Der Fall Literaturunterricht
Sequenzanalytische Rekonstruktionen unter besonderer Berücksichtigung der Konstituierung des Gegenstandes
Summary
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Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Aufbau der Arbeit
- 2. Theoretischer Rahmen
- 2.1 Zur Bedeutung der Inhaltsdimension
- 2.2 Literarisches Lernen
- 2.2.1 Eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit Spinners Konzeption literarischen Lernens
- 2.2.2 Kritische Anmerkungen zum Paradigmenwandel im deutschen Schulsystem unter besonderer Berücksichtigung der Konsequenzen für den Literaturunterricht
- 3. Der Stand der qualitativ-rekonstruktiven Unterrichtsforschung zum Literaturunterricht
- 4. Empirische Untersuchung
- 4.1 Die Legitimation des Verstehens als Methode der Erziehungswissenschaft
- 4.2 Die sequenzanalytische Rekonstruktion von Literaturunterrichtsprozessen als Grundlage für die literaturdidaktische Theoriebildung
- 4.3 Die rekonstruktive Kasuistik als Methode der Erkenntnisgewinnung
- 4.4 Stichprobe und Erhebung – Möglichkeiten und Grenzen
- 4.5 Die (Objektive) Hermeneutik als Methode der Textauswertung und Transkriptanalyse
- 4.5.1 Die Problematik der Generalisierung kasuistischer Forschungsergebnisse. Oder: Die Dialektik von Besonderem und Allgemeinem sowie die Dialektik von Subsumtion und Rekonstruktion
- 4.5.2 Adaption der (Objektiven) Hermeneutik
- 5. Fallrekonstruktionen von fünf Literaturunterrichtsstunden
- 5.1 Fallrekonstruktion Die Probe
- 5.2 Fallrekonstruktion Leben des Galilei
- 5.3 Fallrekonstruktion Kabale und Liebe
- 5.4 Fallrekonstruktion Der Proceß
- 5.5 Fallrekonstruktion Besuch in Deutschland
- 6. Diskussion der Fallrekonstruktionen
- 6.1 Die Lehrpersonen als Ermöglicher und Verhinderer literarischen Lernens
- 6.2 Das Anrecht der literarischen Gegenstände auf eine angemessene Konstituierung
- 6.3 Die passive Aktivität der Lernenden
- Danksagung
- Literaturverzeichnis
- Reihenübersicht
David Paulus
Der Fall Literaturunterricht
Sequenzanalytische Rekonstruktionen unter
besonderer Berücksichtigung der Konstituierung des
Unterrichtsgegenstandes
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2019.
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D 6
ISBN 978-3-631-82574-7 (Print)
E-ISBN 978-3-631-82575-4 (E-Book)
E-ISBN 978-3-631-82576-1 (EPub)
E-ISBN 978-3-631-82577-8 (Mobi)
DOI 10.3726/b17268
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Berlin 2020
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Diese Publikation wurde begutachtet.
Autorenangaben
David Paulus ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte und derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abteilung Historische Schul- und Curriculumforschung.
Über das Buch
Ein Blick auf die Diskussionen innerhalb der Literaturdidaktik zeigt ein Meer an Konzipierungen und Präskriptionen, die den schulischen Literaturunterricht anleiten und zu verbessern suchen. Mit dem Fokus auf Normfragen wird die empirische Erforschung des Literaturunterrichts zwar nicht ignoriert, aber zweitrangig behandelt. In einem interdisziplinären Zugriff werden fünf Transkripte von Deutschunterricht (objektiv-)hermeneutisch rekonstruiert. Erkenntnisleitend sind Fragen nach den Wechselwirkungen zwischen Lehrperson, Lernenden und Gegenstand im Unterrichtsprozess. Auf Basis der Fallrekonstruktionen wird diskutiert, wie der Umgang mit Literatur legitimiert werden kann, um literarisches Lernen und ästhetische Bildung in der Schule zu fördern.
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Inhaltsverzeichnis
2.1 Zur Bedeutung der Inhaltsdimension
2.2.1 Eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit Spinners Konzeption literarischen Lernens
3. Der Stand der qualitativ-rekonstruktiven Unterrichtsforschung zum Literaturunterricht
4.1 Die Legitimation des Verstehens als Methode der Erziehungswissenschaft
4.3 Die rekonstruktive Kasuistik als Methode der Erkenntnisgewinnung
4.4 Stichprobe und Erhebung – Möglichkeiten und Grenzen
4.5 Die (Objektive) Hermeneutik als Methode der Textauswertung und Transkriptanalyse
4.5.2 Adaption der (Objektiven) Hermeneutik
5. Fallrekonstruktionen von fünf Literaturunterrichtsstunden
5.1 Fallrekonstruktion Die Probe
5.2 Fallrekonstruktion Leben des Galilei
5.3 Fallrekonstruktion Kabale und Liebe
5.4 Fallrekonstruktion Der Proceß
5.5 Fallrekonstruktion Besuch in Deutschland
6. Diskussion der Fallrekonstruktionen
6.1 Die Lehrpersonen als Ermöglicher und Verhinderer literarischen Lernens
6.2 Das Anrecht der literarischen Gegenstände auf eine angemessene Konstituierung
1. Einleitung
Blickt man auf Publikationen und Diskussionen innerhalb der Literaturdidaktik, ist eine Fülle von Präskriptionen und Zielformulierungen auszumachen, die den Anspruch erheben, die Beschäftigung mit literarischen Texten im schulischen Literaturunterricht anzuleiten, zu legitimieren und zu verbessern. Die literaturdidaktische Programmatik changiert dabei zwischen verschiedenen Polen: Geht es um pragmatisch orientierte Lesekompetenz oder um die versierte Rezeption von ästhetisch anspruchsvoller Literatur? Soll ein schülerorientierter Leseunterricht oder ein gegenstandsorientierter Literaturunterricht präferiert werden? Sind eher die als pädagogisch und kulturell bedeutend empfundenen Klassiker zu lesen oder auch Titel aus dem Bereich der Popliteratur? Diese antinomisch formulierten Fragen deuten darauf hin, dass sich die Schwerpunktsetzungen für den Literaturunterricht im Rahmen der kompetenzorientierten Ausrichtung des deutschen Bildungssystems ein Stück weit gewandelt haben. Leseförderung und der Aufbau von Lesekompetenz werden als zentrale Aufgaben für den Deutschunterricht formuliert (vgl. Maiwald 2010, S. 60) und tangieren damit auch die Ermöglichung literarischen Lernens und literarischer Bildung, die als zentrale Ziele im Umgang mit Literatur angesehen werden (vgl. z.B. Kepser/Abraham 2016, S. 108–120).
Mit dem Fokus auf Präskriptionen und Normfragen wird die empirische Erforschung des Literaturunterrichts zwar nicht ignoriert, aber innerhalb der literaturdidaktischen Community untergeordnet behandelt, obwohl im Zuge der Output-Steuerung des Schulsystems eine stärkere Evaluation der Effekte und Wirkungen des Unterrichts intendiert ist. Infolgedessen bemüht sich die Literaturdidaktik, Anschluss an die psychometrischen Messmethoden der empirischen Bildungsforschung herzustellen. Die vorliegende Arbeit verortet sich jedoch in einer anderen Forschungslinie, wie mithilfe des österreichischen Literaturdidaktikers Werner Wintersteiner skizziert werden kann:
Aufgabe der Literaturdidaktik als Wissenschaft vom Literaturunterricht ist somit nicht mehr in erster Linie, nach dem rationalsten Wegen zu suchen, wie die curricularen Vorgaben zu erfüllen sind, sondern die gesellschaftliche Praxis des Umganges mit Literatur und ihre Anleitung und Unterstützung durch Lehrkräfte zu beobachten, kritisch zu begleiten und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. (Wintersteiner 2016, S. 61)
Mit Wintersteiner kann zudem auf einen Verdacht hingewiesen werden: nämlich, dass literaturdidaktische Normsetzungen und Empfehlungen nicht zu den tatsächlichen Strukturen und Herausforderungen des Literaturunterrichts ←7 | 8→passen. Wintersteiner vertritt den Standpunkt, dass die zentrale Aufgabe der Literaturdidaktik nicht darin besteht, Deutschlehrer_innen darin zu schulen, wie die curricularen Festschreibungen der Bildungspolitik am effizientesten umgesetzt werden können. Vielmehr macht der Kritiker der allgegenwärtigen Kompetenzorientierung darauf aufmerksam, dass die vordringliche Aufgabe der Literaturdidaktik in der Erforschung und kritischen Reflexion des Literaturunterrichts liegt unter besonderer Berücksichtigung des Handelns der Lehrpersonen. Erst auf Basis der Analyse der Literaturunterrichtspraxis können dann Konsequenzen beispielsweise für die Lehrer_innenbildung sowie für die Planung und Gestaltung des Literaturunterrichts aufgezeigt werden. Eine solche Ausrichtung einzufordern und mangelnde empirische Forschung zu monieren, mag heutzutage im Kontext einer Wissenschaftsdisziplin, wie die Literaturdidaktik zu sein beansprucht, verwunderlich erscheinen. Dennoch wird ein Defizit an empirischer Erforschung, auch innerhalb der Literaturdidaktik, immer wieder diagnostiziert und gleichzeitig beklagt (vgl. z.B. Pflugmacher 2014, S. 183–184). Der Sprachdidaktiker Albert Bremerich-Vos konstatiert:
Darüber hinaus haben wir weitere Herausforderungen zu bestehen, vor allem die, den faktisch vorkommenden Deutschunterricht theoretisch und empirisch plausibel zu beschreiben und zu interpretieren. Dass vor allem hier Nachholbedarf besteht, liegt m. E. auf der Hand. (Bremerich-Vos 2014, S. 11)
Auch wenn, wie diese exemplarischen Referenzen zeigen, ein Mangel an empirischer Forschung festgestellt werden kann, bedarf das Vorhaben dieser Arbeit weiterer Legitimierung. Schließlich ist empirische Forschung kein Selbstzweck, insbesondere wenn sie in einen didaktischen Kontext eingebunden ist. Denn bei unterrichtlichen Lern- und Verstehensprozessen handelt es sich „um komplexe norm- und wertbezogene Prozesse“ (Tulodziecki et al. 2017, S. 263). Didaktisches Handeln benötigt folglich eine legitimierende Fundierung. Ohne präskriptive Orientierungen ist eine aussagekräftige Interpretation von Literaturunterricht gar nicht möglich. Problematisch ist also nicht, dass Didaktik sich mit Normfragen und deren Reflexion auseinandersetzt. Das ist eine ihrer Aufgaben. Vor diesem Hintergrund scheint die Literaturdidaktik sich bis heute eher darum zu bemühen, den Schulpraktiker_innen normativ-präskriptiv Orientierung anzubieten, indem fleißig und fortlaufend Unterrichtsmodelle, Unterrichtskonzepte und Lehr-/Lernszenarien produziert werden, denen handlungspraktische Geltungsansprüche zugewiesen werden. Diffizil wird diese Priorisierung durch das gleichzeitige Vernachlässigen der Empirie, weswegen mit Wintersteiner (2007, S. 20, 22) von einer „Kluft zwischen Deutschdidaktik an der Universität und schulischem Deutschunterricht“ respektive einer „Lücke zwischen didaktischen ←8 | 9→Sonntagspredigten und der realen Schulsituation“ ausgegangen werden kann. Durch die normativ-konstruierende Fokussierung der Literaturdidaktik unterbleibt weitgehend eine empirisch fundierte Kritik der Literaturunterrichtspraxis. Daraus kann sich die oben mit Wintersteiner formulierte Problematik ergeben. Die empirische Beforschung der literaturunterrichtlichen Praxis ist keine l`art pour l`art ist, sondern eine Voraussetzung, um kontextsensiblere normative Orientierungen zu entwickeln. Auch Schopf (2017, S. 12) fordert eine empirisch orientierte Sichtweise auf den Unterricht als Grundlage für dessen Entwicklung ein und resümiert pointiert: „Nichts wird jemals so sein, wie es nie war und nichts wird jemals so bleiben wie es nie war – aus science wurde unbemerkt fiction.“ Gleichwohl ist zu betonen, dass Untersuchungen wie diese nicht von sich aus Kriterien für eine bessere Praxis liefern. Die methodologische Differenz von Sein und Sollen ist zu wahren.
Eine weitere Vereinseitigung ist bei der empirischen Erforschung des Literaturunterrichts auszumachen. In dieser Einleitung soll jedoch nicht auf die Problematiken eingegangen werden, die sich ergeben, wenn Literaturunterricht ausschließlich mit quantitativen Verfahren beforscht wird. Darauf werde ich in den Kapiteln 3 und 4 detaillierter eingehen. Es ist stattdessen in aller Kürze zu begründen, warum sich für das Vorhaben und die Zielstellung meiner Untersuchung ein qualitativ-rekonstruktives Prozedere empfiehlt. Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass eine Analyse der literaturunterrichtlichen Praxis nicht nur durch die Evaluation ihrer Wirkungen und Effekte vorangetrieben werden kann, sondern dass die Unterrichtsinteraktionen selbst rekonstruiert werden müssen. Unterrichtsforschung heißt im Kontext der Arbeit, Unterrichtsprozesse in den Blick zu nehmen. Ein weiteres Potenzial eines qualitativ-rekonstruktiven Vorgehens liegt dementsprechend darin, dass auf diese Weise der Vielschichtigkeit und Komplexität des Unterrichts eher entsprochen werden soll. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass sich im Literaturunterricht aufgrund seiner literarischen Gegenstände die Kontingenz und Polyvalenz erhöhen und damit sich seine Erforschung verkompliziert.
Details
- Pages
- 326
- Publication Year
- 2020
- ISBN (PDF)
- 9783631825754
- ISBN (ePUB)
- 9783631825761
- ISBN (MOBI)
- 9783631825778
- ISBN (Hardcover)
- 9783631825747
- DOI
- 10.3726/b17268
- Language
- German
- Publication date
- 2020 (June)
- Keywords
- Rekonstruktion Fallarbeit Kasuistik Unterrichtsgegenstand Fachlichkeit Unterrichtsforschung Lehrerhandeln Hermeneutik Ästhetische Bildung Unterrichtsprozess
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 326 S.