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Die deutsche Sprache in Italien – Zwischen Europäisierung und Globalisierung

von Sandro Moraldo (Band-Herausgeber:in)
©2017 Sammelband 167 Seiten

Zusammenfassung

Die Beiträge in diesem Band untersuchen die Frage, welchen Stellenwert die deutsche Sprache in Italien – nicht nur im schulischen Fremdsprachenunterricht – einnimmt. Die Beiträger erstellen hierbei eine umfassende Kartographie der Stellung des Deutschen in Italien, die mehrere Aspekte abdeckt: als Wissenschaftssprache, in ihrer Bedeutung für die Wirtschaftskommunikation, im Rahmen von dualen Bildungssystemen, als Arbeitsmittel im Rahmen von CLIL (Content and Language Integrated Learning) und ihrer Bedeutung für den Tourismus. Durch eine aufwendige Datenerhebung dokumentiert dieser Sammelband, die Trends, die sich für die deutsche Sprache in Italien abzeichnen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Deutsch in Italien. Perspektiven und Herausforderungen einer Fremdsprache (Sandro M. Moraldo)
  • Die Stellung der deutschen Sprache in Italien im Rahmen ihrer Stellung in der Welt (Ulrich Ammon)
  • Deutsch als Wissenschaftssprache (Ludwig M. Eichinger)
  • Deutsch als wichtige Wissenschaftssprache im Europäischen Master für Lexikographie (Martina Nied Curcio)
  • Der Master universitario di primo livello Deutsch für die internationale Wirtschaftskommunikation (Federica Missaglia)
  • Beruflicher Nutzwert des Deutschen zwischen Diskurs und Praxis: ein Blick auf den italienischen Arbeitsmarkt für Sprachexperten (Goranka Rocca)
  • Soll der bilinguale Unterricht nur auf Englisch sein? Stellung der deutschen Sprache im CLIL-Unterricht an italienischen Schulen (Federica Ricci Garotti)
  • Die Bildungsprojekte des Goethe-Instituts Italien vor dem Hintergrund der Schulreform La Buona Scuola (Klaus Dorwarth / Hartmut Retzlaff / Ulrike Tietze)
  • Tourismuskommunikation mit Deutsch als Fremdsprache: eine italienische Perspektive (Marcella Costa)
  • Deutsch im Vatikan (Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl)
  • Reihenübersicht

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Sandro M. Moraldo

Deutsch in Italien. Perspektiven und Herausforderungen einer Fremdsprache

Abstract: Following an introduction on the importance of foreign languages in a global­ized world, where in addition to the lingua franca English at least another foreign language should be learned, I will focus on the situation of German in Italy. Why the awareness of the importance of German as a foreign language should be increased so to consolidate their status is one of the leading questions. Lastly, the distinct contributions will be briefly introduced.

1.  Vorbemerkungen

Im Wettbewerb der Wirtschaftsmächte auf den Weltmärkten ist das Niveau der Ausbildung und die permanente Qualifizierung von Fach- und Führungskräften ein sicherlich entscheidendes Erfolgskriterium. Doch auch die fremdsprachliche Kompetenz nimmt in diesem Zusammenhang einen ausgesprochen hohen Stellenwert ein. Zu Recht, denn die europäische Integration und die Globalisierung sollten weder die kulturellen noch die sprachlichen Grenzen einebnen, sondern sie mehr zum Vorschein bringen als zuvor. Keiner würde heute ernsthaft die Vorherrschaft des Englischen in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik bestreiten wollen und es wäre mühsam, die vielen Gründe für deren Dominanz aufzuzählen. Als lingua franca kommt ihr mittlerweile in der fremdländischen Alltagskommunikation und in Sprachmittlungssituationen eine derart privilegierte Stellung zu, dass Diskussionen über Nutzen und Nachteile müßig erscheinen. Ebenso einsichtig sollte allerdings auch die Tatsache sein, dass in der multi-/transkulturellen Vielfalt postmoderner Gesellschaften nur sprachliche Vielfalt Verbindlichkeit beanspruchen kann.

In diesem Sinne scheint ein kurzer Blick auf Italien sehr aufschlussreich, denn die letzte Erhebung des Special Eurobarometer 386 unter dem Titel Europeans and their languages aus dem Jahr 2012 zeigt, dass in Italien die Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen im Vergleich zum letzten Report aus dem Jahr 2005 doch erheblich zugenommen haben: „Few countries show a noticeable increase in the proportion of respondents able to ← 7 | 8 → speak at least two foreign languages, with the most marked being in Italy (+6 percentage points to 22%) and Ireland (+5 points to 18%)“.1 Es sieht so aus, als ‚greife‘ die seiner Zeit von Ministerpräsident Silvio Berlusconi verabschiedete Schul-Reform, in der neben der Vermittlung einer breiten und vertieften Allgemeinbildung, der Stärkung selbstständigen Lernens und wissenschaftspropädeutischen Arbeitens, der Entwicklung kreativer Tätigkeiten, der Herausbildung sozialer und humaner Verhaltensweisen und Einstellungen sowie die Förderung der sozialen Integration, die frühzeitige Einführung und Förderung von mindestens zwei Fremdsprachen im italienischen Schulsystem einer der wichtigsten Kernpunkte war. Mit der Einführung von Englisch als erste Pflichtfremdsprache sollte der sprach- und sprechpraktische Lernerfolg optimiert werden, auch wenn die Italiener immer noch ein bloß „mittelmäßiges Englisch“ sprechen:

„Da anni ormai si può accedere facilmente a ogni tipo di testo, audio e video in altre lingue e non mancano le opportunità di parlare con stranieri, ma la conoscenza dell’inglese rimane mediocre. Ne sono prova i numerosi errori di traduzione, a partire dai media, le cantonate prese nel descrivere presunti errori o nel distinguere tra errori più o meno rilevanti, l’inglese farlocco e l’abuso di anglicismi, che è inversamente proporzionale all’effettiva padronanza dell’inglese.“2

Auf die Frage Perché gli italiani non parlano inglese? gibt es natürlich gleich mehrere Antworten. Ein wichtiger Grund ist sicherlich der Umstand, dass im Fremdsprachenunterricht Englisch verstärkt „grammatica e scrittura“ fokussiert werden, was zu Lasten der „espressione orale“ geht, bei der geeignete Rahmenbedingungen, Kommunikationsanlässe und unterstützende Maßnahmen bereitgestellt werden könnten, um den fremdsprachlichen Sprechanteil aller SchülerInnen zu erhöhen und deren mündliche Kommunikationskompetenz nachhaltig zu stärken. Der alles entscheidende Fakt aber dürfte sein, dass die Gesamtanzahl der muttersprachlichen EnglischlehrerInnen im italienischen Schulsystem – von der Primarschule, in der der Grundstein für erfolgreiches und nachhaltiges Sprachenlernen gelegt wird bis zu den Sekundarstufen I und II – gerade mal 3% des Gesamtlehrpersonals ausmacht. (ebd) Wollte man mit der Reform den sprach- und sprechpraktischen Lernerfolg in Englisch mit der Einführung als erste ← 8 | 9 → Pflichtfremdsprache optimieren, so bedarf die Reform sicherlich einiger Korrekturen. Immerhin hat das italienische Bildungsministerium (MIUR) jetzt eine komparative Online-Vergleichsstudie der Fremdsprachenkenntnisse in Englisch angesetzt.3 Die Teilnahme an der Erhebung, die auf den 30. Mai 2017 festgelegt war und deren Ergebnisse zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrages noch nicht vorlagen, ist freiwillig und richtet sich an die SchülerInnen des 3. Jahrgangs der Sekundarstufe II. Ob sich dann validere Aussagen über das Kommunikationsverhalten und die Englischkenntnisse machen lassen, bleibt abzuwarten. Der Test setzt sich wie folgt zusammen:

Per effettuare questa indagine le scuole dovranno somministrare agli studenti l’EFSET (Education First Standard English Test), un test online standardizzato di inglese creato da EF, che adegua in tempo reale il livello di difficoltà del contenuto della prova in base alle risposte corrette e/o errate fomite dall’esaminando.4

2.  Deutsch in Italien: einige Zahlen

Auf die Ergebnisse darf mal allemal gespannt sein. Bis zur längst fälligen Schulreform hatte die Kurzsichtigkeit nationaler Bildungspolitik allerdings den multilingualen Mehrwert außen vorgelassen und einer Zweisprachen-Gesellschaft mit Englisch als globaler Weltsprache auf der einen und lokaler Nationalsprache auf der anderen Seite in die Hände gespielt. Niemand wird, wie schon oben erwähnt, ernsthaft den Gebrauchswert des Englischen bestreiten wollen. Soll aber fremdsprachliche Weiterbildung als lebensbegleitendes Lernen später nicht Reparaturinstanz für eine fehlgeleitete Schulausbildung sein, so musste dem Nutzwert des Englischen der (sprachliche wie kulturelle) Mehrwert mindestens einer weiteren Fremdsprache entsprochen werden.

„Um die Zukunft der deutschen Sprache“, schrieb einst Jutta Limbach in Bezug auf deren Stellung in der globalisierten Welt, „sollte uns eigentlich nicht bange sein“ (2008: 12). Die Ergebnisse des Eurobarometers 386 scheinen – zumindest bis zu einem gewissen Punkt – die Aussage der langjährigen Vorsitzenden des Goethe Instituts zu bestätigen. Zwar gibt es im Vergleich ← 9 | 10 → zur Erhebung aus dem Jahre 2005 „a somewhat smaller decrease in those thinking German is an important language for personal development (-5 points)“, was aber dadurch ausgeglichen wird, dass neben einer 2/3 Mehrheit der Europäer (67%), die Englisch als wichtigste Fremdsprache für die persönliche Entwicklung halten („Two thirds of Europeans (67%) think that English is one of the two most useful languages. It is much more likely to be considered useful for personal development than any other language.“), die deutsche Sprache mit 17% immerhin an zweiter Stelle rangiert, noch vor Französisch (16%) und vor allem Spanisch (14%).5

In Italien sieht die Situation, zumindest in der Schule, jedoch etwas anders aus. Schaut man sich die Statistiken der Sekundarstufe I und II an und vergleicht die Einschreibzahlen für die zweite Fremdsprache aus dem Jahr 2003/2004 mit denen aus dem Jahr 2014/2015 (neuere Zahlen waren leider nicht erhältlich)6 so ergibt sich – zumindest aus deutscher Sicht – ein wenig erfreulich Bild:

Tabelle 1: Einschreibzahlen für die zweite Fremdsprache nach Englisch an der italienischen Sekundarstufe I (Scuola secondaria di I grado)

Details

Seiten
167
Erscheinungsjahr
2017
ISBN (PDF)
9783631733905
ISBN (ePUB)
9783631733912
ISBN (MOBI)
9783631733929
ISBN (Hardcover)
9783631733493
DOI
10.3726/b11737
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Fremdsprachenpolitik CLIL (Content and Language Integrated Learning) Wissenschaftsdeutsch Wirtschaftsdeutsch Deutsch als Fremdsprachenphilologie
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 167 S.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Sandro Moraldo (Band-Herausgeber:in)

Sandro M. Moraldo ist Professor für Neuere Deutsche Literatur, Kultur und Sprache an der Universität Bologna (Campus Forlì). Seine Forschungsschwerpunkte sind Sprach(en)politik, Deutsch als Fremdsprachenphilologie, Medien- und Kontaktlinguistik sowie die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft.

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Titel: Die deutsche Sprache in Italien – Zwischen Europäisierung und Globalisierung