenzärzte – Untersuchungen zu parasitären Erkrankungen und pharmakologische Versuche
  • 5.2.4 Pharmakologische Versuche in Heppenheim und die Versuchsreihen Eugen Wittichs
  • 5.2.5 Rechtliche und ethische Aspekte der medikamentösen Behandlungsversuche
  • 5.2.6 Anderweitige Forschung in Heppenheim 1866–1900
  • 5.3 Bildungsreisen und Versammlungen in der Psychiatrie
  • 5.3.1 Bildungsreisen Hofheimer Ärzte
  • 5.3.2 Psychiatrischer Austausch auf der „Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte“
  • 5.3.3 Hofheimer und Heppenheimer Ärzte und der „Verein Deutscher Irrenärzte“
  • 5.3.4 Hofheimer und Heppenheimer Ärzte und der „Verein Südwestdeutscher Irrenärzte“
  • 5.3.5 Hofheimer und Heppenheimer Ärzte und die „Versammlung Südwestdeutscher Neurologen und Irrenärzte“
  • 5.3.6 Die „Wanderversammlung Hessischer Irrenärzte“
  • 5.4 Fazit: Wissenschaft und Forschung an den Anstalten in Hofheim und Heppenheim unter Georg Ludwig
  • 6. Entwicklung des Wartpersonals unter Georg Ludwig und dessen Rolle in der Debatte der „Wärterfrage“
  • 6.1 Der Wartberuf in den Publikationen Christian Friedrich Wilhelm Rollers und Maximilan Jacobis in den 1830er Jahren
  • 6.2 Entwicklung des Wartpersonals in der Hofheimer Anstalt bis 1865
  • 6.2.1 Der Bericht Ludwigs vom 10. November 1859
  • 6.2.2 Die hohen Personalfluktuationen in Hofheim
  • 6.2.3 Die Dienstkündigung der Elisabeth Neuber
  • 6.2.4 Das Problem der mangelnden Qualifikation des Wartpersonals
  • 6.2.5 Ausbildung und Erziehung des Hofheimer Wartpersonals
  • 6.3 Das Wartpersonal in den Anstalten Hofheim und Heppenheim ab 1866
  • 6.3.1 Herkunft und vorherige Tätigkeit des angestellten Wartpersonals
  • 6.3.2 Fehlende Pensionsberechtigungen und das von Georg Ludwig angeordnete „Zwangssparen“
  • 6.4 Die Rolle Georg Ludwigs in der öffentlichen Diskussion der „Wärterfrage“
  • 6.4.1 Georg Ludwigs „Schlusssätze“ auf der Karlsruher Versammlung des „Südwestdeutschen Psychiatrischen Vereins“ 1895
  • 6.4.2 Georg Ludwig auf der Versammlung des „Vereins der Deutschen Irrenärzte“ in Heidelberg 1896
  • 6.4.3 Der Beitrag Georg Ludwigs in der „Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie“ 1898
  • 6.4.4 Weiterführung der Debatte und Rezeption der Ideen Ludwigs
  • 6.5 Fazit: Georg Ludwig und die Entwicklung des Wartpersonals
  • 7. Entwicklung des ärztlichen Personals unter Georg Ludwig
  • 7.1 Der Arzt als Direktor und die ersten Assistenzärzte der Hofheimer Anstalt
  • 7.2 Assistenzärzte in Hofheim unter Georg Ludwig und Aufgabenteilung
  • 7.3 Assistenzärzte im Landeshospital Hofheim ab 1865
  • 7.4 Assistenzärzte in Heppenheim unter Georg Ludwig ab 1866
  • 7.5 Das Corps Starkenburgia als Bezugsquelle für Assistenzärzte
  • 7.6 Der Anstaltsdirektor aus der Sicht Georg Ludwigs
  • 8. Fazit
  • 9. Zusammenfassung
  • 10. Summary
  • 11. Anhang
  • 11.1 Anhang I: Liste der Arzneimittel in Hofheim um 1855–1860
  • 11.2 Anhang II: Teilnahme Hofheimer und Heppenheimer Ärzte an den psychiatrischen Fachversammlungen
  • 12. Literaturverzeichnis und Quellenangaben
  • 12.1 Archivalien
  • 12.1.1 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD)
  • 12.1.2 Archiv d. Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (LWV-Archiv)
  • 12.2 Primärquellen
  • 12.3 Sekundärliteratur
  • Abkürzungs-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
  • Reihenübersicht

1. Fragestellung

Im Laufe des 19. Jahrhunderts – insbesondere in dessen zweiter Hälfte – etablierte sich die Psychiatrie allmählich als eigenständige wissenschaftliche Disziplin der Medizin, womit eine starke Veränderung des Verständnisses von Geisteskrankheiten einherging. Als eine der treibenden Kräfte für diese Veränderung und die Weiterentwicklung der Anstaltspsychiatrie im Großherzogtum Hessen ist Georg Ludwig (1826–1910) identifiziert worden. Dessen Arbeit beschränkte sich nicht auf die Umsetzung der sich verändernden Prinzipien, sondern war auch von konzeptioneller Bedeutung. Er war an der Gestaltung der Psychiatrie im Großherzogtum Hessen maßgeblich beteiligt.1 Im Jahr 1855 zunächst als Direktor am Landeshospital Hofheim tätig, wechselte er 1866 an die auf sein Wirken hin neu eröffnete Landesirrenanstalt in Heppenheim. Durch diese neue Anstalt, die im Gegensatz zur Anstalt in Hofheim explizit als psychiatrische Einrichtung errichtet wurde, versuchte Ludwig den neuen Ansprüchen der Anstaltspsychiatrie gerecht zu werden.2 Durch ihn erfolgte 1874 auch die Gründung des „Hilfsvereins für Geisteskranke in Hessen“,3 außerdem zählte er zu den Gründern des „Vereins südwestdeutscher Psychiater”,4 auf dessen Tagungen Ergebnisse psychiatrischer und neurologischer, unter anderem auch in Heppenheim wohl unter seiner Aufsicht durchgeführter Studien vorgestellt wurden. Er selbst veröffentlichte mehrere Artikel, die sich mit der Organisation von „Irrenanstalten“ befassen und in ihrer Mehrheit noch überliefert sind.5 1887 wurde er zusammen mit dem Direktor der “Medizinischen Klinik” in Gießen beauftragt, ein Projekt zur Errichtung einer psychiatrischen Universitätsklinik auszuarbeiten, die 1896 eingeweiht werden konnte.6 Georg Ludwig sollte aufgrund seines Engagements posthum als „Nestor der hessischen Psychiatrie“ geehrt werden.7

Eine Übersicht über den bisherigen Forschungsstand erfolgt im Kapitel 2.1 dieser Arbeit. Zum Wirken Georg Ludwigs sind bereits mehrere Artikel erschienen, die sich vornehmlich mit seiner Rolle in der öffentlichen Irrenfürsorge des Großherzogtums Hessen, insbesondere mit der Einrichtung der Psychiatrischen Universitätsklinik in Gießen und der Gründung und Arbeit seines Hilfsvereins befassen. Seine Mitwirkung bei der Entwicklung der psychiatrischen Fachversammlungen ist zwar angedeutet,8 jedoch sonst weitgehend unberücksichtigt geblieben. Das gleiche gilt für Ludwigs Behandlungskonzept, das bisher ebenfalls nur kurz und noch nicht befriedigend untersucht wurde.9 Auch den medizinischen Behandlungsabläufen und verschiedenen Facetten des Anstaltslebens sind bereits mehrere Arbeiten gewidmet worden.10 Als Zugang dienten hier (auch mangels aussagekräftiger Publikationen aus Ludwigs Hand) vor allem Krankenakten. Die unter Ludwig implementierten Behandlungsmethoden sind in diesen Untersuchungen, die vornehmlich der Patientenperspektive folgen, immer wieder angedeutet worden. Sie wurden jedoch noch nicht ausführlich untersucht und im Kontext allgemeiner Entwicklungen psychiatrischer Behandlungsprinzipien oder in Bezug auf das Konzept Georg Ludwigs dargestellt. Dies gilt auch für die Implementierung des „Non-Restraint“-Prinzips unter Ludwig, die noch nicht sicher belegt werden konnte.11 Während der über vier Jahrzehnte (1855–1897) seiner Tätigkeit in Hofheim und Heppenheim veränderten sich die psychiatrischen Behandlungsmethoden grundlegend. Die Wege, auf denen neue Erkenntnisse in diesen Anstalten rezipiert wurden, sind bisher noch nicht identifiziert worden. Als wissenschaftlicher Kanal zur Partizipation am fachlichen Diskurs kommt neben dem Weg über das Verfassen und Lesen von Publikationen vor allem die Teilnahme an Fachversammlungen infrage. Diese Zusammenhänge sind in Bezug auf die Anstalten Hofheim und Heppenheim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Forschung bisher unberücksichtigt geblieben. Die vorhandenen Untersuchungen erlauben darüber hinaus den Rückschluss, dass an beiden Anstalten auch bis zu einem gewissen Grad zu psychiatrischen Fragestellungen geforscht wurde.12 Die genaue Art und das Ausmaß dieser Forschung sind bisher noch nicht bekannt. Die Entwicklung des ärztlichen und Wartpersonals in Hofheim und Heppenheim ist bisher noch nicht bzw. kaum untersucht worden. Zum Wartpersonal in Hofheim liegen keine Arbeiten vor, zu Heppenheim liegt hierzu bisher nur eine, noch nicht befriedigende Untersuchung vor, in der der Zeitraum bis 1900 nur kurz behandelt wurde.13 Als „ausführende Organe“ des Anstaltsdirektors kommt dem Wartpersonal bzw. dessen Ausbildung und Tätigkeit jedoch bei der Behandlung von psychisch Kranken eine Schlüsselrolle zu, sodass ihre Untersuchung unerlässlich für das Verständnis von Ludwigs Behandlungskonzept erscheint.

Die vorliegende Arbeit soll die oben aufgezeigten Lücken schließen, indem die in den Anstalten Hofheim und Heppenheim unter Ludwig gängigen Behandlungsmethoden und die in den Anstalten betriebene Forschung im Kontext der zeitgenössischen Entwicklungen in der Psychiatrie untersucht werden sollen. Darüber hinaus sollen die wissenschaftlichen Kanäle (insbesondere unter Berücksichtigung der Fachversammlungen und der Rolle Ludwigs bei deren Bildung) identifiziert und die Entwicklungen in Hinsicht auf Anstaltsbetrieb, auf ärztliches und Wartpersonal in den beiden Anstalten beschrieben werden. Die bisher unerforschte Tätigkeit Georg Ludwigs Vorgänger in Hofheim, dem Direktor Ludwig Hohenschild (1819–1862, Direktor von 1849–1855), soll zur Kontextualisierung kurz umrissen werden.


1 ELLER, PETER: Georg Ludwig und die Gründung der „Großherzoglichen Landes-Irrenanstalt“ Heppenheim. In: Landeswohlfahrtverband Hessen (Hrsg.): Psychiatrie in Heppenheim. Streifzüge durch die Geschichte eines hessischen Krankenhauses 1866–1992. (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtverbandes Hessen. Quellen und Studien, 2. Bd.), Kassel 1993, S. 10–25; derselbe: Georg Ludwig und die Psychiatrieplanung im Großherzogtum Hessen. In: Sahmland, Irmtraut / Trosse, Sabine / Vanja, Christina / Berger, Hartmut / Ernst, Kurt (Hrsg.): „Haltestation Philippshospital“. Ein psychiatrisches Zentrum – Kontinuität und Wandel 1535 – 1904 – 2004 (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, 10. Bd.), Marburg 2004, S. 122–133.

2 ELLER, PETER: Die ältere Baugeschichte. In: Landeswohlfahrtverband Hessen (Hrsg.): Psychiatrie in Heppenheim. Streifzüge durch die Geschichte eines hessischen Krankenhauses 1866–1992. (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtverbandes Hessen. Quellen und Studien, 2. Bd.), Kassel 1993, S. 26–35;

3 VANJA, CHRISTINA: Der Hilfsverein für die Geisteskranken in Hessen im 19. Jahrhundert. In: Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hrsg.): Psychiatrie in Heppenheim. Streifzüge durch die Geschichte eines hessischen Krankenhauses 1866–1992. (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtverbandes Hessen, Quellen und Studien, 2. Bd.), Kassel 1993, S. 36–41.

4 ELLER: Heppenheim (1993), S. 20.

5 Für eine Übersicht der Publikationen Ludwigs vgl. Kap. 5. 2. 2. der vorliegenden Arbeit.

6 ENKE, ULRIKE: Die ersten Jahre der Psychiatrischen Universitätsklinik Gießen unter ihrem Direktor Robert Sommer. In: George, Uta / Große, Herwig / Putzke, Michael / Sahmland, Irmtraut / Vanja, Christina (Hrsg.): Psychiatrie in Gießen Facetten ihrer Geschichte zwischen Fürsorge und Ausgrenzung, Forschung und Heilung (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, 9. Bd.), Gießen 2003, S. 59–92. Vgl. hier insb. S. 63–69.

7 MAYER, RUDOLPH: Das Großherzogliche Landeshospital Hofheim (eine Stiftung Philipps des Großmütigen) von 1533–1904; verfaßt zur Feier der 400. Wiederkehr des Geburtstages des Stifters am 13. November 1904. Mainz 1904. Vgl. hierzu S. 100.

8 ELLER: Heppenheim (1993), S. 20.

9 Ebd., S. 13–21.

10 Vgl. hierzu v. a. VANJA, CHRISTINA: Zwischen Armenfürsorge und Heilkunde, Tradition und Wandel – Das Landeshospital Hofheim. In: Sahmland, Irmtraut / Trosse, Sabine / Vanja, Christina / Berger, Hartmut / Ernst, Kurt (Hrsg.): „Haltestation Philippshospital“ Ein psychiatrisches Zentrum – Kontinuität und Wandel 1535–1904–2004 (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, 10. Bd.), Marburg 2004, S. 46–65;

VANJA, CHRISTINA: Ein Förderer der „praktischen Psychiatrie“ – Dr. Franz Amelung als Arzt in Hofheim (1821–1849). In: Ebd., S. 79–90; SAHMLAND, IRMTRAUT: Das Anstaltsleben im Landeshospital Hofheim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Einblicke und Einsichten anhand von Krankenakten. In: Sahmland, Irmtraut / Trosse, Sabine / Vanja, Christina / Berger, Hartmut / Ernst, Kurt (Hrsg.): „Haltestation Philippshospital“. Ein psychiatrisches Zentrum – Kontinuität und Wandel 1535 – 1904 – 2004 (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, 10. Bd.), Marburg 2004, 91–113; BRAUN, SALINA: Heilung mit Defekt: Psychiatrische Praxis an den Anstalten Hofheim und Siegburg 1820–1878; mit 26 Tabellen (=Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 203. Bd.), Göttingen 2009.

11 ELLER: Heppenheim (1993), S. 17.

12 Vgl. bspw. Ludwigs Untersuchungen von Pfleglingen mit dem Augenspiegel, hierzu: JOHN, DETLEV: Eine wissenschaftliche Reise im Jahre 1854 und ihr Ergebnis: „Aufforderung zum Gebrauche des Augenspiegels bei Irren“. In: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde, 9. Bd., Würzburg 2003, S. 105–110.

13 MÖLLENHOFF, HANNELORE: Zur Geschichte des Pflegepersonals. In: Landeswohlfahrts-verband Hessen (Hrsg.): Psychiatrie in Heppenheim. Streifzüge durch die Geschichte eines hessischen Krankenhauses 1866–1992. (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtverbandes Hessen. Quellen und Studien, Bd. 2), Kassel 1993, S. 127–139.

2. Quellen und Methoden

2.1 Zum bisherigen Forschungsstand

Es liegt eine große Anzahl an Publikationen zur Geschichte der Psychiatrie im Großherzogtum Hessen vor. Die für diese Arbeit relevanten Publikationen werden an den entsprechenden Stellen zitiert. Zur Geschichte des Landeshospitals Hofheim liegen bereits mehrere Arbeiten vor. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Untersuchungen von Vanja zur Geschichte des Landeshospitals14 und zum Wirken von Franz Amelung15 (1798–1849, Direktor des Hofheimer Hospitals 1821–1849). Braun untersuchte in einer umfangreichen Arbeit die Wandlung psychiatrischer Ansätze in den Anstalten Hofheim und Siegburg16 und publizierte auch eine Arbeit über das Wirken Amelungs17. Sahmland veröffentlichte Arbeiten zum Anstaltsalltag18 und zu Patientenbriefen19 in der Hofheimer Anstalt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch zum Leben und Wirken Georg Ludwigs liegen schon verschiedene Arbeiten vor. Zamperoni beleuchtete seine Hintergründe und Ausbildung20. John beschrieb und kontextualisierte in einem kurzen Beitrag einen frühen wissenschaftlichen Artikel21 Ludwigs zum Gebrauch des Augenspiegels bei psychisch kranken Pfleglingen im Hospital. Eller widmete mehrere Arbeiten22 der Rolle Georg Ludwigs bei der Errichtung der Heppenheimer Anstalt und bei der Konzeption der Gießener Universitätsklinik für Psychiatrie und behandelte auch die Gründung des „Hilfsvereins für Geisteskranke“ und Ludwigs psychiatrisches Konzept. Eine Arbeit Vanjas befasste sich ausführlicher mit den Hintergründen und der Tätigkeit des von Ludwig gegründeten Hilfsvereins.23 Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Landesirrenanstalt Heppenheim etablierten Behandlungsmethoden und Abläufe innerhalb der Anstalt24 wurden in einer weiteren Arbeit von Vanja umrissen. Daneben wurde eine Anzahl relevanter Forschungsarbeiten aus den letzten Jahrzehnten zu den entsprechenden berührten Themengebieten (beispielsweise der Geschichte der Psychopharmakotherapie oder der Professionalisierung des Wartberufs) benutzt. Sie werden an den entsprechenden Stellen zitiert.

2.2 Zu den untersuchten Quellen

Die verhältnismäßig geringe Anzahl an Publikationen aus Ludwigs Hand,25 aus denen Rückschlüsse über seine Ansichten und Behandlungskonzepte gezogen werden können, erschwerte die Untersuchung dieser Themenbereiche und setzte stattdessen die Benutzung sehr unterschiedlicher Quellen voraus.

Es wurden die Bände folgender Fachzeitschriften aus dem relevanten Zeitraum (1855–1910) eingesehen und nach Publikationen Hofheimer und Heppenheimer Ärzte, nach den Protokollen der relevanten Fachversammlungen („Verein Deutscher Naturforscher und Ärzte“, „Verein Deutscher Irrenärzte“, „Verein südwestdeutscher Irrenärzte und Neurologen“, „Wanderversammlung Hessischer Irrenärzte“) sowie nach anderen relevanten Inhalten durchgesehen:

Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin

Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten

Daneben wurden einzelne Beiträge aus anderen Fachzeitschriften sowie eine größere Anzahl einschlägiger Fachpublikationen und -werke aus dem untersuchten Zeitraum von ca. 1820–1910 berücksichtigt. Bei den letzteren handelt es sich größtenteils um die Werke zeitgenössischer Psychiater. Zur Identifikation relevanter Quellen wurden mehrere digitale Bibliotheken nach einschlägigen Stichworten durchsucht. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die digitale Bibliothek des ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften mit den Standorten Köln und Bonn (hier insbesondere die „Sammlung Nervenheilkunde und Psychologie“).

Folgende Publikation aus Hofheim und Heppenheim ist aufgrund ihres Umfanges und ihrer Bedeutung hervorzuheben:

Grossherzoglich Hessisches Ministerium des Innern und der Justiz, Abtheilung für Öffentliche Gesundheitspflege (Hrsg.): Hofheim und Heppenheim, die Irrenanstalten des Grossherzogthums Hessen. Berichte über Organisation, Verwaltung und Leistungen derselben in den Jahren 1866 bis 1877, mit zwei Plänen. Gross.-Hess. Staatsverlag: Darmstadt 1880.

Dabei handelt es sich um einen ausführlichen Bericht über den Betrieb der Anstalten Hofheim und Heppenheim in zwei Teilen. Der erste Teil enthält je einen Bericht für den Zeitraum 1866–1875, der zweite Teil enthält die entsprechenden Berichte für 1876 und 1877. Sie beschäftigen sich vornehmlich mit organisatorischen Zusammenhängen, etwa mit den Zahlen zu Einstellungen und Entlassungen beim Wartpersonal, zu Löhnen und Kosten, zu Belegungszahlen oder zum Auftreten von infektiösen Erkrankungen. Behandlungsmethoden werden nicht dargestellt. Jedoch erlauben die behandelten Gegenstände gelegentlich einen Einblick in diese oder in den Anstaltsalltag, indem beispielsweise auf die Abschaffung bzw. den seltenen Einsatz von Zwangsmitteln oder Veränderungen in der Einrichtung wie den Bau der Wachabteilungen in den 1870er Jahren hingewiesen wird. Die Autoren dieser Berichte werden zwar nicht genannt, es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass sie aus der Hand der jeweiligen Direktoren stammen. Beim Autor des Heppenheimer Berichts dürfte es sich dementsprechend um Georg Ludwig handeln.

Untersucht wurden außerdem die Protokolle der Versammlungen der zwei Kammern der Hessischen Landstände im relevanten Zeitraum sowie andere offizielle Publikationen des Großherzogtums Hessen sowie weitere Quellen mit lokalem Bezug. Für diese Untersuchung nicht berücksichtigt wurden die Jahresberichte des Hilfsvereins für Geisteskranke, die zum Teil bereits von Vanja26 bearbeitet worden sind. In diesen Jahresberichten legte Ludwig vornehmlich gegenüber Mitgliedern des Hilfsvereins, Vertrauensmännern und öffentlichen Würdeträgern Rechenschaft über die Arbeit des Hilfsvereins ab, behandelte aber offenbar auch aktuelle Themen, vornehmlich zur öffentlichen Irrenfürsorge. Diese Berichte sind somit für die Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit, die vor allem auf die Aufdeckung der internen Anstaltsprozesse abzielt, von nachgeordnetem Interesse; auch würde die Auswertung der zahlreichen Einzelberichte den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine kleinere Anzahl von Einzelschriften, die Ludwig offenbar unabhängig von den Jahresberichten im Eigenverlag herausgab,27 waren nicht erschließbar. Die Reichweite dieser vermutlich vornehmlich an Laien gerichteten Schriften ist ungewiss, dürfte aber in der Regel auf das Großherzogtum Hessen begrenzt gewesen sein.

Es ist eine große Anzahl an Kranken-, Personal-, Sach- und Verwaltungsakten aus den Anstalten in Hofheim und Heppenheim erhalten. Diese Akten befinden sich derzeit in ihrer Mehrzahl in den Sammlungen des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt (Bestand G 16 A) und des Historischen Archivs des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Kassel (Bestand 14). Diese Bestände umfassen hunderte, größtenteils handgeschriebene und bisher noch nicht systematisch katalogisierte Dokumente in unterschiedlichen Konservierungszuständen. Eine vollständige Durchsicht dieser Akten war aufgrund der Menge des Materials nicht möglich, sie hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Berücksichtigt wurden aus diesen Beständen daher ausgewählte Personal-, Sach- und Verwaltungsakten, die mittels der jeweiligen Archivinformationssysteme oder anhand der vorhandenen Findbücher identifiziert werden konnten. Die Entwicklung von ärztlichem und Wartpersonal wurde anhand von relevanten Personal- und Sachakten belegt.

Eine systematische Auswertung der Krankenakten unter den genannten Gesichtspunkten gestaltete sich zudem aufgrund der sehr unterschiedlichen Erhaltungszustände der einzelnen Akten und der uneinheitlichen Dokumentationspraxis schwierig. Krankenakten aus den relevanten Zeiträumen wurden daher stichprobenartig zur Untersuchung von Behandlungsabläufen herangezogen.


14 VANJA: Hofheim (2004) und dieselbe: Das hessische Landeshospital Hofheim bei Darmstadt in der Frühen Neuzeit – diätetische Lebensweise und medizinische Behandlung. In: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde, Bd. 13, Würzburg 2007, S. 45–66.

15 VANJA: Amelung (2004).

16 BRAUN: Defekt (2009).

17 BRAUN, SALINA: Franz Amelung und die Anfänge der Psychiatrie in Hofheim (1821–1849). In: Friedrich, Arnd / Sahmland, Irmtraut / Vanja, Christina (Hrsg.): An der Wende zur Moderne. Die hessischen Hohen Hospitäler im 18. und 19. Jahrhundert (=Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, Bd. 14), Petersberg 2008, S. 363–376.

Details

Seiten
390
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631908037
ISBN (ePUB)
9783631908044
ISBN (Hardcover)
9783631908020
DOI
10.3726/b21505
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (April)
Schlagworte
Psychiatrie 19. Jahrhundert ärztliches Personal Wartpersonal „non-restraint“ Psychopharmakologie Anstaltsleben psychiatrische Forschung
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 390 S., 7 s/w Abb., 14 Tab.

Biographische Angaben

Henrik Karl Döbold (Autor:in)

Dr. med. Henrik Karl Döbold absolvierte sein Studium der Humanmedizin in Marburg und befindet sich derzeit in Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie. Er war unter anderem an den psychiatrischen Universitätskliniken in Marburg und Leipzig tätig. Im Jahr 2023 promovierte er am Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin unter der Betreuung von Frau Prof. Dr. Irmtraut Sahmland und wurde im selben Jahr für seine Arbeit mit dem Nachwuchspreis der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde ausgezeichnet.Dr. med. Henrik Karl Döbold studierte in Marburg Humanmedizin. Er promovierte 2023 am Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin bei Frau Prof. Dr. Irmtraut Sahmland. Er befindet sich in Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und war u. a. an den psychiatrischen Universitätskliniken in Marburg und Leipzig tätig. 2023 wurde ihm für diese Arbeit der Nachwuchspreis der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde verliehen.

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Titel: Georg Ludwig als / Gestalter und Praktiker in der Anstaltspsychiatrie im Großherzogtum Hessen