Der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers
Grenzen der Vertriebsgestaltungsfreiheit der Versicherer unter besonderer Berücksichtigung des kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbots
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Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- A. Untersuchungsgegenstand
- B. Gang der Untersuchung
- Erstes Kapitel: Der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers
- A. Der Versicherungsmakler
- I. Definition
- II. Rechtliche Rahmenbedingungen
- 1. Gesetzliche Grundlagen
- a) VVG
- b) HGB und BGB
- c) GewO und VersVermV
- d) Versicherungsaufsichtsrecht
- e) IMD, IDD und delegierte Verordnungen
- f) Gesetz zur Umsetzung der IDD in Deutschland
- 2. Das Doppelrechtsverhältnis des Versicherungsmaklers
- a) Rechtsbeziehung zum Versicherungsnehmer
- b) Rechtsbeziehung zum Versicherer
- B. Der Courtageanspruch
- I. Anspruchsgrundlagen
- 1. Courtagevereinbarungen und -zusagen
- a) Inhalt
- b) Kritik
- 2. Anspruchsgrundlage bei Fehlen von Courtagevereinbarungen
- II. Anspruchsvoraussetzungen
- III. Anspruchsinhalt
- 1. Vermittlungs- und Betreuungsanteil
- 2. Folgecourtage bei Vermittlerwechsel
- a) Usancen
- b) Umdeckung des Versicherungsvertrages
- IV. Gesetzliche Beschränkungen
- 1. Beschränkungen der Courtagehöhe
- a) Private Krankenversicherung
- b) Lebensversicherung
- 2. Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot
- a) Rechtsgrundlage
- b) Rechtsfolgen
- aa) Aufsichtsrecht
- bb) Zivilrecht
- cc) Wettbewerbsrecht
- c) Wirksamkeit
- V. Alternativen zum Courtagemodell und Zusatzvergütungen
- 1. Honorarvereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer
- a) Begriffe
- b) Honorarberatung
- aa) Zulässigkeit
- bb) Problem der Doppelvergütung
- c) Honorarvermittlung
- aa) Nettoprodukte
- bb) Direktversicherungen
- 2. Besondere Vergütungsmodelle
- a) Selbstständige Kostenausgleichsvereinbarungen
- b) Skalierbare Courtagen
- 3. Zusatzvergütungen und Incentives
- 4. Aufwendungsersatz und Service-Fees
- C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
- Zweites Kapitel: Versicherungsvertrieb durch Versicherungsmakler
- A. Negatives Nachfrageumfeld
- B. Konkurrierende Vertriebsformen
- I. Unternehmenseigene Absatzformen der Versicherer
- 1. Versicherungsaußendienst
- 2. Direktvertrieb
- II. Versicherungsvermittler
- 1. Versicherungsvertreter
- 2. Abgrenzung des Vertreters vom Versicherungsmakler
- 3. Entscheidungszwang für einen Vermittlerstatus
- a) Grundsatz der Polarisierung
- b) Konsequenzen bei statuswidrigem Verhalten
- aa) Aufsichtsrecht
- bb) Zivilrecht
- cc) Wettbewerbsrecht
- c) Zusammenfassung
- 4. Besondere Vertriebsformen
- a) Strukturvertriebe
- b) Branchenfremder Vertrieb
- c) Firmenverbundene Vermittler
- d) Vergleichsportale und FinTechs
- 5. Weitere Akteure im Marktumfeld der Versicherungsvermittler
- a) Versicherungsberater
- b) Honorar-Finanzanlagenberater, Finanzanlagevermittler, Anlageberater
- c) Tippgeber
- III. Bedeutung der Vertriebsformen
- 1. Registrierte Versicherungsvermittler in Deutschland
- 2. Marktanteile der Vertriebsformen am Neugeschäft in Deutschland
- C. Weitere Bedingungen beim Maklervertrieb
- I. Vertriebskooperationen mit Versicherern
- II. „Zielgruppen-Kollision“ mit konkurrierenden Vertriebsformen
- III. Horizontale Kooperationen von Maklern
- 1. Maklerverbände
- 2. Maklerverbünde
- 3. Maklerpools
- a) Funktion
- b) Vertragliche Gestaltung der Anbindung
- c) Bedeutung
- d) Kritik
- E. Zusammenfassung
- Drittes Kapitel: Grenzen der Vertriebsgestaltungsfreiheit nach dem Vertragsrecht
- A. Kein Wegfall der Courtage durch Kündigung der Courtagevereinbarung
- I. Grundsatz: Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Versicherers i. S. v. § 626 BGB
- II. Ausnahme: Kündigung aus wichtigem Grund
- 1. Wichtiger Grund
- 2. Rechtsfolge
- a) Ansichten
- b) Stellungnahme
- aa) § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB
- bb) Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
- 3. Zwischenergebnis
- III. Zusammenfassung
- B. Courtage für nicht selbst vermittelte Versicherungsverträge
- I. Vertragliche Ansprüche
- 1. Courtagevereinbarung
- 2. Konkludenter Vertrag
- 3. Faktischer Vertrag
- 4. Der Maklervertrag mit dem Versicherungsnehmer
- 5. Der Versicherungsvertrag
- a) Vertrag zugunsten Dritter
- b) Maklerrelevante Nebenpflichten des Versicherers
- aa) Korrespondenz- und Auskunftspflicht
- bb) Pflicht zur Zahlung von Folgecourtage bzw. Betreuungsentgelt
- 6. Zwischenergebnis
- II. Usancen
- III. Gesetzliche Schuldverhältnisse
- 1. §§ 677 ff. BGB
- 2. § 354 HGB
- 3. § 6 Abs. 4 VVG n.F.
- 4. § 8 KaLV
- IV. Abgetretener Herausgabeanspruch des Versicherungsnehmers
- 1. § 6 VVG n.F., § 8 KaLV
- 2. Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB
- 3. Zweckverfehlungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB
- 4. Wegfall der Geschäftsgrundlage
- 5. Unmöglichkeit
- V. Zwischenergebnis
- C. Schadensersatz bei willkürlicher Ablehnung von Anträgen
- I. Freies Ablehnungsrecht des Versicherers
- II. Schadensersatz wegen der Verletzung von Informationspflichten
- III. Schadensersatz wegen der Verletzung des gesetzlichen Kontrahierungszwangs
- IV. Zwischenergebnis
- D. Zusammenfassung
- Viertes Kapitel: Grenzen der Vertriebsgestaltungsfreiheit nach dem kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbot, §§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV
- A. Anwendungsbereich des GWB
- I. Vorrang des europäischen Kartellrechts
- II. Anwendbarkeit des GWB auf Versicherer
- III. Zwischenergebnis
- B. Abgrenzung des relevanten Marktes
- I. Grundlagen der Marktabgrenzung
- 1. Abgrenzungskriterien
- 2. Unterschiede Fusionskontrolle und Missbrauchskontrolle
- II. Der Versicherungsmarkt
- 1. Sachliche Marktabgrenzung
- a) Abgrenzungskriterien für den Versicherungsmarkt
- b) Überblick Teilmärkte
- aa) Lebensversicherungen
- bb) Nicht-Lebensversicherungen
- cc) Rückversicherungen
- c) Zusammenfassung
- 2. Räumliche Marktabgrenzung
- 3. Rolle des Versicherungsmaklers auf dem Versicherungsmarkt
- a) Kein Eigenhändler
- b) Kein Repräsentant
- 4. Zusammenfassung
- III. Der Versicherungsvertriebsmarkt
- 1. Die Maklerdienstleistung
- a) Elemente der Maklerdienstleistung
- aa) Nutzen für den Versicherungsnehmer
- bb) Nutzen für den Versicherer
- cc) Verknüpfung der Leistungselemente
- dd) Zusammenfassung
- b) Zweiseitigkeit des Versicherungsvertriebsmarkts aus Maklersicht
- aa) Theorie der zweiseitigen Märkte
- bb) Bedeutung
- cc) Anwendung auf den Versicherungsmakler
- dd) Zwischenergebnis
- c) Zusammenfassung
- 2. Der Angebotsmarkt für Versicherungsvertriebsleistungen in der Verwaltungspraxis
- a) Kommission
- aa) KKR/Willis Coroon
- bb) Marsh&McLennan/Sedgwick
- cc) Weitere Verfahren
- dd) Sektorenuntersuchung Unternehmensversicherung
- b) Bundeskartellamt
- c) Schweizerische Wettbewerbskommission
- d) Fusionskontrollrechtlich maßgebliche Marktgegenseite
- e) Zusammenfassung
- 3. Der relevante Nachfragemarkt für Versicherungsvertriebsleistungen
- a) Nachfragerstellung des Versicherers trotz Beauftragung des Maklers durch den Versicherungsnehmer
- b) Abgrenzungskriterien
- aa) Know-how und Spezialisierung
- (1) Allgemeine Vermittlungs- und Vertriebstätigkeiten
- (2) Besonderes Know-how und Spezialisierungen
- bb) Produkte und Risiken
- (1) Rechtsprechung
- (2) Stellungnahme
- cc) Beschränkung durch Vertrags- und Aufsichtsrecht
- c) Zusammenfassung
- 4. Räumliche Marktabgrenzung
- 5. Exkurs: Keine Preisbindung der zweiten Hand auf dem Versicherungsvertriebsmarkt
- IV. Zwischenergebnis
- C. Marktbeherrschende Stellung eines oder mehrerer Versicherer
- I. Versicherungsmarkt
- II. Versicherungsvertriebsmarkt
- III. Zwischenergebnis
- D. Relativ marktstarke Versicherer
- I. Kleine und mittlere Maklerunternehmen
- II. Abhängigkeit vom Versicherer
- 1. Unternehmensbedingte Abhängigkeit
- 2. Sortimentsbedingte Abhängigkeit
- a) Fallgruppen
- b) Anwendung auf den Versicherungsmakler
- 3. Abhängigkeit von einem (gesetzlich) normierten Sortiment
- a) Die Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers nach § 60 Abs. 1 S. 1 VVG
- aa) Der „Markt“
- (1) Abgrenzung nach dem kartellrechtlichen Bedarfsmarktkonzept
- (2) Berücksichtigung exklusiv vertriebener Versicherungsprodukte
- (3) Berücksichtigung nicht-kooperierender Versicherer im Einzelfall
- bb) Die hinreichende Zahl von Angeboten
- cc) Die Pflicht zur Empfehlung des am besten geeigneten Versicherungsvertrages
- (1) Pflichtinhalt und -umfang
- (2) Fachliche Kriterien zur Bestimmung
- (11) Produktqualität
- (22) Unternehmensqualität
- cc) Zusammenfassung
- b) Kartellrechtliche Implikationen der Beratungspflichten
- aa) Vorüberlegung
- bb) Rechtsprechung und Literatur
- cc) Abhängigkeit von einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern
- dd) Abhängigkeit vom am besten geeigneten Versicherungsprodukt
- (1) Optimale Bedarfsgerechtigkeit im Einzelfall
- (2) Marktführer
- (3) Spezielle Maklerdeckungskonzepte
- ee) Zusammenfassung
- c) Alternative Bezugsquellen
- aa) Maklerpools als Ausweichmöglichkeit
- bb) Gleichwertigkeit des Bezugs über einen Maklerpool
- cc) Kein Verstoß der Maklerkooperation gegen das Kartellverbot
- dd) Zwischenergebnis
- III. Zusammenfassung
- E. Behinderung und Diskriminierung
- I. Unbillige Behinderung
- 1. Behinderung
- 2. Unbilligkeit
- a) Berechtigte Interessen der Versicherer
- b) Berechtigte Interessen der Versicherungsmakler
- c) Abwägung
- aa) Angemessene Umstellungsfrist
- bb) Gleichbehandlung von Versicherungsmaklern
- cc) Kein alternatives Angebot von Nettotarifen
- ee) Vormalige Tätigkeit als Ausschließlichkeitsvertreter
- 3. Zwischenergebnis
- II. Diskriminierung
- 1. Gleichartige Unternehmen
- a) Unternehmenseigene Vertriebsorganisationen
- b) Ausschließlichkeitsvermittler
- c) Mehrfirmenvertreter
- d) Zwischenergebnis
- 2. Sachlicher Grund
- a) Selektiver Vertrieb
- aa) Qualitative Selektion
- bb) Quantitative Selektion
- cc) Mindestumsatzanforderungen für Versicherungsmakler
- dd) Zusammenfassung
- b) Persönliche Gründe
- aa) Schwerwiegende Verletzung von Vertragspflichten
- bb) Weigerung der Vereinbarung von Compliance-Mindeststandards
- cc) Fehlende Gewerbeerlaubnis
- c) Zusammenfassung
- 3. Freistellung von Maklerdeckungskonzepten
- 4. Zusammenfassung
- III. Drittmarktbehinderung
- IV. Zusammenfassung
- F. Rechtsfolge
- I. Kartellbehördliche Maßnahmen
- II. Zivilrechtliche Ansprüche
- 1. Kontrahierungszwang
- 2. Prozessuale Durchsetzbarkeit
- a) Aktivlegitimation
- b) Klageart
- c) Einstweiliger Rechtsschutz
- d) Darlegungs- und Beweislast
- e) Zuständiges Gericht
- G. Konkurrenzen
- I. § 33 Abs. 1, 3 GWB i. V. m. Art. 101 AEUV
- II. Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Infrastruktureinrichtungen, § 19 Abs. 1 Nr. 4 GWB
- III. Behinderung kleiner und mittlerer Wettbewerber nach § 20 Abs. 3 GWB
- IV. Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 4 UWG
- V. § 315 Abs. 3 BGB und § 826 BGB
- H. Exkurs: Gleichbehandlung hinsichtlich der Auskunft über Produktinformationen
- I. Markt für Versicherungsproduktinformationen
- II. Marktbeherrschung durch Versicherer
- III. Alternative Bezugsquellen
- IV. Diskriminierung oder unbillige Behinderung eines Versicherungsmaklers
- V. Zwischenergebnis
- I. Zusammenfassung
- Fünftes Kapitel: Wesentliche Ergebnisse und Ausblick
- A. Wesentliche Ergebnisse
- B. Ausblick
- Literaturverzeichnis
Einleitung
A. Untersuchungsgegenstand
Der Versicherungsmakler erfüllt eine Doppelrolle: Er fungiert als Berater und Vermittler von Versicherungsschutz für den Versicherungsnehmer sowie als Vertriebskanal für den Versicherer, z.T sogar mit Abschlussvollmacht.1 Ihm stehen mithin zwei Marktseiten gegenüber – die Versicherungsnehmer, die die Beratung und Vermittlung von Versicherungsprodukten nachfragen, und die Versicherer, die den Vertrieb ihrer Produkte nachsuchen.2
Der Versicherungsmakler wird hierbei im Auftrag und Interesse des Versicherungsnehmers tätig. Seine zentrale Beratungspflicht ist die Empfehlung eines geeigneten Versicherungsvertrages, gestützt auf die Untersuchung einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern (§ 60 Abs. 1 S. 1 VVG3).4 Gleichwohl werden seine Dienste regelmäßig vom Versicherer vergütet. Hierzu vereinbart der Versicherungsmakler mit dem Versicherer Vertriebsabkommen, insbesondere sogenannte Courtagevereinbarungen und Courtagezusagen.5 Der Abschluss und die Ausgestaltung von Courtagevereinbarungen mit dem Versicherer hängen dabei häufig von der Größe des Versicherungsmaklers ab. Versicherer klassifizieren Versicherungsmakler nach ihren Umsätzen bzw. nach den von ihnen vermittelten Prämienvolumina in A-, B-, C- oder D-Versicherungsmakler.6 An dieser Einteilung orientieren sich die Höhe der Courtage und das Angebot von Serviceleistungen der Versicherer für die Vertriebsunterstützung.7 Die Fähigkeit eines Versicherungsmaklers ein gewisses Prämienvolumen vermitteln zu können, kann vom Versicherer aber auch ganz grundsätzlich zur Bedingung für den Abschluss einer Courtagevereinbarung ←19 | 20→gemacht werden.8 In der Praxis bilden Courtagevereinbarungen regelmäßig die Grundlage für die Zusammenarbeit, so dass Versicherer ohne eine entsprechende Vereinbarung meist keine Versicherungsanträge von einem Versicherungsmakler entgegennehmen.9
Ein Versicherungsmakler muss danach nicht nur Versicherungskunden akquirieren, sondern sich auch um den Zugang zu den Vertriebssystemen der Versicherer durch den Abschluss von Courtagevereinbarungen bemühen. Alternative Vergütungsmodelle, insbesondere die Honorarvermittlung, bei der der Versicherungsnehmer den Versicherungsmakler vergütet, sind in Deutschland bisweilen kaum verbreitet.10 Der Versicherer hält als Courtageschuldner damit das wohl wichtigste Steuerungsinstrument für den Absatz von Versicherungsprodukten in der Hand, und zwar auf einem Markt, auf dem ein starker Verdrängungswettbewerb zwischen den Versicherungsvermittlern herrscht.11 Unter diesen Wettbewerbsbedingungen ist die Gefahr eines Interessenkonfliktes unvermeidbar.12 Der Versicherungsmakler ist einerseits gesetzlich verpflichtet, unabhängig von den Absatzinteressen der Versicherer, dem Versicherungsnehmer einen geeigneten Versicherungsvertrag aus der Breite des Marktes zu empfehlen, andererseits ist er auf die Vertriebskoperation mit den Versicherern angewiesen, wenn er für seine ←20 | 21→Dienste eine Vergütung erhalten will. Eine gesetzliche Pflicht der Versicherer zur Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern besteht nicht.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Grenzen der Vertriebsgestaltungsfreiheit von Versicherern beim Abschluss von Courtagevereinbarungen mit Versicherungsmaklern. Hierzu werden verschiedene Fallkonstellationen erörtert, in denen ein Versicherungsmakler den Zugang zum oder den Verbleib im Vertriebssystem eines Versicherers zur Durchsetzung von Courtageansprüchen nachsucht.
B. Gang der Untersuchung
Für die vertrags- und kartellrechtliche Untersuchung der Vertriebsgestaltungsfreiheit der Versicherer werden im ersten Kapitel die gesetzlichen Grundlagen für den Versicherungsvertrieb durch Versicherungsmakler, die besonderen vertraglichen Beziehungen des Versicherungsmaklers zu den Versicherungsvertragsparteien sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Courtageanspruch erörtert.
Im zweiten Kapitel wird ein Überblick über die Bedingungen, insbesondere die Wettbewerbssituation beim Vertrieb von Versicherungsprodukten durch Versicherungsmakler gegeben.
Im dritten Kapitel erfolgt eine in erster Linie vertragsrechtliche Untersuchung von drei Fallkonstellationen: Es wird zunächst erörtert, ob ein Versicherer einen Versicherungsmakler durch die Kündigung einer Courtagevereinbarung derart aus seinem Vertriebssystem ausschließen kann, dass er künftig nicht mehr zur Courtagezahlung für bereits vermittelte Versicherungsverträge verpflichtet ist. Weiterhin wird untersucht, ob ein Versicherungsmakler im Falle der Übernahme der Verwaltung und Betreuung eines nicht selbst vermittelten Versicherungsvertrages im Auftrag des Versicherungsnehmers eine Folgecourtage bzw. ein Betreuungsentgelt vom Versicherer auch dann verlangen kann, wenn der Versicherer generell oder im Einzelfall nicht mit dem Versicherungsmakler zusammenarbeiten will. Zuletzt wird untersucht, ob ein Versicherungsmakler gegen einen Versicherer dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch haben kann, wenn dieser den Abschluss eines vermittelten Versicherungsantrages willkürlich ablehnt.
Im vierten Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Grenzen der Vertriebsgestaltungsfreiheit der Versicherer bei der Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklervertrieben nach dem kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbot. Bisher fand die kartellrechtliche Verhaltenskontrolle von Versicherern im Bereich des Versicherungsvertriebs kaum Beachtung.13 Dabei kann die Weigerung eines marktmächtigen oder marktstarken Versicherers, Vertriebsvereinbarungen mit einem Versicherungsmakler einzugehen oder fortzusetzen, grundsätzlich eine Diskriminierung oder unbillige Behinderung des Versicherungsmaklers im Wettbewerb nach §§ 19 Abs. 1, 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 ←21 | 22→S. 2 lit. c) AEUV darstellen.14 Für die kartellrechtliche Verhaltenskontrolle werden zunächst die Märkte untersucht, auf denen Versicherer Marktmacht entfalten können. Eine marktbeherrschende Stellung von Versicherern liegt in der Regel nicht vor, deshalb soll insbesondere die Möglichkeit der relativen Marktmacht von Versicherern nach § 20 Abs. 1 GWB als Nachfrager von Versicherungsvertriebsleistungen im Fokus der Untersuchung stehen. Wesentlicher Schwerpunkt ist dabei, zu ermitteln, ob die gesetzlichen Vorgaben für den Vertrieb durch Versicherungsmakler nach § 60 Abs. 1 S. 1 VVG und das von der Rechtsprechung geprägte Leitbild vom treuhänderähnlichen Sachwalter kartellrechtliche Implikationen im Hinblick auf den Abhängigkeitstatbestand des § 20 Abs. 1 GWB erzeugen können.
Im fünften Kapitel werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit unter der genannten Zielsetzung zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.
1 Vgl. Kommission, Sektorenuntersuchung Unternehmensversicherung, Abschlussbericht, KOM/2007/0556 endg., S. 6, Rn. 19.
2 WeKo RPW 2008/2, 260 (262); ähnlich schon die Kommissionsentscheidung vom 24.8.1998, COMP/ IV/M.1280, Rn. 7 – KKR/Willis Coroon: „brokers act as intermediaries between the supply side (insurance companies) and the demand side (clients seeking insurance)“; dazu Viertes Kapitel B. III. 1. b).
3 Ausgewiesen werden die Neufassungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20.7.2017, BGBl. I 2017, S. 2789.
4 BGH VersR 2012, 619 (620).
5 Im Folgenden zusammengefasst nur Courtagevereinbarung genannt.
6 Vgl. Marfeld, VW 2010, 773; Beenken, Versicherungsvertrieb, Absatz von Versicherungen durch Versicherer und Vermittler in Theorie und Praxis, S. 205.
7 Vgl. Marfeld, VW 2010, 773; Beenken, Versicherungsvertrieb a.a.O., S. 205.
8 Hergert, Wirtschaftswoche, wiwo.de vom 21.03.2009, Warum Versicherer mit einigen Maklern nicht zusammenarbeiten wollen; Evers, VersicherungsJournal Extrablatt, Nr. 4/2009, S. 22.
9 Vgl. Matusche-Beckmann, GS Hübner, S. 171 (173); dieselbe in VersR-HdB, § 5, Rn. 394; Baumann in Looschelders/Pohlmann, VVG, § 59, Rn. 45; Schwintowski in Bruck/Möller, VVG, § 59, Rn. 119; Gruber in Berliner Kommentar, Anhang zu § 48, Rn. 15; Schroeder, Die Vergütung von Versicherungsmaklern, S. 40; dazu Erstes Kapitel B. I. 1.
10 Vgl. dazu Erstes Kapitel B. V.
11 Vgl. Beenken, Der Markt der Versicherungsvermittlung unter veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen, S. 3.
12 Zum vergütungsinduzierten Interessenkonflikten der Versicherungsvermittler vgl. ausführlich Icha, Die Nettopolice, Chancen und Herausforderungen für Versicherungsunternehmen, Versicherungsvermittler und Versicherungsnehmer, S. 175 ff.; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, S. 233; grundlegend zum Interessenskonflikt von Intermediären vgl. Hopt, ZGR 2004, 1 (14 f.), danach bestehen „prototypisch und systembedingt“ Interessenskonflikte zwischen Kunden auf derselben oder verschiedenen Marktseiten (kollidierende Fremndinteressen) bei Banken, Kommissionären, Mehrfirmenhandelsvertreter, (Handels)Makler und anderen Dienstleistern; Kumpan, Der Interessenkonflikt im Deutschen Privatrecht, vgl. insbesondere S. 239, danach sei es mit der Funktion eines Intermediärs unvereinbar, wenn dieser bei einer Kollision von (Kunden-)Fremdinteressen, insbesondere wenn sich die Kunden auf verschiedenen Marktseiten befinden, verpflichtet wäre, vom Geschäft Abstand zu nehmen. Vielmehr sei es gerade seine Funktion zwischen den Parteien zu vermitteln und sich um einen angemessenen Interessensausgleich zu bemühen.
13 Stancke, VersR 2009, 1168 (1177).
14 Stancke, VersR 2009, 1168 (1177); Schwintowski in Bruck/Möller, VVG, § 59, Rn. 123; ders. VUR 2010, 433; OLG München, Urteil vom 10.06.2010, Az. U (K) 5651/09, juris.
Erstes Kapitel: Der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers
A. Der Versicherungsmakler
I. Definition
Das Hauptgeschäft des Versicherungsmaklers besteht in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen.15 Der Versicherungsmakler ist in § 59 Abs. 3 VVG legal definiert. Danach ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Versicherungsnehmer die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen vornimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt nach § 59 Abs. 3 S. 2 VVG auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistung als Versicherungsmakler.
Versicherungsmakler stehen im Verhältnis zum Versicherer auf der Seite der Versicherungsnehmer.16 Wegen ihrer umfassenden Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer werden Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse der von ihnen betreuten Versicherungsnehmer vom Bundesgerichtshof als dessen „treuhänderähnliche Sachwalter“ bezeichnet und seien insoweit mit sonstigen Beratern vergleichbar.17 Der Versicherungsmakler hat gegenüber dem Versicherer keine Tätigkeitspflicht, wohl aber regelmäßig gegenüber dem Versicherungsnehmer.18
II. Rechtliche Rahmenbedingungen
Mit der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG (Insurance Mediation Directive, kurz: IMD)19 durch das Gesetz zur Neuordnung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19.12.200620 wurden erstmals explizit Vorschriften für den Versicherungsmakler eingeführt. Bis dahin wurden die Rechte und Pflichten der Versicherungsmakler ausschließlich durch das Handelsrecht, das Gewohnheitsrecht und die Rechtsprechung geprägt.21
←23 | 24→1. Gesetzliche Grundlagen
a) VVG
§ 59 Abs. 3 VVG definiert den Versicherungsmakler. Nach § 59 Abs. 1 S. 2 VVG n.F. gelten die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c VVG n.F. für ihn entsprechend. Die Vorschriften beschreiben den Umfang der Vertriebstätigkeiten und enthalten allgemeine und spezielle Anforderungen an diese, wie insbesondere weitere Informationspflichten gegenüber den Versicherungsnehmern. Die §§ 60 und 61 VVG enthalten Beratungs- und Dokumentationspflichten für den Versicherungsmakler. Nach § 63 VVG ist der Versicherungsmakler zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seinen Pflichten aus den §§ 60 und 61 VVG nicht nachkommt. Gemäß § 67 VVG n.F. darf von den §§ 60 bis 66 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Gleichwohl sind nach § 65 VVG die §§ 60 bis 63 VVG nicht auf die häufig von Versicherungsmaklern getätigte Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisiken im Sinn des § 210 Abs. 2 VVG anwendbar, weil Kunden von Großrisiken regelmäßig weniger schutzbedürftig sind als nichtinstitutionelle Versicherungskunden, insbesondere Verbraucher.22 Unberührt von der Ausnahme in § 65 VVG bleiben aber Verpflichtungen der Versicherungsmakler, die sich aus dem Maklervertrag sowie der hieraus nach der Rechtsprechung folgenden Sachwalterstellung der Versicherungsmakler ergeben.23 Nach § 209 VVG sind die Vorschriften des VVG ferner nicht auf die Rückversicherung und die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung) anzuwenden. Mithin gelten die §§ 59 ff. VVG n.F. nicht für Rückversicherungsmakler und Versicherungsmakler, die im Bereich der Seeversicherung tätig sind.24
b) HGB und BGB
§ 59 Abs. 3 VVG n.F. weicht erheblich von der Definition des Handelsmaklers in § 93 Abs. 1 HGB ab, weil das Kriterium der ständigen Betrauung – das ursprünglich dazu diente, den Versicherungsmakler vom Versicherungsvertreter zu unterscheiden – im Rahmen von § 59 VVG n.F. keine Rolle mehr spielt.25 Die handelsrechtlichen Vorschriften sind aber weiterhin subsidiär anwendbar, wenn sich aus den spezielleren Vorschriften der §§ 59 ff. VVG n.F. keine Besonderheiten ergeben.26 Die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 652 ff. BGB gelten nur für den Zivilmakler, vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen der Parteien.27 Sie ←24 | 25→können aber ergänzend auf den gewerblichen Versicherungsmakler angewendet werden, wenn weder das VVG noch das HGB eine abweichende Regelung treffen.28
c) GewO und VersVermV
Bis zur Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG (kurz IMD)29, novelliert durch die Richtlinie (EU) 2016/97 (kurz IDD)30, war die Versicherungsvermittlung ein erlaubnisfreies Gewerbe, so dass Versicherungsmakler nach § 14 GewO nur die Aufnahme ihrer Tätigkeit der zuständigen Behörde anzeigen mussten.31 Mit der IMD sollten einheitliche Anforderungen für alle Versicherungsvermittler in den Mitgliedstaaten geschaffen werden, um den Verbraucherschutz zu verbessern und den Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen zu fördern.32 Heute benötigen gewerblich tätige Versicherungsvermittler eine Gewerbeerlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO n.F.33 Die gewerberechtlichen Vorschriften für Versicherungsvermittler gelten – anders als die Vorschriften des VVG – nach § 34d Abs. 1 GewO n.F. auch für Rückversicherungsvermittler.
Die Gewerbeerlaubnis erteilt die zuständige Industrie- und Handelskammer. Nach § 34d Abs. 5 GewO n.F. ist eine Erlaubnis zu erteilen, wenn der Vermittler die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (Nr. 1), er in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (Nr. 2), den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung erbringen kann (Nr. 3) und nachweist, dass er vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich die Sachkundeprüfung abgelegt hat (Nr. 4). In der Gewerbeerlaubnis ist gem. § 34d Abs. 1 S. 5 GewO n.F. anzugeben, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erteilt wurde. § 34d Abs. 1 S. 6 GewO n.F. ordnet nunmehr gesetzlich an, dass es einem Versicherungsvermittler untersagt ist, Versicherungsnehmern, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen. Nach Satz 7 ist § 48b VAG n.F. entsprechend anzuwenden. Wurde einem Versicherungsmakler eine Erlaubnis erteilt, so beinhaltet die Erlaubnis nach § 34d Abs. 5 S. 8 GewO n.F. neben der Versicherungsvermittlung ←25 | 26→die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten. Versicherungsmakler können danach weiterhin Versicherungskunden, die nicht Verbraucher sind, gegen gesondertes Honorar Beratungen über Versicherungsverträge anbieten, auch wenn diese Beratungen rechtlich geprägt sind und mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit nicht in Zusammenhang stehen.34 Hat ein Versicherungsmakler seine Tätigkeit aufgenommen, ist er insbesondere verpflichtet, sich nach § 34d Abs. 10 GewO n.F. unverzüglich in das Vermittlerregister der zuständigen Industrie- und Handelskammer eintragen zu lassen und nachträgliche wesentliche Änderungen der im Register gespeicherten Angaben mitzuteilen.
Gemäß § 34e Abs. 1 GewO n.F. erlässt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermV), welche die berufsrechtlichen Anforderungen für Versicherungsvermittler und -berater regelt. Der Pflicht zur sogenannten Statustransparenz beim ersten geschäftlichen Kontakt kommt dabei besondere Bedeutung zu. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV (Fassung 2007) haben Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmern mitzuteilen, ob sie als Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter nach § 34 d Abs. 1 GewO n.F. bei der zuständigen Behörde gemeldet und in das Register nach § 34 d Abs. 10 GewO n.F. eingetragen sind. Die obligatorische Auskunft über den Vermittlerstatus soll den Versicherungsnehmern Klarheit darüber verschaffen, ob der Versicherungsvermittler auf seiner Seite steht (Versicherungsmakler) oder für den Versicherer tätig ist (Versicherungsvertreter).35 Ein schuldhafter Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 11 Abs. 1 VersVermV (Fassung 2007) stellt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 VersVermV (Fassung 2007) eine Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 b GewO dar.
Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 20.1.2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (kurz: Gesetz zur Umsetzung der IDD)36 macht eine Überarbeitung der VersVermV durch das BMWi erforderlich. Die Verordnungsermächtigung hierzu trat mit § 34e GewO n.F. am 29.7.2017 in Kraft.37 Das BMWi veröffentlichte einen entsprechenden Referentenentwurf am 24.10.2017.38 Im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung konnten Stellungnahmen bis zum 24.11.2017 eingereicht werden. Eine vollständige Umsetzung der Vorgaben der IDD bis zum 23.2.2018 wird damit aber wohl nicht mehr erreicht.
←26 | 27→d) Versicherungsaufsichtsrecht
Seit dem 1.1.2016 enthalten die §§ 48 bis 51 VAG n.F.39 die Vorschriften für Versicherer, die sie bei einer Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern berücksichtigen müssen.
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 VAG n.F. sichert als komplementäre Vorschrift zu § 34 d GewO n.F. die gewerberechtliche Erlaubnispflicht für Versicherungsvermittler ab.40 Versicherungsunternehmen dürfen danach nur mit solchen gewerbsmäßig tätigen Versicherungsvermittlern zusammenarbeiten, die im Besitz einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO n.F. sind. Die mit dem Gesetz zur Umsetzung der IDD41 neu eingeführten §§ 48a bis 48c VAG n.F. enthalten im Wesentlichen korrespondierende Vorschriften zu den Regelungen der GewO. So enthält § 48b VAG n.F. ein gesetzliches Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot für Versicherer.42 § 49 VAG enthält Regeln über die Stornohaftungszeit von Versicherungsvermittlern in der Lebens- und substitutiven Krankenversicherung. § 50 VAG bestimmt die Höchstgrenze für Entgelte, die Versicherer für den Abschluss substitutiver Krankenversicherungsverträge an Versicherungsvermittler zahlen dürfen.43 Nach § 51 VAG sind Versicherer verpflichtet, Beschwerden von Kunden über Versicherungsvermittler zu beantworten. Bei wiederholten Kundenbeschwerden, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erheblich sein können, haben Versicherer die für die Erlaubniserteilung nach § 34d Abs. 1 S. 1 GewO n.F. zuständige Behörde darüber in Kenntnis zu setzen.
Nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 VAG können auch Versicherungsmakler gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Auskunft verpflichtet sein. Vermitteln sie unerlaubte Versicherungsgeschäfte, kann die Aufsichtsbehörde auch ihnen gegenüber die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs gemäß § 308 Abs. 4, 1 VAG anordnen. Nach § 332 Abs. 3 Nr. 2b VAG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung der Aufsichtsbehörde nach § 308 Abs. 4 Nr. 1 VAG zuwider handelt.
e) IMD, IDD und delegierte Verordnungen
Am 3.7.2012 hatte die Europäische Kommission ihren ersten Vorschlag zur Novellierung der IMD44 vorgestellt.45 Die Anwendung der IMD habe unter anderem ←27 | 28→gezeigt, dass eine Reihe von Vorschriften hinsichtlich des Zugangs zur Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungsvermittlungstätigkeit konkretisiert werden müssen und im Interesse des Verbraucherschutzes eine Erweiterung des Geltungsbereichs der IMD auf jede Art des Vertriebs von Versicherungsprodukten erforderlich sei, unabhängig davon, ob der Versicherungsvertrieb durch Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen erfolge.46 In einem Zwischenschritt wurden mit Art. 91 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID 2)47 vom 15.5.2014 für Versicherungsanlageprodukte (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products, kurz PRIIPs oder IBIPs48) erste Änderungen vorgenommen. Am 20.1.2016 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Europäische Rat schließlich nach vier Jahren Verhandlungen die Richtlinie (EU) 2016/97 (Insurance Distribution Directive, kurz IDD, zuvor sprach man noch von einem Entwurf der IMD 2), mit der die IMD aus dem Jahr 2002 ersetzt wurde. Das durch die MiFID 2 in die IMD bereits eingefügte Kapitel III A. über Versicherungsanlageprodukte wurde mit Inkrafttreten der IDD aufgehoben.
Nicht alle Änderungsvorschläge, die noch im ersten Novellierungsvorschlag der Kommission enthalten waren und gegenüber der ursprünglichen Richtlinie deutlich mehr Transparenz bezüglich Wesen, Struktur und Umfang der Vergütung der Versicherungsvermittler schaffen sollten, konnten sich letztlich politisch durchsetzen. So enthält Art. 19 der IDD, anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag für die IMD 249 in Art. 17 lit. f, keine Pflicht zur Offenlegung des vollständigen Betrags der Vergütung für Versicherungsvermittler. Versicherungsvermittler müssen nach Art. 19 Abs. 1 lit. d-e IDD nur die Vergütungsart – d.h., ob sie eine Provision, Courtage oder Honorar erhalten – und die Herkunft der Vergütung vor Vertragsschluss dem Versicherungsnehmer offenlegen.
Die IDD sieht zudem kein Provisionsverbot vor. Der Kommissionsvorschlag für die IMD 2 regelte ein solches noch für die unabhängige Vermittlung von IBIPs in Art. 24 Nr. 5 lit. b. Gemäß Art. 17 Abs. 3 IDD haben die Mitgliedstaaten nun nur noch allgemein sicherzustellen, dass Versicherungsvertreiber nicht in einer Weise vergütet werden oder die Leistung ihrer Angestellten nicht in einer Weise vergüten oder bewerten, die mit der Pflicht, im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln, kollidiert. Art. 29 Abs. 2 lit. a der IDD regelt ergänzend ←28 | 29→für den Vertrieb von IBIPs durch unabhängige Vermittler, dass Provisionen und Courtagen grundsätzlich zulässig sind, wenn sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die Qualität der erbrachten Dienstleistung des Vermittlers haben. Nach Art. 29 Abs. 3 der IDD bleibt es den Mitgliedsstaaten jedoch unbenommen, ein Provisionsverbot national zu regeln. Ferner wurde der Kommission durch Art. 29 Abs. 4 lit. a IDD die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um Kriterien festzulegen, anhand derer beurteilt werden kann, ob sich Anreize, die von einem Versicherungsvermittler oder einem Versicherungsunternehmen gesetzt oder erhalten wurden, nachteilig auf die Qualität der entsprechenden Dienstleistung für den Kunden auswirken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) äußerte diesbezüglich die Befürchtung, dass auf diesem Wege ein „faktisches Provisionsverbot“ entstehen könnte, weil nicht auszuschließen sei, dass die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority, kurz EIOPA) künftig die Kriterien für mögliche „nachteilige Auswirkungen“ durch eine Leitlinie so umfassend regle, dass so gut wie nie oder nur sehr geringe Provisionen gezahlt werden könnten.50 Das von der EIOPA veröffentlichte Konsultationspapier zur Umsetzung der Richtlinie51 bestätigte nach Ansicht des GDV diese Befürchtung, weil die vorgeschlagenen Regelungen mit einem Provisionssystem nur schwer zu vereinbaren seien.52
Die IDD trat am 22.2.2016 in Kraft und ist von den Mitgliedsstaaten innerhalb von 24 Monaten, d.h. bis zum 23.2.2018, in nationales Recht umzusetzen. Die Kommission veröffentlichte erst am 21.9.2017 zwei Entwürfe für delegierte Verordnungen zur Ergänzung und Konkretisierung der IDD in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber (EU) 2017/2358 (POG-Verordnung)53 sowie in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten ←29 | 30→und Wohlverhaltensregeln (EU) 2017/2358 (IBIP-Verordnung)54. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) hatte am 16.10.2017 über die delegierten Verordnungen abgestimmt und die Kommission dazu aufgefordert, zu prüfen, ob die Anwendung (nicht die Umsetzung) der delegierten Verordnungen bzw. der IDD auf den 1.10.2018 verschoben werden kann und entsprechende Änderungsanträge beschlossen.55
f) Gesetz zur Umsetzung der IDD in Deutschland
Der Bundestag hat am 20.7.2017 die IDD in deutsches Recht umgesetzt.56 Das Gesetz zur Umsetzung der IDD bringt eine Vielzahl an Neuerungen für den Versicherungsvertrieb. Die Vorgaben der IDD über die Anforderungen an Versicherungsvermittler werden weitgehend in § 34 d GewO n.F. geregelt. Zudem wird die Ermächtigungsgrundlage in der GewO für den Erlass der VersVermV erweitert (nun § 34e GewO n.F.), um weitere Einzelheiten insbesondere zur Weiterbildung und zur Vermeidung von Interessenskollisionen regeln zu können. Darüber hinausgehende, von der IDD vorgegebene Verhaltens- und Informationspflichten werden in den §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c VVG n.F. normiert und gelten gemäß § 59 Abs. 1 S. 2 VVG n.F. entsprechend für den Versicherungsmakler.57 Die Umsetzung der IDD nahm der Gesetzgeber zudem zum Anlass, neue Regeln für die Honorarberatung einzuführen, um diese im Versicherungsbereich weiter zu stärken. In der GewO werden dazu die Regelungen zum Versicherungsberater neu gefasst und im VAG korrespondierende Vorschriften für Versicherer eingeführt.58
Das Umsetzungsgesetz tritt am 23.2.2018 in Kraft; die Verordnungsermächtigung in der GewO n.F. ist bereits nach Verkündung des Gesetzes am 29.7.2017 in Kraft getreten. Auch das Provisionsabgabe- und Sondervergütungsverbot ist unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes in Kraft getreten, da die bis dato existierenden Verordnungen bereits zum 1.7.2017 aufgehoben wurden.59
Details
- Pages
- 302
- Publication Year
- 2019
- ISBN (PDF)
- 9783631790533
- ISBN (ePUB)
- 9783631790540
- ISBN (MOBI)
- 9783631790557
- ISBN (Hardcover)
- 9783631746820
- DOI
- 10.3726/b15639
- Language
- German
- Publication date
- 2019 (May)
- Keywords
- Courtagevereinbarung Versicherungsmaklermarkt Versicherungsvertrieb Versicherungsvermittlermarkt Vertriebsgestaltungsfreiheit
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 302 S., 4 Tab.