Ausführliche Darlegung und Diskussion der Prinzipien der Prosodie
Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. b. Kīrān (Mit einem zusätzlichen Kurztraktat des Verfassers zur balāġa)
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Leben und Werke von Maḥ ammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān
- 2.1 Name, Herkunft und Bildung Ibn Kīrāns
- 2.2 Das Verhältnis Ibn Kīrāns zu den damaligen Gelehrten
- 2.3 Das Haus Ibn Kīrān in Fās
- 2.4 Das Ableben Ibn Kīrāns
- 2.5 Die Schriften Ibn Kīrāns
- 2.5.1 Ar-Risālā fī l-balāġa
- 2.5.2 Taqyīd fī aqsām al-iktifā
- 2.5.3 Überlieferte Gedichte von Maḥ ammad b. Kīrān
- 3. Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.1 Zuschreibung der Autorschaft
- 3.2 Authentifizierung des Manuskripttitels
- 3.3 Inhalt und Methodik des Manuskriptes
- 3.3.1 Disziplinäre Grenze von ʿilm al-ʿarūḍ (Prosodie)
- 3.3.2 Gegenstandsbereich von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.3 Urheber von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.4 Die Bezeichnung ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.5 Epistemologische Quellen von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.6 Normative Subsumtion von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.7 Fragestellungen von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.3.8 Stellung von ʿilm al-ʿarūḍ für die Araber
- 3.3.9 Verhältnis von ʿilm al-ʿarūḍ zu anderen Disziplinen
- 3.3.10 Bedeutung von ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.4 Die verschiedenen wissenschaftlichen Themen des Manuskriptes
- 3.4.1 Logische Aspekte
- 3.4.2 Linguistische Aspekte
- 3.4.3 Syntaktisch-grammatische Aspekte
- 3.4.4 Historische Aspekte
- 3.5 Entwurf des Editionstextes Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.6 Beschreibung und Einordnung der vorliegenden Handschriften von Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ
- 3.6.1 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 1948
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 1948
- 3.6.2 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 1390
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 1390
- 3.6.3 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 7086
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 7086
- 3.6.4 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 12175
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 12175
- 3.6.5 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 10124
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 10124
- 3.6.6 Die Handschrift mit der Registrierungsnummer 12080
- Seitenexemplare aus der Handschrift mit der Registrierungsnummer 12080
- 4. Muqaddimat at-taḥ qīq
- أولا: حياة المؤلف وآثاره العلمية
- 1 ــ اسمه ونسبه ونشأته وثقافته:
- 2 ـــ ثناء العلماء عليه:
- 3 ـــ بيت ابن كيران في فاس:
- 4 ــ وفاته:
- 5 ــ مؤلفاته:
- نموذج من النسخة الخطية:
- انتهى بحمد الله وحسن عونه
- ثانيا: كتاب „بسط المقبوض في مبادئ علم العروض“:
- ـ خامسا استمداد علم العروض:
- ثَلَاثٌ كُلُّهُنَّ قَتَلَتْ عَمْرًا فَأَخْزَى اللهُ رَابِعَةَ تَعُود.
- خطة العمل في الكتاب:
- دراسة ووصف النسخ الخطية للكتاب:
- 5. Al-matn al-muḥ aqqaq (edierter Text) des Manuskriptes Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ
- لَوْ كُنْتَ تَعْلَمُ مَا أَقُولُ عَذَرْتَنِي
- „مِنْ سُيُوفِ الْـهِنْدِ“
- 6. Edition des angehängten Traktates des Verfassers bezüglich der arabischen Rhetorik
- علم البيان:
- علم البديع:
- 7. Verzeichnis der Koranverse
- 8. Verzeichnis der Ḥ adīṯ e
- 9. Verzeichnis der Dichtungsverse
- 10. Verzeichnis der Versteile
- 11. Verzeichnis der arabischen Sprichwörter und Aphorismen
- 12. Verzeichnis der Begriffe der arabischen Metrik
- 13. Verzeichnis der Personen
- 14. Verzeichnis der arabischen Stämme
- 15. Verzeichnis der Orte
- 16. Verzeichnis der zitierten Quellen im Editionstext
- فهرس الكتب الواردة في متن الكتاب.
- 17. Verzeichnis der allgemeinen Quellen der Edition
- قائمة المصادر والمراجع
- Series index
1. Einleitung
Im frühen Arabien galt die Poesie als eine Kunstform, die Inspirationen und Lebensweisheiten vermittelte sowie Empfindungen und Sehnsüchte der Menschen offenbarte. Wie ein Paradiesvogel schillerte sie in vielfältiger Farbenpracht, faszinierte und verzauberte die Menschen. Dementsprechend genoss das Wirken der Dichter bei den arabischen Stämmen hohes Ansehen. Sofern unter den verschiedenen Stämmen der Name eines Dichters hervorstach, war es Tradition, seinem Stamm Glückwünsche auszusprechen. Dieser Brauch ist darauf zurückzuführen, dass der Poesie – und dem Wort allgemein – in dieser Zeit große Bedeutung beigemessen wurde. Der Araber sprach mit der „Flamme des Wortes wie mit dem Blitz seines Schwertes, mit Pfeilen des Scharfsinns wie seines Köchers und Bogens.“1 Diesem Zitat entsprechend entfaltet sich das immense Potential der arabischen Sprache vor allem in der sich artikulierenden Poesie. Denn die poetische Sprache verleiht den Worten durch ihre Ästhetik und innewohnende Melodie zusätzliche schöpferische Strahlkraft. So bringt die Poesie die arabische Sprache auf den höchsten Gipfel ihrer Ausdrucksfähigkeit. Aus diesem Grund hat Herder die klassisch-arabische Poesie wie folgt beschrieben:
„[Die arabische Poesie ist] der reine Ausdruck des Volkes, das sie erfand, seiner Sprache, Lebensart, Religion und Empfindungsweise. Fast ein Jahrtausend hat sie, und zwar eine Zeitlang unter den glücklichsten Umständen, geblühet, ja ihre Wurzeln sind noch nicht ausgestorben, sondern der Sprache nach noch jetzt über zwei große Weltteile lebendig verbreitet. […] Das Volk der Wüste, nachher Überwinder und Besitzer der Welt, war auch in seinen Bildern stolz, reich und heftig, ihre Beschreibungen sind prachtvoll und glänzend, ihre Sentenzen gedrängt, künstlich und, dem Islamismus [Islam] zufolge, andächtig und erhaben. Oft war ein Scharfsinn an den anderen gepfropft und aus einer feinen eine feinere Wendung derart sublimiert, dass für uns eben der Geist ihrer weisen Sprüche und Reden, auf den sie es am künstlichsten anlegten, gewöhnlich zuerst verrauchet.“2
Außerdem transzendiert die Poesie die gegenwärtige Zeit, indem sie historische Ereignisse für die Nachwelt festhält, Nachrichten und Biografien dokumentiert und Kultur tradiert. Des Weiteren wird der arabischen Dichtung im Laufe der islamischen Geschichte die Ermittlung der sprachlichen Bedeutung von Lexemen und Wendungen zugewiesen. Aus diesem Grund verkörpert sie eine unerlässliche Sprachquelle hinsichtlich der Interpretation des Korans und der Sunna (prophetische Tradition). Die sprachliche Ästhetik kam zugleich im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Islam zum Tragen. Da Sprache und Dichtkunst zur Zeit des Propheten hoch geschätzt wurden, galt die unübertrefflich schöne Rhetorik des Koran nach islamischer Tradition als Beglaubigungswunder des Propheten Muḥammad. Diesbezüglich merkt Herder an: „Weil er [Muḥammad] sie in der Poesie überwand, ward er auch in der Religion ihr Sieger. So stark war in ihnen der Glaube an das Göttliche der Dichtkunst.“3
Angesichts ihres hohen Stellenwerts steht die Poesie seit langer Zeit im Mittelpunkt der Forschung der arabischen Literaturwissenschaft. Die wissenschaftlichen Abhandlungen thematisieren die Geschichte und die Definition der Poesie, differente Gattungen der arabischen Dichtung, die klassischen lyrischen Strukturen, den Aufbau und die Eigenschaften der Kasside4, die Urheber:innen und Wegbereiter:innen der Wissenschaft der arabischen Metrik sowie die musikalischen Rhythmen von Gedichten, die sich aus Metren und Reimformen ergeben.
Die Abhandlung Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ von Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān al-Fāsī (gest. 1214 n. Hiǧra/1799 n. Chr.)5, welche mit der vorliegenden Ausgabe als Edition erscheint, zählt zu den seltenen Manuskripten im Bereich der Erforschung früherer arabischer Gedichte sowie deren Metrik (ʿilm al-ʿarūḍ). Der Verfasser beginnt die obige Abhandlung mit einer prägnanten Einführung. Nach einleitenden religiösen Worten (Lobpreis und Anbetung) erwähnt er seinen vollständigen persönlichen Namen und präsentiert die eigentliche ←10 | 11→Überschrift dieser Abhandlung, indem er schreibt: „Durch Gottes Beistand ist das [die Abhandlung] Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ“.
Nach einer inhaltlichen Darstellung der Abhandlung erläutert der Verfasser die zehn Grundprinzipien der Metrik (ʿilm al-ʿarūḍ) und ordnet sie in stringenter Reihenfolge: Die Definition der Metrik (ʿilm al-ʿarūḍ), der Gegenstandsbereich dieser Wissenschaft, die sprachliche und terminologische Begriffsbestimmung der Bezeichnung ʿilm al-ʿarūḍ, die Bestimmung der Urheber:innen sowie die Quellen, aus denen die Wahrheit und Gültigkeit dieser Wissenschaft abgeleitet und begründet werden, die islamisch-normative Beurteilung dieser Disziplin sowie die Darstellung ihrer Themen, die Darlegung des Stellenwertes der Metrik und deren Verhältnis zu anderen Wissenschaften und schließlich die Bestimmung der Nutzen dieser Disziplin. Dabei führt er eine Reihe von Überlieferungen und Zitaten in Form von Koranversen, Prophetenüberlieferungen, Dichtungsversen, prosaischen Texten sowie einschlägigen Gelehrtenaussagen an. Hierbei lässt sich ein konkreter Adressatenbezug erkennen. Der Verfasser geht von einer fachkundigen Leserschaft aus, da er nur bedingt Erklärungen bezüglich einiger Subthemen der arabischen Metrik bietet. So werden die Bezeichnungen der verschiedenen Metren, die Formen der metrischen Abweichungen (ʿilal/ziḥāfāt), die prosodischen Kreise (dawāʾir ʿarūḍīya) und ihre Regeln sowie die zulässigen syntaktisch-morphologischen Abweichungen im Rahmen der rhythmischen Notwendigkeit kaum erwähnt.
In dieser Edition wird der Abhandlung Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ ein Kurztraktat desselben Verfassers beigefügt, in dem eine Auseinandersetzung mit den drei Zweigen der arabischen Rhetorik (balāġa) vorgenommen wird:
- – ʿIlm al-maʿānī – die Lehre der Bedeutung – beschäftigt sich mit dem Satzbau und der Auswirkung syntaktischer Strukturen auf die Bedeutung eines Satzes.
- – ʿIlm al-bayān – die Lehre der rhetorischen Darstellung – beschäftigt sich mit den Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks durch die Anwendung rhetorischer Stilmittel, wie etwa Vergleich, Metapher und Metonymie.
- – ʿIlm al-badīʿ – die Lehre der Verschönerung bzw. Stilformenlehre – beschäftigt sich mit der Redekunst und den Verschönerungsweisen des ←11 | 12→arabischen Ausdrucks, die sich aus der Form (Wortfiguren) und dem Inhalt (Sinnfiguren) der Wörter ergeben.
Die vorliegende Edition vollzieht sich in zwei Etappen: Für den ersten Schritt ist eine wissenschaftliche Einleitung vorgesehen, welche die Editionsrichtlinien illustriert und ausführlich über Werk und Arbeitsprozesse informiert. In der Einleitung wird außerdem die Biografie des Verfassers Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān al-Fāsī (gest. 1214 n. Hiǧra/1799 n. Chr.) vorgestellt. Hierfür dienen sowohl klassische als auch moderne biografische Werke als Grundlage, in denen biographische und berufsbiographische Informationen hinsichtlich des Schriftstellers zu finden sind. Die Werke thematisieren einerseits den Namen, die Herkunft, die Jugend und die Umstände des Todes des Verfassers und andererseits seine Lehrer, seine Schüler, die Abfolge seiner Schriften sowie die Aussagen der Gelehrten über seine wissenschaftlichen Arbeiten. Im zweiten Schritt wird der Editionstext mit einem kritischen Apparat herausgegeben. Zu Beginn wird eine Niederschrift des Textes von Ibn Kīrān al-Fāsī erstellt – entsprechend der modernen Schreibweise arabischer Buchstaben sowie der Rechtschreibregeln, welche für den heutigen Standarddruck von Büchern gelten. Bei der Abschrift des Textes wurde großer Wert auf Genauigkeit und Korrektheit gelegt. Des Weiteren ist der Text vollständig vokalisiert sowie in Abschnitte unterteilt worden, wobei die Grundsätze der Nummerierung in all ihren Formen eingehalten wurden. Innerhalb des Textes sind sämtliche Stellen, die einen Beleg oder eine Erläuterung erfordern, mit einem Kommentar ergänzt. Hierbei wurden sämtliche Zitate, Implikationen und übernommene Auszüge kenntlich gemacht sowie auf ihre ursprünglichen Quellen zurückgeführt. Bei der Berücksichtigung all dieser Aspekte wurden die Prinzipien der kritisch-wissenschaftlichen Edition eingehalten. Zusätzlich wurde eine allgemeine Erläuterung zu den Handschriften beigefügt, welche als Grundlage für die vorliegende Edition gilt. Zu jeder Handschrift ist im Anhang eine entsprechende Kopie zu finden. Am Schluss dieser Edition befinden sich mehrere Verzeichnisse, welche dem Rezipienten die Suche innerhalb des Textes erleichtern sollen.
2. Leben und Werke von Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die klassischen als auch die modernen biografischen Werke keine ausführlichen Informationen über das Leben des Verfassers Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān al-Fāsī liefern. Über sein Leben sind lediglich fragmentarische Informationen vorzufinden, welche nicht für die Nachzeichnung einer umfassenden Biografie Ibn Kīrāns ausreichen. Möglicherweise ist dieser Umstand mitunter auf folgende Ursachen zurückzuführen:
- – Der Bruder des Verfassers, Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān (gest. 1227 n. Hiǧra/1812 n. Chr.),6 galt zu seiner Zeit als Großgelehrter, welcher sich großer Berühmtheit erfreute und dessen Werke von vielen Menschen rezipiert wurden. Zudem unterwies er den Sultan Sulaymān b. Muḥammad (gest. 1238 n. Hiǧra/1822 n. Chr.)7 in wissenschaftlichen Angelegenheiten. Aufgrund dieser Prominenz standen die Existenz und die Werke von Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān immer im Schatten des eigenen Bruders, sodass er selbst nie große Popularität erlangte.
- – Der Einblick in die Quellen lässt hinsichtlich der Biografie des Verfassers den Schluss zu, dass sich dessen Schreibtätigkeit nur auf bestimmte Disziplinen bezog, sodass scheinbar nur wenige Schriften von ihm im Bereich der Syntax (naḥw), Rhetorik (balāġa), Metrik (ʿarūḍ) und Poesie (šiʿr) auszumachen sind. In weiteren theologischen Disziplinen, beispielsweise der Koranexegese (tafsīr), den Hadithwissenschaften (ʿulūm al-ḥadīṯ), der Normenlehre und deren Methodologie (al-fiqh wa-uṣūluhu), der systematischen Theologie (ʿilm al-kalām), der Dogmatik ←13 | 14→(ʿaqīda) und des Sufismus (taṣawwuf), scheint er hingegen keinerlei Schriften verfasst zu haben. Folglich konzentrierte sich die Auseinandersetzung der Gelehrten nur auf wenige Schriften des Verfassers. Aufgrund der Vielzahl an Schriften seines Bruders Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān standen diese auch wesentlich stärker im Fokus der Wissenschaft.
- – Zudem erfolgt in den Werken, welche die Biografie von Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān al-Fāsī betreffen, keine Nennung von Großgelehrten, von denen er gelernt haben könnte. Hierbei ist hervorzuheben, dass weder Gelehrte aus der alten Universität al-Qarawīyūn noch aus anderen Moscheen und Mausoleen der Stadt Fās erwähnt werden. Diese Erkenntnis ist bedeutsam, da seinerzeit in der Stadt Fās zahlreiche Gelehrte lebten. In dem Traktat zur Rhetorik (balāġa) verweist der Verfasser lediglich auf den Lehrer seiner Lehrer, Abū Ḥafṣ ʿUmar al-Fāsī (1188 n. Hiǧra/1774 n. Chr.)8. Hierzu schreibt er: „Und auf diese Bedeutung verwies der scharfsinnige, akkurate sowie kritische Wissenschaftler (muḥaqqiq) und Großgelehrte, der Šayḫ unserer Lehrer Abū Ḥafṣ Sayyidī ʿUmar al-Fāsī, möge sich Gott seiner erbarmen [im Metrum al-kāmil]“:
man rāma taʾwīla l-kitābi wa-lam yakun
yadrī l-bayāna fa-ḏāka min taswīlihi
inna l-bayāna huwa l-bayānu li-lafẓihi
fa-iḏa ǧahilta fa-kuffa ʿan taʾwīlihi9
Des Weiteren erfolgt in den biografischen Quellen keine Erwähnung von Schülern, die beispielsweise an seinen Lehrzirkeln teilnahmen oder von ihm gelernt haben. Da es zu jener Zeit die Aufgabe von Schülern war, die Lehrmeinungen ihrer Lehrenden zu Lebzeiten und nach deren Tod zu tradieren, kommt ihnen auch aus historischer Perspektive eine tragende Rolle zu.←14 | 15→
Vor dem Hintergrund dieser einleitenden Feststellungen werden zu Beginn dieser Edition biografische Informationen über Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān zusammengetragen. Die nachgezeichnete Biografie strebt danach, auf Grundlage der vorliegenden, wenigen Informationen über ihn sowie ergänzenden Hinweisen, die aus der Lektüre seiner Schriften und weiterführender Quellen entnommen werden können, ein höchstmögliches Maß an Ausführlichkeit zu erreichen.
2.1 Name, Herkunft und Bildung Ibn Kīrāns
Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān stammt aus der Stadt Fās in Marokko, in der er zeit seines Lebens wohnte und auch beigesetzt wurde.10 Sein Bruder, der Großgelehrte Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān, erreichte mit dem Verfassen weitverbreiteter Werke große Popularität. Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān orientierte sich in seinem wissenschaftlichen Werdegang an seinem Bruder, indem er sich durch gezielte und sukzessive Wissensaufnahme einen großen Wissensschatz aneignete und sich als Gelehrter, Literat, Sprachwissenschaftler und hervorragender Dichter etablierte.
Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān wuchs mit seinem Bruder Muḥammad aṭ-Ṭayyib in Fās in einer Gelehrtenfamilie auf. Es besteht kein Zweifel daran, dass er die theologischen Disziplinen sowie die Kurztraktate namhafter Gelehrter, welche zahlreich in der Stadt Fās zugegen ←15 | 16→waren, wie etwa in der Qarawīyīn- und Andalus-Moschee, studierte und auswendig lernte. Als er fundierte Kenntnisse in den rationalen und theologischen Wissenschaften erworben hatte und sich in den instrumentalen Wissenschaften wie der Syntax (naḥw), Rhetorik (balāġa) und Metrik (ʿarūḍ), spezialisiert hatte, widmete er sich seiner Tätigkeit als Schriftsteller. Die Schriften, die aus dieser Periode seines Wirkens stammen, zeugen von einem außergewöhnlichen Maß an Genauigkeit und einer besonderen Fähigkeit im Umgang mit der arabischen Sprache. Darüber hinaus sind einige Entwürfe und Kurztraktate zu erwähnen, deren Nutzen für die arabische Poesie nicht zu unterschätzen sind.
2.2 Das Verhältnis Ibn Kīrāns zu den damaligen Gelehrten
Besonders die anerkennenden Bemerkungen damaliger Gelehrter geben Aufschluss über die schöpferische Strahlkraft Maḥammad b. Kīrāns. Der Gelehrte ʿUmar b. al-ʿArabī l-Ḥasanī, Zeitgenosse und Studienkollege des Verfassers, offenbart wertvolle Informationen zur Stellung und Wirkung von Maḥammad b. Kīrān. Die Anerkennung al-Ḥasanīs zeigt sich in der rühmenden Würdigung (taqrīẓ) einer Kasside, welche Maḥammad b. Kīrān für den Sultan Sulaymān b. Muḥammad zum Anlass seines Amtsantrittes als Sultan (18. Raǧab 1206 n. Hiǧra/12. März 1792 n. Chr.)11 geschrieben hatte. In dieser Würdigung von al-Ḥasanī heißt es: „Der ehrenwerte Rechtsgelehrte Abū ʿAbdallāh Sīdī Maḥammad b. Kīrān – möge Gott seinen Stellenwert emporheben –, welcher die verschiedenen vortrefflichen Eigenschaften eint, von sicherem Urteil und kritischem Verstand zeugt sowie die unterschiedlichen Formen des Ausdrucks nach eigenem Belieben verwenden kann […]“12. Nachdem Maḥammad b. Kīrān seinem Kollegen ʿUmar b. al-ʿArabī l-Ḥasanī Einblick in die Kasside gewährte, lobt dieser die Fülle an Ausdrücken, die geistvollen Hinweise sowie den hervorragenden, unaffektierten poetischen Stil des Schriftstückes. Al-Ḥasanī berichtet: „[Der Verfasser] setzte mich über seine schöne Kasside in Kenntnis, wo er unseren Regenten und Oberhaupt der Gläubigen Abū r-Rabīʿ Mawlānā Sulaymān – möge ←16 | 17→Gott ihn für die Gläubigen als generöses Meer erhalten und durch ihn die Augen sehen lassen – lobt […].13
Auch Maḥammad b. Kīrān selbst würdigte seinerseits einige zeitgenössische Gefährten. Er zitierte beispielsweise einige Verse eines Gedichts des Gelehrten Muḥammad al-ʿArabī b. Aḥmad Bannīs (1214 n. Hiǧra/1799 n. Chr.)14, in denen er den besonderen Stellenwert der Wissenschaften ʿilm al-maʿānī und ʿilm al-bayān hervorhebt. Ibn Kīrān wählt zu Beginn des genannten Schriftstückes respektvolle Ausdrücke gegenüber Bannīs: „Unser Gefährte, der scharfsinnige Geist und feingebildete Rechtsgelehrte […] Muḥammad al-ʿArabī b. Aḥmad Bannīs sagte:
ʿilmu l-bayāni aǧallu ʿilmin yuqtanā
wa-huwa s-sabīlu li-kulli fahmin yuǧtanā
in kunta bi-t-tafsīri ḏā šaġafin
fa-lā taʿdil bihi ġayran wuqīta l-ʿanā
īyāka ġawṣan ʿan farāʾidihi
iḏa kunta anḥā ʿani l-bayāni fa-tuġbanā15
2.3 Das Haus Ibn Kīrān in Fās
Das Haus Ibn Kīrān zählte zu den berühmten, alteingesessenen und ehrwürdigen Häusern in Fās. Die Angehörigen der Großfamilie Ibn Kīrān bewohnten die Gebiete ʿAdwat al-Andalus sowie ʿAdwat al-Qarawīyīn innerhalb der Stadt. ʿAbd al-Kabīr al-Kattānī geht in seinem Werk Zahr al-ās fī buyūtāt ahl Fās davon aus, dass die große Familie Ibn Kīrān aus einzelnen Familienzweigen bestand, deren Herkunft jeweils auf einen bestimmten Gelehrten oder eine bekannte Persönlichkeit zurückzuführen ist.16 Zu diesen Gruppen gehören:
- – ←17 | 18→Ein Zweig, der auf den bekannten Großgelehrten Abū ʿAbdallāh Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān aus Fās (gest. 1227 n. Hiǧra/1812 n. Chr.) zurückgeht, welcher für seine Genauigkeit und Memorierungsfähigkeit sowie sein enormes Wissensrepertoire bekannt war.
- – Ein Zweig, der durch die Bezeichnung ‚Kinder von Ibn Sayyidihim‘ bekannt geworden ist. Unter diesen Kindern gewann al-Ḥāǧ Aḥmad b. Sayyidihim b. Kīrān (gest. 1203 n. Hiǧra/1788 n. Chr.)17 an Berühmtheit, welcher das Stammhaus dieses Familienzweigs im Neuen Pfad (ad-Darb al-Ǧadīd) – heute bekannt als Darb Sīdī Bū ʿIyād – besaß und im Sudan verscholl.
- – Ein Zweig ausgehend von dem großen Rechtsgelehrten al-ʿAbbās b. Muḥammad b. ʿAbd al-Karīm b. Kīrān aus Fās (gest. 1227 n. Hiǧra/1812 n. Chr.)18. Als anerkannter Gelehrter war er nicht nur im Bereich der Normenlehre (fiqh) bewandert, sondern ebenfalls im Bereich des Sufismus, der Rhetorik (balāġa), der Koranexegese (tafsīr), der Hadithwissenschaft sowie der Syntax (naḥw) und Morphologie (ṣarf/taṣrīf). Der Sultan ʿAbd ar-Raḥmān b. Hišām ernannte ihn damals zum Richter des Gebiets Miknāsat az-Zaytūn.
- – Ein Zweig, der sich auf den Šayḫ ʿĀmm ʿAzzūr b. Kīrān zurückführen lässt; dieser zählte seinerzeit zu den reichsten und renommiertesten Händlern in Fās und wurde zudem als Händlervertreter bekannt. Er galt bis zu seinem Ableben als aufrichtiger und frommer Mensch.19
- – Ein Zweig, welcher dem Šayḫ al-Makkī b. al-Ḥāǧǧ Muḥammad b. Kīrān aus Fās zugerechnet wird. Dieser verstarb bei einem militärischen Gefecht an der Grenze zu Tanger. Über sein Todesdatum liegen keine Informationen vor.20
Ein Großteil dieser Gruppen wanderte mit der Zeit nach Regionen inner- und außerhalb Marokkos aus – beispielsweise nach Melilla (Milīlya), Tanger ←18 | 19→(Ṭanǧa), Larache (al-ʿArāʾiš), Meknes (Maknās), Casablanca (ad-Dār al-Bayḍāʾ), El-Jadida (al-Ǧadīda) und Marrakesch (Murrākuš). In ihrer neuen Heimat übten sie verschiedene Berufe aus und bekleideten gesellschaftlich und sozial hoch angesehene Positionen. So gab es unter ihnen Händler, Gelehrte, Richter, Politiker und auch Angehörige, die sich der Wohltätigkeit widmeten. Besonders im theologischen Bereich profilierte sich die Familie Ibn Kīrān. Nachfolgend werden die einflussreichsten Religionsgelehrten der Familie genannt:
- – ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān,21 der Vater von Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān und des Großgelehrten Muḥammad aṭ-Ṭayyib, galt als aktiver, wohltätiger und frommer Gelehrter sowie praktizierender Sufi. Am Dienstag, den 20. Muḥarram 1105 n. Hiǧra, verstarb er in Fās. Dort wurde er im Mausoleum des Walīy Sīdī Qāsim b. Muḥammad b. Raḥmūn al-Ḥusaynī (gest. 1022 n. Hiǧra/1613 n. Chr.)22 am äußersten Rand des Pfades der Vertrauenswürdigen (Darb al-Umanāʾ) im Stadtviertel der Tischler (Ḥawmat an-Naǧǧārīn) beigesetzt.
- – Abū ʿAbdallāh Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān (gest. 1227 n. Hiǧra/1812 n. Chr.)23 besaß eine große Autorität in religiösen Fragen und Angelegenheiten der muslimischen Gemeinschaft in Fās. Er beherrschte die meisten theologischen Disziplinen und ←19 | 20→war für die Gelehrsamkeit seiner Zeit eine bedeutende Persönlichkeit. Er zählte zu den profiliertesten Gelehrten und Beratern des marokkanischen Sultans Sulaymān b. Muḥammad (gest. 1238 n. Hiǧra/1822 n. Chr.).24
- – Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān (gest. 1214 n. Hiǧra/1799 n. Chr.), der Verfasser der hier zu editierenden Abhandlung Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ, galt als kompetenter Gelehrter sowie Dichter und ist der Bruder von Muḥammad aṭ-Ṭayyib.
- – Abū Bakr b. Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān (gest. 1267 n. Hiǧra/1850 n. Chr.)25 wurde neben seinem Vater – Muḥammad aṭ-Ṭayyib – im Garten der Gelehrten (Rawḍat al-ʿUlamāʾ) bei den Grabkuppeln (qibāb) beigesetzt. Er galt als anerkannter Gelehrter (ʿālim mušārik), der belesen und vor allem in der Syntax (naḥw) sowie der Literaturwissenschaft (al-adab) bewandert war.
- – Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. Abī Bakr b. ʿAbd al-Maǧīd b. Kīrān26, der Enkel des oben genannten Großgelehrten Muḥammad aṭ-Ṭayyib, galt als anerkannter Gelehrter im Bereich des Rechts, der stets mit den zeitgenössischen Rechtsfällen vertraut war. Sein religiöses Wissen erwarb er von seinem Vater Abū Bakr sowie Muḥammad b. Ḥamdūn b. al-Ḥāǧǧ (gest. 1274 n. Hiǧra/1857 n. Chr.),27 Muḥammad b. ʿAbd ar-Raḥmān al-Ḥaǧratī l-Fīlālī (gest. 1275 n. Hiǧra/1858 n. Chr.)28 und Aḥmad ←20 | 21→b. Muḥammad al-Marnīsī aus Fās (gest. 1277 n. Hiǧra/1860 n. Chr.).29 Zu seinen Werken wird die Abhandlung Ar-Riḥla al-fāsīya al-mamzūǧa bi-l-manāsik al-mālikīya30 gezählt. Am Samstag, den 12. Šaʿbān 1314 n. Hiǧra/Januar 1897 n. Chr., verstarb er in Fās. Dort wurde er neben seinem Vater und Großvater im Garten der Gelehrten (Rawḍat al-ʿUlamāʾ) bei den Grabkuppeln (qibāb) außerhalb des Futūḥ-Tores beigesetzt.
- – Abū ʿAbdallāh Maḥammad b. al-ʿAbbās b. Muḥammad b. Kīrān,31 der damalige Imām (Vorbeter) der Moschee des Sīdī ṣ-Ṣāfī, erwarb sein Wissen von dem Großgelehrten aṭ-Ṭayyib b. Kīrān, den er stets begleitete und dem er oft seine Kenntnisse vortrug. Er verstarb am 16. Ḏū l-Ḥiǧǧa 1271 n. Hiǧra/August 1855 n. Chr. und wurde im Mausoleum des Šayḫ Ibn Ibrāhīm im Pfad der Freien (Darb al-Ḥurra) beigesetzt.
- – Al-Ḥabīb b. at-Tahāmī b. Ḥamdūn b. Kīrān,32 welcher ursprünglich aus Fās stammte, jedoch in Marrakesch wohnhaft war, galt als anerkannter Rechtsgelehrter, der über herausragende Fertigkeiten im Bereich der Rhetorik verfügte. Am Freitag, den 15. Raǧab 1318 n. Hiǧra/1900 n. Chr., verstarb er in Marrakesch, dort wurde er beigesetzt.
- – Muḥammad b. Muḥammad b. Kīrān,33 der kundige Rechtsgelehrte, welcher als Beispiel für einen aufrichtigen und tugendhaften Menschen galt, wurde im Jahr 1317 n. Hiǧra/1899 n. Chr. in Fās geboren. Bis zu seinem Ableben am Montag, den 26. Ḏū l-Ḥiǧǧa 1398 n. Hiǧra/1979 n. Chr., lehrte er in der Qarawīyūn-Moschee und hatte das Amt eines Richters in Oujda (Waǧda) inne.
2.4 Das Ableben Ibn Kīrāns
Der Verfasser Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān verstarb am 2. Muḥarram 1214 n. Hiǧra/1788 n. Chr. in Fās und wurde im Garten der Gelehrten (Rawḍat al-ʿUlamāʾ) bei den Grabkuppeln (qibāb) außerhalb des Futūḥ-Tores beigesetzt. Der Autor des erwähnten biografischen Werks Zahr al-ās fī buyūtāt ahl Fās führt allerdings zum genauen Beisetzungsort von Ibn Kīrān an: „Ich konnte nicht erfahren, ob [seine Beisetzung tatsächlich] im erwähnten Garten (Rawḍat) erfolgte oder nicht.“34
2.5 Die Schriften Ibn Kīrāns
Im Gegensatz zu seinem Bruder, Muḥammad aṭ-Ṭayyib b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān (gest. 1227 n. Hiǧra/1812 n. Chr.), der zahlreiche und bekannte Schriften zu verschiedenen theologischen Disziplinen verfasste, war die Schreibtätigkeit von Maḥammad b. Kīrān (gest. 1214 n. Hiǧra/1799 n. Chr.) begrenzt. Seine wenigen Schriften umfassen einige Abhandlungen sowie Gedichte, Notizen und Kommentare. Einige dieser Schriften, welche als Manuskripte erhalten geblieben sind und für die vorliegende Edition untersucht wurden, sollen im Folgenden kurz dargelegt werden.
2.5.1 Ar-Risālā fī l-balāġa35
Hierbei handelt es sich um ein Kurztraktat, in welchem der Verfasser auf originelle und akkurate Weise die drei bekannten Disziplinen der arabischen Rhetorik (balāġa) eingehend erläutert. So thematisiert er die Lehre der Bedeutung (ʿilm al-maʿānī), die sich mit der Relevanz der syntaktischen Strukturen für die Semantik beschäftigt; dann die Lehre der rhetorischen Darstellung (ʿilm al-bayān), die sich mit der Funktion verschiedener rhetorischer Mittel aus der semantischen Perspektive befasst, und schließlich ←22 | 23→widmet er sich der Stilformenlehre (ʿilm al-badīʿ), die sich insbesondere mit den sprachlichen Verschönerungsformen der arabischen Rede beschäftigt.
Bei der Behandlung dieser drei Teilwissenschaften zitierte Maḥammad b. Kīrān entsprechende Belegstellen aus poetischen und prosaischen Texten und verwies darüber hinaus auf einschlägige Kommentare der Gelehrten. Angesichts der Bedeutung dieses Kurztraktates für die sprachwissenschaftliche Forschung und damit die darin ausgedrückten Ansichten von Maḥammad b. Kīrān im linguistischen Diskurs Berücksichtigung finden, schien es angebracht zu sein, dieses Kurztraktat der Abhandlung Basṭ al-maqbūḍ fī mabādiʾ ʿilm al-ʿarūḍ beizufügen. Von diesem Traktat gibt es fünf Handschriften, welche in der Königlichen Manuskripten-Bibliothek al-Ḥasanīya in Rabat (Marokko) unter folgenden Nummern aufbewahrt werden:
- – Nr. 12211 innerhalb einer Sammlung von der Seite 81 (b) bis 90 (a).
- – Nr. 11484 innerhalb einer Sammlung von der Seite 155 bis 162.
- – Nr. 12376 innerhalb einer Sammlung von der Seite 166 bis 167.
- – Nr. 13895 innerhalb einer Sammlung von der Seite 387 bis 405.
- – Nr. 14145 innerhalb einer Sammlung von der Seite 113 bis 129.
Eine weitere Handschrift dieses Traktats befindet sich in der Fondation Allal El Fassi in Rabat unter der Nummer ع 393 innerhalb einer Sammlung von der Seite 424 bis 442. Es handelt sich bei diesem Exemplar um eine Abschrift, die von dem aus Fās stammenden ʿUṯmān b. Muḥammad al-Ḥibābī ohne Angabe des Schreibdatums angefertigt wurde.
2.5.2 Taqyīd fī aqsām al-iktifā
In dem Manuskript Taqyīd fī aqsām al-iktifāʾ widmet sich der Verfasser der Bedeutung und den Formen des Auslassens (iktifāʾ) im Bereich der Syntax (naḥw) und differenziert das Phänomen des Auslassens mittels dreier Kategorien:
- – Das Auslassen, das sich aus der Auslassung eines Wortteils innerhalb eines Satzes ergibt.
- – Das Auslassen, das sich durch die Auslassung eines ganzen Wortes innerhalb eines Satzes ergibt.
- – ←23 | 24→Das Auslassen, das sich durch die Auslassung mehrerer Worte innerhalb eines Satzes ergibt.
Von diesem Manuskript ist eine einzige Handschrift erhalten geblieben, welche in der Königlichen Manuskripten-Bibliothek al-Ḥasanīya in Rabat unter der Nummer 12080 innerhalb einer Sammlung von der Seite 157 bis 158 aufbewahrt wird. Sie ist in vokalisierter muǧawhar-Schrift marokkanischer Art ohne Kustode (taʿqība) verfasst worden. Das verwendete Papier ist modern. Am Ende der Schrift sind folgende Worte zu lesen: „Hier endet die Niederschrift desjenigen, welcher das Geschriebene desjenigen übernommen hat, welcher das Geschriebene des Verfassers dieser Schrift Maḥammad b. ʿAbd al-Maǧīd b. ʿAbd as-Salām b. Kīrān – dem Bruder des Großgelehrten und muḥaqqiq [‚akribischer Gelehrter‘] Šayḫ Sīdī ṭ-Ṭayyib, möge das Wohlgefallen Gottes auf ihm sein – übernommen hat. [Die Abschrift] erfolgte gemäß der von mir vorgefundenen Niederschrift unseres Šayḫ und Großgelehrten Abū ʿAbdallāh Muḥammad b. ʿAlī b. Ǧallūn, möge sich Gott seiner erbarmen.“ Im Folgenden wird eine Kopie der Handschrift präsentiert:←24 | 25→
Die vorliegende Edition sieht es als Ziel, die Relevanz dieser Schrift hervorzuheben, damit sie nicht in Vergessenheit gerät oder verloren geht. Demzufolge wird diese im Folgenden vollständig angeführt.
Der Verfasser schreibt:
„Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen,
der Segen und Frieden sei auf unserem Propheten Muḥammad sowie auf seiner Familie und seinen Gefährten:←25 | 26→
Das Auslassen (al-iktifāʾ) ist in drei Kategorien zu unterteilen: es kommt entweder durch das Auslassen eines Wortteils oder eines [vollständigen] Wortes oder mehrerer Wörter zustande. Zur ersten Kategorie ist beispielsweise der Ḥadīṯ kafā bi-s-sayfi šā – d. h. šāhidan36 anzuführen.
[Als iktifāʾ gilt] ebenfalls die folgende Aussage eines Dichters [im Metrum ar-raǧaz]:
Fa-l-ḫayru in ḫayran wa-in šarran fā – d. h. fašarr –
wa-lā urīdu š-šarra ilā an tā – d. h. tašāʾ –37
In allen drei Kategorien ist mit dem Wort (kalima) das geschriebene Wort gemeint und nicht dessen syntaktische Bedeutung (kalima fī naḥw). Somit fallen das verwendete fāʾ bei einer Antwort und das tāʾ als Präfix eines Präsenzverbs (tāʾ al-muḍāraʿa) nicht unter die Bedeutung des Wortes in der arabischen Syntax (naḥw).
[Als iktifāʾ gilt] ebenfalls die folgende Aussage eines Dichters [im Metrum ar-raǧaz]:
Ǧāriyatun qad waʿadatnī an tā – d. h. taʾtī –
tadhanu raʾsī wa-tufallinī aw tā – d. h. tamsaḥ –38
[Als iktifāʾ gelten] ebenfalls die folgenden Verse [im Metrum muḫallaʿ al-basīṭ]:
Ilaykum hiǧratī wa-qaṣdī
Details
- Pages
- 220
- Publication Year
- 2022
- ISBN (PDF)
- 9783631858516
- ISBN (ePUB)
- 9783631858523
- ISBN (Hardcover)
- 9783631853825
- DOI
- 10.3726/b18912
- Language
- German
- Publication date
- 2022 (March)
- Keywords
- Poesie Metrik ʿarūḍ Versfūß Tafʿīla Prosodie Verse qāfiya Ibn Kīrān
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 220 S., 31 farb. Abb.