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Artikulierbarkeit und Motivationskraft religiöser Gefühle

von Vladislav Serikov (Autor:in)
©2022 Dissertation 228 Seiten
Reihe: Theion, Band 35

Zusammenfassung

Der Vielfalt religiöser Emotionen liegt eine formale Einheit zu Grunde, deren semantischer Gehalt als das religiöse Grundgefühl der Selbsttranszendenz aufgefasst werden kann. Das religiöse Grundgefühl wird als Type verstanden, Ausdrücke für konkrete Emotionen entstammen den verschiedenen Religionskulturen. Diese Ausdrücke erscheinen logisch als Tokens, als Instanziierungen dieses gemeinsamen semantischen Gehalts. Der semantische Gehalt religiöser Emotionen kann interkulturell verständlich mittels Natural Semantic Metalanguage expliziert werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 0. Einführung
  • 1. Methodische Einleitung
  • 1.1. Begründung der Fragestellung
  • 1.2. Methodisches Instrumentarium und methodische Vorgehensweise
  • 1.2.1. Normative Pragmatik
  • 1.2.2. Erfüllung der Eigenfunktion als Angemessenheitskriterium
  • 1.2.3. Formales Objekt und partikulare Objekte
  • 1.2.4. Der Type und das Token
  • 1.3. Semantische Explikation durch die Natural Semantic Metalanguage
  • 1.3.1. Grundidee der NSM
  • 1.3.2. Semantische Primitiva der Natural Semantic Metalanguage
  • 1.3.3. Allolexie und Polysemie bei den semantischen Primitiva
  • 1.3.4. Syntax der semantischen Primitiva
  • 1.3.5. Bedeutungsanalyse mithilfe von semantischen Primitiva
  • 1.3.5.1. Explikation der Bedeutung von „X lied to Y“
  • 1.3.5.2. Explikation der Bedeutung von „X is Y’s mother“
  • 1.3.5.3. Explikation der Bedeutung von „games“
  • 1.3.5.4. Semantische Explikationen von „experience“, „religious experience“, „I know from experience“ der englischen Sprachkultur und von „Erfahrung“, „Erlebnis“ der deutschen Sprachkultur
  • 1.3.6. Philosophische Einordnung
  • 2. Zum Begriff „religiöse Gefühle“
  • 2.1. Ziel
  • 2.1.1. Begründung der Fragestellung
  • 2.1.2. Implikationen der Fragestellung
  • 2.1.3. Vorgehensweise
  • 2.2. Beweisführung
  • 2.2.1. Religionsbegriff
  • 2.2.1.1. Überblick zum Diskussionsstand
  • 2.2.1.2. Semantische Merkmale der Religion
  • 2.2.1.3. Eigenfunktion der Religion
  • 2.2.1.4. Differenzierung von Religion, Religiosität und Religionskultur
  • 2.2.2. Gefühlsbegriff
  • 2.2.2.1. Überblick zum Diskussionsstand
  • 2.2.2.2. Semantische Merkmale der Emotion
  • 2.2.2.3. Eigenfunktion der Gefühle
  • 2.2.2.4. Artikulierbarkeit der Emotionen durch prototypische Szenarios
  • 2.2.2.5. Explikationen der Emotionen mittels Natural Semantic Metalanguage
  • 2.3. Ergebnis
  • 2.3.1. Beantwortung der Frage
  • 2.3.1.1. Religiöse Gefühle: Einheit und Vielfalt
  • 2.3.1.2. Normativ-pragmatisches Verständnis von religiösen Gefühlen
  • 2.3.1.3. Intentionalität des religiösen Grundgefühls und der religiösen Emotionen
  • 2.3.1.4. Kritik der gängigen Auffassungen von religiösen Emotionen
  • 2.3.2. Anwendungsbeispiele
  • 2.3.2.1. Krishna-Bhakti: Absolutes, Guru/Vater, Freund, Sohn, Liebhaber
  • 2.3.2.2. Trauer: Paṭācāra und Kisāgotamī (Buddhismus)
  • 2.3.2.3. Nächstenliebe: Gaitas Nonne (Christentum)
  • 3. Zum Begriff „Motivationskraft religiöser Gefühle“
  • 3.1. Zielthese
  • 3.2. Beweisführung: Wollen, Diskrepanz, Zielursache
  • 3.2.1. Motivation als Wollen, das auf Werterschließung reagiert
  • 3.2.2. Werterschließung durch Diskrepanz
  • 3.2.3. Gewissheit durch das Fühlen des numinosen Werts als Grund, Ursache und Ziel
  • 3.3. Ergebnis: vom religiösen Grundgefühl zum Habitus
  • 3.3.1. Fühlen – Diskrepanz – Werterschließung – Gewissheit – Wollen – Handlung – Habitus
  • 3.3.2. Anwendungsbeispiele
  • 3.3.2.1. Bhakti: Arjuna
  • 3.3.2.2. Trauer: Kisāgotamī
  • 3.3.2.3. Nächstenliebe: Gaitas Nonne
  • 4. Wie artikuliert man religiöse Gefühle angemessen?
  • 4.1. Ziel
  • 4.1.1. Begründung der Fragestellung
  • 4.1.2. Implikationen der Fragestellung
  • 4.1.3. Vorgehensweise
  • 4.2. Semantische Explikation des religiösen Grundgefühls
  • 4.2.1. Fühlen der Existenz des absoluten (numinosen) Werts
  • 4.2.2. Das Fühlen der hedonischen Qualitäten des absoluten Werts
  • 4.2.3. Der absolute Wert als Grund der Selbsttranszendierung
  • 4.2.4. Der absolute Wert als Zielursache der Selbsttranszendierung
  • 4.2.5. Der Prozess der Selbsttranszendierung
  • 4.2.6. Die Art und Weise sowie Mittel der Transzendierung
  • 4.2.7. Hingabe an den Prozess der Selbsttranszendierung
  • 4.2.8. Der absolute Wert als Ursache des Fühlens der Hingabe
  • 4.2.9. Explikation des absoluten Werts
  • 4.3. Explikation der religiösen Emotionen mittels NSM unter Verwendung des „semantischen Moleküls“ des religiösen Grundgefühls
  • 4.3.1. Ergebnis: Das Molekül des religiösen Grundgefühls
  • 4.3.2. Anwendungsbeispiele: NSM-Explikation der Nächstenliebe und Karuṇā im Vergleich
  • 4.3.2.1. Christliche Grundemotion und christliche Emotion der Nächstenliebe
  • 4.3.2.2. Buddhistische Grundemotion und buddhistische Emotion von Karuṇā
  • 5. Schluss: Semantik religiöser Gefühle
  • 5.1. Zusammenfassung
  • 5.2. Das Molekül des religiösen Grundgefühls
  • 5.3. Ausblick
  • 6. Literatur
  • Reihenübersicht

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0. Einführung

Wilfrid Sellars hat das Ziel der Philosophie als ein Verstehen des im weitesten Sinne verstandenen Zusammenhangs der in einem weitesten Sinne verstandenen Sachen aufgefasst:

„The aim of philosophy, abstractly formulated, is to understand how things in the broadest possible sense of the term hang together in the broadest possible sense of the term. Under ‚things in the broadest possible sense‘ I include such radically different items as not only ‚cabbages and kings‘, but numbers and duties, possibilities and finger snaps, aesthetic experience and death“ (Sellars 2007, 369).

Sellars hat den Punkt gut zum Ausdruck gebracht, dass es in der Philosophie um das Verstehen des Zusammenhangs ganz unterschiedlicher Sachverhalte geht. Ich verstehe Religionsphilosophie als Philosophie der Religion, das bedeutet, mich interessiert der Zusammenhang der Sachverhalte, die als Religion klassifiziert werden sollen. Es geht mir um Klassifikation von Sachverhalten. Religiöse Gefühle sind ein zentraler Sachverhalt, den ich klassifizieren will. Religiöse Gefühle zu verstehen, bedeutet in diesem Zusammenhang: die Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Religion und denjenigen Gefühlen zu verstehen, die als religiös klassifiziert werden. Dies wiederum führt mich zur Frage, was als „religiös“ angemessen klassifiziert werden kann. Das wichtigste Instrument für meine semantische Klassifizierung ist die Natural Semantic Metalanguage (NSM), die in ihrer heutigen Form als Resultat im Rahmen des semantisch-pragmatischen Ansatzes von Anna Wierzbicka und ihren Kollegen über mehrere Jahrzehnte auf dem Weg empirisch-linguistischer Arbeit formuliert wurde (Wierzbicka 2003; Goddard/Wierzbicka (Hg.) 2002; Wierzbicka 2004; Goddard/Wierzbicka 2014).

Ich strebe keine historisch-philosophische Rekonstruktion der Literatur über Sachverhalte an, sondern ich möchte eine systematische Position erarbeiten. Dabei spielt die semantische Analyse mithilfe der Natural Semantic Metalanguage eine wichtige Rolle. Ich strebe keine Interpretation von Bezugsautoren an, sondern möchte mit dem, was ich als wichtige Einsichten dieser Autoren betrachte, eine eigene systematische Position in Bezug auf die Artikulation und Wirkung von religiösen Gefühlen im Rahmen der verwendeten zeitgenössischen semantischen Theorie plausibilisieren und nachvollziehbar machen.

Es geht in dieser Arbeit nicht um die Frage, ob religiöse Gefühle „existieren“ oder nicht, beziehungsweise ob das, was sie beschreiben, eine existierende Realität ist oder nicht. Es geht in dieser Arbeit um einen semantisch-logisch kleinsten gemeinsamen Nenner, der allen auf den ersten Blick sehr vielfältigen Bildern und Narrativen von menschlichen Gefühlen ←13 | 14→zugrunde liegt, die als Teil des kulturell-gesellschaftlichen Diskurses allgemein unter dem Begriff „religiöse Gefühle“ zusammengefasst werden sollen. Die Grundthese, die ich mit dieser Arbeit belegen will, ist die Annahme, dass alle diese unterschiedlichsten Beschreibungen von religiösen Gefühlen einer gleichen logischen Grundstruktur folgen, die sich auf unterschiedliche Weise in allen Sprachen ausdrücken lässt und je nach kulturellem Kontext, in dem eine Person aufwächst, mit spezifischen Bildern und Narrativen veranschaulicht und interpretiert wird. Sowohl diese Grundstruktur als auch ihre kulturellen Gestaltungen können mithilfe der Natural Semantic Metalanguage interkulturell-pragmatisch verständlich artikuliert werden (Wierzbicka 2003).

Mein Ziel ist somit zweifach und überschaubar: meinen Definitionsvorschlag zur Grundstruktur der religiösen Emotionalität durch ihre Eigenfunktion (proper function) in der Natural Semantic Metalanguage zu erfassen, und den semantischen Ansatz von Anna Wierzbicka für den Religionsphilosophischen Diskurs zu erschließen, in der Hoffnung, ihren semantischen Ansatz für die philosophisch fundierte und empirisch-vergleichende Religionsforschung sichtbar, fruchtbar und rezipierbar zu machen.

Betrachten wir einige Beispiele:

Eine alte Frau betete zu Gott, weil sie ihren einzigen Sohn verloren hat. Sie bittet ihn darum, dass ihr Sohn die ewige Ruhe finden möge. Ihr Gebet ist mit tiefer Hoffnung, Traurigkeit und Seligkeit erfüllt. Im Gebet drückt sich ihr religiöses Gefühl aus. Sie bittet um Sündenvergebung für ihren Sohn.

Ein Elternpaar kommt in die Kirche für das Ritual der Taufe ihres Babys. Das Elternpaar ist bei der Feierlichkeit mit dem tiefen Gefühl der Dankbarkeit an Gott erfüllt. Das Elternpaar teilt ein religiöses Gefühl. Die anwesenden Festgäste teilen ihre Freude und das Gefühl der Dankbarkeit. Sie teilen die religiösen Gefühle des Elternpaares.

Eine Nonne arbeitet in einer Klinik für psychisch kranke Menschen. Die Ärzte der Klinik behandeln ihre Patienten mit Respekt. Das Verhalten der Nonne zeigt noch etwas mehr als Respekt. Sie behandelt die Patienten als Kinder Gottes mit tiefem Mitgefühl und in der Überzeugung der Nächstenliebe. Die Nonne empfindet ein religiöses Gefühl gegenüber den Patienten, das die Ärzte in diesem Umfang nicht teilen.

Die Mitglieder einer links-terroristischen Organisation haben sich zum Ziel gesetzt, eine gerechte kommunistische Gesellschaft zu errichten. Um ihr Ziel zu erreichen, sind sie bereit alle Feinde ihrer Idee zu eliminieren. Die Kameraden haben die Hoffnung, dass sie erfolgreich sein werden und den Kommunismus durchsetzen können. Sie sind so inspiriert von ihrer Idee, dass es irgendwann auf der Erde diese gerechte Gesellschaft geben wird und alle Menschen glücklich sein werden, sodass sie für diese Idee kämpfen. ←14 | 15→Obwohl Feinde dafür notfalls auch physisch eliminiert werden müssen, sind sie begeistert. Sie teilen ein religiöses Gefühl.

Ein Mensch wird am Tatort von der Polizei erschossen. Kurz vor seinem Tod hatte er andere Menschen umgebracht, weil er sich in seinen Gefühlen verletzt fühlte. Als er von der Polizei erschossen wurde, hat er an Gott gedacht und war sich sicher, dass er in den Himmel kommt. Der Mensch hatte ein religiöses Gefühl.

Ein meditierender Mönch wacht in seinem Kloster auf und spürt plötzlich etwas. Er kann es nicht sehen, aber es ist etwas da. Er spürt: Er konnte es nicht sehen, aber er weiß, dass der große Bodhisattva da war. Der Mönch ist erfüllt mit Dankbarkeit, dass sein Mantra erhört wurde. Der Mönch hat ein religiöses Gefühl.

Ich wandere in den Bergen. Ich betrachte die Täler von oben, den Sonnenaufgang und den -untergang. Ich schaue in den Sternenhimmel. Ich fühle so etwas wie die Einheit mit dem Universum. Dass ich und das Universum eins sind. Ich ahne, dass es auch etwas Unsichtbares im sichtbaren Himmel, der Sonne, den Bergen und Tälern gibt. Ich fühle mich zu etwas berufen. Ich weiß nicht, was es ist, aber es macht mich glücklich. Ich fühle mich getragen und geborgen. Ich bin dankbar dafür. Ich weiß nicht, wem ich dankbar bin. Ich habe ein religiöses Gefühl.

Ich besuche den Weihnachtsmarkt und gehe zur Krippe. Ich gehe in die Kirche und höre mir den Kirchenchor an. Ich fühle mich gut dabei, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Ich bin Gott dankbar dafür, dass ich da sein kann und bitte Gott darum, dass es allen gut gehen möge. Ich habe ein religiöses Gefühl, möglicherweise ein geteiltes religiöses Gefühl zu diesem Weihnachtsfest.

Alle diese kurzen Situationsbeschreibungen bringen zum Ausdruck was wir im Allgemeinen religiöse Gefühle oder religiöse Emotionen nennen. Was ist die gemeinsame Eigenschaft, die diese Gefühle zu religiösen Gefühlen macht? Wie können wir erklären, dass manche Menschen dieses Gefühl so stark erleben, dass sie sogar bereit sind, für dieses anderen Menschen das Leben zu nehmen – für die Verletzung dieser Gefühle oder im Namen eines absoluten religiösen Ideals?

Douglas Davies gibt eine Einsicht in die Art und Weise, wie Hoffnung zu einem religiösen Gefühl wird: „Hope offers a transcending of fear. It acknowledges the hardships and difficulties of life but does not remain bound by them. It brings a new time perspective to people, showing that tomorrow will be better than today. Within the Jewish-Christian-Islamic worlds, and in ideological movements emerging from them, including Marxism, much is invested in anticipating a future state of affairs. God’s kingdom will come in some way or a socialist revolution will create a new world order of freedom from want, pain, hardship, and oppression. Hope becomes partnered with ←15 | 16→ideas of time and the future goal of perfection inspires the present moment of hope“ (Davies 2011, 192).

Religiöse Gefühle können in der Tat unterschiedliche Handlungen motivieren – gewaltlose wie gewalttätige. Denn nicht nur Hoffnung, Freude, Dankbarkeit, Geborgenheit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit o.ä., sondern auch zum Beispiel Zorn, Verzweiflung, Verlassenheit, Hass und Verachtung können unter gewissen Umständen als religiöse Gefühle klassifiziert werden.

So beschreibt zum Beispiel Adelheid Herrmann-Pfandt die Stimmungslage bei einer Menschenopferzeremonie: „Über die Azteken, für deren Menschenopfer gerade von der derzeitigen Archäologie zahlreiche neue Belege vorgelegt worden sind, wird zum Beispiel berichtet, dass sie jene Spanier verachteten, die als Kriegsgefangene geopfert werden sollten und sich wehrten, während zur Opferung ausgewählte Einheimische freiwillig, tanzend und Flöte spielend, die Treppe zum Opferstein emporstiegen. Welche Art von Transzendenzerfahrung und religiöser Sinngebung hatten Leute vor Augen, die auf diese Weise ihrem eigenen Tod entgegengingen, und welche Art die, die sie dann töteten?“ (Herrmann-Pfandt 2017, 291 f).

Welches Kriterium erlaubt es uns, den Terminus „religiöse Gefühle“ angemessen zu verwenden? Auf welche Weise können religiöse Gefühle artikuliert werden? Woraus schöpfen sie ihre Motivationskraft? Ich folge in dieser Arbeit einem normativ-pragmatischen Erkenntnisinteresse und versuche eine semantische religionsphilosophische Fragestellung (vergleiche 1.2.1.) zu beantworten. Wie sollen wir den Begriff, „religiöse Gefühle“ angemessen verwenden? Wie kann man die Motivationskraft religiöser Gefühle angemessen verstehen? Wie kann man die angemessen verstandenen religiösen Gefühle artikulieren? Religiöse Gefühle finden in einem kulturellen Kontext statt und verfügen über einen semantischen Gehalt. Die Arbeit soll einen konkreten semantischen Vorschlag machen, wie man Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen dezidiert verständlich mitteilen kann, worum es geht, wenn man über „religiöse Gefühle“ und ihre „Motivationskraft“ spricht.

Die vorliegende Arbeit wird wie folgt strukturiert:

In Kapitel 1. „Methodische Einleitung“ begründe ich die Fragestellung (1.1.). Dann stelle ich meine methodische Vorgehensweise (1.2.) vor: Nach der Erläuterung der normativen Pragmatik (1.2.1.), schlage ich die Eigenfunktion des Gefühls als Angemessenheitskriterium vor (1.2.2.), und erläutere einige analytische Instrumente der gegenwärtigen Philosophie der Gefühle, nämlich formales Objekt und partikulare Objekte (1.2.3.), Type und Token (1.2.4.). Schließlich stelle ich den semantischen Ansatz von Anna Wierzbicka (1.3.) vor: die Grundidee der NSM (1.3.1.), die semantischen Primitiva, auch Primes genannt (1.3.2.), Allolexie und Polysemie der semantischen Primes (1.3.3.), Syntax der Primes (1.3.4.), exemplarische Bedeutungsanalysen ←16 | 17→mithilfe der Primes (1.3.5.). Die methodische Einleitung schließe ich mit der philosophischen Einordnung des semantischen Ansatzes Wierzbickas.

In Kapitel 2 beantworte ich die Frage „Wie versteht man den Begriff ‚religiöse Gefühle‘ angemessen?“. Dazu präzisiere ich eingangs das Ziel (2.1.), dann die Begründung der Fragestellung (2.1.1.), arbeite dann die Implikationen der Fragestellung heraus (2.1.2.) und komme zur Erläuterung meiner Vorgehensweise (2.1.3.). Es folgt die Beweisführung (2.2.) und das Ergebnis (2.3.). In der Beweisführung (2.2.) untersuche ich den Religionsbegriff (2.2.1.) und den Gefühlsbegriff (2.2.2.).

Ein Überblick über den Diskussionsstand zum Religionsbegriff (2.2.1.1.) erlaubt mir semantische Merkmale der Religion (2.2.1.2.) zu benennen und durch die leitende Frage nach der Eigenfunktion der Religion (2.2.1.3.) zu einem angemessenen Religionsbegriff zu gelangen, der mir zwischen Religion, Religionskultur und Religiosität zu unterscheiden erlaubt (2.2.1.4.).

Ein kurzer Überblick zum Diskussionsstand (2.2.2.1.) verdeutlicht den gegenwärtigen emotionstheoretischen Standpunkt, Gefühle im engeren Sinne sind „Emotionen“, die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf etwas gerichtet sind und dieses Etwas „als in bestimmter Weise seiend repräsentieren“ (Döring 2009, 14). Die komplexeren Emotionen (engerer Begriff), genauso wie die einfacheren Gefühle (weiterer Begriff), enthalten das semantische Prime Fühlen [feel]. Ich bespreche weiter diese semantischen Merkmale der Emotionen (2.2.2.2.) und die Eigenfunktion der Emotion (2.2.2.3.). Die Artikulierbarkeit der Emotionen durch prototypische Szenarios (2.2.2.4.) wird schließlich anhand von exemplarischen Explikationen der Emotionen mittels der Natural Semantic Metalanguage verdeutlicht (2.2.2.5.).

Schließlich komme ich zum Ergebnis (2.3.), indem ich die Eingangsfrage des Kapitels beantworte (2.3.1.) und zwei Anwendungsbeispiele anbringe (2.3.2.). Unter dem Ausdruck „religiöse Gefühle“ soll eine Einheit des religiösen Grundgefühls in der Vielfalt der religiösen Emotionen angemessen verstanden werden (2.3.1.1.), die durch das normativ-pragmatische Verständnis von religiösen Gefühlen begründet wird (2.3.1.2.). Faktisch existieren nämlich religiöse Emotionen in den Religionskulturen. Diese Emotionen umfassen das religiöse Grundgefühl, das durch eine eigentümliche selbstreflexive zweistufige Intentionalitätsstruktur und dadurch mit einer besonderen Qualität des sich Anfühlens gekennzeichnet ist, deren semantische Merkmale es zu explizieren gilt (2.3.1.3.). Das Ergebnis wird mit einer Kritik der gängigen Auffassungen von religiösen Emotionen abgeschlossen (2.3.1.4.).

Details

Seiten
228
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (PDF)
9783631883587
ISBN (ePUB)
9783631883594
ISBN (MOBI)
9783631883600
ISBN (Paperback)
9783631883358
DOI
10.3726/b20097
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 228 S.

Biographische Angaben

Vladislav Serikov (Autor:in)

Vladislav Serikov studierte Indologie in Moskau, Religionswissenschaft und Philosophie in Frankfurt am Main, promovierte in Reliogionsphilosophie und lehrt Religionswissenschaft, Religionsphilosophie und indische Sprachen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Titel: Artikulierbarkeit und Motivationskraft religiöser Gefühle