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Selbstregulierung im Lichte der Privatisierung der Strafverfolgung – zugleich ein Beitrag zum Sanktionssystem der Weltbankgruppe

by Laura Harandt-Wüst (Author)
©2021 Thesis 226 Pages

Summary

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich der Bereich der Strafverfolgung einer stetig voranschreitenden Privatisierung ausgesetzt sieht. Die Autorin greift dieses Thema auf und analysiert in diesem Zusammenhang verschiedene Formen selbstregulatorischer Systeme sowie praktische Anwendungsbeispiele. Aufbauend auf dieser Diskussion untersucht sie, ob das Sanktionssystem der Weltbank ein gelungenes Beispiel für ein international operierendes selbstregulatorisches System ist. Dabei beleuchtet die Autorin das dem Sanktionssystem der Weltbank zugrundeliegende materielle und prozessuale Regelwerk und bietet viele praktische Hinweise zum Verfahren. Als Ergebnis ihrer Analyse präsentiert sie wertvolle Denkanstöße zum Sanktionssystem als Vorbild für künftige selbstregulatorische Bestrebungen.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung – Privatisierung im Strafrecht
  • B. Gegenstand und Gang der Untersuchung
  • C. Selbstregulierung
  • I. Regulierte Selbstregulierung
  • II. (Reine) Selbstregulierung
  • III. Zwischenfazit - Vorteile von Systemen der regulierten und reinen Selbstregulierung
  • IV. Privatisierung der Strafverfolgung auf internationaler Ebene
  • D. Grundlagen der Arbeit
  • I. Die WBG
  • II. IBRD
  • 1. Historischer Hintergrund
  • 2. Ziele
  • 3. Finanzierung
  • 4. Dienstleistungen
  • III. IDA
  • 1. Historischer Hintergrund
  • 2. Ziele
  • 3. Finanzierung
  • 4. Dienstleistungen
  • IV. IFC
  • 1. Historischer Hintergrund
  • 2. Ziele
  • 3. Finanzierung
  • 4. Dienstleistungen
  • V. MIGA
  • 1. Historischer Hintergrund
  • 2. Ziele
  • 3. Finanzierung
  • 4. Dienstleistungen
  • VI. ICSID
  • 1. Hintergrund
  • 2. Ziele
  • 3. Arbeitsweise
  • 4. Finanzierung
  • VII. Rechtliche Einordnung
  • 1. Rechtliche Eigenständigkeit der Organisationen und institutionelle Struktur
  • 2. Beziehung zu IWF und VN
  • a) IWF
  • b) Vereinte Nationen
  • VIII. Investitionsschutz
  • IX. Zwischenfazit
  • E. Sanctions Procedures
  • I. Entwicklung
  • II. Unterschiede zwischen den Sanktionssystemen der IBRD/IDA vs. IFC, MIGA und des Partial Risk Guarantee Programms
  • III. Sinn und Notwendigkeit des Sanktionssystems
  • 1. Hohes Korruptionsrisiko im Tätigkeitsfeld
  • 2. Ungenügende Strafverfolgungsstrukturen
  • 3. Spannungsverhältnis von Good Governance und Einmischungsverbot
  • 4. Reputation
  • IV. Unterwerfung der Vertragsparteien unter die Sanctions Procedures
  • V. Adressaten
  • 1. Procurement Guidelines
  • 2. Consultant Guidelines
  • 3. Anti-Corruption Guidelines
  • 4. Unternehmensgruppen
  • VI. Rechtliche Einordnung des Verfahrens
  • VII. Organe – Funktionen und Kompetenzen
  • 1. Integrity Vice Presidency
  • 2. Suspension and Debarment Office
  • 3. Sanctions Board
  • VIII. Sanktionsfähige Praktiken
  • 1. Beweisrecht
  • a) Beweisanforderungen
  • b) Beweisverwertung
  • 2. Corrupt Practice
  • a) Tathandlung
  • b) Unrechtsvereinbarung
  • c) Anderer
  • d) Unredliche Einflussnahme
  • e) Subjektiver Tatbestand
  • 3. Fraudulent Practice
  • a) Falschdarstellung und unvollständige Erklärung
  • b) Anderer
  • c) Subjektiver Tatbestand
  • (i) Knowingly
  • (ii) Recklessly vs. Dolus eventualis und Fahrlässigkeit
  • d) Kein Schadensnachweis erforderlich
  • e) Zurechnung von Mitarbeiterhandlungen
  • f) Subjektiver Tatbestand
  • 4. Collusive Practice
  • a) Absprache
  • b) Kollusion
  • c) Kollusionsbedingte Preiserhöhung nicht notwendig
  • d) Subjektiver Tatbestand
  • 5. Coercive Practice
  • 6. Obstructive Practice
  • a) Eigenständiges Delikt vs. Sanktionszumessungsfaktor
  • b) Beeinträchtigung von Ermittlungen
  • c) Subjektiver Tatbestand
  • 7. Zwischenfazit
  • 8. Verjährung
  • 9. Umgang mit Regelungslücken
  • a) Auslegungsmethoden
  • b) Analogie zu etablierten Rechtsgrundsätzen
  • c) Rechtsvergleichender Ansatz
  • d) Hierarchie verschiedener Rechtsquellen
  • IX. Funktionsweise des Sanktionsverfahrens
  • 1. Ermittlungsverfahren
  • a) Ablauf
  • (i) Hinweis
  • (ii) Ermittlungsbeginn
  • (iii) Show-Cause Letter
  • (iv) Final Investigations Report und Statement of Accusations and Evidence
  • b) Vorläufiger Ausschluss von Auftragnehmern
  • (i) Antrag
  • (ii) Besondere Beweisanforderungen
  • (iii) Erlass durch den SDO
  • (iv) Dauer
  • c) Freiwillige Offenlegung
  • (i) Teilnahmevoraussetzungen
  • (ii) Internal Investigation und Implementierung von Compliance-Maßnahmen
  • (iii) Praktische Erwägungen
  • 2. Überprüfung durch den Suspension and Debarment Officer
  • a) Überprüfung des SAE
  • b) Notice of Sanctions Proceedings
  • c) Explanation
  • d) Unanfechtbarkeit einer Notice of Sanctions Proceedings
  • e) Übertritt in 2. Verfahrensstufe vor dem Sanctions Board
  • 3. Entscheidungen des Sanctions Board
  • a) Mündliche Verhandlung
  • b) Entscheidungsparameter
  • c) Praktische Erwägungen
  • 4. Vergleichsverhandlungen
  • a) Verfahrensgang
  • b) Einigungsbedingungen
  • 5. Sanktionen
  • a) Sanktionsmöglichkeiten
  • (i) Ausschluss mit optionaler, fristgebundener Aufhebung
  • (ii) Ausschluss mit/ohne bestimmte Dauer
  • (iii) Bedingter Verzicht eines Ausschlusses
  • (iv) Dauerhafter Ausschluss
  • (v) Öffentliche schriftliche Rüge
  • (vi) Restitution
  • (vii) Sonstige Faktoren bei Bemessung der Sanktion
  • b) Erschwerende und mildernde Umstände
  • (i) Erschwerende Umstände
  • (ii) Mildernde Umstände
  • c) Sanktionierung von verbundenen Unternehmen
  • (i) Generelle Prinzipien
  • (ii) Widerlegbare Vermutungen
  • (iii) Rechte von verbundenen Unternehmen unter dem Sanktionsregime
  • (iv) Rechte von Rechtsnachfolgern unter dem Sanktionsregime
  • d) Cross Debarment
  • e) Blacklisting
  • f) Sonstige Auswirkungen
  • (i) Weitergabe von Informationen an nationale Behörden
  • (ii) Reputationsschäden
  • (iii) Schädigung von Geschäftsbeziehungen zu Dritten
  • (iv) Wettbewerbsbeschränkende Wirkungen
  • g) Zwischenfazit
  • X. Kritik
  • 1. Bestimmtheit der Sanktionstatbestände
  • 2. Sanktionen nur bei Gefahr für Weltbank-Investitionen
  • 3. Verteidigung und freiwillige Offenlegung nur für wohlhabende Auftragnehmer
  • 4. Reputationsschutz vs. Projektleistung
  • XI. Zwischenfazit
  • F. Analyse und Bewertung des Sanktionssystems
  • I. Einordnung des Sanktionssystems im Gefüge verschiedener selbstregulatorischer Ansätze
  • 1. Eigenständige Festsetzung von Verhaltensvorgaben
  • 2. Außenwirkung
  • 3. Fehlende Normvorgaben auf internationaler Ebene
  • 4. Akzeptanz durch Behörden und Gerichte
  • 5. Zwischenfazit
  • II. Vorteile insbesondere internationaler Selbstregulierung
  • III. Das Sanktionssystem als Modellverfahren für weitere Privatisierungsbestrebungen
  • 1. Rechtsstaatliches Verfahren
  • 2. Internationalität
  • 3. Spezialisierung
  • 4. Anwendung auf andere Sachverhalte und Rechtsgebiete
  • 5. Beispielhafte Anwendung auf den „Diesel-Skandal“
  • G. Fazit
  • H. Literaturverzeichnis

←16 | 17→

A. Einleitung – Privatisierung im Strafrecht1

Das moderne Strafrecht befindet sich in vielen Bereichen in tiefgreifendem Wandel. Insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass gesellschaftliche und technische Entwicklungen2 fortlaufend neue Probleme aufwerfen, derer man – vermeintlich – nur mit neuen Strafgesetzen3 oder der Ausweitung des Anwendungsbereichs bestehender Normen habhaft werden kann.4 Hinzu tritt, dass die Zahl zu beachtender internationaler Vorgaben stetig steigt5 und zunehmend auch außerstrafrechtliche Sanktionen drohen.6 Diese Komplexität und ←17 | 18→Kompliziertheit“7 des Wirtschaftsstrafrechts hat zu einer zunehmenden Privatisierung des Strafrechts, u.a. durch die Etablierung von Compliance-Maßnahmen“,8 geführt, um den unübersichtlichen Anforderungen gerecht werden zu können.9 Dies zeigt, dass zunehmend Private in die Aufklärung und Verfolgung strafrechtlicher Sachverhalte drängen, sodass der Staat nicht mehr als alleiniger „in den entscheidenden Fragen zuständige[r] Moralunternehmer“10 tätig wird.

Der Begriff der Privatisierung hat dabei eine schillernde und vielgestaltige Rolle, auch und weil eine genaue Definition nicht möglich ist.11 Grundsätzlich meint Privatisierung eine Bewegung weg von staatlichen hin zu privaten Strukturen.12 Um nur ein paar der insoweit relevanten Themen zu nennen, sei auf die Diskussionen rund um private Kriminalitätsprävention durch Sicherheitsdienste und Criminal Compliance,13 Alternativen zur Verfolgung strafrechtlicher Sachverhalte und deren Bestrafung durch staatliche Justiz, die Privatisierung von ←18 | 19→Ermittlungsverfahren14 sowie die Teilprivatisierung der Unterbringung Strafgefangener15 verwiesen.16

Es ist zu beobachten, dass die Aufklärung und Verfolgung strafrechtlicher Sachverhalte zunehmend auf nichtstaatliche Akteure ausgelagert wird.17 Dies ist teilweise gesetzgeberisch motiviert, resultiert aber auch aus einem Bedürfnis Privater nach mehr Rechtssicherheit und sachgerechteren Entscheidungen in vor allem speziellen und komplexen Wirtschaftsbereichen.18 Schon seit Jahren nimmt diese Bewegung, auch „Privatisierung der Strafverfolgung“19 tituliert, ihren Lauf. Sie begann mit der Integration Privater in Gesetzgebung und Ermittlungsverfahren.20 Insbesondere ←19 | 20→die Unterstützung nationaler Verfolgungsorgane durch sogenannte Internal Investigations, die durch den Normadressaten selbst und ohne explizite Rechtsgrundlage durchgeführt werden, wird immer alltäglicher.21 Diese finden vor allem in größeren Wirtschaftsstrafverfahren und innerhalb großer Unternehmen, die eigene Abteilungen zur Aufklärung von Unregelmäßigkeiten etabliert haben, auch außerhalb laufender Verfahren statt. Die in diesen Konstellationen auftretenden Sachverhalte sind meist komplex und die Aufklärung von Fehlverhalten entsprechend aufwändig. Seitens der Staatsanwaltschaften wird – insbesondere wegen der dort vorherrschenden Ressourcenknappheit – diese Form der „Unterstützung“ gern angenommen.22

Insgesamt ist zu konstatieren, dass bei komplexen Sachverhalten des Wirtschaftsstrafrechts eine Kontrolle, Überwachung und Verfolgung durch den Staat nicht mehr in umfassendem Maße gewährleistet werden kann und damit eine Verlagerung dieser Aufgaben auf Unternehmen einhergeht.23 Dies wird verstärkt durch die Effekte einer international verzweigten Wirtschaft, die komplexe Produktionsabläufe und Verantwortlichkeitsstrukturen mit sich bringt.24

Die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten erfährt durch diese Entwicklung erneut drastische Veränderungen. Dabei liegt der Beginn der staatlichen Aufklärung und Sanktionierung von Straftaten durch Unternehmen noch gar nicht so lange zurück. Erst ab den 1990er Jahren, mit Verfahren wie dem Contergan-Komplex,25 der Lederspray-Entscheidung,26 dem Urteil zum „Nationalen Verteidigungsrat“27 sowie der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung von Bankkunden,28 kam dieser Teilbereich des Strafrechts in den Fokus von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten. Diese Bewegung hin zur verstärkten Verfolgung von Straftaten durch Unternehmen erfährt durch die beschriebenen Privatisierungstendenzen der letzten Jahre mithin erneut eine Kehrtwende. Diese bedeutet allerdings keine Abwendung von der Verfolgung von ←20 | 21→Wirtschaftsstraftaten, sondern eine Verlagerung der Anstrengungen vom Staat hin zu Privatakteuren.

←21 | 22→

1 Saliger, FS Schmidt, S. 215; Theile, JuS 2017, S. 913 (914).

2 So hat etwa die rasante Digitalisierung der letzten Jahre Phänomene wie Cyber-Crime hervorgebracht. Aber auch alltägliche Produkte werden technisch immer komplexer, wie sich beispielhaft im Diesel-Skandal anhand der technischen Feinheiten der sogenannten Abschaltautomatik und der diese steuernden Software zeigt. Vgl. hierzu exemplarisch „Das Bauteil, das VW ins Wanken bringt“, Welt vom 27.09.2015; „So funktionierte die Schummelsoftware von VW“, Welt vom 29.12.2015; „Wie Daimlers Abschaltvorrichtungen Abgase sauber tricksen“, Handelsblatt vom 16.8.2018. Diese technische Entwicklung und Großskandale wie der "Diesel-Skandal" führen dazu, dass Unternehmen ihre Compliance-Management-Systeme auch in technischer Hinsicht verstärkt ausbauen werden, vgl. Grützner/Boerger/Momsen, CCZ 2018, S. 50 (59). So hat wurde etwa das Compliance-Management-System von Daimler 2017 um den Punkt technical Compliance Management System erweitert, vgl. Daimler Nachhaltigkeitsreport 2017, S. 81.

3 So schon Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, S. 9. Vergleiche zur Entwicklung umfassend Dannecker/Bülte in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Kap. Teil D Rn. 56 ff. Siehe auch zu „Pönalisierungstendenzen“ Ufer in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, Dritter Teil Rn. 2, 6 ff.

4 Ufer in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, Dritter Teil Rn. 7 ff. zur Ausdehnung von § 263 StGB im Bereich des Internets und in Bezug auf die Finanzkrise (strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bankberatern und der Managementebene von Bankinstituten).

5 Beispielhaft seien hier der FCPA (siehe hierzu umfassend Rübenstahl, NZWiSt 2012, S. 401; Spehl/Grützner, CCZ 2013, S. 198), der UK Bribery Act (hierzu aktuell Hugger/Pasewaldt, RIW 2018, S. 115) und das Loi Sapin 2 (siehe hierzu Schumacher/Saby, CCZ 2017, S. 68) genannt. Siehe auch Rotsch in: ders., Criminal Compliance, § 1 Rn. 15.

6 Ufer in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, Dritter Teil Rn. 14. Ein solches außerstrafrechtliches Sanktionsmodell ist insbesondere das in dieser Arbeit behandelte Sanktionssystem der Weltbankgruppe, welches sich ähnlich mittlerweile bei sämtlichen großen Entwicklungsbanken findet, vgl. hierzu E.VI.

7 Rotsch in: ders., Criminal Compliance, § 1 Rn. 8.

8 Zum Begriff „Compliance“ siehe Bock, ZIS 2009, 68; ders., Criminal Compliance, S. 19; Rotsch in: ders., Criminal Compliance, § 1 Rn. 5 f., 8; Hauschka, NJW 2004, S. 257. Es wird auch davon gesprochen, dass es eine Tendenz gibt, „das Strafrecht in Unternehmen zu tragen“, vgl. Warneke, NStZ 2010, S. 312.

9 Berndt in: ders./Theile, Unternehmensstrafrecht, Teil 5 Rn. 640; Hauschka, NJW 2004, S. 257 f.; Schulz, BB 2017, S. 1475.

10 Vgl. Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, S. 57. Siehe auch Theile, JuS 2017, S. 913 (914), der von einer „etatistischen Tradition des Strafrechts“ spricht.

11 Saliger, FS Schmidt, S. 215 (217); Brüning, StV 2008, S. 100 (102), die dort auf die verschiedenen Formen eingeht.

12 Behringer, CB 2018, S. 257; Brüning, StV 2008, S. 100 (102); Saliger, FS Schmidt, S. 215 (218). Zur Frage, inwiefern eine Auslagerung im Bereich der Kriminalprävention (Compliance) verfassungsrechtlich zulässig ist, vgl. Wessing, FS Volk, S. 867 (877 f.). Rotsch spricht von einem Bruch mit dem traditionellen Strafrechtsverständnis im Sinne eines Subordinationsverhältnisses zwischen Staat und Bürger aufgrund der fortschreitenden Kooperation von Staat und Wirtschaft im Bereich Compliance, vgl. ebd. in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 28.

13 Greeve, StraFo 2013, S. 89; Saliger, FS Schmidt, S. 215, 219; vgl. auch Majtan, The George Washington International Law Review, Vol. 45, No. 2 (2013), S. 291 (297).

14 Beukelmann, NJW-Spezial 2008, S. 280; Brunhöber, GA 2010, S. 571; Brüning, StV 2008, S. 100.

15 Beukelmann, NJW-Spezial 2008, S. 280.

16 Saliger, FS Schmidt, S. 215.

17 Kuhlen, FS Hassemer, S. 875; Saliger, FS Schmidt, S. 215, 222; Wessing, FS Volk, S. 867; vgl. auch Gruner in: Pontell/Geis, International Handbook of White-Collar and Corporate Crime, S. 279 f., 290 ff., der von Unternehmen als „public trustee for law enforcement within the firm“ spricht.

18 Siehe hierzu im Folgenden unter C. Auch außerhalb des Strafrechts nimmt das Bedürfnis an Selbstregulierung zu. Aufgrund der „rasanten technischen Entwicklung“ sieht es etwa der Verein Selbstregulierung als notwendig an, dass in der digitalen Wirtschaft durch die Bundesregierung ordnungspolitische Eckpunkte gesetzt werden, die „verstärkt auf ein System regulierter Selbstregulierung“ hinwirken, um „einen effektiven Verbraucher- und Datenschutz in der Informationsgesellschaft“ zu gewährleisten (vgl. das Positionspapier des Selbstregulierung Informationswirtschaft e.V., Chancen und Voraussetzungen effektiver Selbst- und Ko-Regulierung zur Förderung des Verbraucherschutzes und des Datenschutzes in der digitalen Welt, S. 3). Siehe ebd., S. 6 f., Ausführungen zu Beispiele erfolgreicher regulierter Selbstregulierung (dort: Ko-Regulierung) im In- und Ausland im Bereich des Verbraucherschutzes und Umweltrechts. Der Koalitionsvertrag 2018 (S. 131) macht sich zum Auftrag Selbstregulation im Bereich von Social Media weiterzuentwickeln, was durch Vorschriften im Netzwerkdurchsetzungsgesetz motiviert werden soll.

19 Vgl. Taschke, NZWiSt 2012, S. 9, 89. Kölbel spricht auch von einem „Deliktsvorsorge- und Deliktsabwicklungsmarkt“, vgl. ebd., MSchrKrim 2008, S. 22 (33).

20 Kuhlen, FS Hassemer, S. 875; Behringer, CB 2018, S. 257 (261); Saliger, FS Schmidt, S. 215 (222); so kann auch auf wichtiges Expertenwissen zurückgegriffen werden, vgl. Rönnau, FS Schmidt, S. 237 (239). Zur Entstehung des Deutschen Corporate Governance Kodex (dem rechtliche Wirkungen aus § 161 AktG zukommen) aus der Initiative des Bundesministeriums der Justiz und der inhaltlichen Erarbeitung durch eine Kommission aus Vertretern der Privatwirtschaft, Sieber, FS Tiedemann, S. 449 (459).

21 Saliger, FS Schmidt, S. 215 (216); Brunhöber, GA 2010, S. 571; vgl. auch Theile, JuS 2017, S. 913 (914).

22 Vgl. Taschke, NZWiSt 2012, S. 9; Greeve, StraFo 2013, S. 89.

23 Wessing, FS Volk, S. 867; Rotsch in: ders., Criminal Compliance, § 1 Rn. 68; vgl. auch Behringer, CB 2018, S. 257 und 261.

24 Wessing, FS Volk, S. 867.

25 LG Aachen 18.12.70 – 4 KMs 1/68, 15–115/67 = JZ 1971, S. 507; Taschke, NZWiSt 2012, S. 9 (11); ders., FS Wessing, 2015, S. 123 (126).

26 BGH 6.7.1990 – 2 StR 549/89 = NStZ 1990, S. 587.

Details

Pages
226
Year
2021
ISBN (PDF)
9783631871140
ISBN (ePUB)
9783631871157
ISBN (MOBI)
9783631871164
ISBN (Hardcover)
9783631862650
DOI
10.3726/b19293
DOI
10.3726/b19324
Language
German
Publication date
2021 (December)
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 226 S.

Biographical notes

Laura Harandt-Wüst (Author)

Laura Harandt studierte Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wo sie auch promovierte. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referendarin absolvierte sie verschiedene Stationen in internationalen und lokalen Wirtschaftskanzleien sowie einen Teil ihrer Ausbildung bei der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile, Chile. Frau Harandt spezialisierte sich zunächst als Rechtsanwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei auf die Beratung von wirtschaftsstrafrechtlichen Mandaten; mittlerweile ist sie als Syndikusrechtsanwältin im Bereich Compliance tätig.

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