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Die Vermögensauseinandersetzung bei Scheidung in Deutschland und in China

Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Abwicklung der Zugewinngemeinschaft und der Errungenschaftsgemeinschaft

von Wenna Wang (Autor:in)
Dissertation 266 Seiten

Zusammenfassung

Die Zugewinngemeinschaft ist seit 1958 in Deutschland als gesetzlicher Güterstand geregelt und vom Gesetzgeber der Güterrechtsreform von 2009 als bewährtes Rechtsinstitut bezeichnet. Die Errungenschafts-gemeinschaft ist seit 1980 in China als gesetzlicher Güterstand geregelt und bleibt im Zivilgesetzbuch der Volksrepublik China seit 2021 als gesetzlicher Güterstand. Die Arbeit zieht den Vergleich zwischen den Abwicklungen beider Güterstände anlässlich der Scheidung. Aus rechtsvergleichender Sicht beantwortete die Arbeit die Frage, ob und inwieweit die berechtigten Interessen der Ehegatten in beiden Rechtsordnungen angemessen berücksichtigt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Kapitel 1: Einführung
  • A. Gegenstand der Untersuchung
  • B. Gleichberechtigung als grundlegende Wertvorstellung des modernen Familienrechts
  • C. Fragestellung und Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2: Vermögensauseinandersetzung in Deutschland
  • A. Überblick
  • B. Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB
  • I. Grundlage
  • 1. Allgemeine Voraussetzungen
  • 2. Grundlegende Schritte zur Berechnung des Zugewinnausgleichs
  • 3. Zugewinnausgleichsverfahren
  • II. Ermittlung des Anfangsvermögens
  • 1. Das in das Anfangsvermögen einzubeziehende Vermögen
  • 2. Die in das Anfangsvermögen einzubeziehenden Verbindlichkeiten
  • 3. Der privilegierte Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB
  • a) Allgemeines
  • b) Erwerb von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht
  • c) Erwerb durch Schenkung oder Ausstattung
  • d) Andere eheneutrale Erwerbe
  • 4. Die Ermittlung des Wertes des Anfangsvermögens nach § 1376 BGB
  • a) Bewertungsstichtag
  • b) Bewertungsgrundsätze
  • III. Ermittlung des Endvermögens
  • 1. Das in das Endvermögen einzubeziehende Vermögen
  • a) Stichtagsprinzip
  • b) Haushaltsgegenstände und Versorgungsausgleich
  • c) Sonderproblem: Endvermögen und Unterhalt
  • 2. Die in das Endvermögen einzubeziehenden Verbindlichkeiten
  • 3. Hinzurechnung zum Endvermögen nach § 1375 BGB
  • 4. Die Ermittlung des Wertes des Endvermögens
  • IV. Feststellung des Ausgleichsanspruchs
  • 1. Saldierung der beiderseitigen Zugewinne
  • 2. Kappungsgrenze des Ausgleichsanspruchs nach § 1378 Abs. 2 BGB
  • 3. Anrechnung von Vorausempfängen
  • 4. Leistungsverweigerungsrecht des Zugewinnausgleichspflichtigen
  • C. Vereinbarung über den Zugewinnausgleich
  • I. Überblick
  • II. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vereinbarung
  • 1. Anfechtungsgrund der Vereinbarung
  • 2. Inhaltskontrolle der Vereinbarung
  • a) Allgemeines
  • b) Sonderproblem beim Zugewinnausgleich
  • Kapitel 3: Vermögensauseinandersetzung in China
  • A. Grundlagen des chinesischen Eherechts
  • I. Überblick über die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Eherechts
  • 1. Das traditionelle chinesische Eherecht bis zum Ende der Qing-Dynastie
  • 2. Das Eherecht von der Xinhai-Revolution bis zur Begründung der Volksrepublik China
  • a) CBGB von der Nationalregierung in Nanjing
  • b) EheG (1934) der kommunistischen Regierung in Jiangxi
  • 3. Das Eherecht in der Volksrepublik China
  • a) Das EheG 1950
  • b) Das EheG 1980
  • c) Das Eherecht im Zivilgesetzbuch (ZGB)
  • II. Die Rechtsquellen des Eherechts
  • 1. Das fünfte Buch des ZGB (Ehegesetzbuch)
  • 2. Andere Bücher als das fünfte Buch im ZGB (Die Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts, das Vertragsgesetz, Deliktsgesetz und andere zivilrechtliche Gesetz)
  • 3. Die gerichtliche Auslegung (sifajiesh i司法解释)
  • B. Güterrecht im ZGB
  • I. Überblick zum Güterstand
  • 1. Der gesetzliche Güterstand
  • 2. Der vertragliche Güterstand
  • 3. Ehevertrag
  • 4. Güterrechtsregister
  • II. Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand
  • 1. Natur des gemeinsamen Vermögens und Eigenvermögens
  • 2. Rechtfertigung der Errungenschaftsgemeinschaft
  • 3. Kritik an der Errungenschaftsgemeinschaft
  • C. Ehescheidung im ZGB
  • I. Überblick
  • II. Die einverständliche Scheidung beim Standesamt
  • 1. Die Voraussetzungen
  • a) Zustandekommen einer Scheidungsvereinbarung
  • b) Beiderseitige Scheidungswillenserklärung
  • c) Scheidungseintragung beim Standesamt
  • 2. Die Grundzüge des Scheidungsverfahrens
  • III. Die einverständliche Scheidung vor Gericht
  • 1. Die Voraussetzungen
  • 2. Die Grundzüge des Schlichtungsverfahrens
  • IV. Die einseitige Scheidung durch Urteil
  • 1. Voraussetzungen
  • 2. Die Grundzüge des Scheidungsverfahrens
  • D. Vermögensauseinandersetzung nach § 1087 Abs. 1 Halbs. 2 ZGB
  • I. Grundlage
  • 1. Allgemeine Voraussetzungen
  • 2. Die grundlegenden Schritte der Vermögensauseinandersetzung
  • 3. Vermögensauseinandersetzungsverfahren
  • II. Ermittlung des gemeinsamen Vermögens
  • 1. Arbeitseinkommen
  • 2. Das geerbte und geschenkte Vermögen
  • 3. Anderes Vermögen
  • 4. Die während der Ehe entgeltlich erworbenen Vermögensgegenstände
  • III. Ermittlung des Eigenvermögens
  • 1. Das voreheliche Vermögen
  • 2. Schadensersatz und Ausgleich bei Körperverletzung
  • 3. Das geerbte und geschenkte Vermögen
  • 4. Die persönlichen alltäglichen Gebrauchsgegenstände
  • 5. Anderes Vermögen: Die Früchte und die natürlichen Wertsteigerungen des Eigenvermögens
  • IV. Anteilsbestimmung und Verteilung des gemeinsamen Vermögens
  • 1. Grundprinzipien der Anteilsbestimmung und Teilung
  • a) Halbteilungsprinzip
  • b) Prinzip der Berücksichtigung der Interessen des Kindes und der Frau
  • c) Prinzip der Berücksichtigung der Interessen des Ehegatten, der die Scheidung nicht verschuldet hat
  • d) Ausschluss oder Reduzierung des Anteils wegen illoyaler Handlungen
  • e) Billigkeitsprinzip in der Literatur
  • 2. Konkrete Verteilung bezüglich unterschiedlicher Vermögensgegenstände
  • a) Teilung der Aktien, Schuldverschreibungen, Wertpapiere und AG-Anteile
  • b) Teilung der GmbH-Anteile
  • c) Teilung der Partnerschaftsunternehmensanteile
  • d) Teilung der Einzelunternehmensanteile
  • e) Teilung der Wohnung
  • aa) Allgemeine Regeln
  • bb) Besondere Regelung des § 78 Abs. 2 EZGB I
  • f) Teilung der Haushaltsgegenstände
  • 3. Fallbeispiel
  • a) Zum Sachverhalt
  • b) Urteilungsgründe
  • c) Anmerkung
  • V. Behandlung der gemeinsamen Verbindlichkeiten und der eigenen Verbindlichkeiten
  • 1. Unabhängigkeit der Behandlung der Verbindlichkeiten
  • 2. Unterscheidung zwischen gemeinsamen Verbindlichkeiten beider Ehegatten und eigenen Verbindlichkeiten eines Ehegatten
  • a) Ermittlung der gemeinsamen Verbindlichkeiten
  • b) Ermittlung der eigenen Verbindlichkeiten
  • 3. Verteilung der gemeinsamen Verbindlichkeiten im Scheidungsfall
  • a) Halbteilung der Verbindlichkeiten
  • b) Berücksichtigung der Interessen der Frau
  • c) Verbindlichkeit bezüglich einer Wohnung
  • E. Vereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung
  • I. Überblick
  • II. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vereinbarung
  • 1. Anfechtungsgrund der Vereinbarung
  • 2. Die einverständliche Scheidung als aufschiebende Bedingung
  • 3. Nichtigkeitsgrund der Vereinbarung nach § 153 Abs. 2 ZGB
  • Kapitel 4: Vergleich und Bewertung
  • A. Überblick
  • I. Systematische Stellung
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • II. Das Wesensmerkmal der Abwicklung der Zugewinn- und Errungenschaftsgemeinschaft
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • B. Rechtliche Einordnung des Vermögens verschiedener Art
  • I. Das voreheliche Vermögen
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • II. Das während der Ehe erworbene Vermögen
  • 1. Das während der Ehe privilegiert erworbene Vermögen
  • a) Vergleich
  • aa) Allgemeines
  • bb) Erwerb von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht
  • cc) Erwerb durch Schenkung oder Ausstattung
  • dd) Andere eheneutrale Erwerbe
  • b) Bewertung
  • 2. Das unter Mitwirkung des Ehegatten erworbene Vermögen
  • a) Vergleich
  • b) Bewertung
  • C. Rechtliche Einordnung der Verbindlichkeiten verschiedener Art
  • I. Die gemeinsamen Verbindlichkeiten
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • II. Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten bei der Vermögensauseinandersetzung
  • 1. Vergleich
  • a) Gesamtschuldnerische Haftung und Befreiungsanspruch
  • b) Haftungsanteil des Ehegatten im Innenverhältnis
  • c) Gesetzliche Vorgehensweise für Verbindlichkeiten
  • 2. Bewertung
  • D. Gesetzliche Vorgehensweise bei der Abwicklung der Zugewinngemeinschaft und der Errungenschaftsgemeinschaft
  • I. Art und Weise der Vermögensauseinandersetzung
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • II. Halbteilung und Abweichungen davon
  • 1. Vergleich
  • 2. Bewertung
  • E. Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abwicklung der Zugewinngemeinschaft und der Errungenschaftsgemeinschaft
  • I. Vergleich
  • II. Bewertung
  • Kapitel 5: Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang (Gesetztext)
  • A. Das fünfte Buch des Zivilgesetzbuchs der Volksrepublik China
  • 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
  • 2. Kapitel: Eheschließung
  • 3. Kapitel: Familienbeziehungen
  • 4. Kapitel: Scheidung
  • 5. Kapitel: Adoption
  • B. Ehegesetz der VR China und die erste Erläuterung und die zweite Erläuterung
  • 1. Kapitel: Allgemeine Regeln
  • 2. Kapitel: Eheschließung
  • 3. Kapitel: Familienbeziehungen
  • 4. Kapitel: Scheidung
  • 5. Kapitel: Behelfe und gesetzliche Haftung
  • 6. Kapitel: Ergänzende Regeln
  • C. Interpretation of the Supreme People’ s Court of Several Issues on the Application of the Marriage Law of the People’s Republic of China (III) (EEheG III)
  • D. Interpretation of the Supreme People’s Court on Issues concerning the Application of Law in the Trial of Cases of Matrimonial Debt-related Disputes (EVV)
  • E. Several Opinions of the Supreme Court on the Disposition of Property Settlement Issues Involved in the Trial of Divorce Cases by People’s Courts (RVV)

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Kapitel 1: Einführung

Die Frage der Vermögensauseinandersetzung stellt bei der Scheidung stets einen zentralen Streitpunkt zwischen den Ehegatten dar. Hierzu eine für beide Ehegatten gerechte Rechtslösung zu bieten, ist in jedem Staat eine unentbehrliche Aufgabe und ein wichtiges Ziel des Scheidungsrechts. Doch während in Deutschland die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand gilt, sieht das chinesische Eherecht die Errungenschaftsgemeinschaft vor. Daher stellt sich die Frage, wie die Vermögensauseinandersetzung in unterschiedlichen Güterständen durchzuführen ist, beziehungsweise ob und inwieweit die berechtigten Interessen der Ehegatten trotz der grundverschiedenen gesetzlichen Güterstände in beiden Rechtssystemen angemessen berücksichtigt werden. In deutscher Sprache fehlt bislang eine ausführliche und aktuelle Darstellung zur chinesischen Rechtslage der Vermögensauseinandersetzung bei Scheidung.1 Diese Arbeit unternimmt den Versuch, die entsprechende Lücke zu schließen und dem deutschen Leser eine umfassende und die neuesten Entwicklungen einschließende Darstellung und Bewertung des chinesischen Vermögensauseinandersetzungsrechts bei Scheidung aus rechtsvergleichender Sicht vorzulegen.←21 | 22→

A. Gegenstand der Untersuchung

Die Scheidung führt zu mannigfaltigen Rechtsfolgen. Sie wirkt sich sowohl auf die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten als auch auf das Verhältnis jedes Ehegatten zu den gemeinsamen Kindern aus. Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Ehescheidungsfolgen sind in Deutschland Ansprüche auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt zu nennen, während die Ehegatten nach dem chinesischen Recht ein Auseinandersetzungsrecht, einen Ausgleichsanspruch wegen Erfüllung relativ mehr Pflichten2 und einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung3 haben können.

Unter „Vermögensauseinandersetzung“ im Sinne dieser Arbeit ist nicht die Gesamtheit aller vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten anlässlich der Scheidung zu verstehen. Der Versorgungsausgleich und das nacheheliche Unterhaltsrecht in Deutschland sowie der Ausgleichsanspruch wegen Erfüllung relativ mehr Pflichten und die Rechtsfigur der finanziellen Unterstützungen in China werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Nur an einigen Stellen wird der Versorgungsausgleich bei Scheidung in Deutschland im Vergleich mit der chinesischen Rechtslage beschrieben, weil die Rente nach dem chinesischen Recht als gemeinsames Vermögen der Ehegatten angesehen wird und die Verteilung der Rente in China daher ein Thema der Vermögensauseinandersetzung bei Scheidung ist.

←22 | 23→Bei der Vermögensauseinandersetzung in dieser Arbeit geht es darum, wie der gesetzliche Güterstand4 auseinanderzusetzen ist. Da nur in jeder zehnten Ehe in Deutschland ein vertraglicher Güterstand gilt,5 und Ehegatten auch in China selten einen Ehevertrag schließen,6 ist ein Rechtvergleich der Vermögensauseinandersetzung zwischen den im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten in den zwei Staaten von höherer Bedeutung. Daher ist die Auseinandersetzung der Wahlgüterstände wie der Gütergemeinschaft in Deutschland kein Gegenstand dieser Arbeit. Jedoch schließt dies nicht die Situation aus, dass in Deutschland die im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten eine Vereinbarung über den Zugewinnausgleich in einem Ehevertrag oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung treffen.7 Auch in China haben die im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten die Möglichkeit, eine Abmachung über die Vermögensauseinandersetzung in einem Ehevertrag, einer Scheidungsvereinbarung oder einer selbständigen Vermögensauseinandersetzungsvereinbarung zu treffen.8 Im Besonderen müssen die Ehegatten in China, die sich auf einverständliche Weise scheiden lassen möchten, eine Abmachung über die Vermögensauseinandersetzung treffen, da eine Scheidungsvereinbarung, die eine Einigung über die Vermögensauseinandersetzung enthalten muss, eine Voraussetzung für die einverständliche Scheidung9 ist. Eine Diskussion der Vereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung in China ist daher unerlässlich. Deshalb wird die Vereinbarung über den Zugewinnausgleich in Deutschland und die Vereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung in China in dieser Arbeit behandelt.

←23 | 24→Da diese Arbeit nicht versucht, das Vermögensauseinandersetzungsrecht in Deutschland in allen Einzelheiten zu besprechen, wird die Behandlung der Haushaltsgegenstände und der Ehewohnung in Deutschland nicht ausführlich aufgezeigt. Nur wenn sich die Haushaltsgegenstände oder die Ehewohnung auf die Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs auswirken, werden sie im Rahmen des Güterrechts dargestellt.10 So wird ein Vergleich mit dem chinesischen Recht deutlicher, weil das chinesische Recht keine besonderen Regelungen für die Verteilung der Haushaltsgegenstände und die Ehewohnungsüberlassung kennt, und die Verteilung der Haushaltsgegenstände und der Ehewohnung im Rahmen der Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft gezeigt wird. Außerdem werden die Ausgleichsansprüche außerhalb des Güterstands, die auf der Zuwendung oder Arbeitsleistung eines Ehegatten beruhen, in dieser Arbeit grundsätzlich nicht dargestellt. Die Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage eines familienrechtlichen Vertrags sui generis, die in der Literatur als Inhalt des „Nebengüterrechts“11 dargestellt werden, werden von den abschließenden Regelungen der §§ 1378 ff. BGB grundsätzlich verdrängt.12

B. Gleichberechtigung als grundlegende Wertvorstellung des modernen Familienrechts

Bei der Vermögensauseinandersetzung sollen Werte, die dem modernen Familienrecht zugrunde liegen, verwirklicht werden. Daher ist es notwendig, diese Werte vor der Darstellung der einzelnen Regelungen zu nennen. Die für diese Arbeit relevante wesentliche Wertvorstellung ist die der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sie ist sowohl in Deutschland als auch in China einer der wichtigsten Werte in der heutigen Zeit.

In Deutschland ist dieser Grundgedanke auf verfassungsrechtlicher Ebene in Art. 3 II GG festgelegt worden. Auf zivilrechtlicher Ebene sind viele Vorschriften des BGB durch das Gleichberechtigungsgesetz13 im Jahr 1957 verändert worden. Eine der wichtigsten Veränderungen im Familienrecht war die Einführung des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft. Die Zugewinngemeinschaft ist eine Gütertrennung mit einer hälftigen Beteiligung am Zugewinn. Der Gesetzgeber war der Meinung, dass die ←24 | 25→Zugewinngemeinschaft die Rechtsgleichheit von Mann und Frau am besten realisieren kann: Einerseits ermögliche eine Gütertrennung während der Ehe jedem Ehegatten, sein Vermögen selbständig zu verwalten. Andererseits sei eine hälftige Teilhabe am während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachs durchzuführen, um den Wert der Hausarbeit der Frau anzuerkennen.14 Obwohl sich das Ehemodell in heutiger Zeit stark verändert hat, betrachtete der Reformgesetzgeber des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts die Zugewinngemeinschaft auch bei Doppelverdiener- und Zuverdienerehen als bewährt und zeitgemäß, weil die Vermögensmehrung in der Ehe neben der Aufgabenteilung bei Erwerb und Haushalt von zahlreichen weiteren Faktoren wie der Wirtschaftlichkeit von Anschaffungen, der Bereitschaft zum Konsumverzicht und der Geschicklichkeit bei Geldanlagen abhängen könne.15

Auch in China ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowohl in der Verfassung als auch im Zivilrecht bzw. Familienrecht eine der wichtigsten Wertvorstellungen. Art. 48 ChinVerf. sieht vor, dass Frauen in allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens sowie im Familienleben gleiche Rechte wie Männer haben, und dass Männer und Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten sollen.16 Im Familienrecht ist die Ehe gemäß § 1041 ZGB (§ 2 EheG) nach dem Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzuführen. Weiter stellt § 1055 ZGB (§ 13 EheG) klar, dass Ehemann und Ehefrau in der Familie die gleichen Rechtspositionen haben. Bezüglich des gesetzlichen Güterstands wird die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand festgelegt. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist eine Sonderform der Gütergemeinschaft. Mit Ausnahme des Eigenvermögens17 fließt das gesamte während der Ehe erworbene Vermögen in das gemeinsame Vermögen.18 Bei der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft wird das gemeinsame Vermögen zwischen den Ehegatten grundsätzlich gleich verteilt. So werden sowohl der traditionelle Gedanke an die ehelichen Beziehung, dass die eheliche Partnerschaft eine wirtschaftliche Einheit darstellen soll, ←25 | 26→als auch die Wertvorstellung der Gleichberechtigung von Mann und Frau verwirklicht.19 Bei der Schaffung der Errungenschaftsgemeinschaft betrachtete der Gesetzgeber des EheG die Errungenschaftsgemeinschaft eher als Schicksalsgemeinschaft.20 Erst im Jahr 2003 hat das Oberste Volksgericht den Gedanken der Gleichwertigkeit der Hausarbeit und der Erwerbstätigkeit bei der Anwendung der EEheG II klargestellt.21

Details

Seiten
266
ISBN (PDF)
9783631892022
ISBN (ePUB)
9783631892039
ISBN (MOBI)
9783631892046
ISBN (Paperback)
9783631879092
DOI
10.3726/b20304
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Dezember)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 266 S.

Biographische Angaben

Wenna Wang (Autor:in)

Wenna Wang ist als Dozentin an der Capital University of Economics and Business in China tätig. Sie hat an der Goethe Universität Frankfurt am Main promoviert. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der rechtsvergleichenden Untersuchung von deutschem und chinesischem Familienrecht.

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Titel: Die Vermögensauseinandersetzung bei Scheidung in Deutschland und in China