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Die Stiftung

Jahreshefte zum Stiftungswesen 15./16. Jahrgang 2021/2022

von Bernd Andrick (Band-Herausgeber:in) Matthias Gantenbrink (Band-Herausgeber:in) Axel Janitzki (Band-Herausgeber:in) Karlheinz Muscheler (Band-Herausgeber:in) Markus Schewe (Band-Herausgeber:in) Sebastian Trappe (Band-Herausgeber:in) Katharina Uffmann (Band-Herausgeber:in) Sebastian Unger (Band-Herausgeber:in)
©2023 Sammelband 236 Seiten
Reihe: Die Stiftung, Band 15

Zusammenfassung

Der Verein „Fundare e.V., Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Stiftungswesens“ hat sich zum Ziel gesetzt, zu einer aufblühenden Stiftungskultur in Deutschland beizutragen. Dazu sollen insbesondere die wissenschaftlichen und praktischen Grundlagen des Stiftens erforscht werden. Der Erfüllung dieser Aufgabe dient die Zeitschrift Die Stiftung – Jahreshefte zum Stiftungswesen. Sie beinhaltet in ihrer neuesten Ausgabe die Vorträge, die auf dem 15. Stiftungsrechtstag unter dem Globalthema „Stiftung und Verantwortung“ sowie auf dem 16. Stiftungsrechtstag unter dem Globalthema „Stiftungsrecht – neue Chancen und Risiken“, jeweils veranstaltet von Fundare e.V., gehalten wurden. Darüber hinaus haben noch weitere Beiträge Aufnahme gefunden. Es werden nicht nur eingehend zivilrechtliche, sondern auch verwaltungs- und steuerrechtliche Problematiken des Stiftungsrechts beleuchtet, wobei die aktuellen Themen im Stiftungs- und Stiftungssteuerrecht nicht vernachlässigt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Editorial
  • Inhalt
  • Eigentum anders gedacht – Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (Armin Steuernagel)
  • Chancen und Risiken der Stiftungsrechtsreform: Errichtung von Stiftungen bürgerlichen Rechts (Prof. Dr. Stefan Stolte)
  • Chancen und Risiken der Stiftungsrechtsreform: Satzungsänderungen (Prof. Dr. Stephan Schauhoff)
  • Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen nach der Stiftungsrechtsreform (Dr. Matthias Gantenbrink)
  • Chancen und Risiken der Stiftungsrechtsreform: Beendigung von Stiftungen bürgerlichen Rechts (Silvia Bartodziej)
  • Das Fünf-Stufen-System der §§ 85 bis 87d BGB-neu (Angelo Winkler)
  • Haftung des Stiftungsvorstands – auch nach der geplanten Stiftungsrechtsreform herausfordernd (Prof. Dr. Katharina Uffmann)
  • Aktuelle Probleme aus Sicht der Stiftungsaufsicht (Birgit Nupens)
  • Demokratie und Zivilgesellschaft: Neustart für das Gemeinnützigkeitsrecht (Dr. Vivian Kube, LL.M.)
  • Aktuelle Entwicklungen im Gemeinnützigkeitsrecht (Prof. Dr. Roman Seer)
  • Laudatio für Bernd Andrick zum 70. Geburtstag (Prof. Dr. Karlheinz Muscheler)

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Armin Steuernagel*

Eigentum anders gedacht – Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Meine Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung, auf diesem Stiftungstag zu sprechen. Ich will mit Ihnen heute darüber sprechen, wie wir Unternehmen neu denken, wie wir sie anders denken können – mit Verantwortungseigentum. Dabei soll es bei diesem Impuls nicht um die rechtlichen Details des konkreten Vorschlags einer Rechtsform für Unternehmen in Verantwortungseigentum, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, gehen, den eine Gruppe von Professorinnen und Professoren als wissenschaftliche Initiative auf Grundlage des unternehmerischen Bedarfs erarbeitet hat. Stattdessen soll es hier um den Kern der Idee des Verantwortungseigentums und die wissenschaftlichen und gedanklichen Hintergründe gehen.

Häufig starte ich meine Vorträge mit einer Illustration des unternehmerischen Bedarfs nach einer neuen Rechtsform anhand meiner eigenen Geschichte. Ich bin mehrfacher Gründer, und wollte, wie so viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer, aus meinem Unternehmen aussteigen. Ein klassischer Exit kam für mich nicht in Frage – ich hatte bei meinem Vater miterlebt, welch negative Auswirkungen der Verkauf der Klinik, die er führte, auf die Mitarbeiter und die Qualität der medizinischen Versorgung hatte. Stattdessen war meine Intention von Beginn an, mein Unternehmen anhand der Tradition von Familienunternehmen aufzubauen, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit in den Fokus des Unternehmens zu stellen. Jedoch hatte ich damals weder Familie noch wollte ich meinen – damals ungeborenen – Kindern aufbürden, das Unternehmen übernehmen zu müssen. Vielmehr sah ich die Menschen im Unternehmen in einem Unternehmensfamilien-Zusammenhang – zwar floss nicht das gleiche Blut durch unsere Adern, doch aber die gleichen Werte. Der Wunsch, diesen Menschen das Unternehmen zu übergeben, ohne dass sie sich für die Übernahme verschulden müssten, und ihnen zu ermöglichen, quasi unentgeltlich in die Unternehmerschaft einzutreten bei gleichzeitiger Sicherheit, dass sie nach entgeltlosem Eintritt auch entgeltlos austreten ←9 | 10→würden, ist einer der Grundgedanken des unternehmerischen Bedarfs, aus dem die Forderung nach dafür passenden rechtlichen Rahmenbedingungen stammt.

Heute möchte ich jedoch nicht mit weiteren Berichten des unternehmerischen Bedarfs fortfahren, sondern Ihnen stattdessen eine (verhaltens-)ökonomische Perspektive auf die rechtlichen Konstrukte für Unternehmen wie der GmbH oder AG und die dahinterstehenden Grundannahmen über Unternehmen und Menschen, die in Unternehmen arbeiten, aufzeigen.

Ein weit verbreitetes Modell des menschlichen Verhaltens in Unternehmen ist die Prinzipal-Agent-Theorie, auch bekannt als ‚Agency Theory‘, mit dem Eigentümer als Prinzipal und dem Geschäftsführer als Agenten. Die Annahme ist, dass der Prinzipal den Agenten beauftragt, Leistung zu erbringen und diesen dabei überwacht. Da beide Akteure laut Modell Nutzen-maximierend agieren und es Informationsasymmetrien gibt, müssen die Anreize auf eine Art und Weise gestaltet werden, dass die Interaktion für beide Seiten wertbringend ist.

Auf den Annahmen dieser Prinzipal-Agent-Theorie und den daraus entstehenden Problemen, die zu Wohlfahrtsverlust führen können, basieren unsere heutigen Rechtsformen: Die Eigentümerschaft muss incentiviert sein, das Management zu überwachen, und wird dies, indem sie Zugriff auf Dividenden und Unternehmenswert hat. Gleichzeitig muss auch das Management, welches überwacht wird, entsprechende Anreize haben, um gute Ergebnisse für die Eigentümer zu erzielen, was die Entwicklung von leistungs- und erfolgsorientierten Vergütungsmodellen erklärt. Auffällig ist, dass wir die Akteure, das heißt die Menschen im Unternehmen, immer vordergründig als an ihrem eigenen Nutzen interessiert betrachten, häufig sogar eng gefasst als eigener finanzieller Nutzen. Dabei schauen wir nicht darauf, was diese Menschen darüber hinaus motivieren könnte. Es ist ein sehr pessimistisches, egoistisches Bild von Menschen und menschlicher Motivation, welches unsere Rechtsformen prägt.

Dass wir dieses Bild des Menschen als egoistischen, Nutzen-maximierenden und rational agierenden Agenten als Grundlage für Verhaltensmodelle in unserer Volkswirtschaft nehmen, ist generell bekannt. So fasste es Adam Smith ja in dem berühmten Satz zusammen:

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„It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own self-interest. We address ourselves not to their humanity but to their self-love, and never talk to them of our own necessities, but of their advantages.“

Unsere Volkswirtschaft lebt davon, dass jeder sich um sich selbst kümmert. Entsprechend wurden auch unsere Rechtsformen als der rechtliche Rahmen für unternehmerisches Handeln so gestaltet, dass jeder Agent sich um sich selbst kümmert, man sich dabei aber nur begrenzt auf Kosten von anderen einen Vorteil verschaffen kann. Der Gedanke ist, dass nun, wenn alle Menschen und Unternehmen Nutzen-maximierend handeln, der Markt als ‚unsichtbare Hand’ dafür sorgt, dass daraus Gemeinwohl entsteht.

Ich muss hier nicht tiefer darauf eingehen, dass die Praxis uns immer wieder vor Augen hält, dass dieser Automatismus – falls je zutreffend – zumindest in unserer heutigen komplexen Welt keinen Bestand hat. So weisen immer mehr Wirtschaftsexperten, wie zum Beispiel auch Prof. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, darauf hin, dass in einer globalen und digitalen Wirtschaft weder allein die Märkte unsere gesellschaftlichen Probleme lösen werden noch die Staaten, sondern gesellschaftliche Verantwortung schon innerhalb der Unternehmen beginnen muss.

Doch wie steht es mit der gesellschaftlichen Verantwortung und dem Verhalten von Unternehmen? 2003 wurde in der Dokumentation ‚The Corporation‘ das Verhalten großer Kapitalgesellschaften anhand von Fragebögen, die zur Einstufung des psychischen Zustands von Patienten verwendet werden, analysiert, mit dem Resultat, dass das Verhalten dieser Unternehmen die Kriterien schwerer psychischer Krankheiten erfüllte. Unsere Unternehmen, oder zumindest ein Großteil der großen Unternehmen, agieren wie Psychopathen: ohne Mitgefühl, ohne Verantwortung gegenüber anderen, etc. Auch in den letzten Jahren wurde diese Analogie immer wieder aufgegriffen, nicht zuletzt in Bezug auf die Finanzkrise und wiederholte Skandale in Unternehmen. Diese Erkenntnisse liefern natürlich auch einen Ansatz dafür, wie wir auf Unternehmen schauen, wie auch die Gesetzgebung auf Unternehmen schaut: misstrauisch und in Erwartung von Nutzen-maximierendem, egoistischem und unverantwortlichem Verhalten.

Doch ist das Menschenbild, welches hinter unseren heutigen Unternehmensformen steht, die Prinzipal-Agent-Theorie und das damit verbundene (und davon beeinflusste) Unternehmensbild überhaupt Praxis-erprobt? Ist es wissenschaftlich basiert und von aktueller Forschung bestätigt?

Der Prinzipal-Agent-Theorie liegt ein Menschenbild zugrunde, was stark vereinfacht und – mindestens nach heutigen Standpunkten – wissenschaftlich widerlegt ist, wenn man neuere verhaltensökonomische und psychologische Forschung von Wissenschaftlern wie Deci, Koestner, Ryan, Tang, Hall, Frey und Osterloh betrachtet. Ich möchte jetzt nicht auf alle Details der Forschung zu dem Thema eingehen, sie wurden auch an anderer Stelle, u.a. von Kate Raworth in ‚Doughnut Economics‘ oder Rutger Bregman in ‚Im Grunde gut‘ sehr ausführlich zusammengetragen. ←11 | 12→Aber zusammenfassend kann man sagen, dass der stärkste Treiber menschlichen Verhaltens die intrinsische Motivation ist – und Eigeninteresse und finanzielle Anreize nicht die stärksten und in manchen Fällen sogar besonders schwache Motivatoren sind, wie z.B. Dan Pink in seinem millionenfach gesehenen Ted Talk ‚The puzzle of motivation‘ anschaulich zeigt.

Eine häufige Erwiderung auf diese Erkenntnis ist, dass es für Juristen nicht darum gehe, Rechtsformen für gute, intrinsisch motivierte Menschen zu schaffen, sondern darum, Missbrauch zu verhindern. Gesetze sind für Egoisten, nicht für Altruisten, wie David Hume genau wie Adam Smith, Ökonomie-Nobelpreisträger wie James Buchanan und zahlreiche weitere Ökonomen es sahen und sehen. Das ist jedoch problematisch. Denn indem wir Unternehmensformen (und Gesetze im Allgemeinen) auf dem Menschenbild des Homo Oeconomicus, der Nutzen-maximierenden, self-interested Person, die primär auf finanzielle Anreize reagiert, basieren, schaffen wir keinen neutralen Rahmen für Verhalten, in welchem sich auch intrinsisch motivierte Menschen frei bewegen können – sondern wir senden ein Signal und schaffen Rahmenbedingungen, die intrinsische Motivation nicht fördern, sondern zerstören. Lassen Sie mich den Beweis antreten.

Um das zu erklären, möchte ich auf ein paar Anekdoten aus Studien zurückgreifen: So wurde in einer Studie von Deci, die seitdem häufig wiederholt wurde, den Studienteilnehmern – während sie vorgeblich auf den Beginn des Experiments warteten – ein Puzzle gegeben und betrachtet, wie viele Teilnehmer wie schnell das Puzzle lösten. In einer zweiten Runde wurde einem Teil der Teilnehmer Geld für das Lösen des Puzzles angeboten. In der nächsten Runde hatte dieser Teil der Teilnehmer eine deutlich geringere Motivation, ohne finanzielle Anreize das Puzzle zu lösen, als die Kontrollgruppe; sie brauchten länger und gaben schneller auf – obwohl sie in der ersten Runde genauso motiviert waren. Was stattgefunden hatte, bezeichneten die Experten als „Verdrängungseffekt“ der intrinsischen Motivation durch extrinsische Anreize. Noch besser wird das Problem durch eine israelische Studie anschaulich, die unter freiwilligen jungen Sternsingern – bzw. dem israelischen Äquivalent dazu – durchgeführt wurde. Alle Teilnehmer der Feldstudie waren an einem traditionellen Tag unterwegs, klopften an Türen und sammelten Geld für einen gemeinnützigen Zweck. Forscher untersuchten nun wie die Motivation sich bei unterschiedlichen Incentive-Regimes verändert: Einen großen Teil der Gruppen ließen sie losziehen ohne jeglichen zusätzlichen monetären Anreiz, einfach mit dem Hinweis: „Alles was gesammelt wird, wird für z.B. die Kinderkrebsforschung gemeinnützig gespendet.“ Andere Gruppen wurden mit dem gleichen Hinweis losgeschickt, aber es wurde hinzugefügt, dass ein Stundenlohn gezahlt würde, der aber von den Experimentatoren gezahlt würde, nicht aus den gesammelten Geldern. Wiederum andere Gruppen erhielten einen Bonus, eine bestimmte prozentuale Provision auf die eingesammelten Gelder, auch hier nicht aus den Spenden finanziert, sondern von den Experimentatoren. Nun, sehr verehrte Damen und Herren, was schätzen Sie? Welche Gruppen waren die erfolgreichsten Spendensammler? Welche waren am längsten unterwegs? Genau die, bei denen man es am wenigsten erwarten würde: die, die gar ←12 | 13→nichts erhalten, außer einem guten Gefühl. Die „Provisions-Gruppen“ sammelten deutlich weniger und die „Stundenlohn-Gruppen“ noch weniger. Solche Experimente wurden inzwischen hundertfach durchgeführt, sei es in Kindergärten, in denen sich die Kindergärtner über die zu späten Eltern ärgern, eine ökonomische Strafzahlung pro verspäteter Minute einführen und sich anschließend wundern, dass die Verspätungen drastisch steigen; sei es, dass Bürger in schweizerischen direkt-demokratischen Entscheidungen beim Appellieren an die bürgerliche Verpflichtung einer Atomendlager-Stätte zustimmen, und die Zustimmung bei dem Angebot von privaten Kompensationszahlungen (sechsfaches Monatsgehalt) auf 36 Prozent schrumpft.

Immer zeigt sich die gleiche, für Ökonomen und Juristen extrem ungemütliche und ungewohnte Erkenntnis: Ein Mehr an Anreizen, ökonomischen wie auch rechtlichen, führt nicht automatisch zu einem Mehr an gewünschtem Verhalten. Gibt es das gewünschte Verhalten schon durch intrinsisch motivierte Akteure, dann tritt häufig sogar der gegenteilige Effekt ein; das Verhalten verringert sich. Die harte Lehre: Intrinsische Motivation und Anreize sind nicht additiv, sondern können sich verdrängen. Das hat weitreichende Folgen, die leider noch nicht ausreichend beforscht sind, aber zum Teil: Z.B. führen immer stärker detaillierte Verträge mit klaren Sanktionen dazu, dass sich Akteure weniger an einen „psychologischen Vertrag“ gebunden fühlen, der parallel in den Köpfen der Menschen zustande kommt, sondern sie den Vertrag rein unter Nutzenkalkül betrachten. Die nachgewiesene Folge: Längere, detaillierte, mit Sanktionen belegte Verträge werden schneller von Akteuren gebrochen.

Der Ökonom und Pionier der ökonomischen Forschung zur intrinsischen Motivation Bruno Frey bringt es sogar so auf den Punkt: „Constitutions for knaves make knaves“ – rechtliche Verfassungen für Schurken erzeugen Schurken. Es scheint in uns Menschen verschiedene Modi zu geben. Wie wir in den Wald hineinrufen, so schallt es auch heraus. Sprechen wir Menschen – wie bei der Atomendlager-Entscheidung – als Bürger an, agieren wir als Menschen in dem Versuch, etwas Sinnvolles, dem Ganzen Zuträgliches zu tun, das uns vielleicht auch Freude macht oder interessiert. Werden wir hingegen als Homo Oeconomicus angesprochen, bekommen signalisiert, dass wir als Homo Oeconomicus funktionieren, verhalten wir uns dann auch entsprechend. Es ist eine sich selbst-erfüllende Prophezeiung. Das ist für Psychologen kein Wunder. Durch das Signal „du brauchst Anreize“ passiert – so die Psychologen – Folgendes: Erstens fühlen sich die Menschen weniger in ihrem „Locus of Control“, das heißt sie haben weniger das Gefühl, selbstbestimmt zu handeln und fühlen sich in ihrer Handlung von außen beeinflusst, wodurch die intrinsische Motivation sinkt. Zweitens führt das Framing dazu, dass die beeinflusste Handlung mental von etwas Sinnvollem oder Lustvollem, was man aus intrinsischer Motivation heraus macht, in etwas gewandelt wird, worauf mit man mit ökonomischem Kalkül blickt und was die Handlung nachhaltig verändert. So sinkt die intrinsische Motivation für Aufgaben, für die man nicht finanziell vergütet wird, weil man eben nicht mehr die Aufgabe macht mit Gedanken an die Freude, sondern mit den Gedanken an den Zweck: Geld verdienen.

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Es wird deutlich, dass rechtliche Rahmenbedingungen und Gesetze nie lediglich ein Mittel zur Verhinderung von Missbrauch sind, sondern den im Rahmen dieses Rechts agierenden Menschen Signale geben und Anreize setzen, die zu entsprechenden Verhaltensänderungen führen können. Viele unserer gesetzlichen und vertraglichen Rechte sind eben nicht „neutral“, sondern kommunizieren ein Menschenbild, mit drastischen Folgen. Zusammenfassend könnte man sagen: Wir sind gerne die „Guten“, aber ungern die „Dummen“. Natürlich wollen wir alle gerne Gutes tun, Sinnvollem unsere Energie widmen, doch wenn die institutionellen Rahmenbedingungen eher für Nutzen-Maximierung der Einzelnen gestaltet sind und alle anderen dem auch nachgehen, bin ich der „Dumme“. Wenn ich gefragt werde, ob ich lieber sechs Monatsgehälter oder eine Atomendlagerstätte in meiner Kommune haben würde, dann ist die natürliche Reaktion: so dumm bin ich nicht, mir für etwas Geld so viel Risiko ins Haus zu holen. Im Falle eines Unternehmens heißt dieses Prinzip, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass alle sich Unternehmensgewinne und -werte entnehmen können, und ich als Einziger sage, ich arbeite für etwas Sinnvolles, für eine Aufgabe, und entnehme mir weniger aus der Firma, macht das wenig Sinn und wird dementsprechend auch selten gemacht.

Intrinsische Motivation für viele Leistungen, die keinen rein repetitiven Charakter haben, die Kreativität erforderlich machen und die als sinnvoll empfunden werden, wie zum Beispiel das Führen eines Unternehmens, werden – so habe ich versucht zu zeigen, und so sagt es die Forschung – durch finanzielle Anreize de-incentiviert. Wie kann man also nun die nötige Sicherheit und den rechtlichen Rahmen geben, um intrinsisch motiviertes Handeln zu fördern? Wie sähe eine Unternehmung aus, die nicht auf dem Homo Oeconomicus, sondern auf einem anderen, Evidenz-basierten Menschenbild beruht, und diesem folgend die rechtlichen Rahmenbedingungen gestaltet?

1. Intrinsische Motivation durch Selbstbestimmung: Ein Ansatz, intrinsische Motivation zu fördern, ist die Ermöglichung von selbstbestimmtem Verhalten, das heißt also durch das Sicherstellen, dass Entscheidungen im Unternehmen nicht aus der Ferne getroffen werden, weder von Absentee Owners (externen Eigentümern) noch vom Staat, sondern wirklich selbstbestimmt von den Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind und aus ihrer Nähe und Betroffenheit heraus incentiviert sind.

2. Intrinsische Motivation durch Purpose-Orientierung: Um intrinsische Motivation zu fördern, brauche ich ein „Wofür“, einen Sinn oder eine Aufgabe, für die ich arbeite. Viele Konzerne haben das bereits verstanden und präsentieren einen „Purpose“ als Fokus ihrer Unternehmung: Es ginge in ihnen nicht um den Shareholder-Value, sondern den höheren Purpose, die Aufgabe des Unternehmens. Doch wie wir immer wieder erleben, wird – sollte die Purpose-Orientierung mal entgegen der kurzfristigen Profite und des Shareholder-Values stehen – doch schnell wieder zurückgerudert, die Unternehmen betreiben sogenanntes „Purpose-Washing“. Hier braucht es glaubhaftere Ansätze.

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3. „Crowding-in“ durch institutionelle Rahmenbedingungen: Um nun sicherzustellen, dass ich intrinsisch motiviert handeln kann, dass ein „Crowding-in“ der intrinsischen Motivation stattfindet und kein „Crowding-out“, ohne dabei die oder der „Dumme“ zu sein und ausgenutzt zu werden, benötigt es rechtliche Sicherheit durch Institutionen und Gesetzgebung. Mit Begrifflichkeiten aus der Verhaltensökonomie gesprochen bin ich oft ein „Conditional Cooperator“, kooperiere also gerne unter bestimmten Konditionen, für die ich eine gewisse Sicherheit benötige, dass andere auch kooperieren und mich nicht ausnutzen. In unserem Falle verbildlicht das der Fall, dass ich gerne mein Unternehmen Purpose-orientiert aufstelle und keine Gewinne entnehme oder auf das Versilbern des Unternehmenswert verzichte, solange die rechtliche (oder anderweitige) Absicherung besteht, dass andere Gesellschafter heute und in der Zukunft genauso verfahren und nicht meinen Verzicht zu ihrem Gewinn machen.

Ein Unternehmer, der die Relevanz von Rahmenbedingungen für Unternehmen, die intrinsische Motivation fördern und ermöglichen, statt zu „Crowding-out“ zu führen, früh begriffen hat, war Robert Bosch. Er hat Bosch zu Lebzeiten erfolgreich aufgebaut und sich lange mit seiner Nachfolge beschäftigt. Familiennachfolge war aus verschiedenen Gründen nicht passend, er wollte das Unternehmen stattdessen an sein Management übergeben, an Menschen, die nah am Unternehmen dran waren. So wandelte er Bosch in eine Aktiengesellschaft um und beteiligte das Management an dieser Aktiengesellschaft – er versuchte damit, intrinsische Motivation durch Selbstbestimmung, durch Einbindung der Menschen, die dem Unternehmen nahestehen, zu fördern. Es kam aber zu einem Musterbeispiel des ‚Crowding-outs‘ der Motivation der Manager: Statt visionär das Unternehmen in die Zukunft zu führen, wie sie es davor taten, achteten sie plötzlich mehr auf den Wert ihrer Anteile und kurzfristige Gewinne – sie agierten wie Investoren, nicht wie Unternehmer. Schockiert ob des Resultats entschied Robert Bosch sich, alle Aktien zurückzukaufen und Bosch in eine GmbH zurückzuwandeln. Danach legte er in seinem Testament die Grundpfeiler der rechtlichen Struktur fest, in der sich Bosch bis heute befindet, und die genau die drei oben genannten Punkte leistet: Selbstbestimmung, Purpose-Orientierung und dies mit rechtlicher Absicherung: Seine Anwälte schufen die Industrietreuhand KG, in der die Stimmrechte von Bosch liegen. In dieser KG sitzen also die Gestalter von Bosch, die Unternehmer, die die Entscheidungen treffen. Es ist eine Kombination aus Menschen, die im Unternehmen arbeiten und Menschen, die dem Unternehmen mit Blick von außen nahe stehen, innen und außen hält sich die Waage. Statt also ein ‘Cooling-off’, eine Distanz zwischen der aktiven Arbeit im Unternehmen und der Wahrnehmung der kontrollierenden Eigentümer-Funktion in die Governance einzubauen, setzte Bosch auf Verbundenheit mit dem Unternehmen, auf Selbstbestimmung. Das Vermögen und die Gewinnrechte von Bosch liegen in einer anderen, gemeinnützigen Entität. So schuf Bosch institutionelle Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass die Entscheidungsträger zwar Selbstbestimmung erleben, dabei aber Treuhänder ←15 | 16→sind und Gewinne und Vermögen von Bosch nicht privatkonsumptiv entnehmen können. Gewinne und Vermögen dienen so der Aufgabe des Unternehmens, sie werden reinvestiert, an Mitarbeiter als Erfolgsbeteiligung ausgeschüttet, gespendet oder zur Deckung von Kapitalkosten verwendet – das ist auch bekannt als eine Vermögensbindung.

Entscheidungen werden so nicht auf Basis von persönlichen finanziellen Interessen getroffen, sondern auf Basis des Unternehmens und dessen Aufgabe, dessen Purpose. Diese rechtliche Struktur von Bosch hält die intrinsische Motivation der Menschen, die Entscheidungen treffen, lebendig, durch eine rechtliche Trennung der Kontrolle, die bei Menschen liegt, die mit dem Unternehmen verbunden sind, und dem Zugriff auf das Unternehmensvermögen. Die Kombination aus einer rechtlichen Absicherung der Selbstbestimmung und einer Purpose-Orientierung oder Vermögensbindung ist bekannt als Verantwortungseigentum, treuhändisches Eigentum oder auch ‚steward-ownership‘.

Hier schlägt mir häufig Skepsis entgegen: Geld und Macht getrennt, das kann nicht funktionieren! Die Unternehmer sind doch nicht mehr incentiviert, unternehmerische Entscheidungen zu treffen! Doch die Evidenz der Unternehmen, die heute schon in Bosch-ähnlichen Strukturen aufgestellt sind und die die Kontrolle über das Unternehmen, die Entscheidungsmacht, und die ökonomischen Rechte entkoppeln, beweisen das Gegenteil. Nicht nur Anekdoten, sondern auch Daten zeigen, dass diese Unternehmen langfristig erfolgreich sein können. Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit – dort wo sie erforscht ist, nämlich in Dänemark – ist höher als die von Unternehmen in anderen Eigentumsformen (Thomsen et. al (2018). Industrial Foundations as Long-Term Owners.), sie haben eine ähnliche oder sogar höhere Profitabilität, zahlen im Durchschnitt höhere Gehälter, haben eine geringere Fluktuation der Mitarbeiter – auch im Management –, und agieren nachhaltiger. Und intrinsische Motivation wird nicht nur bei den Unternehmern gefördert, sondern auch in der Mitarbeiterschaft. Franz Fehrenbach, bis Ende 2021 Unternehmer bei Bosch, beschreibt es folgendermaßen:

„Ich glaube, den meisten (Mitarbeitern) geht es genau wie mir. Sie sind stolz darauf, was wir alle gemeinsam erwirtschaften und was wir mit dem Erwirtschafteten machen – dass wir es in die Zukunft des Unternehmens investieren, Mitarbeitern Lohn und Gehalt geben, eine Dividende ausschütten, die wiederum gemeinnützig eingesetzt wird, … – fremde Kapitalgeber bekommen bis auf den Zins nichts. Das versteht irgendwann jeder und sieht, ich arbeite eigentlich für mich selber und für meine Kollegen im Unternehmen. Das motiviert ungemein.“

Braucht es nun wegen der intrinsischen Motivation keine Kontrolle, keine rechtliche Absicherung? Wenn wir unternehmerisches Handeln durch Selbstbestimmung, Purpose-Orientierung und gestalterischer Freiheit motiviert sehen und an nicht primär egoistische, Nutzen-maximierende Menschen glauben, weswegen setzen Bosch und auch wir in unserer Forderung nach einer neuen Rechtsform für diese Eigentumsstruktur dann noch auf eine Absicherung? Um dies zu beantworten, ←16 | 17→lassen Sie uns auf ein Motivationsmodell blicken und die Auswirkungen einer rechtlichen Absicherung von Verantwortungseigentum betrachten.

Ist Verantwortungseigentum ein ‘Credible Commitment’, eine glaubhafte Verpflichtung zur Selbstbestimmung und Vermögensbindung, kann es Framing- und Signaling-Effekte haben, die intrinsische Motivation ermöglichen und unterstützen, ein sogenanntes ‚Crowd-in‘ der intrinsischen Motivation. Wieso? Weil es Vertrauen schaffen kann, z.B. bei Mitarbeitenden – sie wissen, dass die langfristige Aufstellung des Unternehmens in Verantwortungseigentum nicht nur dem Gutdünken der Eigentümer unterliegt, sondern es ein rechtlich verbindliches Versprechen ist. Das ist auch immer noch gültig, wenn die persönlichen Umstände oder die Einstellung der Eigentümer sich verändert haben, oder die Eigentümer selbst gewechselt haben. Das kann für Menschen, Mitarbeiter wie Unternehmer, für die der Aspekt Verantwortungseigentum eine Rolle spielt, zu ‚conditional cooperation‘, also kooperierendem Verhalten unter der Kondition der Absicherung von Verantwortungseigentum, führen.

Die rechtliche Sicherheit ist außerdem für die Möglichkeit von familienunabhängiger Nachfolge in der Unternehmer-Rolle höchst relevant. Hier greife ich wieder auf den Gedanken ‚ich bin gerne der Gute, aber ungern der Dumme‘ zurück: Wenn ich weiß, dass meine Nachfolger keine rechtliche Verbindlichkeit haben, dass auch sie den Unternehmenswert und die Unternehmensgewinne nicht dem Unternehmen entziehen werden, ist die Hürde für mich viel größer, es (außerhalb der eigenen Familie) unentgeltlich zu übergeben. Ist Verantwortungseigentum glaubwürdig abgesichert, beeinflusst das auch die Geschwindigkeit des Aufbaus eines Vertrauensverhältnisses zu potenziellen Nachfolgern. Durch ein ‚credible commitment‘ und die klaren Signale einer rechtlichen Struktur wissen beide Seiten, dass auch nachfolgende Gesellschafter das Unternehmen nicht finanziell ausnehmen können. Jemand, der primär aus Interesse an Dividenden und Exit-Erlös an der Übernahme der Eigentümerschaft interessiert ist, scheidet so automatisch ←17 | 18→aus; übrig bleiben diejenigen, die aufgrund des Unternehmens und der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit in die Eigentümer-Rolle gehen wollen.

Details

Seiten
236
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (PDF)
9783631897454
ISBN (ePUB)
9783631897461
ISBN (Paperback)
9783631896730
DOI
10.3726/b20579
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (April)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 236 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Bernd Andrick (Band-Herausgeber:in) Matthias Gantenbrink (Band-Herausgeber:in) Axel Janitzki (Band-Herausgeber:in) Karlheinz Muscheler (Band-Herausgeber:in) Markus Schewe (Band-Herausgeber:in) Sebastian Trappe (Band-Herausgeber:in) Katharina Uffmann (Band-Herausgeber:in) Sebastian Unger (Band-Herausgeber:in)

Die Herausgeber bilden den Vorstand von Fundare e.V.: Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Andrick ist Vorsitzender Richter am VG a.D. Dr. Matthias Gantenbrink ist Syndikusrechtsanwalt in Bochum. Axel Janitzki ist Rechtsanwalt und Notar a.D. in Bochum. Prof. Dr. Karlheinz Muscheler war Inhaber eines zivilrechtlichen Lehrstuhls an der Ruhr-Universität Bochum und ist seit 2019 emeritiert. Dr. Markus Schewe ist Rechtsanwalt und Notar in Essen. Dr. Sebastian Trappe ist Regierungsrat bei der Finanzverwaltung NRW. Prof. Dr. Katharina Uffmann ist Inhaberin eines zivilrechtlichen Lehrstuhls an der Ruhr-Universität Bochum. Prof. Dr. Sebastian Unger ist Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Lehrstuhls an der Ruhr-Universität Bochum.

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