Keyseller
Die urheberrechtliche Zulässigkeit des Weiterverkaufs von Produktschlüsseln für Computerspiele im Internet ohne Zustimmung des Rechteinhabers
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhalt
- Abkürzungen
- Einführung
- A. Problemüberblick und Arbeitshypothese
- B. Der Stand von Forschung und Rechtsprechung
- C. Gang der Darstellung
- Teil 1: Keyselling als Vertriebsmodell bei Computerspielen
- A. Entwickler, Publisher, Plattformbetreiber und lizenzierte Händler
- B. Der Vertrieb von Computerspielen
- I. Besonderheiten im „körperlichen“ Erstvertrieb und Herkunft der Produktschlüssel im Computer- spielbereich
- II. Die Funktion der Produktaktivierung über Online-Plattformen
- III. Technische Absicherung des Produktschlüsselvertriebs
- IV. Besonderheiten im digitalen Erstvertrieb
- 1. Spielekauf über Plattformen mit eigener Spieleverwaltung
- 2. Nutzung der Plattform für den Spielebetrieb
- 3. Spielekauf über Plattformen im Internet ohne eigene Spieleverwaltung
- 4. Die „Games-Flat“ als Alternative zum Einzelkauf
- V. „Körperlicher“ Erstvertrieb ohne Datenträger
- VI. Sprachenvielfalt der Computerspiele fördert den globalen Vertrieb
- VII. Preise und Preisentwicklung
- C. Das Geschäftsmodell der Keyseller
- I. Herkunft der Produktschlüssel
- 1. Ausnutzen regionaler Preisunterschiede
- 2. Verkauf von kostenlos erlangten Produktschlüsseln
- 3. Auf anderen Wegen erlangte Produktschlüssel
- a. Diebstahl von Produktschlüsseln
- b. Erwerb von Produktschlüsseln mit gestohlenen Kreditkarten
- c. Identitätstäuschung
- II. Der Verkauf von Produktschlüsseln durch Keyseller
- III. Reaktion: Verkaufsbeschränkungen und Sperrung von Produktschlüsseln
- 1. Gewinneinbußen durch regionale Preisgefälle
- 2. Entgangener Umsatz durch ohne Gewinnmöglichkeit in Verkehr gebrachte Produktschlüssel
- 3. Probleme bei Zahlungen mit gestohlenen Kreditkarten
- 4. Bemühungen zur Schadensreduktion durch Publisher
- 5. Geoblocking zur Sicherung der Verkaufsregionen
- Teil 2: Urheberrechtliche Probleme des Keysellings
- A. Der urheberrechtliche Schutz von Computerspielen
- I. Schutz der audiovisuellen Bestandteile
- 1. Sprachwerke, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
- 2. Musikwerke, § 2 Nr. 2 UrhG
- 3. Werke der bildenden Künste, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG
- 4. Sonstige Werkarten audiovisueller Bestandteile
- II. Das Steuerungsprogramm des Computerspiels i.S.d. §69a UrhG
- III. Schutz der Gesamtheit des Computerspiels
- 1. Kein allgemeiner Schutz als Computerprogramm i.S.d. § 69a ff. UrhG
- 2. Insgesamt Schutz als Filmwerk
- 3. Schutz nach InfoRL und ComputerRL
- IV. Rechtsstellung der Online-Vertriebsplattformen
- B. Betroffene Verwertungshandlungen durch den Weiterverkauf von Produktschlüsseln
- I. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a; § 69c Nr. 4 UrhG
- 1. Die Entscheidung des EuGH zur öffentlichen Wiedergabe von E-Books: Tom Kabinet
- a. Der dem Urteil des EuGH zugrundeliegende Sachverhalt
- b. Die öffentliche Wiedergabe in Abgrenzung zur körperlichen Verbreitung
- c. Das Problem des Öffentlichkeitsmerkmals
- d. Der Vergleich zwischen Keysellern und dem Verkauf von E-Books aus Tom Kabinet
- 2. Die Bereithaltung des Werks zum Abruf durch den Keyseller
- a. Bereithaltung des Werks zum Abruf durch Verkauf von Produktschlüsseln
- b. Bereithaltung des Werks zum Abruf durch Ermöglichung des Downloads
- 3. Das Erfordernis der Öffentlichkeit
- a. Vergleich mit Internet-Videorecordern
- b. Vergleich mit der Öffentlichen Wiedergabe von E-Books
- 4. Zwischenergebnis zur Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19a UrhG durch Keyseller
- 5. Auswirkung der DSM-RL auf die Haftung von Keysellern
- II. Das Vervielfältigungsrecht, § 16 UrhG
- 1. Der Download des Computerspiels einer Online-Plattform als Vervielfältigungshandlung
- 2. Verantwortlichkeit des Keysellers als Veranlasser einer späteren Vervielfältigung
- a. Ansatz des BGH im Fall von Internet-Videorecordern
- b. Der Unterschied zwischen Internet-Videorecordern und Keysellern
- c. Der Ansatz des BGH in UsedSoft II: Störerhaftung
- d. Zwischenstand zur Verantwortlichkeit des Keysellers für die Vervielfältigung nach der Rechtsprechung des BGH
- 3. Einwilligung zur Vervielfältigung durch Bereitstellung des Downloads
- a. Auslegung der Nutzungsbestimmung in Bezug auf die Einwilligung zur Vervielfältigung
- b. Einwilligung zur Vervielfältigung bei der Aktivierung von Produktschlüsseln
- 4. Zwischenergebnis zur unrechtmäßigen Vervielfältigung des Computerspiels durch Keyseller
- III. Das Verbreitungsrecht, § 17 Abs. 1 UrhG
- 1. Die Auslegung des Verbreitungsbegriffs nach dem Wortlaut
- a. § 17 Abs. 1 UrhG im deutschen Urheberrecht: Verbreitung lediglich bei körperlichen Werkstücken
- b. Verbreitung unkörperlicher Werkstücke nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 InfoRL
- c. Völkerrechtskonforme Wortlautauslegung unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 InfoRL
- d. Unionsrechtskonforme Überprüfung der Wortlautauslegung des Art. 4 Abs. 1 InfoRL nach Ansicht des EuGH
- 2. Ungeklärte Fragen bei der Ablehnung der digitalen Verbreitung durch den EuGH bei Werken der InfoRL
- a. Die Intention des europäischen Gesetzgebers bei der Schaffung des Art. 4 der InfoRL
- b. Der Konflikt zwischen InfoRL und ComputerRL bei Mischwerken
- c. Verschiedene Verbreitungsbegriffe im Lichte des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes
- d. Konsequenz für andere multimediale Werke
- 3. Die digitale Verbreitung von Computerspielen durch Keyseller
- a. Die Schwerpunkttheorie
- b. Vorrang der Regeln für Computerprogramme
- c. Die parallele Anwendbarkeit von InfoRL und ComputerRL
- d. Gleiches Ergebnis für alle Theorien zur Rechtsanwendung auf Computerspiele
- 4. Ergebnis zur digitalen Verbreitungsmöglichkeit von Computerspielen
- C. Erschöpfung des Verbreitungsrechts
- I. Die Erschöpfung im Urheberrecht und ihre Voraussetzungen
- 1. Verhältnis des § 69c Nr. 3 S. 2 zur Erschöpfung aus § 17 Abs. 2 UrhG
- 2. Zweck der Erschöpfung des Verbreitungsrechts als Schranke des Urheberrechts
- 3. Voraussetzungen für den Eintritt der Erschöpfungswirkung nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG
- 4. Besondere Voraussetzungen für den Erschöpfungseintritt im digitalen Umfeld i.R.d. ComputerRL
- II. Erschöpfung des Verbreitungsrechts durch den Vertrieb von Produktschlüsseln nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG
- 1. Ausschluss der Erschöpfung bei „Online-Diensten“
- a. Plattformen als Online-Dienst
- b. Keine Relevanz für das Verbreitungsrecht aus § 69c Nr. 3 UrhG
- 2. Auswirkung eines abgeschlossenen Wartungsvertrags auf den Erschöpfungseintritt
- 3. Kein Eintritt der Erschöpfungswirkung bei Vermietung des Computerspiels
- a. Verbleib einzelner Elemente des Spiels auf dem Server des Anbieters
- b. Keine Gestaltung des Nutzungsvertrags als Mietverhältnis
- c. Keine Vermietung des Computerspiels durch Zurückbehaltung einzelner Bestandteile oder lizenzvertragliche Vereinbarung
- 4. Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei Inverkehrbringen des Produktschlüssels mit Datenträger
- a. Inverkehrbringen durch Verkauf von Produktschlüssel und Datenträger mit Zustimmung des Rechteinhabers innerhalb der EU/des EWR
- b. Lizenzaufspaltung durch Trennung von Datenträger und Produktschlüssel
- c. Veräußerung nur in der vorgesehenen Kombination
- d. Zwischenergebnis für den Weiterverkauf von Produktschlüsseln und Datenträger
- 5. Eintritt der Erschöpfungswirkung durch den (digitalen) Vertrieb von Produktschlüsseln
- a. Inverkehrbringen mit Zustimmung des Rechteinhabers und Erstverkauf des Werks innerhalb der EU bzw. des EWR
- b. Besondere Voraussetzungen aus der UsedSoft-Entscheidung
- c. Vorteile des rein digitalen Vertriebs für die Rechteverwaltung
- 6. Eintritt der Erschöpfungswirkung durch kostenlose Weitergabe eines Produktschlüssels
- a. Inverkehrbringen durch Weitergabe des Produktschlüssels mit Zustimmung des Rechteinhabers innerhalb der EU bzw. des EWR
- b. Möglichkeit des Erschöpfungseintritts bei kostenloser Weitergabe
- 7. Eintritt der Erschöpfungswirkung bei auf anderem Weg erlangten Produktschlüsseln
- a. Kein Inverkehrbringen bei Diebstahl des Produktschlüssels vor geplantem Erstverkauf
- b. Erzielen einer Vergütung bei i.R.d. Kreditkartenmissbrauchs veräußerter Produktschlüssel
- c. Absicherungsmöglichkeiten für Rechteinhaber bei gestohlenen oder durch Kreditkartenbetrug erlangten Produktschlüsseln
- d. Eintritt der Erschöpfungswirkung bei durch Identitätstäuschung erlangten Produktschlüsseln
- 8. Kein Ausschluss der Erschöpfung durch territoriale Rechteverteilung
- a. Keine Beschränkung bei Fußballübertragungsrechten: EuGH - Murphy
- b. Keine Parallele zur Refinanzierung von Investitionen durch Kinoaufführung: EuGH – Coditel I
- c. Kartellrechtliche Probleme bei der territorialen Rechteverteilung
- d. Möglichkeit territorialer Rechteverteilung
- e. Keine territorialen Vertriebsbeschränkungen für Computerspiele innerhalb der EU
- 9. Vertrieb von Produktschlüsseln durch Zwischenhändler außerhalb des vertraglichen Preisrahmens
- a. Keine Vertriebsbeschränkung durch urheberrechtliche Mittel bei Eintritt der Erschöpfungswirkung
- b. Beschränkung des Wettbewerbs durch Vertriebsbeschränkungen
- c. Zwischenergebnis zur Zulässigkeit von preisgebundenen Vertriebsvereinbarungen mit Zwischenhändlern
- III. Fazit zum Eintritt der Erschöpfungswirkung bei Verkauf bzw. Weitergabe von Produktschlüsseln durch den Rechteinhaber
- Teil 3: Zusammenfassung und Ergebnis
- A. Ergebnis der Überprüfung der Arbeitshypothese
- I. Untersuchung der Verwertungsrechte
- 1. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
- 2. Das Recht der Vervielfältigung
- 3. Das Verbreitungsrecht
- II. Erschöpfung des Verbreitungsrechts
- 1. Allgemeine Hindernisse für den Erschöpfungseintritt
- 2. Einzelgruppen bei der Produktschlüsselverbreitung
- a. Eintritt der Erschöpfung bei rechtmäßigem Inverkehrbringen
- b. Keine Erschöpfung bei unvergüteter und ungewollter Produktschlüsselveräußerung
- 3. Kein Einfluss auf Zwischenhändler und keine Möglichkeit des Geoblockings in der EU
- B. Probleme der aktuellen Rechtslage: Unsicherheit für alle
- C. Erfordernis konkreter Regelungen für das Verbreitungsrecht im digitalen Umfeld
- I. Digitale Verbreitung für die InfoRL und die ComputerRL
- II. Regelungserfordernis bei Ablehnung der digitalen Verbreitung
- Literaturverzeichnis
- Internetquellen
Abkürzungen
ComputerRL |
Richtlinie 2009/29 EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen |
DSM-RL |
Richtlinie 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG |
Geoblocking-VO |
Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG |
InfoRL |
Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft |
Alle weiteren Abkürzungen entsprechen den Vorschlägen bei Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage 2018.
Einführung
A. Problemüberblick und Arbeitshypothese
Die Games-Branche ist inzwischen zu einem bedeutenden Industriezweig herangewachsen, der allein im Jahr 2020 in Deutschland einen Umsatz von etwa 5,28 Milliarden Euro erwirtschaftet hat.1 Computerspiele richten sich an eine große und vielseitige Gruppe von Konsumenten. Im Jahr 2020 gaben knapp 29 Millionen Menschen in Deutschland an, zumindest gelegentlich Computerspiele zu nutzen.2 Eine Umfrage im selben Jahr zeigt, dass sich Computerspieler über alle Altersgruppen etwa gleichmäßig verteilen (zwischen 14 und 17% ab einer Altersgruppe von 10 Jahren).3 Um ein weit gestreutes Publikum erreichen zu können, werden Spieleproduktionen immer aufwendiger, aber auch teurer. Der Produktionsaufwand stellt zum Teil selbst Hollywood Filmproduktionen in den Schatten.4
Damit Computerspiele auch für die breite Masse an Spielern zu erschwinglichen Preisen vertrieben werden, passen Publisher, die Verleger der Games-Industrie, die Verkaufspreise für Computerspiele an die regionale Kaufkraft des Zielpublikums an und bilden Verkaufsregionen für ihre Spiele. Die Preise für ein und dasselbe Spiel unterscheiden sich deshalb im regionalen Vergleich zum ←19 | 20→Teil in nicht unerheblichem Maße voneinander. Das gilt insbesondere dann, wenn der Preisunterschied durch Wechselkurse verschiedener Währungen noch verstärkt wird. Diese regionale Einteilung wird auch auf dem Gebiet der Europäischen Union vorgenommen.5
Um ein neu erworbenes Spiel überhaupt nutzen zu können, müssen Käufer heute regelmäßig ihre Spielekopie auf einer Internetplattform mithilfe eines in der Spielepackung beiliegenden oder im digitalen Vertrieb übermittelten Produktschlüssels, auch Key genannt, aktivieren. Dadurch wird das dem Key zugehörige Spiel dauerhaft mit dem Account des Käufers verknüpft. Nach dieser Aktivierung ist der Produktschlüssel „verbraucht“ und kann nicht erneut verwendet werden.6 Ein der Spielepackung beiliegender Datenträger ist deshalb weder für die Installation noch für den Spielebetrieb erforderlich.
Keyseller nutzen das Preisgefälle zwischen den Verkaufsregionen und die Art der Spieleaktivierung für ihr eigenes Geschäftsmodell aus: Sie kaufen Computerspiele in Staaten mit günstigen Verkaufspreisen und bieten die den Spielepackungen beiliegenden Produktschlüssel im Internet auf speziellen Vermittlungsplattformen zum Verkauf an.
Ein potenzieller Käufer aus Deutschland hat so die Möglichkeit, durch den Kauf etwa eines polnischen Produktschlüssels den in Deutschland höheren Verkaufspreis zu umgehen und das gleiche Spiel zu einem günstigeren Preis zu erwerben. Es kommt allerdings auch vor, dass gestohlene oder durch Kreditkartenmissbrauch erlangte Produktschlüssel verkauft werden.
Den Publishern wiederrum ist dieses Vorgehen, das Keyselling, ein Dorn im Auge. Sie sehen als Rechteinhaber in dem Weiterverkauf von Produktschlüsseln eine Verletzung ihrer Urheberrechte.
←20 | 21→Diese Arbeit untersucht, ob der von Keysellern betriebene Weiterverkauf von Produktschlüsseln gegen die urheberrechtlichen Verwertungsrechte der Rechteinhaber verstößt, wenn der Verkauf ohne deren Zustimmung erfolgt. Sie überprüft welche der einschlägigen Verwertungsrechte auf den Sachverhalt der Keyseller anwendbar sind und geht dabei insbesondere auf die Problematik der digitalen Verbreitung und der Erschöpfung des Verbreitungsrechts ein.
Sie vertritt die These, dass der Weiterverkauf von Produktschlüsseln für Computerspiele auch im digitalen Umfeld eine Verbreitungshandlung ist, die zu den nach § 69c Nr. 3 UrhG zustimmungsbedürftigen Handlungen zählt. Sofern ein wirksamer Verkauf oder eine vollständige Veräußerung des Computerspiels durch den Rechteinhaber stattgefunden hat, kommt es jedoch zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG, sodass der Weiterverkauf auch ohne Zustimmung des Urhebers erfolgen kann. Deshalb können Keyseller rechtmäßig erlangte Produktschlüssel, ohne Zustimmung des Rechteinhabers weiterveräußern.
B. Der Stand von Forschung und Rechtsprechung
Mit der UsedSoft-Entscheidung7 hat der EuGH die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im Zusammenhang mit dem Weiterverkauf von „gebrauchten“ Softwarelizenzen bejaht. Damit hat er Stellung in einer höchst umstrittenen Problemlage bezogen und zumindest für den unkörperlichen Weiterverkauf von Software zusätzliche Voraussetzungen vorgegeben, die das Zurückbleiben von Vervielfältigungsstücken bei dem Veräußerer verhindern sollen.8
Ob und inwiefern die digitale Erschöpfung des Verbreitungsrechts und deren Kriterien auch auf andere digitale Werke, die nicht oder nicht nur Software sind, angewendet werden können, ist seitdem umstritten.9 Kritiker halten ←21 | 22→die Voraussetzungen der Erschöpfungswirkung im digitalen Umfeld und damit potenziell auch den Vertrieb von Produktschlüsseln für Computerspiele ohne Zustimmung des Rechteinhabers, nicht für anwendbar, wenn es nicht allein um Computerprogramme geht. Vielfach wird auf den Erwägungsgrund 29 der InfoRL verwiesen, in dem die Erschöpfung für „Online-Dienste“ ausgeschlossen wird.10 Ebenso wird angeführt, dass es sich bei der Weitergabe digitaler Inhalte nicht um eine Verbreitung, sondern aufgrund der technischen Gegebenheiten vielmehr um ein Problem der Vervielfältigung11 oder eine öffentliche Zugänglichmachung12 handele. Ob im Rahmen der öffentlichen Zugänglichmachung überhaupt (analog) Erschöpfung eintreten kann ist jedenfalls umstritten und wird von der herrschenden Meinung abgelehnt.13
Eine neuere Entscheidung des EuGH zum Vertrieb gebrauchter E-Books14 hat die Problematik mit Blick auf Werke, die aus Computerprogramm und audiovisuellen Bestandteilen bestehen, verschärft. Denn nun stellt sich die Frage, wie mit solchen hybriden Werken umgegangen werden soll, deren Computerprogrammanteil nicht bloßes „Beiwerk“, sondern essenzieller Bestandteil des Werkes ist.15 Insbesondere der in dieser Arbeit aufgegriffenen Fragestellung des Verkaufs von Produktschlüsseln im Zweitvertrieb kam bisher nur wenig ←22 | 23→Aufmerksamkeit zu.16 Die meisten Ausführungen beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Erschöpfungseintritt ohne näher auf die Zuordnung der Weiterverkaufshandlung des Keysellers zum Verbreitungsrecht einzugehen.
C. Gang der Darstellung
Die Arbeit ist in drei Teile eingeteilt. Im ersten Teil wird der für die Fragestellung relevante Sachverhalt näher aufgearbeitet. Er enthält einen Einblick in die Vertriebsformen der Games-Industrie, die Erklärung gängiger Begriffe sowie die genaue Erläuterung des Geschäftsmodells der Keyseller.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der rechtlichen Zulässigkeit des Keysellings aus urheberrechtlicher Sicht. Er nimmt eine Zuordnung der von Keysellern durchgeführten Vertriebshandlung zu den einschlägigen Verwertungsrechten vor, geht anschließend auf die Problematik der digitalen Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei Computerspielen ein und untersucht, inwiefern die vom EuGH in der UsedSoft-Entscheidung aufgestellten Kriterien auf Werke übertragen werden können, die nicht nur Software i.S.d. ComputerRL sind und ob dies nach der erwähnten EuGH-Entscheidung (Fall Tom Kabinet) überhaupt noch möglich ist.
Der dritte Teil bildet den Abschluss der Arbeit und enthält neben einem kurzen Überblick der Ergebnisse des zweiten Teils eine Stellungnahme und ein Fazit zu den gewonnenen Erkenntnissen.
Auf die Verantwortlichkeit der Betreiber der von Keysellern genutzten Vermittlungsplattformen geht die Arbeit nicht ein. Sie beschränkt sich auf die Verantwortlichkeit der Keyseller. Sie geht auch nicht auf mögliche Ansprüche von Publishern gegen den Weiterverkauf von Produktschlüsseln durch Keyseller aus dem Kartell-, Lauterkeits- oder Markenrecht ein und lässt prozessrechtliche Probleme außen vor.
←23 | 24→Dass Computerspiele urheberrechtlich geschützt sind, ist unbestritten.17 Damit beschäftigen sich bereits zahlreiche Dissertationen.18 Ebenso ist unproblematisch, dass Computerspiele aufgrund der vielen audiovisuellen Elemente mehr als nur Software sind. Die Arbeit beschränkt sich deshalb auf einen kurzen Überblick über den urheberrechtlichen Schutz von Computerspielen.
Neben dem in dieser Arbeit beschriebenen Vertriebsweg bestehen auch andere Vertriebsmodelle. Die Untersuchung beschränkt sich jedoch auf die hier dargestellte Vertriebsform, die auf der Zuordnung des Computerspiels zu einem Benutzeraccount mithilfe eines Produktschlüssels basiert.
Mit Veröffentlichung der neuen Konsolengeneration im Jahr 2020 sind, sowohl von Sony mit der PlayStation 5 - Digital Edition als auch von Microsoft mit der Xbox Series S, Spielekonsolen auf dem Markt verfügbar, die über kein eigenes Laufwerk zum Auslesen von Datenträgern verfügen. Ob sich auch für diese Konsolen ein ähnlicher von Keysellern genutzter Markt für den Verkauf von Produktschlüsseln ergeben wird, ist zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Arbeit noch nicht absehbar. Sollte das der Fall sein, könnten die hier gewonnen Ergebnisse auch für diese Sachverhalte relevant sein. Eine Einschätzung ist jedoch noch nicht möglich und wird deshalb in dieser Arbeit auch nicht vorgenommen.
Jedenfalls soll davon ausgegangen werden, dass die von Publishern und Entwicklern ausgewählten Vertriebskanäle die für den Vertrieb erforderlichen Urheberrechte besitzen. Die Arbeit untersucht, ob Händler, die gerade nicht mit Zustimmung der Rechteinhaber Verkäufe vornehmen, gegen Urheberrechte verstoßen.
Details
- Pages
- 210
- Publication Year
- 2021
- ISBN (PDF)
- 9783631870655
- ISBN (ePUB)
- 9783631870662
- ISBN (MOBI)
- 9783631870679
- ISBN (Softcover)
- 9783631869611
- DOI
- 10.3726/b19308
- DOI
- 10.3726/b19279
- Language
- German
- Publication date
- 2021 (November)
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 210 S.