Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90
Band 1: Anschluss
Zusammenfassung
Der Band «Anschluss» widerlegt den Mythos von der «friedlichen Revolution» und von der «Wiedervereinigung» dessen, was zusammengehört und geht der These nach, dass Liberalisierung die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist. Der Band belegt die zeithistorischen Zusammenhänge für den koordinierten Staatsanschluss der DDR an die BRD und zeigt auf, warum die basisdemokratische Reformbewegung 1990 scheitern musste.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titelseite
- Impressum
- About the autor
- About the book
- Widmung
- Inhalt
- Anschluss, Umbau und Exil in Ostdeutschland seit 1989/90 (1)
- Was dann, wenn nicht „Wiedervereinigung“?
- Teil 1: Anschluss
- Intro: Liberalisierung ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln
- A / Recht und Moral
- 1. Hybris und Stigma
- 1.1. Stigma
- 1.2. Hybris und Machiavellismus
- 1.3. Hybris-Konstrukte 1–5
- 1.3.1. Hybris 1: Die DDR ist mit der NS-Diktatur gleichzusetzen / Erblast der „zweiten deutschen Diktatur“
- 1.3.2. Hybris 2: Die DDR-Ostdeutschen sind „Opfer, Täter und Mitläufer“ des „SED-Regimes“ / kriminogene und pathogene Erblast der „DDR-Diktatur“
- 1.3.3. Hybris 3: Die SED hat NSDAP-Mitglieder protegiert und Altnazis in der Gesellschaft gedeckt / Nazi-Erblast der „DDR-Diktatur“
- 1.3.4. Hybris 4: Die DDR ist ein „Unrechtsstaat“ / Erblast des „Bolschewismus“ und Stalinismus
- 1.3.5. Hybris 5: Die DDR-Volkswirtschaft ist eine korrupte Mangelwirtschaft / Erblast der „DDR-Kommandowirtschaft“
- 2. Diktaturenvergleich
- 2.1. Dezisionismus
- 2.1.1. Die Konstruktion der „zweiten deutschen Diktatur“ und der „stalinistischen Willkürherrschaft“ in der SBZ
- 2.2. Amnestie und Protektion (Rechtfertigung)
- 2.2.1. Deutscher Bundestag und NS-Vergangenheit
- 2.3. Verdeckung und Camouflage (Tarnung)
- 2.4. Verjährung und Schuld-Übertragung (Entlastung)
- 2.5. Widerspruch und Widerlegung
- 3. Totalitarismusdoktrin
- 3.1. Die DDR, (k)eine totalitäre Diktatur?
- 3.2. „Diktatur ist ebensowenig der entscheidende Gegensatz zu Demokratie wie Demokratie der zu Diktatur“
- 3.3. Totalitarismusdoktrin bei Hannah Arendt
- 3.3.1. Das Schweigen bei Arendt
- 3.3.2. Die Judenfrage bei Arendt
- 3.3.3. Arendt-Kritik
- 3.4. Kausaler Nexus und Präventivkriegsthese
- 4. Moralisierung des Rechts
- 4.1. Die Apologetik im Völkerrecht mittels der Arendt'schen Totalitarismusdoktrin
- B / Anschluss
- 5. Reform oder Revolution?
- 5.1. Die Frage bei Rosa Luxemburg
- 5.2. Entradikalisierung des Widerstands
- 5.3. Freiheit des Geldes
- 5.4. Ökonomismusbegriff bei Pierre Bourdieu
- 5.5. Annexion, ohne Transformation!
- 6. Regime Change 1989 – 1990
- 6.1. Aufbruch
- 6.1.1. Bewegung und Gegenbewegung
- 6.1.2. Der invasive Wahlkampf der BRD in der DDR
- 6.1.3. Exodus 1
- 6.2. Umsturz
- 6.2.1. Erster Umsturz
- 6.2.2. Doppelter Umsturz
- 6.2.3. Rolle der Streitkräfte (NVA, GSSD)
- 6.2.4. Rolle der Medien
- 6.3. Anschluss
- 6.3.1. Zweiter Umsturz („Wende in der Wende“)
- 6.3.2. Der Aufstieg der Allianz für Deutschland („AfD“)
- 6.3.3. Antisozialistischer Stimmungsumschwung
- 6.3.4. Die Rolle der MfS-Dissidenten
- 6.3.5. Beitrittsbeschluss oder Verfassungssturz? – Die Deutsche Einheit als Problem der Verfassungspolitik
- 6.3.6. Der Anschluss der DDR an die BRD – Ein Modellfall der neoliberalen Annexion
- C / Siegerjustiz
- 7. „Unrechtsstaat“ oder „Bananenrepublik“?
- 7.1. Die Entdeckung des „Unrechtsstaates DDR“
- 7.2. Umkehrübertragung von Unrecht im Namen des Rechts
- 7.3. Befreiungsmythos 1989/90
- 7.3.1. Die Befreiung Ostdeutschlands vom „DDR-Unrechtsstaat“
- 7.4. Befreiungsmythos „Banane“
- 1. Chronik der Ereignisse zwischen Mai 1989 und Oktober 1990
- 2. Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945
- 3. Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945
- 4. „Neue Verfassung der DDR“, ZRT, 4. April 1990
- 5.. Verfassungssturz „Neue Verfassung der DDR“
- 6. Anschluss-Planung: Keine Angst vor dem Tag „X“
- 7. Wahlplakate Allianz für Deutschland („AfD“) 1990
- 8. Befreiungsmythos „Banane“
- Literatur
- Personen- und Akteursregister
- Edition E.G.
- Back Matter
Anschluss, Umbau und Exil in Ostdeutschland seit 1989/90 (1)
Was dann, wenn nicht „Wiedervereinigung“?
Das Projekt „Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90“ macht es sich zur Aufgabe, die jüngere deutsche Geschichte der letzten knapp drei Dekaden unter einem neuen Blickwinkel zu beleuchten. Hierbei wird eine Analyse der „Wende“15 von 1989/90 sowie weiterer „Wenden“ ab 2001/02 vorgenommen (insgesamt stehen vier neoliberale Reformen zur Disposition), die als tiefgreifende Schockstrategien in Raum und Recht Ostdeutschlands auf dem ehemaligen Gebiet der DDR wirksam wurden.
Die vorliegende Auseinandersetzung vertritt die These, dass es sich ab 1989/90 weder um eine Wiedervereinigung noch um eine „friedliche Revolution“, erst recht nicht um eine Gesellschafts- und Wirtschaftstransformation handelt. Die Frage wäre dann, von welcher Art der Einigung ausgegangen werden darf, wenn de facto eine Staatslöschung (in Fragen der Gewalten, der Ökonomie, des Territoriums, des Eigentums und Vermögens sowie der Bevölkerung) auf der Grundlage der Debellation des Führungskommandos der DDR als Vorbedingung vorlag. Die Löschung einer Gesellschaft (GmbH) wird in drei Schritten vollzogen: Auflösung, Abwicklung und Liquidation. Im dem Fall der DDR wurde mit dem Beitritt des DDR-Staates zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD die staatliche Volkswirtschaft zur insolventen GmbH erklärt. Da Staat und Wirtschaft im Volkseigentum verschränkt waren, fand mit der Staatslöschung gleichzeitig eine Wirtschaftsenteignung statt, in deren Folge die bisherige Gesellschaft in einem Totalumbau verschwand. Der Fall einer (Wieder-)Vereinigung oder einer Gesellschaftstransformation würde eine gleichwertige Partnerkonstellation und Bedingungen voraussetzen, unter denen zu gleichen Anteilen in allen ökonomischen, kulturellen, gesellschaftlichen und Gewaltenfragen verhandelt wird. In der Verhandlung am 23. August 199016 allerdings wurde die Debellation, was auch als Beitritt der DDR zur BRD bezeichnet wird, besiegelt, wodurch die ultimative Vorbedingung für den Anschluss der DDR an die BRD geschaffen wurde. Der sogenannte Beitrittsbeschluss lag bereits vor, noch bevor der Einigungsvertrag abgeschlossen war. Die lange Zeit in Ost (Oppositionsparteien, Reformgruppen, Zentraler Runder Tisch) und West (SPD) diskutierte Alternative für eine Einheit von beiden Staaten nach Artikel 146 des Grundgesetzes war mit einem Schlag vom Tisch. Vier Tage vor dem 41. Jahrestag der DDR war die Einheit nach Artikel 23 besiegelt und zwar als Anschluss der DDR an die BRD. Ein eruptiver Ausbruch der Liberalisierung des ehemaligen volkseigenen Gebietes der DDR mit einer beispiellosen Landnahme, auch als Abwicklung durch die Treuhandanstalt (THA) bekannt geworden, vereitelte, was Jahre später noch als Gesellschaftstransformation und Modernisierung in der BRD offiziell diskutiert wird. Unterhalb der Medienoberfläche einer glänzenden Wiedervereinigung wurden in Windeseile die Weichen für eine Totalübernahme der gesellschaftlichen und Regierungsinstitutionen gestellt und eine Totalenteignung des Volkseigentums sowie eine Totalunterwerfung der Bevölkerung unter Gesetz und Tabu vollzogen. Die führenden Verlagshäuser der sogenannten Qualitätsmedien-West verdeckten gekonnt mit einem Hybris-Komplex der Delegitimierung der DDR, des Ostens und der „Sowjets“ den Milliardendeal der Investoren, der sich als Aufschwung Ost, natürlich ohne Ostdeutsche, Bahn brach. Da nach wie vor von „Wiedervereinigung“ gesprochen und geschrieben wird, liegt es nahe anzunehmen, dass nur eine revisionistische Wiedervereinigung im geopolitischen Territorium des deutschen Reichs gemeint sein kann. Also ein Anschluss, worauf alle Liquidationsvorgänge der DDR in Souveränität, Wirtschaft und Gesellschaft schließlich verweisen?
Weiterhin wird in diesem Projekt untermauert, dass es sich nicht um eine „friedliche Revolution“ handelte, sondern um eine Revolution bei Abwesenheit von militärischer Gewalt, also um eine blutlose Revolution im Vollzug einer Staatsübernahme. Hierbei ist auch die besondere Rolle, die der DDR-Kirche zugeschrieben wird, zu relativieren, denn wie nachweislich bekannt wurde, hatte die DDR-Kirche in einem konspirativen Brückenschlag zwischen dem MfS, dem Außenministerium (DDR), dem Auswärtigen Amt (BRD) und der Kirche in der BRD wie auch den kirchennahen Parteien und der Rechtsprechung der BRD eine besondere Vermittlerrolle. Entscheidend für die vorliegende Betrachtung ist die Tatsache, dass die Abwesenheit einer militärischen Intervention während der Demonstrationen im Herbst 1989 von Moskau angeordnet wie auch von der Übergangsregierung Krenz strikt per Befehl befolgt wurde. Damit haben beide Seiten, sowohl Moskau als auch die Übergangsregierung Krenz, Reformbereitschaft in der revolutionären Situation gezeigt. Zugleich wird deutlich gemacht, dass es eine verlorene Revolution war, denn mit dem Anschluss der DDR an die BRD verlor die Revolution ihre Kinder. Bürgerrechtler, Regimegegner, Staatskritiker, Kombinatsleiter, Schriftsteller, Intellektuelle, Arbeiterinnen und Arbeiter hatten den Willen und die Kraft, das Schiff zu lenken. Sie hätten den Beistand einer Reformregierung gebraucht, einer Gesetzesmacht, die bereit war, den Weg der Reform zu einem demokratischen Sozialismus mitzugehen und zu tragen. Die Staatsführung glich damals eher einer schweren Maschine, die mit dem Revolutionstempo nicht mithalten konnte und entgleiste. Der folgenschwere Weg für einen Anschluss mit allen Konsequenzen war vorgezeichnet.
Mit dem Beitritt der DDR zur BRD wurde mit sofortiger Wirkung ein Apparat installiert, der in den nächsten Dekaden die Liquidierung der DDR in Gesellschaft, Geschichte und Recht exekutiv realisierte. Hunderte Behörden, Stiftungen, Bildungseinrichtungen, Institute, Museen und Gedenkstätten, durch deren Leistung die DDR als „zweite deutsche Diktatur“ nach der NS-Diktatur und als „Unrechtsstaat“ in die Geschichte eingehen soll, wurden ab 1990 aktiv. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass eine Propagandamaschine der Medien und Behörden ab 1989/90 in Kraft trat, durch die ein komplexes gesellschaftliches Tabu institutionalisiert wurde. Dieses Tabu beinhaltet in erster Hinsicht das Verschweigen eines mit der „Wiedervereinigung“ zu Ende geführten Kriegsplanes der westlichen Alliierten, nämlich das Ende des Kalten Krieges als „Sieg über die Sowjetunion“, als Sieg der „Versailler Nachkriegsordnung von 1918“ über die „Europäische Nachkriegsordnung von 1945“, als Sieg der Weimarer Republik über die geteilte Republik. Es ist das Verschweigen der annektierten und verlorenen Revolution der Reformbewegung von 1989/90 sowie das Verschweigen des „Wende“-Schicksals von Millionen DDR-Bürgern, den späteren Neubürgern, die in Band 3 „Exil“ als Exil-Ostdeutsche konzeptualisiert werden. Das hier institutionalisierte gesellschaftliche Tabu betrifft die blinden Flecken des Regime Change, der Staatslöschung und der Gesellschaftslöschung seit 1989/90.
Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages von 1990 tritt ein neues Pay for Play der Global Player in Kraft, die mit altem Vermögen und neuem Vermögen aus dem privatisierten Volkseigentum globale Businesspläne umsetzen und gleichzeitig eine Demokratieräson herstellen. Ähnliche Ereignisse der Nachkriegsgeschichte (Post War Periode, PWP) werden als Regime Change bezeichnet. Bei einem Regime Change werden Gewalten, Regierungen, Behörden und die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, Ökonomien für bankrott erklärt, Währungsreformen eingeführt, die oftmals für Millionen Bürger zu plötzlichen Vermögensverlusten führen und einigen wenigen, den Global Playern und Initiatoren des Regime Change, Gewinne in Höhen von Staatshaushalten einspielen. Läuft ein Regime Change ohne großen Widerstand aus den Regierungsämtern und der Bevölkerung ab, ist der Einsatz von Militär überflüssig. Dann wird dies euphemistisch als „friedliche Revolution“ bezeichnet.
So auch im Fall der „DDR-Wende“, die jedoch nach einem eigenen Modell ablief. Der Regime Change dauerte ein ganzes Jahr, von den Massenfluchten 1989 bis zur Unterzeichnung des Einigungsvertrags am 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Auflösung der DDR und ihren Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD nach Artikel 23 des Grundgesetzbuches (Art. 23 GG a. F.), das heißt ihren Anschluss an das Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der BRD. Die DDR unterzeichnete ihre Debellation.
Eine militärische Intervention wie im Fall von Chile im Jahr 1973, vorgesehen in den wirtschaftstheoretischen Konzepten des amerikanischen Ökonomen Milton Friedman und der Chicago Boys, war daher nicht nötig. So hatte sich die Sowjetunion aus einer Intervention herausgehalten. Ein anderer Deal wurde später vielversprechender: der Abzug der stationierten Truppen gegen finanzielle Gegenleistungen. Die sowjetische Regierung unter Gorbatschow hatte de facto kein Interesse, die DDR zu erhalten! Das traf sich mit dem Interesse der Bürgerrechtler und mit dem Interesse der Protestmenge, die eine Loslösung vom Sozialismus sowjetischen Typs anstrebten. Zum Zeitpunkt der Grenzöffnung war der Rückzug des sowjetischen Oberkommandos ein unbekanntes politisches Szenario für die damalige DDR-Regierung. Sie verfügte über keine höhere militärische Befehlsgewalt mehr und war, auf sich selbst gestellt, an keinem Bürgerkrieg interessiert. Die NVA als Armee des Volkes, die sich damals bereits in einem Auflösungsmodus17 befand, enthielt sich militärischer Interventionen. „Dank der Order Moskaus, die sowjetischen Truppen in der DDR aus allen Aktionen herauszuhalten, blieb Honecker das weitere Nachdenken über eine ‚militärische Lösung‘ seiner Probleme erspart und der Nationalen Volksarmee der Einsatz.“18 Der Historiker Ove Ovens beschreibt die Ereignisse im Herbst 1989 im Spiegel der Rolle der NVA: „Möglich war die ‚Wende‘ nur, weil der Reformkurs Gorbatschows ein militärisches Eingreifen der Sowjetunion nicht mehr zuließ und Honeckers Regierungsstil von sowjetischer Seite zunehmend als Belastung empfunden wurde. Die sowjetischen Streitkräfte in der DDR hatten Order, in ihren Kasernen zu bleiben19, eine Wiederholung von 1953 würde es nicht geben.20 NVA-Kräfte kamen zwar in einigen Fällen zum Einsatz, aber nachweislich nicht als militärische Formationen.“21 Die DDR wurde mit den Verhandlungen zwischen dem damaligen bundesdeutschen Außenminister Genscher und Gorbatschow sowie zwischen Bundeskanzler Kohl und Präsident Gorbatschow von der Sowjetunion aufgegeben. Ohne das militärische Oberkommando der Sowjetunion waren sich die NVA, ihre Führung und der DDR-Regierungsapparat selbst überlassen. Im Jahr 1989 entschieden die Generäle der NVA und die Übergangsregierung Krenz, trotz nationalen Ausnahmezustandes keine militärische Intervention gegen die Bevölkerung zu beginnen. Aussagen zu diesem Thema liefert auch ein Gespräch zwischen Egon Krenz und Jakob Augstein, welches das ZDF für das Projekt „Entkoppelte Gesellschaft“ zur Verfügung stellte.22 Es ist in der Tat auch dokumentiert, dass den Sicherheitskräften seit dem 13. Oktober 1989 Gewaltanwendung und vor allem der Schusswaffengebrauch bei Demonstrationen grundsätzlich verboten war.23 Mit gleichem Datum wurde der Befehl Nr. 105/89 vom 27. September über „Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung anlässlich des 40. Jahrestages der DDR“ außer Kraft gesetzt und die Stufe „Erhöhte Gefechtsbereitschaft“ aufgehoben. Für die Führungsorgane galt zwar weiterhin, sich in besonderer Bereitschaft zu halten und für die Truppenteile und Einheiten zu gewährleisten, dass je nach Lage kurzfristig eine höhere Stufe der Gefechtsbereitschaft eingenommen werden konnte. Das änderte aber nichts daran, dass mit Krenz' Amtsantritt als „Parteilinie“ galt: keine offene Gewaltanwendung, auf keinen Fall Schusswaffengebrauch, stattdessen den Dialog in der Partei und in der Bevölkerung suchen. Es gab mit einer Ausnahme auch keine Anordnungen oder Weisungen der Partei- bzw. Staatsführung mehr, die über die schon angeführte Bereitstellung und eine entsprechende Abordnung von NVA-„Hundertschaften“ zur Unterstützung der Sicherheitskräfte hinausgegangen wäre.24 Die Situation fasst der Politikwissenschaftler und Historiker Stefan Bollinger treffend zusammen: „Etwas zu verteidigen, das sichtbar marode war und das der tiefgreifenden Veränderung bedurfte, – und ausgerechnet gegen diejenigen vorzugehen, die endlich diese Veränderungen einforderten, war ihnen nicht möglich. Volk und Führung konnten und wollten nicht mehr so weitermachen wie bisher! Hier liegt der tiefere Grund für den friedlichen Verlauf des revolutionären Wandlungsprozesses hin zu einem demokratischen Sozialismus, auch wenn dieser wegen der Maueröffnung und der generellen Verspätung um mindestens zwei Jahrzehnte letztlich nicht zum Modellwechsel, sondern zum Systemwechsel führte.“25
Die Bürgerrechtler und politischen Reformkräfte erlebten trotz der ‚Runden Tische‘ zwischen 1989 und 1990, dass die Revolution verloren war, das erkämpfte Revolutionspotential in einen Beitritt zur BRD umgeleitet und die DDR zur Beute des westdeutschen und alliierten Liberalismus wurde. Der aufrichtige Wunsch nach einer Vereinigung innerhalb der ostdeutschen Bevölkerung war radikal anders motiviert, wie sich später deutlich zeigte, als das Vereinigungsansinnen, welches vom Westen aus gesteuert wurde. Die soziologische Konsequenz der „Einheit“ war im Osten, nach einer kurzen Währungseuphorie, die wachsende Entfremdung: „Wie die Emnid-Umfrage belegt, haben (auch) die ehemaligen DDR-Bürger immer weniger für ihre neuen Landsleute übrig. So meinen zum Beispiel zwei Drittel der Ostdeutschen, die Westdeutschen hätten ihre Heimat ‚im Kolonialstil erobert‘, und nur eine Minderheit (35 Prozent) glaubt, man könne ‚den meisten Menschen in Westdeutschland trauen‘.“26 Die Entfremdung wurde zunehmend als Heimatverlust in einem verlorenen Land wahrgenommen und als Exilierung aus den eigenen Lebens- und Arbeitsräumen. So war das Abwicklungs-Manöver der Treuhand AG, der größten Industrieholding der Welt, nicht nur ein Paradestück der Globalisierung und Transnationalisierung, sondern gleichzeitig auch ein Sonderexperiment der Entwurzelung, Herabsetzung und Vertreibung von Millionen Ostdeutschen und ihrer Neuverortung als Exil-Ostdeutsche27. Verlorene Revolution in einem verlorenen Land ist die allgemeine Wahrnehmung von Exil-Ostdeutschen ab 1990, die in ihrem Ausmaß in den folgenden Dekaden an Kontur gewinnen wird. So wurden sowohl die von den neuen Bundesbehörden als „Mitläufer“ angezeigte ehemalige DDR-Bevölkerung als auch die Köpfe der demokratischen Revolution der DDR, Bürgerrechtler, Systemkritiker und Aktivisten in eine herabgesetzte Position gebracht, in der ihnen ein zweites Mal (nach 40 Jahren „Staatssozialismus“) die gesellschaftliche Mündigkeit für eine gemeinsame Entscheidung entzogen wurde. Die Ereignisse des Beitritts, des Anschlusses und der sozialpsychologischen Schocktherapien zogen tiefe Furchen der Enttäuschung und Fremdheit im eigenen Land, von dem sich Exil-Ostdeutsche enteignet und entkoppelt fühlen. Zunehmende Geringschätzung nahmen Ostdeutsche vor allem von Westdeutschen wahr, den Altbürgern, die mit Parteiensystem, parlamentarischer Demokratie, Währung, Recht und politischer Bildung den Osten missionierten und ihrer Räson unterwarfen. „Das viele Geld, das die Westdeutschen in den Osten schaufelten, konnte eines nicht verhindern: Deutsche in Ost und West sind sich seit der Vereinigung nicht näher gekommen, sondern fremder geworden.“28 Die Journalisten Peter Christ und Ralf Neubauer stellen fest, dass innerhalb eines Jahres „der Anteil der Ostdeutschen, die sich als Bundesbürger zweiter Klasse empfinden, […] seit Herbst 1990 von 75 auf 84 Prozent gestiegen“ ist.29 Friedrich Schorlemmer, einer der Mitbegründer der Bürgerrechtsbewegung, schrieb über die unerwartete Entwicklung: „Die Mauer, die wir sehen konnten, wird fast überall abgerissen. Die Mauer, die wir nicht sehen können, wird zunächst immer höher.“30 Bürgerrechtler von damals, die sich heute wieder kritisch zum Anschluss der DDR an die BRD und dessen soziale Konsequenzen äußern, stehen in der doppelten Tradition der verlorenen Revolution von 1989/90 und der fortgesetzten Revolution ab 1990. Denn das Neoliberalisierungsprojekt kann nicht die Alternative für den Preis des souveränen Umgestaltungsversuches Ende der 1980er Jahre in der DDR sein. Zu diesen kritischen Stimmen gehören zweifelsohne Rudolf Bahro, der mit der sozialistischen Alternative ein bis heute gültiges Werk für die demokratische Erneuerung des sozialistischen Staates hinterlassen hat, Daniela Dahn, Bärbel Bohley, Monika Maron, Friedrich Schorlemmer, Eugen Drewermann, Matthias Platzeck und andere, die im Rahmen des mehrteiligen Projektes „Entkoppelte Gesellschaft“ zu Wort kommen werden.
Heute widersprechen sich die soziologischen Tatsachen mit der veröffentlichten Meinung zur deutschen „Einheit“ in den Medien. So traten in der Vergangenheit Persönlichkeiten in die Öffentlichkeit, die noch vor der „Wende“ unbedeutend waren. Man fragt sich, wie sich eine Hintergrund- oder Randfigur der DDR-Bürgerrechtsbewegung und Opposition wie Pastor Gauck nach der „Wende“ plötzlich als Sprachrohr der DDR-Opposition etablieren konnte. Ähnlich rätselhaft sind die Aufstiege von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière oder CDU-Parteigängerin Angela Merkel durch ihre Erhebung in den bundespolitischen Adelsstand. Diese neuen Emporkömmlinge als Pseudo-Repräsentanten der Stimmen der DDR haben wesentlich zur Neutralisierung des autonomen Revolutionswillens von Bürgerrechtlern und Kritikern beigetragen, wie auch zur Entpolitisierung der meisten Aktivisten und Kreativen, die nach der „Wende“ verstummten. Nur 20 Prozent der ehemaligen DDR-Bevölkerung konnten sich über die Jahre in dem neuen System etablieren und fühlen sich als vollwertige, etablierte und angekommene Bundesbürger.31 DDR-Flüchtlinge, Dissidenten und Systemgegner, Opfer des „SED-Regimes“ und MfS-Funktionäre, die einflussreich genug waren, um ihre Westen rein zu waschen und unbekannt genug, um der öffentlichen Zensur zu entgehen, jene die noch als Last-Minute-Dissidenten durch ihre Fluchttür des Sommers 1989 kamen, drei Monate vor der Grenzöffnung, und als solche eine neue Identität aufbauten, hatten in dieser Hinsicht die besseren Startbedingungen. Die restliche Bevölkerung, statistisch gesehen die Mehrheit, trat von nun an den langen Weg zwischen Unterwerfung und Widerstand gegen eine sukzessive Entkopplung aus sozialen Bezugsrahmen, Lebens- und Arbeitsräumen, Zugehörigkeiten, Identitäten und Werten an, was bis heute mit einer anhaltenden kollektiven Deklassierung der Ostdeutschen32 untermauert ist.
Wenngleich heute nicht alle Exil-Ostdeutsche erwerbslose Mitglieder der bundesdeutschen Bedarfsgemeinschaft sind, wenngleich sie sich im Allgemeinen eines größeren materiellen Wohlstands erfreuen als in der DDR33, wenngleich sich viele eine neue, den Umständen entsprechende Existenz aufgebaut haben, so bleiben – hier wird die Zahl von 8 bis 10 Millionen Betroffenen diskutiert34 – die nicht aufgearbeiteten, immer noch tabuisierten Folgen der „Wende“ in Form partieller oder totaler Beschädigungen offen. „Hierbei geht es um noch nicht gelöste Aufgaben der Einheit, einschließlich des ‚Aufbau Ost‘. Das betrifft den Umstand, dass in Ostdeutschland noch immer keine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung dominiert, dass vor allem das Innovations- und Forschungspotenzial zu schwach ausgeprägt ist, dass die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie in Westdeutschland und die soziale Einheit noch lange nicht verwirklicht ist. All diese Umstände wirken als einigungsbedingte Hypotheken fort und harren einer Lösung.“35
Im Band 3 „Exil“ werden diese Hypotheken, die Folgen von Entwurzelung, Migration und Exil seit 1989/90, als Wendetrauma und Wendeunrecht besprochen. Zahlreiche neuere Studien der Psychologie und Sozialpsychologie belegen die Folgen von Abwicklung, Löschung und Deklassierung, wie dies zudem im Band 4 „Tatbestände“ bestätigt wird. Eine Zeitdiagnose aktueller Widerständigkeit im Osten ist in der erstarkenden Wählergemeinschaft der AfD zu finden. Vor allem den Exil-Ostdeutschen in den Neubundesländern hat die AfD ihren Sitz im Bundestag zu verdanken. Die Ursachen für diese Konjunktur im Osten liegen in den katastrophalen Folgen, in einer Abwicklungspolitik des Kabinetts Kohl (CDU), einer Hartz-Reform des Kabinetts Schröder (SPD), einem „Blockierten Umbruch“36, einer von der CDU forcierten Transferpolitik, einer Europapolitik unter der Bedingung von Bankenrettung und Sozialabbau, einer neuen Kriegspolitik Deutschlands, die auch die Linke nicht verhindert hat, ferner in einer neoliberalen GroKo, die den Auftrag der Sozialdemokratie verwirft und ihr zuzuschreiben sind. Dies führte sukzessive und über die Jahre zu einem radikalen Einbruch der ostdeutschen Zivilgesellschaft37. Die Reaktion ist eine kollektive Enttäuschung über verlogene Wahlversprechen der Regierungsparteien von CDU, SPD, Grünen und Die Linke über Dekaden als ein nicht mehr zu kittender Vertrauensbruch in der ostdeutschen Bevölkerung. Ein Vertrauensbruch in die Regierungspolitik, in die GEZ-Medien, die wiederum die Regierungspolitik rechtfertigen und aufgrund der anhaltenden kulturkolonialen Besetzung Ostdeutschlands durch Medien, Industrie, Politik und Eliten. Die pauschalierte Reaktion in veröffentlichter Meinung, von Leitmedien und Meinungsforschungsinstituten ist die viel zitierte Behauptung, Exil-Ostdeutsche seien aufgrund ihrer Sozialisation im „Unrechtsstaat DDR“ rechts, nationalistisch, fremdenfeindlich und rechtsextremistisch. Die eigens zur Untermauerung ihrer veröffentlichten Meinung im Jahr 2017 herausgebrachte „Göttinger Studie“38 war denn auch ganz im Sinne der ab 1990 errichteten Institutionen und Behörden eine Abstrafung der DDR und ihrer Bevölkerung. Hier erfolgte eine konsequente Beschreibung der DDR allein als „Diktatur“ und „Unrechtsstaat“, seine Bevölkerung als Täter und Mitläufer, um den letzten schlüssigen Beweis für das in der DDR a priori kultivierte Altnazitum und Neonazitum, den Antisemitismus und die Ausländerfeindlichkeit, den Fremdenhass und den Revanchismus zu liefern. Die Auftraggeberin dieser Studie, die Ostbeauftragte des Bundes Iris Gleicke, hat sich noch im gleichen Jahr offiziell von diesem tendenziösen Produkt distanziert.39
Die Vorgeschichte für eine Protestwählerschaft liegt aus der Sicht der Herausgeberin des vorliegenden Projektes in einer beinahe drei Dekaden währenden Geschichte der (Habitus)Entwertung, der Entwurzelung und des Kulturkonflikts der Exil-Ostdeutschen, der neuen Einwanderungsgruppe im Einheitsdeutschland seit 1990, die sich unauffällig und im Verborgenen des sozialen und kulturellen Gedächtnisses als ihre blinden Flecken festgeschrieben haben. Die Journalistin und Autorin Daniela Dahn schreibt zu dieser Problematik treffend wie folgt: „In ‚Westwärts und nicht vergessen‘ zitierte ich den Sozialphilosophen Oskar Negt mit seiner Warnung, man könne nicht die Biografien eines ganzen Volkes mit einem Schlag für null und nichtig erklären. Wer andauernd in einem demütigenden Entwertungszustand gehalten werde, der beginne mit der Wiederherstellung seiner Würde auf einer rebellierenden Ebene. Die Unruhe zeigte sich zunächst in einem enormen Aderlass an jungen, kreativen, gebildeten und lebenslustigen Menschen, die im gewendeten Osten keine Zukunft mehr sahen. Zurück blieben weniger Bewegliche und ein im Vergleich zu Westdeutschland überdurchschnittlich hoher Anteil an Rentnern, die oft vorzeitig in den Ruhestand geschickt worden waren. Die von Negt vorhergesagte Rebellion hat sich schließlich in Fremdenfeindlichkeit, Pegida und AfD entladen. Ein ‚neuer Nationalismus der Deklassierten‘ – genau das hatten namhafte Wirtschaftswissenschaftler aus beiden Staaten in ihrem ‚Warnruf der ökonomischen Vernunft‘ im Februar 1990 vorausgesagt.“40
Diese Koinzidenz in der sozialpolitischen und sozialpsychologischen Zeitdiagnose, in der sich ein Paradoxon innerdeutscher Geschichte verfestigt hat, ist für die Verfasserin der vorliegenden Schrift der Anlass, die politische Psychologie des „Rechtsstaats“, dessen Spaltungs-, Abwehr- und Übertragungskultur auf die DDR vor und seit 1989/90 zu untersuchen.
Die Wahrnehmung der DDR Ende der 1980er Jahre als eine Aufbruchsgesellschaft entsprach einer Stimmung im Land der „Wende“, des Umbruchs und der Revolution. Millionen Menschen machten mobil für eine Modernisierung und Demokratisierung der Gesellschaftsform. Jedoch entspricht eine Hochstilisierung und Fixierung der DDR auf das Bild der geschlossenen Gesellschaft von Opfern, Dissidenten, Flüchtlingen und Inhaftierten sowie Tätern und Mitläufern nicht im Ansatz der komplexen Lebenslage im Land. In diesem Bild werden andere Haltungen, Einstellungen und Sinnwelten, nicht zuletzt die einer Mehrheit, ausgeblendet, nivelliert. Hierzu gehört die Sinnwelt der Opposition, die mit ihren kühnsten Köpfen seit Robert Havemann und Rudolf Bahro, Wolfgang Heise oder Friedrich Wolf eine Reform vom Staatssozialismus oder Realsozialismus hin zum demokratischen Sozialismus anstrebten. Tausende Kreative, Künstler, Schriftsteller, Politiker und Wissenschaftler nahmen die Realität der DDR an, um ihr zu trotzen, um sie zu verbessern. Von diesen Tausenden, wenn nicht Millionen, wird ab der „Wende“ nicht mehr die Rede sein. Zu ihnen gehören Kombinatsdirektoren, Kindergärtnerinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen, Werktätige in der Produktion, an den Hochöfen, in den Stahlwerken, im Schwermaschinenbau, im Hoch- und Tiefbau, auf Montage, in den Großküchen, den Wäschereien, Textilfabriken, im Fahrzeugbau, in den Werften, bei der Bahn und in der Landwirtschaft mit ihren einmaligen Biografien. Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft hatten, wie dies in Dutzenden Filmen des Dokumentarfilmregisseurs Jürgen Böttcher sichtbar wird. Diese Tausenden, wenn nicht Millionen, werden ab 1990 in die Unsichtbarkeit abgedrängt. Millionen haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit gutem Gewissen und persönlichem Einsatz in eine volkseigene Wirtschaft als Alternative zur kapitalistischen Kriegswirtschaft investiert. Millionen haben 40 Jahre Sozialkapital erarbeitet, was historische Alternative zum Finanzkapital des Liberalismus bleiben wird. Die Geschichtsschreibung des Westens erlaubt sich mit der „Wiedervereinigung“ einen ideologischen Einzug in das ehemalige Gebiet der DDR, um es im Zuge mehrerer Schockstrategien zu löschen und zu unterwerfen. Das Bild, das dafür entworfen und institutionalisiert wird, ist Hybris und bleibt unterkomplex: das Bild des „Schreckens- und Unrechtsstaates“ mit seinen Insassen als „Opfer, Täter und Mitläufer“. Was hier zu besprechen bleibt, ist die verlorene Revolution für Millionen, die im Anschluss der DDR an die BRD keine Alternative sahen und deren Plan einer Gesellschaftsreform mit dem Ziel der Konföderation DDR / BRD auf der Grundlage der neuen Verfassung der DDR von 1990 zur späteren Staatsneugründung durch die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung nach Artikel 146 GG vereitelt wurde. Was hier zu besprechen bleibt sind Millionen, die aus Sinn-, Lebens- und Arbeitswelten entkoppelt wurden und die dauerhaft den Tatbeständen der Entwertung, der Migration und des Exils ausgesetzt. Diese Tatbestände sind die Vorbedingungen für eine hemmungslose Landnahme Ost und für die Neoliberalisierung der Gesellschaft. Im Jahre 1989 zählte die DDR-Bevölkerung 18,7 Millionen41 Menschen. Davon verließen im Jahr 1989 etwa 388.396 42 die DDR, im Jahr 1990 etwa 400.000 43. Bis zum Zeitpunkt der „Vereinigung“ am 3. Oktober 1990 haben hochgerechnet 785.000 Menschen44 die DDR verlassen, sodass von einer ostdeutschen Bevölkerungsmehrheit von etwa 18 Millionen Menschen ausgegangen werden kann, die im Jahr 1990 in Ostdeutschland verbleibt und dort die Neubürgerschaft erhält. Nach den Analysen der Wandersalden für die Jahre 1990 bis 1994 verlassen hochgerechnet weitere 1,4 Millionen45 Neubürger ihre Herkunftsländer im Osten; zwischen 1991 und 2014 sind es insgesamt 4,5 Millionen46. Zeitgleich zogen aus den westdeutschen Bundesländern und im Zuge des Institutionentransfers 2,1 Millionen Menschen47 in den Osten.
Die Ursachen für die Ausreisen in den Westen seit dem Ende der DDR waren nicht mehr politisch motiviert, sondern die Folge eines plötzlichen erwerbswirtschaftlichen Notstands. Sie werden als Binnenmigrationen, auch Arbeitsmigrationen bezeichnet. Zwischen 1990 und 1994 wurden mehr als 4 Millionen Arbeitsplätze abgebaut, eine flächendeckende Deindustrialisierung mit der Abwicklung von 8.200 Kombinaten und Großbetrieben sowie ein Institutionentransfer setzten ein. Im Gegenzug wechseln alleine nur im Bereich der öffentlichen Verwaltung 35.00048 Altbundesbürger in den Osten. Zu der Beamtenstaffel hinzu kommen Eliten in allen gesellschaftlichen Bereichen, die in einem Elitetransfer ab 1990 bis heute über 80 % Altbundesbürger49 im Osten rekrutieren. In der DDR sozialisierte Ostdeutsche kommen als Eliten praktisch nicht vor. „Der ‚Potsdamer Elitestudie‘ von 1995 zufolge waren nur 0,4 Prozent der Elitenpositionen in der deutschen Wirtschaft überhaupt mit Ostdeutschen besetzt.“50 Trotz der Wandersalden „bilden die Ostdeutschen mit rund 87 Prozent51 die klare Mehrheit in der Wohnbevölkerung in den neuen Bundesländern“52, die jedoch sowohl in Eliten als auch in Ämtern, in der Verwaltung, in der Länder- und Kulturpolitik, in der Bildung, Forschung und Entwicklung unterrepräsentiert ist und gewissermaßen dort nicht vorkommt. Das heißt, der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht, während sich eine Mehrheit der in Ostdeutschland verbliebenen Bevölkerung mit einem krassen sozialen Wandel, mit einem Aufbruch in die entkoppelte Gesellschaft, der im Band 3 als mikrosoziologische Exilierung53 definiert wird, arrangieren muss. Zur rapiden Freisetzung von Arbeitsplätzen und dem damit einhergehenden rapiden Anstieg von Arbeitslosigkeit fallen neue, bis dahin in Ostdeutschland ungekannte Probleme des sozialen Abstiegs, der sozialen Ungleichheit und der Migration ins Gewicht. Die Mehrheit der erwerbsfähigen, zwischen 1940 und 1960 geborenen Ostdeutschen wird nach Entlassungen keine Möglichkeit auf Neuanstellung in ihrem Ausbildungs- und Berufsprofil erhalten. Zum einen werden im Zuge des Institutionentransfers Stellen und Aufstiegschancen an die neuzugezogenen Westdeutschen vergeben, zum anderen werden Aufstiege und Anstellungen verhindert, da Berufsabschlüsse bedingt oder gar nicht anerkannt werden. Weiterhin ist durch eine Deindustrialisierung die Infrastruktur der lokalen Produktion abgewickelt worden, sodass eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel nicht mehr in der Region und Umgebung erfolgen kann. In Folge dieser Faktoren sind Teilzeitarbeit, Minijobs bis Ein-Euro-Job-Modelle oder Langzeitarbeitslosigkeit der fortwährende Status in den Erwerbsbiografien. Alternativ ist Arbeitsmigration verbunden, mit einem dauerhaften Wegzug, die Konsequenz. Diese radikale Umstellung auf Erwerbsrisiko können viele nicht leisten, da sie sich neben der altersbedingten Ungewissheit auf Anstellung mit den sozialpsychologischen Aspekten des erzwungenen Heimatverlusts und des Kulturkonflikts im Westen konfrontiert sehen. Bisher noch nicht aufgearbeitete Probleme, die durch Migration, Segregation, Gentrifizierung, Arbeitslosigkeit und Herabsetzung verursacht werden, wie beispielsweise die Zunahme von psychosomatischen Erkrankungen, Suchterkrankungen und Autoimmunkrankheiten, die ganze Bandbreite anomischer Symptome, werden in Band 3 „Exil“ vorgestellt. Die Auseinandersetzung befasst sich mit dem „Wende“-Schicksal von etwa 8-10 Millionen partiell oder total betroffenen Menschen54, jenen, die plötzlich aus ihren bisherigen sozialen Bezugsrahmen entkoppelt wurden, was im Band 3 als Phänomen der mikrosoziologischen Exilierung konzeptualisiert wird. Dabei werden verschiedenen Kohorten der Ostdeutschen erfasst, die insgesamt die Kohorte der Exil-Ostdeutschen verifiziert.
So bestätigt ebenfalls der Sozialwissenschaftler Raj Kollmorgen diesen Herabsetzungsbefund in einer Studie: „Kaum weniger gravierend für den sozialen Zusammenhalt in der Bundesrepublik erscheint, dass sich seit 1991 eine Mehrheit der Ostdeutschen – wenn auch mit fallender Tendenz – als ‚Bürger zweiter Klasse‘ betrachtet. Während es zunächst über drei Viertel der Ostdeutschen waren, sank der Anteil in den 2000er Jahren deutlich, bewegte sich aber auch 2008 noch bei knapp zwei Drittel der Befragten. Die letzte Umfrage dazu datiert aus dem Jahr 2018. Hier wurde zwar nur die sächsische Wohnbevölkerung repräsentativ erfasst. Bei diesen waren es 65 %, die sich anhaltend als ‚Bürger*innen zweiter Klasse‘ ansahen, wobei interessanterweise auch unter den 18–29-Jährigen fast 70 % der Aussage zustimmten. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ein ähnliches Antwortverhalten auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern gibt.“55
Die Revolution von 1989 war für diejenigen verloren, die für eine Erneuerung der DDR, für eine sozial gerechte Gesellschaftsreform und ein Ende des Parteienapparates einstanden, was nicht nur einen verfassungsstaatlichen und basisdemokratischen Sozialismus zur Folge haben sollte, sondern gleichzeitig eine sozialistische Marktwirtschaft. Die gesamte DDR-Opposition und auch viele explizit Nichtoppositionelle, Menschen die dort lebten und arbeiteten, wollten einen Regierungswechsel ohne Verwerfung der sozialistischen Errungenschaften, der Lebens- und Arbeitsräume. Sie wollten eine Modernisierung ohne Löschung, sie wollten Teilhabe ohne Ausschluss, sie wollten Mitsprache ohne Vertreibung. Sie wollten den dritten Weg, der Dialog auf Augenhöhe zuließ. Diese Augenhöhe, das Erkannt- und Anerkannt-Werden als Menschengruppe mit Kompetenz, Intelligenz, Wissen und Leistungsbereitschaft, als Menschengruppe mit einer anderen Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichte, mit anderen Werten und Einstellungen, die im Dialog des Einen um das Andere zu neuen Konklusionen führen könnte, ist bis heute im Blickfeld der Kulturhegemonie „nicht vorgesehen“. Nicht zufällig verdichten sich etwa seit 2015 Publikationen und Reportagen, die langsam eine fast dreißigjährige Sprachlosigkeit lösen und die Gegengeschichte aufzeigen. DDR-sozialisierte Ostdeutsche ringen zunehmend um die Zurückgewinnung der Deutungshoheit über ihre Biografien. So fordert der Filmregisseur Andreas Dresen in einem ZDF-Gespräch56 zu seinem Kinofilm „Gundermann“ das Recht auf Selbstbeschreibung von Lebensläufen in der DDR und in einem MDR-Gespräch57 das Recht auf einen differenzierten Blick auf das Leben in der DDR. Diese Forderung schließt ebenfalls die Kritik an der permanenten Verwerfung von Ostbiografien ein, die seit 1990 konstant in Institutionen der politischen Bildung und in den Medien betrieben wird.
Das Drama, das für Millionen Menschen nach 1990 folgte, liegt heute immer noch im Dunklen. Eine dunkle Geschichte, die langsam an die Oberfläche kommt. Mit den Wahlen im Jahr 2017 zeigte sich eine unerwartete Wende. Die Ostdeutschen gehen in den Widerstand gegenüber den seit 1990 regierenden Parteien und wählen mehrheitlich die AfD. Bezeichnenderweise nennt die Journalistin Simone Schmollack den aktiven Wählereinsatz der Ostdeutschen für die AfD „Die späte Rache der Ossis“58. Wofür rächen sie sich? Sie rächen sich dafür, dass sich der „Aufschwung-Ost“ als eine Abschaffung-Ost und Abstrafung-Ost herausstellte. Und sie rächen sich dafür, dass die neue Demokratie eine Hegemonie ist, die mit zweierlei Maß misst – eine Demokratie, die ein Wertsystem importiert, in dem die Werte der „Anderen“ nicht vorgesehen sind. Sie rächen sich an dem fraglosen Übergangen-Werden ihres Habitus und an dem dialoglosen Übernommen-Werden in eine neue Ideologie, in der sie, die Ostdeutschen zwischen 1945 und 1975 geboren, nur als Täter und Mitläufer, Opfer und Dissidenten vorkommen. Sie rächen sich an einer politischen Psychologie der Entwertung und an einem unvorbereiteten Masseneinbruch in eine entsicherte Gesellschaft.
Das Projekt „Entkoppelte Gesellschaft“ wendet sich in seiner Gesamtheit gegen das verordnete Vergessen jüngerer Geschichtszusammenhänge seit 1989/90, der deutschen Nachkriegsgeschichte, der Kausalzusammenhänge der europäischen Nachkriegsordnung, in deren Folge die Existenz der SBZ / DDR legitimiert ist. Es wendet sich gegen eine Propagandamaschine des Westens, die seit 1990 mit Etats in schwindelerregender Höhe ein Bollwerk gegen unliebsame Geschichtszusammenhänge errichtet hat. Verordnetes Vergessen und Verdrängt-Werden meint konkret die Löschung bisheriger sozialer Bezugsrahmen, Aberkennung bisheriger Lebens- und Arbeitsleitungen, Vernichtung von Aufstiegschancen in Ostdeutschland nach 1990, welche durch institutionalisierte Sprachregelungen, durch Rentenüberleitungsgesetz, durch Besoldungsgesetze, durch Gentrifizierung und Segregation, durch Massenentlassungen und Massenmigration seit 1990 sowie auch durch neu konstruierte Geschichtsnarrative belegt sind. Neuere Studien, vorgenommen von Stiftungen und Instituten der westdeutschen Demokratie- und Friedensforschung sowie von Medien des westdeutschen Qualitätsjournalismus, erfinden eine Art Kriminalstatistik von DDR-Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Bevölkerung bei gleichzeitiger Überhöhung der Systemkriminalität, die hier wiederum nur mit dem NS-Regime vergleichbar bleibt. Dass es gerade mal eine Fußnote der Geschichte59 wert sein soll, was einige Millionen Menschen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einer zur kapitalistischen Ordnung der Märkte komplementären Gesellschaftsform zuwege gebracht haben, ist Ausdruck der Hybris der Siegermacht, die im Anschluss von 1990 zurückgewinnt, was ihr durch die Kriegskapitulation verloren ging – den Osten Deutschlands. Genau hier setzt das „soziologische Laboratorium“ an. In diesem hegemonialen Ausdruck der Fußnote schreibt sich der ganze Komplex der Entwertung ein, der bis heute über die Geschichte, die Gesellschaft, die Kultur, den Sozialraum im Osten gestülpt wird. In dem von der jüngeren Geschichtsschreibung festgeschriebenen Geschichtsbild, in dem einiges ganz weggelassen, anderes wieder überhöht wird, bleibt ein Zerrbild der DDR und der „Wende“ übrig. Das Gesamtprojekt „Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90. Ein soziologisches Laboratorium“ ist ein Vorstoß, um einen Blick auf jene Zusammenhänge zu öffnen, die aufgrund der herrschenden Political Correctness vom allgemein zugänglichen Bildungsschirm abgedrängt und verbannt sind – auf die blinden Flecken der heutigen Gesellschaft, die in den Regelkreis der institutionalisierten Tabus gehören. Das ethnografische Engagement des Projektes möchte deshalb die Sicht von Exil-Ostdeutschen auf die Vorgänge gewinnen, die euphemistisch als „Wiedervereinigung“ in die Geschichte eingegangen sind. Das Projekt verpflichtet sich einem Demokratiebegriff, der die Sichtweisen und Analysen von Protagonisten aus verschiedenen Lagern zulässt, sowohl die von denjenigen, denen Unrecht in der DDR widerfahren, ist als auch die von denjenigen, denen Unrecht während und nach der „Wende“ geschehen ist. Der Grundtenor in diesem Projekt ist, gleich um welche Sichtweise es geht, die Entideologisierung der kulturkolonialen Interpretamente des Westens und seiner Hybris-Konstrukte. Insofern ist der vorliegende Band „Anschluss“ des Gesamtprojektes „Entkoppelte Gesellschaft“ als Beitrag gegen eine Demokratiesierungsräson zu verstehen, in der sich Kulturkolonialismus und Meinungsvorherrschaft als common sense etabliert haben. Wer gemäß Hans-Ulrich Wehlers Gesellschaftsexpertise anhaltend an der DDR als „sowjetische Satrapie“ und an den „Opfern des Stalinismus auf deutschem Boden“ festhält, der blendet eine Reihe historischer Entwicklungen aus und führt die deutsche Geschichte durch die „Wiedervereinigung“ hindurch an einen Ausgangspunkt der Weimarer Republik zurück. Die hierbei entstandenen blinden Flecken der Geschichtsleugnung spiegeln die Deutungsherrschaft einer Siegerjustiz wider, wie sie die politische Bildung ab 1990 prägt. Hier ist vor allem rückwirkend eine schwere Aufklärungsarbeit zu leisten, die, analog zu Wehlers Auftragsheft der „schweren Bürde“60, die mit der Totalkorrektur der „sowjetischen Satrapie DDR“ ab 1990 von der BRD zu leisten war, reversibel dekonstruiert werden muss. Das vorliegende Projekt „Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90“ fühlt sich diesem Auftrag verpflichtet.
Die Herausgeberin des mehrbändigen Gesamtprojektes „Entkoppelte Gesellschaft“ hat in mehreren Werken ihre Expertise in politischer Theorie61, Soziologie der Prekarität62, Soziologie der Anomie und des Überlebens63, Soziologie der Ungleichheit64, Design- und Mediensoziologie65 vorgelegt. Sie verknüpft diese Expertise mit der konkreten zeitdiagnostischen und zeithistorischen Aufarbeitung in Ostdeutschland sowie mit ihrer Felderfahrung als Soziologin, als Ethnografin und als Exil-Ostdeutsche. Der vorliegende Band „Anschluss“ analysiert die „Wende“ 1989/90 als doppelten Umsturz: als Regierungssturz, Verfassungssturz und Grenzöffnung in der DDR selbst sowie als Sturz der DDR-Reformregierung, der Reformbeschlüsse des Zentralen Runden Tisches und der neuen Verfassung durch den Staatsanschluss an die BRD. In dieser Analyse wird die Rolle der Armee, der Kirche, der Reformregierung, des Zentralen Runden Tisches und der Basisdemokratie auf der Seite der DDR sowie die Rolle der Medien, der Parteien, der Regierungsbehörden und Interessenverbände auf der Seite der BRD neu beleuchtet. Die Ausarbeitung belegt die zeithistorischen Zusammenhänge für den Regime Change 1989/90 und zeigt auf, warum die basisdemokratische Reformbewegung 1990 scheitern musste. Der Band geht der These nach, dass Liberalisierung die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist.
15 Der Begriff „Wende“ steht hier für die zeitgeschichtlichen Ereignisse 1989/90 in der DDR einerseits sowie als Begriff für Regime-Change, bzw. für den Austausch eines politischen Systems andererseits. Der Begriff der „Wende“ ist ein transitorischen Begriff weitgehend synonym zum politikwisssenschaftlichen Begriff der „Transition“.
16 23.8.1990: Die DDR-Volkskammer beschließt den Beitritt der DDR „zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland“ gemäß Art. 23 GG mit Wirkung zum 3. Oktober 1990.
17 „Für den Untergang der NVA ausschlaggebend wurde letztlich, daß der sowjetische Präsident Gorbatschow mit seiner Zustimmung zur Wiedervereinigung ‚Grünes Licht‘ gab für die Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der NATO. Damit war für den Fortbestand der DDR-Streitkräfte jede Existenzgrundlage entfallen.“ In: Ove Ovens, Die Nationale Volksarmee der DDR zwischen „Wende“ und Auflösung. Der Untergang der NVA im Lichte des Zusammenbruchs der DDR, Diss., Universität Regensburg, Ingolstadt, 2003, S. 25.
18 Ove Ovens, Die Nationale Volksarmee, …a.a.O., S. 277.
19 Siehe auch Kommentar Ove Ovens, Die Nationale Volksarmee, …a.a.O., S. 31: „Diese Informationen wurden dem Verfasser von Prof. Dr. W. Daschitschew, (Akademie der Wissenschaften, Moskau), zu damaliger Zeit enger Berater Gorbatschows, in einem persönlichen Gespräch gegeben. Er wies auch darauf hin, daß der Vorwurf mancher ehemaliger SED-Funktionäre haltlos sei, die Sowjetunion habe die DDR schon 1988 nach Gorbatschows USA-Besuch abgeschrieben. Man habe zwar Honecker fallengelassen, aber keineswegs die DDR.“, vgl. dazu auch R.G. Reuth, A. Bönte, Das Komplott – Wie es wirklich zur deutschen Einheit kam, Piper, München, 1993.
20 Vgl. Spiegel-Serie, Die Falin-Memoiren, Wink mit dem Zauberstab, Aus den „Politischen Erinnerungen“ Valentin Falins (II): Gorbatschow und die Wiedervereinigung Deutschlands, In: Der Spiegel, Nr. 39 vom 27. September 1993, S. 184, S. 192; vgl. auch die Anmerkung im SPIEGEL, Falin habe dem Westberliner Bürgermeister Momper bereits am 30.9.1989 versichert, sowjetische Truppen würden sich in die inneren Angelegenheiten der DDR nicht einmischen, In: Spiegel–Serie, Die Falin-Memoiren, Tanz um Deutschland, Die Memoiren des Moskauer Deutschland-Politikers Walentin Falin, in Der Spiegel, Nr. 37 vom 13. September 1993, S. 143, In: Ove Ovens, Die Nationale Volksarmee, …a.a.O., S. 31 f.
21 Ebd. S. 31 f.
22 Interview von Jakob Augstein mit Egon Krenz. Zurückblick auf ein politisches Leben im Dienste der SED und der DDR – reflektiert und auch selbstkritisch, ZDF-Sendung "Zeugen des Jahrhunderts" vom 1. Mai 2016.
Details
- Seiten
- 344
- Erscheinungsjahr
- 2018
- ISBN (PDF)
- 9783631771549
- ISBN (ePUB)
- 9783631771556
- ISBN (MOBI)
- 9783631771563
- ISBN (Hardcover)
- 9783631771532
- DOI
- 10.3726/b14816
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2019 (Januar)
- Schlagworte
- DDR, BRD Neoliberale Annexion Verfassungssturz Politische Nachkriegsordnung Anti-Hitler-Koalition Kalter Krieg Totalitarismusdoktrin Diktaturvergleich Wiederentdeckung Unrechtsstaat Kulturkolonialismus in Ostdeutschland Neue Landnahme
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 343 S., 10 farb. Abb.
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