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Umweltpolitik ohne Durchsetzungsvermögen?

Staatliches Handeln aus der Perspektive von Umweltengagierten

by Peter-Georg Albrecht (Author)
©2022 Monographs 154 Pages

Summary

Kein Zwang bitte! Das zentrale Ergebnis der qualitativen Magdeburger Untersuchung zum Wirtschafts- und Demokratie- und Staatsverständnis von Umweltengagierten verblüfft, werden die Durchsetzungsmöglichkeiten nachhaltiger Politikziele doch aktuell intensiv diskutiert. Die vorliegende komparativ-analytische und methodenkritische Interviewstudie ergänzt die Erkenntnisse vorhandener Studien über Engagementpotenziale für den Umweltschutz und umweltpolitische Einstellungen um vielfältige Details zu den Einstellungen von Umweltengagierten zu Umweltcourage und Umweltpolitik.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einleitung
  • Teil I: Die Motivation der Studie
  • I.1 Problem 1: Fragwürdiges Engagement. Rechtsextremisten für Umweltschutz
  • 1 Naturbezüge im Rechtsextremismus Ostdeutschlands in den 1990er Jahren
  • 2 Die Situation zur Jahrtausendwende rund um das Jahr 2000
  • 3 Zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland vor rund zehn Jahren
  • 4 Naturbezüge des heutigen Rechtsextremismus
  • 5 Manifestationen
  • 6 Konsequenzen
  • I.2 Problem 2: Kaum vermittelt. Umweltpolitik in der Kommunalpolitik
  • 1 Landesspezifische Ratgeber, Handlungsempfehlungen und Lehrbücher
  • 2 Ratgeber, Handlungsempfehlungen und Lehrbücher ohne Regionalbezug
  • 3 Schwerpunkte und Begriffsverständnisse
  • Teil II: Untersuchung
  • II.1 Forschungsstand, Forschungsdesign und -ablauf sowie Untersuchungssample
  • 1 Freiwilliges Engagement in Deutschland und Umweltengagement
  • 2 Politische Einstellungen und Charakter des Engagements von Umweltengagierten
  • 3 Forschungsdesign, -ablauf und untersuchte Personengruppe
  • II.2 Ergebnisse 1: Problemanzeigen
  • 1 Überall umweltschädigendes Verhalten, umweltschädigende Strukturen und Umweltfrevel
  • 2 Kaum Zeit gegenzusteuern
  • 3 Belohnungen, aber keine Strafen bitte
  • 4 Vor allem aber: Kein Zwang!
  • II.3 Ergebnisse 2: Lösungsansätze
  • 1 Umweltcourage!
  • 2 Mehr Mitwirkendengewinnung
  • 3 Umweltförderlichere gesellschaftliche Strukturen
  • 4 Eine Regierung, die etwas durchsetzen kann
  • II.4 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
  • 1 Überblick
  • 2 Fokussierung
  • 3 Diskussion
  • 4 Der Weg ins Engagement
  • Teil III: Weiterführende Überlegungen
  • III.1 Naturschutz, Umweltpolitik und Nachhaltigkeit gehören in die kommenden kommunalen Handlungsleitfäden!
  • 1 Erste naturschutz- und umweltpolitische Bezüge sind mittlerweile sichtbar, aber noch keine Nachhaltigkeit
  • 2 Auch Ratgeber, Handlungsempfehlungen und Lehrbücher ohne Regionalbezug sind noch nicht nachhaltig genug
  • 3 Wie das Thema darzustellen wäre: Als Pflicht-, Querschnitts- und entwicklungspolitische Aufgabe!
  • III.2 Theoretische Aspekte einer heterogenitätsbewussten nachhaltigen Erwachsenenbildung für mehr Umweltschutz- und Umweltpolitikengagement
  • 1 Globale Diagnosen, Leitbilder und Handlungskonzepte
  • 2 Ressourcen: Kerndimension der nachhaltigen Entwicklung und so auch Voraussetzung und Ziel einer nachhaltigen Erwachsenenbildung
  • 3 Nachhaltigkeit gibt es nur ökologisch, sozial und ökonomisch
  • 4 Reziprozität, Voraussicht, Solidarität: Voraussetzungen einer – zunächst ökonomisch konnotierten – nachhaltigen Erwachsenenbildung
  • 5 Schonen und Generieren: Denkmodelle einer – nun auch sozial und ökologisch nachhaltigen – Erwachsenenbildung
  • 6 Heterogenitätsbewusstsein und Nachhaltigkeit: Ziel einer auch zukünftige Generationen berücksichtigenden Menschenrechtsorientierung in der Erwachsenenbildung
  • Verwendete Literatur

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Einleitung

Zur Zeit der Konzeption, der Interviewfragenerarbeitung und vor allem der Interviews der Studie gab es zwar bereits Coronamaßnahmen-Proteste. Staatliche Durchgriffe wurden öffentlich jedoch noch nicht so intensiv als Zumutung angeprangert, wie es ab Herbst 2021 auf den Straßen und Plätzen der Orte, in denen die Interviewpartnerinnen leben, hörbar wurde.

Zur Zeit der offenen, der komparativen und der fokussierenden Analyse der Interviewdaten gab es noch keinen Krieg in Europa. Das Vorgehen von Staaten wurde öffentlich nicht mit so vielen Ängsten, aber auch dem Wunsch nach konsequentem Agieren betrachtet wie im Frühjahr 2022.

Trotzdem lohnt der fast pandemieunbeeinflusste und noch friedenszeitliche Blick auf die politischen Einstellungen von Umweltengagierten und ihre Auffassungen von wirtschaftlichem, zivilgesellschaftlichem und staatlichem Handeln, Regierungsauftrag und staatlichem Durchsetzungsvermögen.

Die Einstellungen der Befragten zwischen umweltschützendem und umweltpolitischen Engagement zeigen: Sie sind für mehr Politik, ja bessere Politik, eine Politik mit mehr Kraft, „Wumms“ und Durchsetzungsstärke für die Umwelt, die aber ohne Druck, Zwang und Sanktionen auskommen soll.

Die Interviewpartnerinnen kritisieren umweltschädigendes Verhalten, umweltschädigende Strukturen und Umweltfrevel, weil zur Rettung der Umwelt nur wenig bzw. kaum noch Zeit verbleibt.

Sie ziehen Belohnungen Bestrafungen vor, weil Zwang ihnen überhaupt nicht zusagt.

Ihres Erachtens bedarf es verstärkter Umweltcourage, weiterer Mitwirkender für Umwelt-, Natur-, Tier- und Klimaschutz, umweltförderlicherer gesellschaftlicher Strukturen und einer Regierung, die etwas durchsetzt.

Ihr eigener Weg ins Engagement zeigt, dass und wie Bildung für nachhaltige Entwicklung wirkt: Als Erwachsenenbildung, die zu Umweltschutzengagement führt und motiviert.

Aber weil die Befragten viele Argumente gegen eine starke, eine durchsetzungsfähige Demokratie bzw. Staatlichkeit vortragen, lohnt es zukünftig ←9 | 10→in Wissenschaft und Praxis neben dem Umweltschutzengagement auch das Umweltpolitikengagement in den Blick zu nehmen.

Die Studie spricht von Umweltschützerinnen. Männliche und diverse Engagierte mögen sich ebenfalls angesprochen fühlen.

Die Untersuchungsarbeit wurde realisiert mit Unterstützung von Pro FH e.V., dem Förderverein der Hochschule Magdeburg-Stendal. Förderer waren die „Partnerschaft für Demokratie“ der Landeshauptstadt Magdeburg und das Förderprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Veröffentlichung erfolgte mit Unterstützung der Sparkasse MagdeBurg aus Zweckerträgen der PS-Lotterie.

Der Autor dankt Ricarda Schaaf, Marcel Böge, Julia-Marie Zigann, Manuela Schwartz, Petra Schneider, Thomas Kauer, Susanne Wienholt-Kall, Alexander Kutz, Ludger Nagel, Heike Mahn und allen Förderern für ihre Unterstützung!

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Teil I: Die Motivation der Studie

I.1 Problem 1: Fragwürdiges Engagement. Rechtsextremisten für Umweltschutz

Vor wenigen Monaten warb die neuere rechtsextreme Kleinpartei „Der dritte Weg“ in Flugblättern mit dem Slogan „Umweltschutz ist auch Heimatschutz“ für sich (MI 2020, S. 53).

Vieles deutet darauf hin, dass es mittlerweile umfängliche personelle, interaktive und vor allem ideologische Verbindungen des Rechtsextremismus zum Naturschutz gibt. Dabei galten der Naturschutz bisher als das Gute und die ihn vertretenden sozialen Bewegungen gegen Umweltzerstörung und für Bewahrung der Schöpfung als die Guten.

Mittlerweile sieht es anders aus: Niemand kann ausschließlich wohlwollend annehmen, dass Menschenrechten zum Durchbruch verholfen und die Demokratie gestärkt wird, wenn sich die demokratische gewählte Regierung nur einer „starken“ Zivilgesellschaft gegenübersieht. Eher muss auch von einer „dunklen Seite“ der Zivilgesellschaft ausgegangen werden (vgl. Roth 2004, S. 41–64).

Mit der Rothschen Diagnose endete auch für den bewegungsförmigen Naturschutz die Idealisierung, nach der soziale Bewegungen zuvorderst als positiver Beitrag zum heutigen System politischer Interessenvermittlung gesehen wurden (wie von Rucht 1993 und auch zuvor bei Roth 1999), weil diese – ausschließlich positiv betrachtet – stets „einer wachsenden Politikverdrossenheit“ Abhilfe verschaffen und der „nachlassenden Bindekraft etablierter Organisationen“ kreativ und attraktiv gegenübertreten (so Rucht 2011, S. 558–559).

Und damit muss möglicherweise der bisherige Sympathie- und Vertrauensvorschuss für soziale Bewegungen im Allgemeinen entfallen. Zu fragen ist, wie naturbezogen und möglichweise sogar umweltschutzbezogen sich der bewegungsförmige Rechtsextremismus – im Einzugsgebiet der hier vorliegenden Studie – betätigt und wie er damit seine ideologische Basis stärkt und erweitert.

Im folgenden Kapitel wird zur Beantwortung dieser Frage ausschließlich auf exemplarisch ausgewählte lokale Verfassungsschutzberichte zu ←11 | 12→Rechtsextremisten, rechtsextremen Gruppierungen und rechtsextremen Parteien in Ostdeutschland zurückgegriffen.

Details

Pages
154
Year
2022
ISBN (PDF)
9783631886151
ISBN (ePUB)
9783631886168
ISBN (MOBI)
9783631886175
ISBN (Hardcover)
9783631878033
DOI
10.3726/b20039
Language
German
Publication date
2022 (August)
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 154 S.

Biographical notes

Peter-Georg Albrecht (Author)

Peter-Georg Albrecht ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er arbeitet zu soziologischen, zivilgesellschaftlichen und demokratietheoretischen Fragen öffentlicher Akteure.

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Title: Umweltpolitik ohne Durchsetzungsvermögen?