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Die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage

unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen Analyse des Rechts

by Tobias Zündorf (Author)
©2021 Thesis 270 Pages

Summary

Die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage ist bislang nicht geklärt. In dieser Arbeit werden allgemeine Kriterien und Maßstäbe der objektiven Schiedsfähigkeit nach deutschem Recht herausgearbeitet. Sodann werden die Besonderheiten des Patents und der Patentnichtigkeitsklage ermittelt und dargestellt. Auf dieser Basis wird untersucht, ob die Patentnichtigkeitsklage nach den zuvor ermittelten Kriterien und Maßstäben schiedsfähig ist. Zuletzt wird die Frage, ob die Patentnichtigkeitsklage schiedsfähig sein sollte, mit den Instrumentarien der ökonomischen Analyse des Rechts untersucht.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Gang der Darstellung und Methodik
  • C. Bedeutung der objektiven Schiedsfähigkeit für das Erkenntnis- und das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren
  • I. Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit
  • II. Objektive Schiedsfähigkeit – Zuständigkeit – Schiedsvereinbarung
  • III. Schiedsfähigkeitsstatut bei internationalen Schiedsverfahren
  • 1. Besonderheiten bei internationalen Schiedsverfahren
  • 2. Rechtliche Lage in Deutschland
  • a) Kumulative Anwendbarkeit weiterer Regelungen und Verhältnis zum Schiedsvereinbarungsstatut
  • b) Stellungnahme
  • IV. Entscheidung über die objektive Schiedsfähigkeit im Schiedsverfahren und vor staatlichen Gerichten
  • 1. Rechtsfolgen der Schiedsunfähigkeit
  • 2. Prüfung durch Schiedsgericht / Kompetenz-Kompetenz / Präklusion
  • 3. Gerichtliche Prüfung im Erkenntnisverfahren
  • a) Entscheidung im Patentnichtigkeitsverfahren
  • b) Entscheidung nach § 1032 Abs. 1 ZPO
  • aa) Kein Schiedsgericht angerufen
  • bb) Schiedsgericht ebenfalls angerufen
  • (1) Objektive Schiedsfähigkeit gegeben
  • (2) Objektive Schiedsfähigkeit nicht gegeben
  • c) Entscheidung nach § 1032 Abs. 2 ZPO
  • d) Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO
  • e) Teleologische Reduktion der Monatsfrist, § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO
  • 4. Gerichtliche Prüfung im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach §§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 a), 1060 Abs. 2 ZPO
  • 5. Zwischenergebnis
  • V. Art. V UNÜ
  • 1. Regelungstechnik des UNÜ
  • 2. Regelungsinhalt Art. V Abs. 2 (a) UNÜ
  • 3. Auswirkungen auf nationales Recht
  • VI. Ergebnis
  • D. Voraussetzungen der objektiven Schiedsfähigkeit im Allgemeinen und Auslegung von § 1030 ZPO
  • I. Auslegung von § 1030 ZPO
  • 1. Historische Entwicklung der objektiven Schiedsfähigkeit
  • 2. Überblick zur Entstehungsgeschichte von § 1030 ZPO
  • 3. Wortlaut und Konzeption der Regelung
  • a) Vermögensrechtlicher Anspruch
  • b) Vergleichsberechtigung hinsichtlich der Streitigkeit
  • aa) Dispositionsbefugnis nach altem Recht
  • (1) Materiell-rechtlicher Ansatz
  • (2) Prozessualer Ansatz und Theorie der objektiven Verfügbarkeit
  • bb) Zu § 1030 ZPO
  • c) Zwischenergebnis zu § 1030 Abs. 1 ZPO
  • d) Schiedsunfähigkeit nach § 1030 Abs. 3 ZPO
  • 4. Zwischenergebnis zur Auslegung von § 1030 ZPO
  • II. Privatautonomie als Ausgangspunkt der objektiven Schiedsfähigkeit
  • 1. Das Verständnis von Privatautonomie
  • a) Verhältnis zur Parteiautonomie
  • b) Verfassungsrechtliche Grundlagen
  • c) Zivilrechtliche Perspektive und Vertragsfreiheit
  • aa) Grundlagen
  • bb) Rechtlicher Rahmen der Vertragsfreiheit
  • cc) Positive und negative Vertragsfreiheit
  • dd) Materiale Richtigkeitsgewähr durch Vertragsschluss
  • ee) Formale und materielle Vertragsfreiheit
  • d) Schlussfolgerungen und Einordnung
  • 2. Die Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit: Ausdruck der Privatautonomie vs. Ersatz gerichtlich hoheitlicher Entscheidungsbefugnisse
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Ordre Public als mögliche Begrenzung der objektiven Schiedsfähigkeit
  • 1. Herleitung, Begriff und Verhältnis zur objektiven Schiedsfähigkeit
  • a) Materieller und verfahrensrechtlicher Ordre Public
  • aa) Materieller Ordre Public
  • bb) Verfahrensrechtlicher Ordre Public
  • b) Ordre Public international / d‘arbitrage?
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • c) Zwischenergebnis und Perspektive
  • 2. Betroffenheit von Rechten der Parteien des Schiedsverfahrens?
  • 3. Betroffenheit von Rechten Dritter?
  • 4. Verzicht auf Ordre Public-Schutz?
  • 5. Der Ordre Public als geeignetes Begrenzungskriterium der Schiedsgerichtsbarkeit?
  • IV. Mögliche Vorteile von Schiedsverfahren – das Bedürfnis nach schiedsrichterlicher Streitbeilegung
  • 1. Verfahrensdauer
  • 2. Kosten
  • 3. Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit
  • 4. Kompetenz des Schiedsgerichts
  • 5. Neutralität
  • 6. Internationale Vollstreckbarkeit
  • 7. Prozessuale Zusammenlegung von Patentverletzungs- und -nichtigkeitsklage
  • 8. Entlastung der Gerichte
  • 9. Zwischenergebnis
  • V. Argumentationsmuster zur objektiven Schiedsfähigkeit in ausgewählten Rechtsgebieten
  • 1. Kartellrecht
  • a) Rechtliche Entwicklung
  • b) Die Entwicklung des Meinungsstandes
  • aa) Ausgangspunkt
  • bb) Mitsubishi-Entscheidung
  • cc) Entwicklung in Deutschland – Abschaffung § 91 Abs. 1 S. 1 GWB a.F.
  • c) Einordnung
  • 2. Beschlussmängelstreitigkeiten
  • a) Rechtliche Entwicklung
  • aa) „Schiedsfähigkeit I“
  • bb) „Schiedsfähigkeit II“
  • cc) „Schiedsfähigkeit III“
  • b) Die Entwicklung des Meinungsstandes
  • c) Einordnung
  • 3. Zwischenergebnis
  • VI. Ergebnis
  • E. Die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage de lege lata
  • I. Der Meinungsstand und dessen Entwicklung
  • 1. Gesetzesbegründung
  • 2. Exkurs: Rechtliche Qualifikation von Gesetzesbegründungen
  • 3. Schiedsunfähigkeit
  • 4. Schiedsfähigkeit
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Das Recht in der Schweiz und den USA
  • 1. Schweiz
  • a) Art. 177 Abs. 1 IPRG
  • b) Stellungnahme des Schweizer Marken- und Patentamts
  • c) Wirkungsweise
  • 2. USA
  • a) Mitsubishi v. Soler
  • b) 35 USC § 294 (Patent Act) – Inter-partes-Wirkung
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Spezifika des Patents und der Patentnichtigkeitsklage
  • 1. Das Patent
  • a) Ausgangspunkt: Das Patent als Eigentumsrecht
  • aa) Inhalt und Reichweite von Eigentumsrechten
  • bb) Die Disponibilität von Eigentum und dessen Grenzen
  • cc) Einordnung und Zwischenergebnis
  • b) Das Patent als Verwaltungsakt
  • c) Exkurs: Schiedsfähigkeit verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten
  • d) Überblick über die Entstehungsgeschichte des Patentschutzes
  • e) Territorialität als prägendes Prinzip
  • f) Modifizierte Territorialität: Europäisches Einheitspatent und einheitliches Patentgericht
  • g) Die Entstehungsgrundlage des Patents
  • h) Wirkungsweise und Reichweite des Patents
  • i) Übertragbarkeit und wirtschaftliche Nutzbarkeit
  • aa) Gesamtrechtsnachfolge
  • bb) Einzelrechtsnachfolge
  • cc) Lizenzierung
  • dd) Zwischenergebnis
  • j) Begründung/Rechtfertigung des Patentschutzes
  • aa) Vier Theorien nach Machlup/Penrose zur Rechtfertigung
  • (1) Die Naturrechts- und Eigentumstheorie
  • (2) Die Belohnungstheorie
  • (3) Die Anspornungstheorie
  • (4) Die Offenbarungs- bzw. Vertragstheorie
  • bb) Ökonomische Begründung von Patentschutz
  • k) Zwischenergebnis und Bezug zur objektiven Schiedsfähigkeit
  • 2. Die Patentnichtigkeitsklage
  • a) Rechtsnatur der Patentnichtigkeitsklage
  • b) Verhältnis zum Einspruchsverfahren
  • c) Verhältnis zur Verletzungsklage
  • d) Zuständigkeits- und Verfahrensfragen
  • aa) Erste Instanz, Bundespatentgericht
  • bb) Zweite Instanz, Bundesgerichtshof
  • e) Nichtigkeitsgründe, § 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1-4 PatG
  • f) Amtsermittlungsgrundsatz, § 87 Abs. 1 PatG
  • g) Rechtsfolgen
  • h) Zwischenergebnis und Bezug zur objektiven Schiedsfähigkeit
  • 3. Zwischenergebnis
  • IV. Rechtswirkungen des Schiedsspruchs
  • 1. Die Rechtskraft des Schiedsspruchs
  • a) Rechtskraft zivilgerichtlicher Urteile
  • b) § 1055 ZPO
  • c) Berücksichtigung des Schiedsspruchs als Einrede und Disponibilität
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Ordre Public-Verstoß bei Inter-partes-Wirkung
  • a) Abweichung von objektiver Rechtslage gegenüber Dritten
  • b) Abweichender Streitgegenstand bzw. Anspruch?
  • 3. Wirkung erga omnes
  • a) Gestaltungswirkung des Schiedsspruchs
  • b) Betroffenheit der Rechte Dritter
  • c) § 30 Abs. 1 S. 2 PatG und die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens
  • aa) Anwendbarkeit im Schiedsverfahren
  • bb) Konkurrenzverhältnis zur Vertraulichkeit im Schiedsverfahren
  • (1) Anzeige der Nichtigerklärung
  • (2) Anzeige der Erhebung der Nichtigkeitsklage
  • d) Zwischenergebnis
  • 4. § 1053 ZPO – der Vergleich vor dem Schiedsgericht
  • a) Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut und die Erga-omnes-Wirkung
  • b) Der Ordre Public-Vorbehalt aus § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO
  • c) Zwischenergebnis zu § 1053 ZPO
  • 5. Lösung nach § 894 S. 1 ZPO?
  • a) Anwendbarkeit im Schiedsverfahren
  • b) Wirkungsweise der Norm
  • c) Stellungnahme
  • 6. Zwischenergebnis
  • V. Ergebnis
  • F. Ökonomische Analyse der Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage
  • I. Ausgangspunkt einer ökonomischen Betrachtung
  • 1. Methodologischer Individualismus und Verhaltensökonomik
  • 2. Effizienz
  • a) Pareto-Effizienz
  • b) Kaldor-Hicks-Kriterium
  • c) Coase-Theorem
  • 3. Vollständige und unvollständige Verträge
  • II. Minimierung sozialer Kosten
  • 1. Schiedsunfähigkeit als Reaktion auf unvollständigen Vertrag?
  • 2. Schiedsunfähigkeit als staatlicher Eingriff zur Überwindung von Marktversagen
  • a) Schiedsfähigkeit als „Urzustand“
  • aa) Privatautonomie als Grundlage
  • bb) Bindungswirkung von Schiedsklauseln
  • cc) Begründungsbedürftigkeit von Schiedsunfähigkeit
  • dd) Zwischenergebnis
  • b) Regulierungsmechanismus der Schiedsunfähigkeit
  • aa) Das Verbot im ökonomischen Sinn
  • bb) Sanktionsbewehrtheit?
  • (1) Angreifbarkeit bzw. mangelnde Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs
  • (2) Moral Hazard bei unterliegender Partei
  • c) Marktversagen?
  • d) Zwischenergebnis
  • 3. Vergleich der sozialen Kosten von Schiedsfähigkeit und Schiedsunfähigkeit
  • a) Soziale Kosten der Schiedsfähigkeit
  • aa) Entscheidung privater Schiedsrichter über (teilweise) öffentliche Rechtspositionen?
  • bb) Verminderung der positiven Externalität der Rechtsfortbildung
  • (1) Rechtsfortbildung durch staatliche Gerichte
  • (2) Rechtsfortbildung durch Schiedsgerichte
  • (3) Anreize zum Betreiben von Rechtsfortbildung?
  • (a) Staatliche Richter
  • (b) Private Richter bzw. Schiedsgerichte
  • (c) Stellungnahme zur Analyse der Anreize
  • (4) Zwischenergebnis
  • cc) Potentielle Mehrfachprozesse wegen fehlender Anzeige nach § 30 Abs. 1 S. 2 PatG
  • dd) Soziale Kosten bei Inter-partes-Wirkung des Schiedsspruchs
  • (1) Wegfall der positiven Externalität durch Beseitigung eines rechtswidrigen Patents
  • (2) Prozessunökonomische Mehrfachprozesse bei Inter-partes-Wirkung
  • b) Soziale Kosten der Schiedsunfähigkeit
  • aa) Potentielle Vorteile von Schiedsverfahren nicht nutzbar / unvollständiger Vertrag
  • bb) Keine Effizienzgewinne infolge Wettbewerbs zwischen Gericht und Schiedsgericht
  • (1) Effizienzgewinne durch Spezialisierung
  • (2) Effizienzgewinne durch Verhaltenssteuerung
  • (3) Zwischenergebnis
  • cc) Schiedsverfahren als Verhandlungslösung
  • dd) Wert eines Patents reduziert
  • (1) Schiedsunfähigkeit als Nebenbedingung des Maximierungsproblems des Patentinhabers
  • (2) Wert des Patents in der Verfügungsrechtetheorie
  • c) Kosten-Nutzen-Betrachtung der Justiz und Schiedsfähigkeit
  • aa) Kosten-Nutzen-Modell der Justiz
  • bb) Kosten-Nutzen-Analyse im Falle der Schiedsfähigkeit
  • (1) Nutzen
  • (2) Kosten
  • cc) Verzerrungen und Fehlanreize aus Quersubventionierung
  • dd) Zwischenergebnis
  • III. Ergebnis
  • G. Gesamtergebnis
  • Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit konnte sich im modernen Wirtschaftsleben neben der staatlichen Gerichtsbarkeit fest etablieren und erfreut sich auch heute noch wachsender Bedeutung. Wenngleich privat organisierte Streitbeilegungsmechanismen die menschliche Zivilisation von Beginn an begleitet haben,1 so wurden durch die nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit spezifische Formen der Streitbeilegung gefunden, die eine große Erfolgsgeschichte hingelegt haben. Insbesondere die internationale Schiedsgerichtsbarkeit konnte durch das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, das „UNÜ“, große Anerkennung gewinnen und sich in weiten Teilen des Wirtschaftslebens als Streitbeilegungsmechanismus etablieren.

Die objektive Schiedsfähigkeit setzt die sachlichen Grenzen, innerhalb derer sich die Schiedsgerichtsbarkeit bewegen kann. Es geht darum, die Reichweite der exklusiven Streitbeilegungsbefugnis durch staatliche Gerichte festzulegen. Auf welcher Basis diese Abgrenzung erfolgt, bzw. erfolgen sollte, ist nicht allgemein geklärt und es werden hierzu verschiedene Ansatzpunkte diskutiert und vertreten.

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist im Stadium der Vollstreckung von Schiedssprüchen von staatlichen Gerichten abhängig, die mit hoheitlicher Gewaltbefugnis ausgestattet sind. Deshalb ist die Schiedsgerichtsbarkeit darauf angewiesen, dass die Schiedssprüche, die sie „produziert“, staatlicherseits anerkannt werden. Hierbei besteht die Besonderheit, dass insbesondere die Rechtsordnung, in welcher vollstreckt werden soll, von Interesse ist, und nicht zwingend diejenige, in deren Territorium möglicherweise in Abwesenheit eines Schiedsverfahrens das örtlich zuständige Gericht belegen wäre.

Die Eckpunkte des sachlichen Rahmens der Schiedsgerichtsbarkeit, die durch die verschiedenen Beurteilungen der objektiven Schiedsfähigkeit gesetzt werden, sind keineswegs trivial; so ist die Beurteilung der objektiven Schiedsfähigkeit bestimmter Arten von Streitigkeiten nach wie vor umstritten. Auch die jeweiligen Begründungen bzw. Rechtfertigungen zu den jeweiligen Positionen der objektiven Schiedsfähigkeit bzw. Schiedsunfähigkeit einer Art von Streitigkeit fallen sehr unterschiedlich, uneinheitlich und vielschichtig aus.

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Auch die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage ist nach wie vor umstritten, wobei sich in jüngerer Zeit die Stimmen gemehrt haben, die die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage befürworten.2 Die bisher vorhandenen monografischen Auseinandersetzungen hierzu haben überwiegend bzw. schwerpunktmäßig auf Basis dogmatischer Überlegungen und vor allem durch Gegenüberstellungen der objektiven Schiedsfähigkeit in verschiedenen Rechtsgebieten, aber auch durch rechtsvergleichende Betrachtungen, eine Beurteilung der Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage vorgenommen.3

In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt hingegen darauf, allgemeine rechtliche Kriterien, die für oder gegen die objektive Schiedsfähigkeit sprechen, herauszuarbeiten und zu untersuchen. Hierdurch sollen Maßstäbe erarbeitet werden, an denen die Frage, ob ein bestimmter Streitgegenstand schiedsfähig ist oder sein sollte, auszurichten ist. An diesen Kriterien bzw. Maßstäben soll sodann die Patentnichtigkeitsklage bzw. das Patent, als Recht, über dessen Wirksamkeit befunden werden soll, gemessen werden. Aus diesem Grund werden auch die insoweit relevanten Merkmale bzw. Ausprägungen der Patentnichtigkeitsklage und des Patents herausgearbeitet und untersucht, ob diese der Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage entgegenstehen. Im Zusammenhang der Ausarbeitung der Abgrenzungsmerkmale für die objektive Schiedsfähigkeit ist ferner auch das letzte Kapitel zur ökonomischen Analyse der objektiven Schiedsfähigkeit zu sehen – auch hier werden Maßstäbe für und wider objektive Schiedsfähigkeit entwickelt und sodann auf den Fall der Patentnichtigkeitsklage angewendet. Soweit ersichtlich, hat es eine Anwendung der Instrumentarien der ökonomischen Analyse des Rechts auf die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit (der Patentnichtigkeitsklage) bislang nicht gegeben.


1 Vgl. Kap. D. I. 1.

2 Ausführliche Darstellung des Meinungsstandes in Kap. E. I.

3 Zum Beispiel Holzner, Die objektive Schiedsfähigkeit; Baumann, Patentstreitigkeiten; Barber, Objektive Schiedsfähigkeit; Schulze, Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit; Frost, Schiedsgerichtsbarkeit, mit insbesondere rechtsvergleichenden Untersuchungen; Kaneko, EU-Einheitspatent, nimmt insbesondere schiedsrechtliche, aber auch patentrechtliche Besonderheiten in den Blick und bezieht die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit letztlich auf das EU-Einheitspatent.

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B. Gang der Darstellung und Methodik

Im ersten inhaltlichen Kapitel4 wird die Bedeutung der objektiven Schiedsfähigkeit für das Erkenntnis- und das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren untersucht. Hierbei wird herausgearbeitet, in welcher Weise und in welchen prozessualen Konstellationen sich die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit stellen kann und was hierbei jeweils zu berücksichtigen ist.

Im zweiten inhaltlichen Kapitel5 werden die Voraussetzungen der objektiven Schiedsfähigkeit im Allgemeinen untersucht. Soweit dies aus Gründen der Darstellung geboten ist, werden hinsichtlich der gefundenen Ergebnisse bereits in diesem Kapitel vereinzelt Bezüge zur Patentnichtigkeitsklage hergestellt. In diesem Kapitel wird zunächst § 1030 ZPO ausgelegt. In einem weiteren Schritt wird untersucht, inwieweit die Privatautonomie die Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit darstellt und welche Implikationen dies für die objektive Schiedsfähigkeit und deren Grenzen hat. Sodann wird der Ordre Public als mögliche Begrenzung der Schiedsgerichtsbarkeit – und damit auch der objektiven Schiedsfähigkeit – in den Blick genommen. Im Weiteren werden mögliche Vorteile von Schiedsverfahren gegenüber gerichtlichen Verfahren ermittelt und dargelegt, inwieweit generell ein Bedürfnis nach schiedsrichterlicher Streitbeilegung besteht. In einem letzten Schritt werden die beiden wohl prominentesten (ehemaligen) Streitfälle zur objektiven Schiedsfähigkeit – Kartellstreitigkeiten und Beschlussmängelstreitigkeiten – dahingehend untersucht, anhand welcher Kriterien in diesen Rechtsgebieten die objektive Schiedsfähigkeit verneint beziehungsweise bejaht wurde oder wird. Hieraus sollen generelle Kriterien für oder gegen die objektive Schiedsfähigkeit abgeleitet werden.

Im dritten inhaltlichen Kapitel6 wird die Patentnichtigkeitsklage de lege lata nach deutschem Recht untersucht. Im Sinne einer Bestandsaufnahme wird zunächst der Meinungsstand um die objektive Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage dargestellt. Sodann wird die entsprechende Rechtslage in der Schweiz und in den USA skizziert, da in diesen beiden Rechtsordnungen die Patentnichtigkeitsklage jeweils auf unterschiedliche Weise als schiedsfähig gilt und die dort gefundenen Lösungen als Referenzen für eine Lösung nach ←21 | 22→deutschem Recht herangezogen werden können. Im Folgenden werden die Besonderheiten und Spezifika des Patents und der Patentnichtigkeitsklage herausgearbeitet und es wird jeweils untersucht, ob diese einer Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage – auf Basis der im zweiten inhaltlichen Kapitel herausgearbeiteten Maßstäbe und Kriterien – entgegenstehen. In einem letzten Schritt werden die Rechtswirkungen des Schiedsspruchs mit Blick auf die Patentnichtigkeitsklage untersucht.

Im letzten inhaltlichen Kapitel7 der Arbeit wird die Frage der Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage mit den Mitteln der ökonomischen Analyse des Rechts untersucht. Insoweit werden die in den vorherigen Kapiteln gefundenen Ergebnisse im Sinne einer „Kontrollüberlegung“ auch mit den Instrumentarien der ökonomischen Analyse des Rechts geprüft. Hierbei werden zunächst die sozialen Kosten der Streitbeilegung im Falle der Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage denen der Streitbeilegung im Falle der Schiedsunfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage herausgearbeitet und dann gegenübergestellt. Sodann findet eine Einordnung der Frage der objektiven Schiedsfähigkeit in ein Kosten-Nutzen-Modell der Justiz statt. Hierauf fußend erfolgt abschließend eine Stellungnahme zur Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage aus rechtsökonomischer Perspektive.


4 Kap. C.

5 Kap. D.

6 Kap. E.

7 Kap. F.

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C. Bedeutung der objektiven Schiedsfähigkeit für das Erkenntnis- und das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

In diesem Kapitel wird erarbeitet und dargestellt, in welchen prozessualen Konstellationen die objektive Schiedsfähigkeit in den verschiedenen Stadien von Erkenntnis- bzw. Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren in Erscheinung treten kann und welche Bedeutung sie in diesen Abschnitten jeweils hat. Hierbei ist grundlegend danach zu differenzieren, ob die Prüfung der objektiven Schiedsfähigkeit durch das angerufene Schiedsgericht vorzunehmen ist oder durch ein staatliches Gericht. Vorab erfolgen einige klarstellende Erläuterungen zum (begrifflichen) Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit sowie dem Schiedsfähigkeitsstatut bei internationalen Streitigkeiten. Abschließend wird noch auf die Bedeutung des UNÜ im Kontext der Beurteilung der objektiven Schiedsfähigkeit eingegangen.

I. Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit

In der Diskussion von Fragen zur objektiven Schiedsfähigkeit wird der Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit begrifflich nicht einheitlich bezeichnet. Das Gesetz spricht in § 1030 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO von einem „Anspruch“ als Anknüpfungspunkt für die objektive Schiedsfähigkeit. In der Literatur findet sich zudem teilweise der Begriff „Streitigkeiten“, was auch von dem angelsächsischen Verständnis der „Arbitrability“, und hierbei dem Bezugspunkt der „disputes“, geprägt zu sein schein;8 zudem spiegelt sich dieses Verständnis in § 1030 Abs. 2 S. 1 ZPO („Rechtsstreitigkeiten“) und Abs. 3 („Streitigkeiten“) wider. Ferner ist der Begriff des „Streitgegenstandes“, wohl in seinem zivilprozessualen Verständnis des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs, anzutreffen; hieran knüpfen auch § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO a.E., § 1059 Abs. 2 Nr. 2 a) ZPO und die deutsche Fassung von Art. V Abs. 2 (a) UNÜ (jeweils „der Gegenstand des Streites“) an.

Eine Klärung des Gebrauchs dieser Termini im Hinblick auf die Qualifizierung eines dieser Begriffe als „richtig“ und der anderen als „falsch“ erscheint an ←23 | 24→dieser Stelle nicht möglich und auch nicht zielführend. In der Praxis stellt sich die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit typischerweise in der Art, dass sich die Frage stellt, ob eine bestimmte „Angelegenheit“, über die man mit der Gegenpartei im Streit liegt, vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden kann, oder ob hierzu zwingend ein staatliches Gericht angerufen werden muss.

Die in § 1030 ZPO gewählte Bezeichnung des „Anspruchs“ deutet auf ein materiell-rechtliches Verständnis des Bezugspunkts der objektiven Schiedsfähigkeit hin, da es sich hierbei nach § 194 BGB um einen legal-definierten materiell-rechtlichen Begriff handelt. Allerdings stellt sich regelmäßig nicht die Frage, ob ein einzelner Anspruch vor einem Schiedsgericht behandelt werden kann, sondern es geht typischerweise um die Streitigkeit über den betreffenden Anspruch bzw. über eine Vielzahl von Ansprüchen. Insbesondere das Beispiel der Patentnichtigkeitsklage zeigt, dass der Anspruch den Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit nicht ganz treffend beschreibt: So begründet ein Patent verschiedene Ansprüche.9 Die Frage ist jedoch weniger, ob diese Vielzahl von Ansprüchen einem Schiedsverfahren zugeführt werden können, als vielmehr, ob die Erklärung der Nichtigkeit des den Ansprüchen zugrundeliegenden Patentes durch ein Schiedsgericht im Rahmen eines Schiedsverfahrens zulässig ist. Die Erklärung eines Patents für nichtig ist jedoch kein Anspruch, sondern aus einer Nichtigerklärung können sich Ansprüche der Parteien gegeneinander ergeben. Der Anknüpfungspunkt des „Anspruchs“ führt daher zu gewissen Unschärfen.

Der Bezugspunkt des Streitgegenstandes in seinem zivilprozessualen Verständnis bestehend aus Lebenssachverhalt und Antrag erscheint dogmatisch am überzeugendsten.10 Denn aus dieser Perspektive ist der Gegenstand der objektiven Schiedsfähigkeit eine prozessuale Frage. So kann gefragt werden: „Kann der konkrete Streitgegenstand, so wie er geltend gemacht werden soll, von einem Schiedsgericht beschieden werden oder nicht?“.

Da sich die Diskussion um entsprechende Streitfälle stets auf Arten von Streitigkeiten bezogen hat und noch bezieht (Patentnichtigkeitsklage, Beschlussmängelstreitigkeiten, bestimmte Kartellstreitigkeiten, etc.), ist jedoch auch das Abstellen auf Streitigkeiten bzw. Arten von Streitigkeiten nicht unsachgerecht.

Nach alledem soll die begriffliche Vielfalt zur Beschreibung des Gegenstandes der objektiven Schiedsfähigkeit an dieser Stelle nicht aufgelöst, sondern lediglich dargestellt werden.

←24 | 25→

II. Objektive Schiedsfähigkeit – Zuständigkeit – Schiedsvereinbarung

Die objektive Schiedsfähigkeit hat eine gewisse innere Verwobenheit mit der Zuständigkeit des Schiedsgerichts und mit der Schiedsvereinbarung (bzw. dessen Reichweite). Überwiegend wird die Schiedsfähigkeit im Rahmen der Zuständigkeit des Gerichts bzw. Schiedsgerichts behandelt oder als separater Prüfungspunkt. Teilweise wird die Schiedsfähigkeit aber auch unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung behandelt.11 Richtigerweise ist die objektive Schiedsfähigkeit im Rahmen der Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu erörtern. Die objektive Schiedsfähigkeit ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung zur Begründung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts. Sie ist daher stets erforderlich, damit die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet werden kann, es bedarf aber noch weiterer Voraussetzungen, wie beispielsweise der wirksamen Unterstellung des Streitgegenstandes unter eine Schiedsabrede, was wiederum unter anderem die subjektive Schiedsfähigkeit12 erfordert. Somit kommt es auf die objektive Schiedsfähigkeit immer nur an, wenn die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet werden soll und die Prüfung ist auch an dieser Stelle vorzunehmen. Gleichermaßen hängt die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung von der Schiedsfähigkeit insoweit ab, als eine Schiedsvereinbarung bei fehlender Schiedsfähigkeit in jedem Fall nichtig ist.13 Die objektive Schiedsfähigkeit ist daher auch für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung notwendige aber nicht hinreichende Bedingung. Da jedoch die objektive Schiedsfähigkeit und eine wirksame Schiedsabrede kumulativ die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründen, sollten sie auch in dieser Reihenfolge als Unterpunkte der Zuständigkeit behandelt werden.

III. Schiedsfähigkeitsstatut bei internationalen Schiedsverfahren

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Anspruch oder eine Streitigkeit schiedsfähig ist, muss bei internationalen Schiedsverfahren zunächst das Recht bestimmt ←25 | 26→werden, nach welchem sich diese Frage bemisst, das Schiedsfähigkeitsstatut. Bei der Klärung dieser Vorfrage sind verschiedene Aspekte zu beachten.

1. Besonderheiten bei internationalen Schiedsverfahren

Bei internationalen Schiedsverfahren gibt es verschiedene Ansätze zur Bestimmung des auf die Schiedsfähigkeit anwendbaren Rechts. Da die Parteien regelmäßig ihren jeweiligen Sitz in unterschiedlichen Rechtsordnungen haben und die Beziehungen der Parteien typischerweise grenzüberschreitenden Charakter haben, ist die Bestimmung des auf die objektive Schiedsfähigkeit anwendbaren Rechts regelmäßig nicht eindeutig und es ergibt sich eine Vielzahl möglicher Lösungswege. Von Lew/Mistelis/Kröll14 werden folgende mögliche Ansatzpunkte relevanter Rechtsordnungen identifiziert:

„1. Das nationale Recht am Sitz der Parteien oder einer Partei.

2. Das Recht, das auf den zugrundeliegenden Vertrag anwendbar ist (lex causae).

3. Das Recht des Landes, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz hat (lex loci arbitri).

4. Das Recht desjenigen Landes, das in Abwesenheit einer Schiedsvereinbarung zuständig wäre.

Details

Pages
270
Year
2021
ISBN (PDF)
9783631871263
ISBN (ePUB)
9783631871270
ISBN (MOBI)
9783631871287
ISBN (Softcover)
9783631857403
DOI
10.3726/b19311
DOI
10.3726/b19359
Language
German
Publication date
2021 (November)
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 270 S.

Biographical notes

Tobias Zündorf (Author)

Tobias Zündorf studierte Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre in Regensburg, Hamburg und London. Er arbeitet derzeit als Rechtsanwalt in Hamburg.

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Title: Die Schiedsfähigkeit der Patentnichtigkeitsklage