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Anatomie, Genealogie, Kartographie

Studien zu Dokumenten aus dem alten Mexiko

von Uta Berger (Autor:in)
©2022 Monographie 188 Seiten

Zusammenfassung

Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts galt das menschliche Herz als der Mittelpunkt der religiösen Vorstellungen der Azteken. Dieses Gedankengut war allgemein wissenschaftlich anerkannt. Seit etwa einem halben Jahrhundert wird die Bedeutung des Herzens zu Gunsten der Leber verworfen. Die Publikation geht der Frage nach, womit diese neue Organinterpretation begründet sein könnte und widerlegt sie.
Weitere drei Aufsätze untersuchen altmexikanische Dokumente. Die Genealogie des Huitznahahuac calpulli wurde im 18. Jahrhundert verändert abgeschrieben. Die Motive für diese Manipulation werden dargelegt. Die Mapa de Tamasolco und der Codex Fischer werden übersetzt und kritisch durchleuchtet bezüglich der Siedlungsgeschichte, Karthographie und Lokalpolitik des 17. Jahrhunderts in Mexiko.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Dank
  • Mictlantecuhtli und die aztekische Ikonographie menschlicher Organe (Uta Berger)
  • Summary
  • Zusammenfassung
  • 1. Einleitung
  • 2. Material und methodisches Vorgehen
  • 3. Die Kenntnisse zur menschlichen Anatomie
  • 3.1 Das allgemeine Wissen über den menschlichen Körper
  • 3.2 Das menschliche Herz
  • 3.3 Die operativen Möglichkeiten der Herzentfernung aus der Brusthöhle gemäß der Anatomie
  • 3.4 Mictlantecuhtli und das Herz-Lungen-Paket
  • 3.5 Die menschliche Leber
  • 3.6 Die Leber eines Vogels
  • 4. Die vorspanischen Quellen
  • 4.1 Die Aussagen der vorspanischen Bilderhandschriften
  • 4.2 Die archäologischen Artefakte aus Stein
  • 4.3 Archäologische Artefakte aus Ton
  • 4.4 Die Ikonographie der aztekischen Anatomie.
  • 5. Menschliche Organe und aztekische Glaubensvorstellungen
  • 5.1 Das Herz im Glauben und Kult der Azteken
  • 5.2 Die Leber und die Seelenvorstellungen der Azteken
  • 5.3 Der Kopf als höchstes Gut im Glauben und Kult der Azteken
  • 5.4 Die Gliedmaßen im Glauben und Kult der Azteken
  • 5.5 Exkurs zur Quellenlage der Seelenvorstellung im vorspanischen Mexiko
  • 5.6 Die menschliche Leber im Zusammenhang mit Religion und Mantik
  • 6. Informationen aus der Kolonialzeit
  • 6.1 Frühe koloniale Schriften zur aztekischen Anatomie
  • 6.2 Die spanischen Autoren der frühen Kolonialzeit
  • 7. Linguistische Informationen
  • 7.1 Das anatomische Vokabular der frühen Kolonialzeit
  • 7.2 Die Bedeutung der Vokabel elli und Wortverbindungen mit el
  • 7.3 Zur Etymologie der aztekischen anatomischen Begriffe
  • 7.4 Das Graphem elli
  • 8. Das Symbol des Tlacaelel und des Todesgottes
  • 8.1 Die Besonderheiten der Glyphe des Tlacaellel cihuacoatl
  • 8.2 Der Schmuck des Todesgottes
  • 9. Diskussion und Kommentar
  • Literatur
  • Bildnachweis
  • Der Codex Fischer (Uta Berger)
  • Summary
  • Zusammenfassung
  • 1. Einführung
  • 2. Beschreibung des Dokuments
  • 3. Zur Geschichte des Dokuments
  • 4. Methodisches Vorgehen
  • 5. Der Inhalt
  • 5.1 Folio 1r (Abb. 1).
  • 5.2 Folio 1v (Abb. 2)
  • 5.3 Folio 2r (Abb. 3)
  • 5.4 Folio 2v (Abb. 4)
  • 5.5 Folio 3r (Abb. 5)
  • 5.6 Folio 3v (Abb. 6)
  • 6. Kommentar zum Inhalt
  • 7. Interpretierende Nacherzählung des Textes
  • 8. Die Personen
  • 9. Die Vorbereitungen zum Empfang des Gobernadors
  • 10. Der Gobernador eines Pueblos in der Kolonialzeit
  • 11. Das Straßensystem und die Orte des Berichtes
  • 12. Die Region des Berichtes
  • 12.1 Angaben zu den Orten
  • 12.2 Tabelle 1: Die geographische Lage der Orte
  • 12.2.1 Anmerkungen zu den Orten
  • 12.3 Die Ortszeichen
  • 13. Der Tischgast, cohatl, couatl
  • 14. Interpretation der Zeichnungen und Symbole
  • 15. Zusammenfassender Kommentar
  • Verzeichnis der Abkürzungen der grammatischen Analyse
  • Literatur
  • Wörterbücher
  • Grammatiken
  • Die Karte von Tamasolco (Uta Berger)
  • Summary
  • Zusammenfassung
  • 1. Einführung
  • 2. Material und Methode
  • 3. Die Geschichte der Karte von Tamasolco
  • 4. Beschreibung der Karte von Tamasolco
  • 5. Der Text der Karte von Tamasolco
  • 5.1 Tabelle 1: Text und Übersetzung
  • 6. Die Ausrichtung der Karte nach den Himmelsrichtungen
  • 7. Das Flusssystem
  • 8. Die Siedlungsgeschichte von Tamasolco
  • 9. Der Landbesitz
  • 10. Santa Barbara und Santa Ana
  • 10.1 Die Kirchengeschichte von Sta Barbara
  • 10.2 Die Kirchengeschichte von Sta Ana
  • 10.3 Die Architektur der Kirchen
  • 11. Ortsteile, Ortszeichen
  • 12. Das Symbol der Hand, maitl, Name und Maßeinheit
  • 13. Die geographische Lage von Tamasolco
  • 14. Die Herrscherfamilie von Ocotelulco, Dona Francisca Maxixcatzin
  • 15. Die Schreiber
  • 15.1 Leonardo Xicotencateuctli
  • 16. Testamentarische Zeugnisse zu den Orten Sta Barbara und Sta Ana
  • 16.1 Testamente mit Namen Begünstigter aus Santa Barbara und Santa Ana
  • 17. Altepetl oder barrio?
  • 18. Der Kaufvertrag
  • 18.1 Das Grundstück für Santa Ana
  • 19. Ist die Karte von Santa Barbara die Variante eines Techialoyan Manuskripts?
  • 20. Schlussfolgerung
  • Literatur
  • Abbildungsnachweis
  • Die Huitznahuac Calpulli Genealogie und andere Genealogien (Uta Berger und Berthold Riese)
  • Summary
  • Zusammenfassung
  • 1. Ziele
  • 2. Einführung
  • 3. Die „Genealogy of the Huitznahuac Calpulli“
  • 3.1 Der Aufbau und der Text der Huitznahuac Genealogie
  • 3.2 Die genealogische Information des Londoner Manuskripts
  • 3.3 Der Zweig D: Acontzin und seine Nachkommen
  • 4. Die Akten AGNM Tierras Vol. 430 Exp. 2
  • 4.1 Die Genealogie des Don Francisco Cortes
  • 4.2 Don Francisco Cortes, der Stammvater, und seine Nachkommen
  • 4.3 Die Familie Ordaz
  • 4.4 Diego de Ordaz
  • 5. Ortsnamen aus beiden Dokumenten
  • 5.1 Huitznahuac
  • 5.2 Acolman
  • 5.3 Tlacopan
  • 5.4 Tzacualtzinco
  • 6. Exkurs zum Landbesitz und Bodenrecht
  • 7. Bedeutung, Einsatz und Nutzen genealogischer Dokumente im kolonialen Mexiko
  • 8. Ergebnis und Schlussbetrachtung
  • Literatur
  • Abbildungsnachweis

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Vorwort

Die vorliegenden Arbeiten behandeln unterschiedliche Themen, mit denen ich mich sehr lange befasst habe. Sie werden teilweise recht kontrovers beurteilt. Lange Zeit ist das Wissen der Azteken über die menschliche Anatomie nicht besonders beachtet worden, während die therapeutischen Möglichkeiten der von den Azteken benutzten Heilpflanzen schon früh größte Beachtung fanden.

Sahagúns Informationen lassen erkennen, dass es ein solides Grundwissen zum Körperbau und den inneren Organen gab. Auch in den vorspanischen Bilderhandschriften der Azteken gibt es zur Ikonographie der menschlichen Anatomie viele Beispiele. Ein Anstoß diese Thematik noch einmal aufzunehmen und umfassend zu studieren, sind die großen Keramikfiguren des Mictlantecuhtli, die im Bereich des Templo Mayor von Mexico Tenochtitlan gefunden wurden. Eine dieser Figuren wurde häufiger in Europa ausgestellt. Ich hatte die Gelegenheit 2003 die Ausstellung in Bonn mit Ulrich Köhler zu besuchen. Die dort ausgestellte Keramikfigur war faszinierend. Gleichzeitig war es jedoch irritierend, dass das Organ, welches der Figur aus der Brusthöhle hängt, ein Herz-Lungen-Paket, als Leber gedeutet wurde. Die Form und Lokalisation des Organs entsprechen einem Herz-Lungen-Paket, nicht einer Leber. Ulrich Köhler empfahl, dass ich dem Problem genauer nachgehen und auf die Fehldiagnose hinweisen sollte. Seit mehr als 20 Jahren wird diese Fehldiagnose weiter tradiert trotz mehrfacher entsprechender Hinweise, zuletzt in der Ausstellung „Azteken“ in Stuttgart 2020. Ich habe nun die verschiedensten Aspekte dargelegt, die untermauern, dass es falsch ist, dieses Gebilde als Leber zu bezeichnen. Weder mit den Kenntnissen der aztekischen noch der europäischen Anatomie, noch, aus den vorspanischen Quellen und den frühen Quellen nach der Eroberung ist eine derartige Diagnose zu rechtfertigen.

Die weiteren vorgelegten Manuskripte sind gewissermaßen auch Herzensangelegenheiten. Ich habe diese etwas unscheinbaren Dokumente zuerst kennengelernt, als ich mich mit den Manuskripten für den Katalog der mexikanischen Bilderhandschriften beschäftigte, die in England aufbewahrt werden. Diese kleinen Manuskripte wurden mit einzelnen Ausnahmen wenig in der Literatur beachtet. Sie erhielten erst mit dem Erscheinen des Katalogs eine gewisse Aufmerksamkeit. Derartige kleine Manuskripte bestehend aus einer einzigen Seite oder aus nur wenigen Seiten können einmal in sich geschlossen ein vollständiges Dokument oder auch Teil eines umfangreicheren Manuskripts sein.←11 | 12→

Der Codex Fischer hat eine recht bewegte Geschichte. Zunächst im Privatbesitz einer Familie in Mexico City wird er zur genaueren Untersuchung dem Archivo General überlassen, wo er zur Kenntnis des Sekretärs von Kaiser Maximilian, August Gottlieb Ludwig Fischer, gelangt. Er nimmt ihn an sich für das Historische Cabinet in Mexiko und bringt das Manuskript 1867 nach dem Tod des Kaisers nach Europa. Er verkauft das aus drei Folioblättern bestehende Manuskript 1869 über Puttick und Simpson, London, an Sir Thomas Phillips. Bis 1919 ist es in dessen Besitz. Auf der Phillips Auktion 1919 von Sotheby kauft es der Buchhändler Quarich. Im gleichen Jahr verkauft dieser es weiter an die John Rylands University Library, Manchester. Das Dokument wurde bisher nicht genauer studiert, was einmal auf den schlechten Erhaltungszustand und damit auch die schlechte Lesbarkeit zurückzuführen ist und zum anderen auf die Einstufung, dass es sich wohl nach dem Augenschein, um ein Techialoyan Dokument handeln könnte, beziehungsweise um das Teilstück eines solchen. Offenbar handelt es sich aber um das Fragment eines längeren historischen Berichts. Die Frage erhebt sich, ob es irgendwo Manuskriptteilstücke gibt, die es ergänzen könnten.

Die Karte von Tamasolco ist ein sehr schön ausgeführtes Dokument aus dem 17. Jahrhundert, das die Siedlungsgeschichte zweier Orte beschreibt, die heute nicht mehr existieren. Die Karte entspricht dem Protokoll einer Ortsgründung und Landverteilung.

Die Genealogie des Huitznahuac calpulli besteht aus einem einzelnen Blatt mit einer Genealogie, die in der vorspanischen Zeit einsetzt und weit in die Kolonialzeit reicht. Sie berichtet von einem Familienverband, dessen direkte blutsverwandte Nachkommen aufgezählt werden. Hier ist es nicht möglich zu entscheiden, ob das einzelne Blatt ein in sich geschlossenes Dokument ist. Da es sehr viel später als Vorlage für ein inhaltlich teilweise übereinstimmendes Schriftstück diente, ist anzunehmen, dass es schon sehr früh als Einzelblatt aus seinem Kontext entnommen wurde. Es gibt ein sehr viel jüngeres Gegenstück mit weitgehenden Übereinstimmungen der in der Kolonialzeit lebenden Generationen. Die Studie untersucht die wesentlichen Unterschiede der Information und daher auch die unterschiedliche Verwendung der beiden Dokumente.

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Dank

Ich danke allen, die mich bei den vorliegenden Studien unterstützten und mir durch Diskussion und Anregungen neue Aspekte zu den verschiedenen Themen gaben. Claudine Hartau half bei den Nahuatltexten, korrigierte die Übersetzung und diskutierte mit mir über die verschiedenen Lesemöglichkeiten schlecht erhaltener Textstellen des C. Fischer. Ulf Bankmann, Berthold Riese und Melanie Frühling lasen die ersten Fassungen der Studien. Ihnen danke ich für ihre kritischen Anmerkungen, Kommentare und aufmunternden Ratschläge. Das erste Korrekturlesen übernahm freundlicherweise Ilse Grothkopp, auch ihr gilt mein Dank. Den Damen und Herren der Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts und der Staatsbibliothek zu Berlin habe ich besonders zu danken für ihre unermüdliche Hilfe bei der Literaturrecherche. Allen Institutionen, die mir Bildmaterial zur Publikation zur Verfügung stellten, möchte ich meinen Dank aussprechen. Ich danke auch der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt Dr. Struzl, Graz für die Erlaubnis aus den von der Verlagsanstalt veröffentlichten mexikanischen Codices selecti Bilder zu benutzen. Der Zuspruch und die Unterstützung meiner Familie war ein wichtiger Antrieb diese Studien zu vollenden.

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Mictlantecuhtli und die aztekische Ikonographie menschlicher Organe

Uta Berger

Abstract: In Aztec belief the God of Death Mictantecuhtli is related to human hearts, a fact supported by preconquest sources. Recently a new theory was developed which connects the God of Death with the liver as a centre of animistic power, of breath and gas produce. Therefore, the three lobed pendants hanging out of the chest of two recently excavated ceramic figures of Mictlantecuhtli were classified as liver, although the shape of the pendants are those of a heart-lung-parcel. The figures were manufactured ca 1480 AD. In 1487 the new construction of the Templo mayor in Tenochtitlan was inaugurated by thousands of sacrifices of human hearts to nourish the gods. The liver does not appear in Aztec religion. Here it seems that colonial developments of language and thoughts of acculturation come together. However, modern theories of animistic power should not be transferred into the Aztec religious cult and associated with artefacts manufactured before the arrival of the Europeans.

Keywords: The pendants of Mictlantecuhtli, God of death. Heart and liver in Pre-Spanish Aztec religion. Iconography of human organs. Animistic forces of human organs, the problem of acculturation.

Summary

Until the middle of the last century the heart was regarded as being at the centre of the Aztec religion and cult. Such was the common scientific view according to precolonial historical sources. During the last century much of the religious importance associated with the heart was transferred to the liver. In this context, Patricia Anawalt comments on the costume of the Tzitzimitl warriors of C. Mendoza that although the wound running across the chest corresponds to that of a sacrificial incision, it is now believed that the organ attached to the incision is the liver. It is indeed unclear why the liver suddenly replaces the heart in the preconquest Aztec religion. This study attempts to find an answer for this change of the scientific view.

Various preconquest sources were studied to find an iconographic symbol of the liver which could verify the importance of the liver in Aztec belief. Illustrated books from Mexico reveal a certain anatomical knowledge. Illustrations demonstrate that the heart was the most important organ and also the most precious food to nourish the gods. Heart and blood were sacrificed in order to ←15 | 16→sustain the world. Indeed, the liver is not mentioned, only the heart or heart and lungs together.

Details

Seiten
188
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631880548
ISBN (ePUB)
9783631880555
ISBN (Paperback)
9783631880500
DOI
10.3726/b19991
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Schlagworte
Altmexiko Götternahrung Familiengeschichte Lokalpolitik Siedlungspolitik Dokumente Opfersymbole Abstammungsfälschung Administrationswechsel Kirchenbau
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 188 S., 18 farb. Abb., 15 s/w Abb., 3 Tab.

Biographische Angaben

Uta Berger (Autor:in)

Uta Berger studierte Medizin und Altamerikanistik. Sie arbeitete als freie Wissenschaftlerin über mexikanische Bilderhandschriften mit kartographischen astronomischen und anatomischen Aussagen, über altmexikanische Missionsliteratur und über Gebetsbücher in Bilderschrift. Aktuell beschäftigt sie sich mit dem Informationsgehalt kleiner Manuskriptfragmente und vorspanischen Darstellungen menschlicher Organe im religiösen Kontext.

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Titel: Anatomie, Genealogie, Kartographie