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Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen

Ein Beitrag zur Kompetenzabgrenzung zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht

von Mario Vallelonga (Autor:in)
Dissertation 252 Seiten

Zusammenfassung

Nach der grundsätzlichen Anerkennung der Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen durch den BGH hat sich der juristische Diskurs von der Zulässigkeit hin zu den Grenzen der Testamentsvollstreckung verlagert. Insoweit bestehen weiterhin große Unsicherheiten. Insbesondere die Reichweite der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Kernbereich der Mitgliedschaft sowie die Frage, ob der Testamentsvollstrecker den Gesellschafter-Erben auch ohne dessen Zustimmung über die Mittel des Nachlasses hinaus persönlich verpflichten kann, werden je nach Beteiligungsart und gesellschaftlicher Mitwirkungshandlung unterschiedlich beurteilt. Dies ist sowohl dogmatisch als auch in den praktischen Konsequenzen oftmals wenig überzeugend. Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, Umfang und Schranken der Testamentsvollstreckung im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht rechtsformübergreifend und in allgemeingültiger Weise zu bestimmen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erster Teil: Rahmenbedingungen einer Testamentsvollstreckung an unternehmerischen Beteiligungen
  • A. Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung bei unternehmerisch gebundenen Nachlässen
  • I. Grundsatzdiskussion zur Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen – Rückblick
  • II. Haftungsrechtliche Inkompatibilitäten
  • 1. Grundproblematik
  • 2. Aktueller Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung
  • 3. Weitergehende Lösungsansätze in der Literatur
  • a) Primat des Gesellschaftsrechts
  • b) Erbrechtskonforme Lösung
  • aa) Muschelers Ansatz
  • bb) Abweichende Beurteilung nach Inkrafttreten des MoMiG?
  • c) Vermittelnder Ansatz
  • III. Zusammenfassung
  • B. Vorfragen zur Durchführbarkeit der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen
  • I. Gesellschafternachfolge von Todes wegen
  • 1. Kapitalgesellschaftsanteile
  • 2. Personengesellschaftsanteile
  • a) Rechtsfolgen bei Tod eines Gesellschafters
  • b) Testamentsvollstreckung bei fehlender erbrechtlicher Nachfolge
  • aa) Verwaltung des Abfindungsanspruchs
  • bb) Befugnisse des Testamentsvollstreckers im Liquidationsstadium
  • II. Gesellschaftsvertragliche Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung
  • 1. Personengesellschaftsrecht
  • a) Zustimmungserfordernis
  • b) Auslegung des Gesellschaftsvertrags
  • c) Folgen verweigerter Zustimmung
  • 2. Kapitalgesellschaftsrecht
  • a) Gesetzliche Ausgangslage
  • b) Statutarische Beschränkungen der Testamentsvollstreckung
  • aa) GmbH
  • bb) Aktiengesellschaft
  • Zweiter Teil: Erb- und gesellschaftsrechtliche Grenzen der Testamentsvollstreckung
  • C. Erbrechtliche Schranken
  • I. Testamentarische Beschränkungen, § 2208 Abs. 1 BGB
  • II. Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung, § 2216 Abs. 1 BGB
  • 1. Bedeutung der Vorschrift für das Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers
  • 2. Allgemeiner Pflichtenmaßstab des Testamentsvollstreckers
  • 3. Das Verbot persönlicher Verpflichtung des Gesellschafter-Erben im Besonderen, § 2206 BGB
  • a) Die auf den Nachlass beschränkte Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollsteckers als Schranke seines rechtlichen „Könnens“ oder rechtlichen „Dürfens“?
  • b) Meinungsstand
  • c) Stellungnahme
  • III. Verbot unentgeltlicher Verfügungen, § 2205 S. 3 BGB
  • 1. Bedeutung der Vorschrift für das Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers
  • 2. Verfügungen über Gesellschaftsbeteiligungen
  • 3. Unentgeltlichkeitsbegriff
  • a) Allgemeine Unentgeltlichkeitsformel
  • b) Grundsätze des BGH zu Verfügungen des Gesellschafter-Vorerben, § 2113 Abs. 2 BGB
  • c) Beurteilung der Entgeltlichkeit von Verfügungen des Testamentsvollstreckers über Gesellschaftsbeteiligungen
  • aa) Eingriffe in die Mitgliedschaft
  • bb) Beendigung der Mitgliedschaft
  • 4. Rechtsfolgen
  • a) „Unentgeltliche“ Stimmabgabe bzw. Zustimmung
  • b) Unentgeltliche Anteilskündigung und Anteilsübertragung
  • D. Gesellschaftsrechtliche Schranken
  • I. Stimmverbote, §§ 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG
  • 1. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 2. Persönlicher Anwendungsbereich
  • a) Befangenheit des Testamentsvollstreckers
  • b) Befangenheit des Gesellschafter-Erben
  • II. Treupflichtbindung des Testamentsvollstreckers
  • 1. Die gesellschaftliche Treupflicht
  • 2. Der Testamentsvollstrecker als Pflichtadressat
  • III. Ausübungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Kernbereich der Mitgliedschaft
  • 1. Die Kernbereichslehre im Gesellschaftsrecht
  • a) Instrument des Minderheitenschutzes
  • b) Distanzierung von der Kernbereichslehre durch BGH, Urteil vom 21.10.2014 – II ZR 84/13?
  • 2. Übertragbarkeit des Kernbereichsschutzes auf das Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben?
  • a) Frühere befürwortende Auffassungen
  • b) Ablehnung durch die jetzt herrschende Meinung
  • c) Bewertung
  • Dritter Teil: Befugnisse des Testamentsvollsteckers bei der Verwaltung von GbR-, OHG-, Komplementär-, Kommandit- und GmbH-Anteilen sowie Aktien
  • E. GbR-, OHG- und Komplementäranteile
  • I. Die „Außenseite“ der Gesellschaftsbeteiligung als Objekt der Testamentsvollstreckung
  • II. Befugnisse des Testamentsvollstreckers im Einzelnen
  • 1. Vermögensrechte
  • a) Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsguthaben, Gewinnansprüche
  • b) Umfang der Zuordnung der Vermögensansprüche zum Nachlass
  • 2. Lösungsrechte
  • a) Befugnis des Testamentsvollsteckers zur Beendigung der Mitgliedschaft
  • b) Eigenes Kündigungsrecht des Gesellschafter-Erben
  • 3. Weitergehende Rechte des Testamentsvollstreckers
  • a) Auskunfts- und Informationsrechte
  • b) Mitsprache- bzw. Zustimmungsrecht?
  • F. Kommanditanteile
  • I. Allgemeines
  • II. Einlagenrückgewähr, § 172 Abs. 4 HGB
  • 1. Wiederaufleben der persönlichen Haftung gem. § 171 Abs. 1 HGB
  • 2. Folgen für das Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers
  • III. Erhöhung der Kommanditeinlage
  • 1. Die Lösung des BGH und deren Rezeption im Schrifttum
  • 2. Differenzierende Betrachtung
  • a) Erhöhung der Pflichteinlage
  • b) Erhöhung der Haftsumme
  • IV. Atypische Ausgestaltung der Beteiligung
  • 1. Geschäftsführungs- und vertretungsberechtigter Kommanditisten-Erblasser
  • 2. Vererblichkeit des Sonderrechts auf Geschäftsführung und Vertretung
  • 3. Zustimmung der Mitgesellschafter
  • 4. Ausübung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse durch den Testamentsvollstrecker?
  • G. GmbH-Anteile
  • I. Allgemeines
  • II. Beteiligung an Kapitalmaßnahmen
  • 1. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, §§ 57c ff. GmbHG
  • 2. Kapitalerhöhung gegen Einlagen, §§ 55 ff. GmbHG
  • a) Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals
  • b) Folgen für das Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers
  • III. Begründung von Nebenleistungs- und Nachschusspflichten, §§ 3 Abs. 2, 26 ff. GmbHG
  • 1. Inhalt und Ausgestaltung von Nebenleistungs- und Nachschusspflichten
  • 2. Persönliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten
  • 3. Geldleistungspflichten
  • H. Aktien
  • I. Allgemeines
  • II. Vermögensrechte
  • 1. Anspruch auf den Bilanzgewinn, § 58 Abs. 4 AktG
  • 2. Beschränkung oder Ausschluss des Dividendenzahlungsanspruchs, § 58 Abs. 3 AktG
  • III. Beteiligung an Kapitalmaßnahmen
  • 1. Mitwirkung am Kapitalerhöhungsbeschluss
  • a) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, §§ 207 ff. AktG
  • b) Kapitalerhöhung gegen Einlagen, §§ 182 ff. AktG
  • c) Ausschluss des Bezugsrechts, § 186 Abs. 3 AktG
  • 2. Bezugsanspruch, § 186 AktG
  • a) Ausübung des Bezugsrechts durch den Testamentsvollstrecker
  • b) Veräußerung des Bezugsanspruchs
  • IV. Börsengang und Börsenrückzug (Delisting)
  • 1. Hauptversammlungsbeschluss als Grundlage einer möglichen Mitwirkung des Testamentsvollstreckers
  • 2. Delisting
  • 3. Börsengang
  • V. Testamentsvollstreckung und Kapitalmarktrecht
  • 1. Anforderungen des WpHG
  • a) Mitteilungspflicht gem. § 33 Abs. 1 WpHG
  • b) Sanktionen bei Nichterfüllung
  • c) Pflichtadressaten
  • 2. Anforderungen des WpÜG
  • a) Veröffentlichungs- und Angebotspflicht gem. § 35 WpÜG
  • b) Nichtberücksichtigung von Stimmrechten gem. § 36 WpÜG
  • c) Befreiung nach § 37 Abs. 1 WpÜG
  • VI. Veräußerung des Aktienpakets
  • Schlussbetrachtung
  • Schrifttumsverzeichnis

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Einleitung

Monografische Abhandlungen zur Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht wurden schon etliche geschrieben. Warum also, so mag man sich fragen, eine weitere Arbeit zu diesem Thema?

Zum einen, weil trotz Klärung einiger der großen Streitpunkte der vergangenen Jahrzehnte durch die Rechtsprechung des BGH, allen voran der Frage nach der Nachlasszugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile1 sowie der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen2, im Einzelnen immer noch große Unsicherheiten bestehen, was die Reichweite der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers angeht, etwa an der sog. „Außenseite“3 der Beteiligung oder im Kernbereich der Mitgliedschaft. Insoweit besteht von Seiten der Rechtspraxis weiterhin ein unverkennbares Bedürfnis nach der Festlegung verbindlicher Grenzlinien für die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers.

Zum anderen, und das ist der eigentliche Anstoß für diese Arbeit, beschäftigen sich die meisten der bislang erschienenen Schriften entweder nur mit der Testamentsvollstreckung an Personengesellschafts- oder nur mit der Testamentsvollstreckung an Kapitalgesellschaftsanteilen. Frühzeitliche Werke behandeln vor dem Hintergrund, dass die Fremdverwaltung von Kapitalgesellschaftsanteilen keine grundsätzlichen Probleme aufwirft, überwiegend die Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften4 und nehmen dabei zumeist auch nur einzelne Beteiligungsarten5 in den Blickpunkt. Arbeiten jüngeren Datums verfolgen demgegenüber zwar einen ganzheitlicheren Ansatz. Sobald allerdings Kapitalgesellschaftsanteile in die Betrachtung einbezogen werden, begnügen sich diese Autoren damit, die Untersuchung auf das Recht der GmbH zu beschränken6; Aktien werden regelmäßig von der Analyse ausgenommen und ←15 | 16→sind wiederum Gegenstand separater Studien7. Das grundsätzliche Problem einer solchen isolierten Betrachtung besteht darin, Gefahr zu laufen, die bei den jeweiligen Beteiligungsarten auftretenden Fragestellungen trotz ihrer Parallelität unterschiedlich zu beantworten und sich dieser Divergenzen oftmals gar nicht bewusst zu sein. Besonders augenfällig wird dies bei der Frage, ob sich aus dem Handeln des Testamentsvollstreckers, etwa im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen oder im Falle des Empfangs haftungsschädlicher (§ 172 Abs. 4 HGB) bzw. verbotener (§§ 30, 31 GmbHG, §§ 57, 62 AktG) Zahlungen, eine gegenständlich unbeschränkte persönliche Haftung des Gesellschafter-Erben ergeben kann. Hierzu existiert in Rechtsprechung und Schrifttum ein geradezu verwirrendes Meinungsbild.

Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, Umfang und Grenzen der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht umfassend und in allgemeingültiger Weise zu bestimmen, wohl wissend, dass sich ein solcher Untersuchungsansatz seinerseits Einwänden gegenüber sieht, insbesondere dem, dass die Bemühung, alle wesentlichen Beteiligungsarten mit in die Analyse einzubeziehen, zu einer lediglich verknappenden, handbuchartigen Darstellung geraten kann.8 Aus diesem Grund und zur Vermeidung von Wiederholungen werden im zweiten Teil dieser Arbeit, der bewährten Tradition gesetzessystematischer Ordnungen folgend, gewissermaßen im Rahmen eines „Allgemeinen Teils“, zunächst die erb- und gesellschaftsrechtlichen Grenzen der Testamentsvollstreckung im Hinblick auf unternehmerische Beteiligungen rechtsformübergreifend beleuchtet. Erst danach wird darauf aufbauend im dritten Teil der Arbeit, quasi in einem „Besonderen Teil“, untersucht, wie sich diese Schranken auf die Befugnisse des Testamentsvollstreckers bei der Verwaltung von GbR-, OHG-, Komplementär-, Kommandit- und GmbH-Anteilen sowie Aktien in concreto auswirken. Nur so können, ausgehend von dem in der Praxis und Lehre erreichten Diskussionsstand, Konvergenzen und Friktionen hervortreten, welche ansonsten unentdeckt blieben. Im ersten Schritt wird man jedoch zuerst einmal die Rahmenbedingungen einer Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht Revue passieren lassen müssen, nicht zuletzt auch deswegen, um sich den unvereinbaren Gegensatz von erbrechtlich auf den Nachlass beschränkter bzw. beschränkbarer (vgl. § 2206 Abs. 2 BGB) und gesellschaftsrechtlich zwingend unbeschränkter Haftung vor ←16 | 17→Augen zu führen, aus dem sich weitreichende Implikationen ergeben, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Arbeit ziehen.

Mit dem am 17.8.2021 verkündeten Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.20219 wird das seit Inkrafttreten von BGB und HGB, also seit dem 1.1.1900 nahezu unveränderte10 Recht der Personengesellschaften grundlegend reformiert und neu strukturiert.11 Vorbehaltlich einzelner Sonderregelungen tritt das MoPeG am 1.1.2024 in Kraft, Art. 137 MoPeG.12 Für die in dieser Arbeit zu behandelnden Themen ergeben sich daraus keine wesentlichen Neuerungen. Insbesondere die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Testamentsvollstreckung an einem Anteil eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters zulässig ist, bleibt von der Reform unberührt.13 Der Rechtsanwender wird sich künftig jedoch vor allem im Recht der GbR und OHG darauf einstellen müssen, bekannte Vorschriften mit neuer Zählung und zum Teil redaktionell veränderter Textfassung vorzufinden.14 Hierauf wird, soweit tunlich, an den entsprechenden Stellen in dieser Arbeit hingewiesen.

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1 BGH, Urt. v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 = NJW 1986, 2431.

2 BGH, Beschl. v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187 = NJW 1989, 3152.

3 Dazu näher unter A.II.2.

4 Siehe etwa das gleichnamige Werk von Weidlich; ebenso Hüfner, Testamentsvollstreckung; Richardi, Verwaltungsrecht.

5 Vor allem zur Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen sind eine Vielzahl von Monografien erschienen, u.a. von Ehrl, Verwaltungstestamentsvollstreckung; Friedrich, Testamentsvollstreckung; Wessels, Testamentsvollstreckung.

6 Exemplarisch Dörrie, dessen Arbeit den Titel „Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH“ trägt; speziell zum Recht der GmbH Philippi, Testamentsvollstreckung.

7 Siehe zur Testamentsvollstreckung an Aktien Frank, Kleine AG, S. 231 ff. und Unsöld, Testamentsvollstreckung.

8 Vgl. Lorz, Testamentsvollstreckung, S. 10, der einen ähnlichen Ansatz verfolgt, jedoch ohne die aktienrechtlichen Fragestellungen zu berücksichtigen.

9 BGBl. 2021 I, 3436.

10 Schäfer, ZIP 2020, 1149.

11 Das Gesetz beruht im Wesentlichen auf dem als „Mauracher Entwurf“ bekannten Vorschlag der von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten und mit namenhaften Wissenschaftlern und Praktikern besetzten Expertenkommission v. 20.4.2020, siehe dazu Schäfer, ZIP 2020, 1149 ff. Der Abschlussbericht der Kommission sowie der von ihr erarbeitete Gesetzentwurf sind über die Internetseite des Bundesministeriums der Justiz abrufbar (https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf;jsessionid=385C37194FC1E8AB87AE96A93072DDCE.2_cid324?__blob=publicationFile&v=3 [zuletzt abgerufen am 10.6.2022]).

12 Nach dem RegE sollte das MoPeG bereits zum 1.1.2023 in Kraft treten, BT-Drs. 19/27635, S. 99. Erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages wurde das Inkrafttreten des Gesetzes wegen der von den Bundesländern benötigten Vorlaufzeit für die technisch-organisatorische Umsetzung des neu eingeführten „Gesellschaftsregisters“ (dazu unten Fn. 55) um ein Jahr verschoben, vgl. BT-Drs. 19/31105, S. 11.

13 So ausdr. RegBegr. MoPeG, BT-Drs. 19/27635, S. 145 (zu § 711 Abs. 2 BGB n.F.), S. 227 (zu § 109 Abs. 4 HGB n.F.), S. 252 (zu § 161 Abs. 2 HGB n.F.); krit. dazu Lange/Kretschmann, ZEV 2021, 545, 550; Weidlich/Friedberger, notar 2021, 187, 192; BeckOGK BGB/v. Proff, Stand 1.12.2021, § 727 Rn. 136.

14 Bachmann, NJW 2021, 3073, 3076.

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A. Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung bei unternehmerisch gebundenen Nachlässen

I. Grundsatzdiskussion zur Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen – Rückblick

Während die Testamentsvollstreckung an GmbH-Anteilen15 und Aktien16 seit jeher weitgehend als unproblematisch erachtet wird, wird die Frage nach der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung – genauer: der Verwaltungs- bzw. Dauervollstreckung im Sinne von § 2209 S. 1 BGB – an Beteiligungen werbender Personengesellschaften gemeinhin als eines der schwierigsten und umstrittensten Probleme im ohnehin schon unübersichtlichen, von zahlreichen ungelösten Einzelfragen geprägten Grenzbereich zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht ←21 | 22→bezeichnet.17 Das Thema beschäftigt die Rechtswissenschaft schon seit mehreren Jahrzehnten18 und der Umfang der zu dieser Frage im Schrifttum erschienenen Beiträge hat ein solches Ausmaß angenommen, dass die Diskussion für den Praktiker kaum noch zu überschauen, geschweige denn zu bewältigen sein dürfte.19 Die Schwierigkeiten resultieren daraus, dass spezifische erbrechtliche und (personen-)gesellschaftsrechtliche Grundprinzipien aufeinandertreffen, die sich nicht ohne weiteres miteinander in Einklang bringen lassen. Inzwischen haben mehrere höchstrichterliche Entscheidungen zu einer gewissen Konsolidierung der Debatte geführt, wodurch, jedenfalls für die Praxis, viele der ehemals gegen die Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung erhobenen Grundsatzbedenken an Bedeutung verloren bzw. sich sogar ganz erledigt haben. Dies betrifft zuvorderst die einst höchst umstrittene erbrechtliche Fragestellung, ob ein vom gesamthänderisch gebundenen Nachlass getrennter und im Wege der Sondererbfolge20 auf die Erben übergegangener Personengesellschaftsanteil überhaupt in den Nachlass des verstorbenen Gesellschafters fällt21, was Grundvoraussetzung dafür ist, dass ←22 | 23→die Beteiligung von der angeordneten Testamentsvollstreckung überhaupt erfasst wird.22 Insoweit hat der frühere Erbrechtssenat des BGH mit seinem Grundsatzurteil vom 14.5.1986 für Klarheit gesorgt, indem er die Nachlasszugehörigkeit eines vererbten Personengesellschaftsanteils ausdrücklich bejaht hat.23 Bis dahin sollten nach der Rechtsprechung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH lediglich der Anteilswert bzw. die mit dem Anteil verbundenen, selbstständig übertragbaren vermögensrechtlichen Ansprüche nach § 717 S. 2 BGB24, insbesondere also der (künftige) Anspruch auf das Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsguthaben, in den (bei mehreren Erben gesamthänderisch gebundenen) Nachlass fallen und der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegen25, während die im Wege der Sondererbfolge unmittelbar auf den oder die Erben übergehende Beteiligung als solche aus der Nachlassmasse ausgegliedert zu sein schien26 (sog. „Abspaltungsthese“). Die Nachlassqualität vererbter Personengesellschaftsanteile ist jedoch, nachdem sich wenige Jahre später auch der Gesellschaftsrechtssenat des BGH in seiner Grundsatzentscheidung zur Kommanditbeteiligung der Betrachtung des Erbrechtssenats angeschlossen hat27, nunmehr ←23 | 24→unbestritten28, weshalb die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung richtigerweise nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende Nachlasszugehörigkeit verneint werden kann.29 Und auch die von Seiten des gesellschaftsrechtlichen Schrifttums aus dem Abspaltungsverbot, dem Prinzip der Selbstorganschaft und der Personenbezogenheit der Mitgliedschaft zuweilen gefolgerten Einwände können inzwischen als überwunden bezeichnet werden.30 Wie der BGH in seiner Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil festgestellt hat, steht das Verbot der Übertragung einzelner, aus der Beteiligung fließender Verwaltungsrechte gem. § 717 S. 1 BGB31, wie etwa des Stimmrechts32, der Zulässigkeit einer Dauervollstreckung bereits deshalb nicht entgegen, weil es durch die Testamentsvollstreckung nicht zu einer willkürlichen Abspaltung einzelner Rechte von dem Gesellschaftsanteil kommt, vielmehr der Testamentsvollstrecker die Mitgliedschaftsrechte – jedenfalls grundsätzlich33insgesamt anstelle des Gesellschafter-Erben ausübt.34 Auch das personengesellschaftsrechtliche Prinzip der ←24 | 25→Selbstorganschaft35 stellt nach herrschender Ansicht kein unüberwindbares Hindernis für die Durchführbarkeit einer Verwaltungsvollstreckung dar.36 Entsprechendes gilt für den persönlichkeits- bzw. individualbezogenen Charakter des gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses in einer Personengesellschaft. Zwar müssen sich die Mitgesellschafter innerhalb der als Arbeits- und Haftungsgemeinschaft verfassten Gesellschaft niemanden aufdrängen lassen, mit dem sie sich nicht auf die Gesellschaft eingelassen haben.37 Insoweit besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine (auch die Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft umfassende) Testamentsvollstreckung zwingend der Zustimmung der Mitgesellschafter bedarf, wodurch den berechtigten Interessen der übrigen Gesellschafter in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird.38

II. Haftungsrechtliche Inkompatibilitäten

1. Grundproblematik

Als zentraler Einwand verbleiben damit im Wesentlichen nur die divergierenden Haftungsgrundsätze im Handels- und Personengesellschaftsrecht einerseits sowie im Erbrecht andererseits. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ist nach § 2205 BGB auf das zum Nachlass gehörende Vermögen beschränkt. Dementsprechend kann der Testamentsvollstrecker gem. § 2206 Abs. 1 S. 1 BGB Verbindlichkeiten auch nur „für den Nachlass“ ←25 | 26→begründen, sog. Nachlassverwaltungsschulden39 als Untergruppe der Erbfallschulden im Sinne von § 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Eine Erweiterung der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers durch den Erblasser auf das Privatvermögen des Erben ist ausgeschlossen.40 Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten ist zwar grundsätzlich unbeschränkt, § 1967 Abs. 1 BGB; Miterben haften als Gesamtschuldner, § 2058 BGB. Daran ändert auch die mit der Testamentsvollstreckung verbundene Sonderung des Nachlasses (separatio bonorum41) vorerst nichts.42 Der Erbe hat jedoch – was § 2206 Abs. 2 Halbs. 2 BGB nochmals ausdrücklich klarstellt – die Möglichkeit, seine Haftpflicht nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen43 gegenständlich auf den Nachlass zu beschränken und damit die Einstandspflicht mit seinem eigenen, nicht im Erbgang erworbenen Vermögen auszuschließen. Der Testamentsvollstrecker kann den Erben also kraft seines Amtes44 immer nur mit dem Nachlass-, nicht auch mit seinem nachlassfreien Privatvermögen verpflichten und er kann nicht verhindern, dass der Erbe eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbeiführt. Dies müsste, ließe man eine Testamentsvollstreckung insoweit zu, folgerichtig auch für solche Verpflichtungen gelten, die der Testamentsvollstrecker als Vertreter45 einer ←26 | 27→Personengesellschaft eingeht. Die aus seinem Amt folgenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse würden in unzulässiger Weise erweitert, wenn der Testamentsvollstrecker den Erben über § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zugleich auch persönlich verpflichten könnte.46 Eine solche auf den Nachlass beschränkte bzw. nach Maßgabe von § 2206 Abs. 2 BGB beschränkbare Haftung steht jedoch in Widerspruch zu der gesellschaftsrechtlich zwingend unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter einer OHG bzw. der Komplementäre einer Kommanditgesellschaft, welche abgesehen vom Wahlrecht nach § 139 HGB47 grundsätzlich auch den im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Gesellschaft eintretenden Erben48 trifft, §§ 128, 130, 161 Abs. 2 HGB49.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Fremdverwaltung eines GbR-Anteils. Nachdem bereits im Jahr 2001 der II. Zivilsenat des BGH in seiner Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“50 die Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR entgegen der gesetzlichen Konzeption der §§ 705 ff. BGB im Wege richterlicher Rechtsfortbildung anerkannt und sie dem Haftungsregime der OHG unterstellt hat, vollzieht der Gesetzgeber mit dem MoPeG vom 10.8.202151 diese langjährige Rechtsentwicklung nach52 und bestimmt in Anlehnung an den geltenden ←27 | 28→§ 124 Abs. 1 HGB53 in § 705 Abs. 2 Alt. 1 BGB n.F. ausdrücklich, dass die Gesellschaft selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen54 der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll.55 Außerdem ordnet § 721 S. 1 BGB n.F. explizit die persönliche, gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft an.56 Die Gesetzesbegründung weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass der Normenkomplex der §§ 721 ff. BGB n.F. als eine nicht abschließende Regelung konzipiert ist, die institutionelle Haftungsbeschränkungen57 auch weiterhin grundsätzlich zulässt.58 Sollte sich also die ←28 | 29→unbeschränkte Gesellschafterhaftung bei einer „umfassenden Abwägung“ der Interessen von Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern im Einzelfall als „unangemessen“ erweisen, könne auf andere adäquate Haftungsmodelle zurückgegriffen werden, etwa auf eine Haftung nach Kopfteilen, eine anteilige Haftung, eine Haftung nur bis zur Höhe des vereinbarten Beitrags analog §§ 171 ff. HGB oder auf eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen mit daneben bestehender Handelndenhaftung analog § 54 S. 2 BGB59.60 Allerdings bestehe kein Anlass, von der im Regelfall für sachgerecht erachteten unbeschränkten Gesellschafterhaftung einzelfallbezogene Ausnahmen im Gesetz zuzulassen.61

Weil der Testamentsvollstrecker den Erben also – so zumindest die herkömmliche Lesart – ohne sein Einverständnis nicht über die Mittel des Nachlasses hinaus verpflichten kann62, eine solche unbeschränkte Haftung aber notwendigerweise mit der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter verbunden ist, haben Rechtsprechung und herrschende Lehre eine Testamentsvollstreckung an Beteiligungen unbeschränkt haftender Gesellschafter lange Zeit von vornherein als unzulässig abgelehnt.63 Gleiches gilt wegen der insoweit vergleichbaren handelsrechtlichen Haftungssituation gem. §§ 25, 27 HGB für die Fortführung eines zum Nachlass gehörenden einzelkaufmännischen Unternehmens.64 Die Fortsetzung des Handelsgeschäfts durch den Testamentsvollstrecker würde hier auf die Führung eines „Handelsgeschäfts mit beschränkter Haftung“ hinauslaufen, was in Anbetracht der vom Gesetz zur Verfügung gestellten besonderen Rechtsformen haftungsbeschränkter Handelsgesellschaften als unzulässig erachtet werden muss.65 Die Kautelarpraxis behilft sich, indem sie zurückgreift auf die bekannten „Ersatzlösungen“ der treuhänderischen Übertragung des Gesellschaftsanteils auf ←29 | 30→den Testamentsvollstrecker (sog. „Treuhandlösung“) oder der unwiderruflichen Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers zur Ausübung der Gesellschafterrechte für den Erben (sog. „Vollmachtslösung“).66 Diese laufen darauf hinaus, dass entweder der Testamentsvollstrecker oder der Erbe die unbeschränkte persönliche Haftung übernimmt.67 Dadurch wird versucht, der Testamentsvollstreckung möglichst nahekommende Ergebnisse zu erzielen, um eine Fremdverwaltung von Personengesellschaftsanteilen bzw. einzelkaufmännischen Unternehmen, wenn auch nur auf konstruktiven Umwegen, letztlich doch zu ermöglichen, wofür es – ungeachtet aller rechtlichen Hürden – anerkanntermaßen68 ein großes praktisches Bedürfnis gibt.

Bei Kommanditanteilen stellt sich die Problematik insoweit anders dar, als der Kommanditist gem. §§ 164 S. 1 Halbs. 1, 170 HGB69 bereits nach der gesetzlichen Regel von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, die Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten durch den Testamentsvollstrecker deshalb grundsätzlich ausscheidet. Auch unterscheidet sich die Rechtsstellung eines Kommanditisten von derjenigen eines persönlich haftenden Gesellschafters dadurch, dass die persönliche Haftung für ←30 | 31→Gesellschaftsverbindlichkeiten summenmäßig auf die Höhe der Haftsumme beschränkt und nach Erbringung der vereinbarten Einlage gänzlich ausgeschlossen ist, § 171 Abs. 1 Halbs. 1 und 2 HGB. Insofern bestehen jedenfalls bei voll eingezahlter Kommanditeinlage ebenso wie bei Kapitalgesellschaften, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern gem. §§ 13 Abs. 2 GmbHG, 1 Abs. 1 S. 2 AktG von vornherein nur das Gesellschaftsvermögen offen steht70, prima facie keine durchschlagenden haftungsrechtlichen Bedenken gegen eine verwaltende Testamentsvollstreckung.71 Gleichwohl war deren Zulässigkeit lange Zeit unklar72, was nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass Kommanditanteile (bei allen Strukturunterschieden zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften im Einzelnen) in wirtschaftlicher Hinsicht beträchtliche Gemeinsamkeiten zu GmbH-Beteiligungen aufweisen und bei letzteren die Frage nach der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung nicht einmal problematisiert wird, durchaus überraschen mag.73

2. Aktueller Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Der BGH ist von seiner strikt ablehnenden Haltung gegenüber der Testamentsvollstreckung an vollhaftenden Gesellschaftsanteilen inzwischen abgerückt. In dem bereits erwähnten Grundsatzurteil vom 14.5.1986 hat sich der IVa-Zivilsenat als Konsequenz der bejahten Nachlasszugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile erstmals auch für die grundsätzliche Möglichkeit einer Dauervollstreckung an Beteiligungen vollhaftender Gesellschafter ausgesprochen.74 Der BGH stellt jedoch ausdrücklich klar, dass die grundsätzliche Zuordnung des ererbten Gesellschafteranteils zum Nachlass nicht zur Folge habe, dass der Testamentsvollstrecker auch in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft eingreifen dürfe oder könne. Sie verhindere jedoch, „daß der Gesellschafter-Erbe in Fällen der gedachten Art über den ererbten Gesellschaftsanteil verfügen ←31 | 32→kann und daß seine Eigengläubiger in den Anteil und die daraus erwachsenden Vermögensrechte vollstrecken können (§ 2214 BGB)“.75 Insofern unterliegt der Gesellschaftsanteil – in den Worten des IVa-Zivilsenats – als „Ganzes“, gewissermaßen mit seiner „Außenseite” der Verwaltung des Testamentsvollstreckers.76 Auch in ihren späteren Entscheidungen haben sowohl der (heutige) Erb-77 als auch der Gesellschaftsrechtssenat78 immer wieder betont, dass eine vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung grundsätzlich auch den Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft oder eines geschäftsführenden Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft erfasse, eine Testamentsvollstreckung insoweit also nicht schlechthin ausgeschlossen sei. Im Hinblick auf die Gesellschaftsbeteiligung sei damit aber wegen der „Besonderheiten der zwischen den Gesellschaftern gebildeten Arbeits- und Haftungsgemeinschaft“ keine uneingeschränkte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers verbunden, vielmehr werde dessen Rechtsposition „aus im Gesellschaftsrecht wurzelnden Gründen“ begrenzt.79 Wo genau diese Grenzen liegen, dazu hat sich der BGH nicht geäußert. Dies hat zu der im Schrifttum höchst kontrovers diskutierten Frage geführt, welche Mitgliedschaftsrechte der „Außen“- und welche der „Innenseite“ der Beteiligung zuzuordnen sind.80

Was die Möglichkeit einer Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen angeht, hat der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH hingegen, nachdem er zuvor die Frage lange Zeit offen gelassen hatte81, mit seinem Grundsatzbeschluss vom 3.7.1989 den Weg frei gemacht für eine vollumfängliche Dauervollstreckung.82 Anders als bei vollhaftenden Gesellschaftsbeteiligungen bestünden vor dem Hintergrund der summenmäßig beschränkten und im Falle vollständiger Einlageleistung gänzlich ausgeschlossenen Kommanditistenhaftung keine Bedenken gegen die Zulassung einer Verwaltungsvollstreckung.83 Der BGH betont, dass dies auch dann gelte, wenn der Kommanditisten-Erblasser ←32 | 33→seine Einlage zu Lebzeiten nicht voll eingezahlt oder wieder zurückerhalten habe, ungeachtet der sich daraus ergebenden Haftungsgefahren nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB, die den Erben jedoch auch ohne die angeordnete Testamentsvollstreckung träfen.84 Die laufenden Geschäfte, durch die sich die Haftung verwirklichen könne, führe nicht der Testamentsvollstrecker, sondern der persönlich haftende Gesellschafter. Insoweit bestehe kein Grund, die Testamentsvollstreckung nur bei voll eingezahlter Einlage zuzulassen.85 Entsprechendes gelte, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls die Kommanditgesellschaft als solche oder der rechtsgeschäftliche Eintritt des Kommanditisten-Erblassers in die Gesellschaft noch nicht im Handelsregister eingetragen gewesen seien, da die in diesen Fällen bereits den Erblasser treffende und auf den Erben übergehende, summenmäßig nicht beschränkte Haftung gem. § 176 Abs. 1 bzw. 2 HGB ebenfalls unabhängig von der angeordneten Testamentsvollstreckung sei.86 Der BGH verkennt freilich nicht, dass es auch bei der Verwaltung von Kommanditanteilen zu Situationen kommen kann, in denen der Testamentsvollstrecker den Erben einer unbeschränkbaren persönlichen Haftung aussetzen könnte, insbesondere wenn er sich die Einlage des Erben gem. § 172 Abs. 4 HGB ganz oder teilweise zurückzahlen lässt oder an einer Erhöhung der Einlage mitwirkt. Insoweit begnügt sich der BGH jedoch mit der Feststellung, dass dabei keine unüberwindbaren Schwierigkeiten zu erwarten seien, an denen die grundsätzliche Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung scheitern müsste.87 Die Diskussion hat sich seitdem, ebenso wie im Kapitalgesellschaftsrecht, wo die Frage schon seit längerem erörtert wird, von der Zulässigkeit hin zu den Grenzen der Testamentsvollstreckung ←33 | 34→verlagert.88 Lediglich für den Fall, dass der Kommanditisten-Erblasser nicht entsprechend der gesetzlichen Regel der §§ 164, 170 HGB von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen war, hat der BGH die Frage nach der rechtlichen Durchführbarkeit der Testamentsvollstreckung weiterhin offen gelassen.89

3. Weitergehende Lösungsansätze in der Literatur

In der Vergangenheit hat es nicht an Versuchen gefehlt, eine „echte“, von den praktizierten Ersatzlösungen losgelöste Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen zu etablieren. Im Hinblick auf die Fremdverwaltung von Kommanditanteilen hat sich die Debatte im Wesentlichen erledigt. Was vollhaftende Gesellschaftsbeteiligungen hingegen angeht, sind diese Stimmen nach der vom BGH grundsätzlich anerkannten Möglichkeit einer Testamentsvollstreckung an der „Außenseite“ der Beteiligung nicht etwa verstummt, sondern in Anbetracht der sich daraus ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten („Innen“-/„Außenseite“) eher noch lauter geworden. Die dafür angeführten, im Einzelnen unterschiedlichen Begründungen tragen jedoch nicht.

a) Primat des Gesellschaftsrechts

Ältere Lösungsansätze versuchten den von der herrschenden Meinung als unüberwindbar erachteten Haftungskonflikt noch durch wechselseitige Zurückdrängung entweder der erb- oder der gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundsätze aufzulösen.90 Dabei geht die Mehrheit dieser Autoren – insoweit noch in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung – von einer gesellschaftsrechtlich zwingend unbeschränkten Haftung eines jeden Gesellschafters aus und ist dementsprechend darum bemüht, auf vielerlei Wegen zu begründen, warum der Erbe im Hinblick auf solche Rechtsgeschäfte, die der Testamentsvollstrecker im Namen der Gesellschaft abschließt, seine Haftung nicht nach erbrechtlichen Regeln auf den Nachlass beschränken können soll.91 Diese Vorschläge ←34 | 35→stehen freilich im eklatanten Widerspruch zu dem vorherrschenden Verständnis, wonach der Erbe, wenn er für Nachlassverbindlichkeiten nicht unbeschränkt haftet, den Zugriff derjenigen, die auf Grund einer Rechtshandlung des Testamentsvollstreckers einen Anspruch gegen ihn erworben haben, von seinem Privatvermögen abwenden und sie auf die Befriedigung aus dem Nachlass verweisen kann, § 2206 Abs. 2 BGB.92

Zu keinem anderen Ergebnis führt auch eine neuere, im Vordringen befindliche Auffassung, die daran anknüpfend bzw. darauf aufbauend die fehlende Befugnis des Testamentsvollstreckers, den Gesellschafter-Erben mit seinem Privatvermögen zu verpflichten, lediglich als Ausdruck seines auf den Nachlass begrenzten rechtlichen „Dürfens“ im Innenverhältnis zum Erben interpretiert.93 Demnach könne aus dem Handeln des Testamentsvollstreckers durchaus eine unbeschränkbare Haftung des Gesellschafter-Erben resultieren; sofern eine erbrechtliche Haftungsbeschränkung auf den Nachlass mit zwingenden Vorgaben anderer Rechtsgebiete unvereinbar sei, müsse § 2206 Abs. 2 BGB eben teleologisch reduziert werden.94 Die Begründung einer unbeschränkten Haftung stellt jedoch keine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses im Sinne von § 2216 Abs. 1 BGB dar und ist deshalb vom Testamentsvollstrecker zur Vermeidung einer eigenen Schadensersatzhaftung nach § 2219 Abs. 1 BGB zu unterlassen.95 Gestützt wird diese Ansicht durch die Feststellungen des BGH in seiner Grundsatzentscheidung zur Kommanditbeteiligung, wonach sich im Falle einer Einlagenrückgewähr an den Testamentsvollstrecker die persönliche, nicht auf das Nachlassvermögen beschränkte Haftung des Erben nach § 172 Abs. 4 HGB wegen des nötigen Schutzes der Gläubiger nicht vermeiden lassen wird.96 Die damit für den Erben verbundenen Gefahren würden aber dadurch ←35 | 36→gemildert, dass man Maßnahmen, die zu einer persönlichen Haftung des Erben führten, nicht mehr als ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses gem. § 2216 Abs. 1 BGB werde ansehen können.97 Gleichwohl lassen sich aus der allgemeinen Erkenntnis, dass sich aus Handlungen des Testamentsvollstreckers innerhalb der Gesellschaft eine unbeschränkbare Haftung des Erben ergeben kann, keine Rückschlüsse für eine weitergehende Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung an vollhaftenden Beteiligungen ziehen. Denn hier löst prinzipiell jede, auch ordnungsgemäße, Ausübung der auf den Anteil entfallenden Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eine für den Erben unerwünschte persönliche Haftung aus, was zu der in ihren Konsequenzen geradezu absurden Situation führen würde, dass der Testamentsvollstrecker seine erbrechtliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung permanent überschreiten müsste.98 Die Verwaltung der Mitgliedschaftsrechte eines persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafters ist somit auch nach dieser Auffassung mit dem Amt des Testamentsvollstreckers nicht zu vereinbaren.99

b) Erbrechtskonforme Lösung
aa) Muschelers Ansatz

Genau den umgekehrten Weg geht Muscheler, der in seiner viel beachteten Habilitationsschrift in Anlehnung an die erbrechtskonforme „echte Testamentsvollstreckerlösung“ von Baur100 das „Dogma“ der herrschenden Meinung von der zwingend unbeschränkten Haftung des Handels- und Gesellschaftsrechts grundsätzlich in Frage stellt.101 Hiernach soll dem Erben die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung für die während der Testamentsvollstreckung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten erhalten bleiben, und zwar sowohl für die durch den Testamentsvollstrecker im Namen der Gesellschaft ←36 | 37→eingegangenen als auch für solche Verbindlichkeiten, die ihren Ursprung in einem Handeln der Mitgesellschafter haben – bei letzteren soll der für die Einordnung als „Nachlass“-verbindlichkeit erforderliche kausale Zurechnungszusammenhang in dem Unterlassen eines Widerspruchs durch den Testamentsvollstrecker gem. § 115 Abs. 1 Halbs. 2 HGB102 zu sehen sein.103 Muscheler begründet seine Ansicht damit, dass der in § 105 HGB zum Ausdruck kommende Grundsatz der Unbeschränktheit der Haftung nur einer durch Gesellschaftsvertrag vereinbarten, d.h. auf dem Willen der Gesellschafter beruhenden, gewillkürten Haftungsbeschränkung entgegensteht, jedoch nicht solchen Beschränkungen, die aus dem Gesetz, z.B. dem ehelichen Güterrecht, dem sonstigen Familienrecht oder dem öffentlichen Recht, folgen.104 Zu diesen gesetzlich normierten Ausnahmefällen gehöre auch die beschränkbare Haftung des Erben für Schulden aus § 128 HGB bei angeordneter Testamentsvollstreckung, da sich diese ebenfalls nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, sondern unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, § 2206 BGB.105 Auch wenn Muschelers Vorschlag im Schrifttum durchaus Anklang gefunden hat106, konnte sich auch dieser letztlich nicht durchsetzen. Ein unternehmerisches Handeln mit der Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung außerhalb der dafür gesetzlich vorgesehenen Rechtsformen verstößt gegen den Numerus clausus der Gesellschaftsformen und rüttelt damit an den „Grundfesten des Gesellschaftsrechts“.107 Wie der Gesellschaftsrechtssenat des BGH in ←37 | 38→seiner Grundsatzentscheidung zur Kommanditbeteiligung betont hat, ist der tragende Grund, warum der Testamentsvollstrecker den Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters nicht verwalten kann, der, dass er den Erben ohne dessen Einverständnis nur im Rahmen des Nachlassvermögens verpflichten kann, „ein persönlich haftender Gesellschafter aber notwendigerweise [Hervorhebung durch den Verfasser] unbeschränkt haftet“.108

Details

Seiten
252
ISBN (PDF)
9783631891506
ISBN (ePUB)
9783631891513
ISBN (MOBI)
9783631891520
ISBN (Hardcover)
9783631891445
DOI
10.3726/b20264
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Dezember)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 252 S.

Biographische Angaben

Mario Vallelonga (Autor:in)

Mario Vallelonga hat Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld, der Universität zu Köln sowie der Università degli Studi di Verona (Italien) studiert. Im Anschluss an die Zweite Juristische Staatsprüfung arbeitete er als Rechtsanwalt und war promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Zivilprozessrecht der FernUniversität in Hagen tätig.

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Titel: Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen