Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies
Teil 4: Der Übergang an das Haus Habsburg (1477 bis 1480)
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- Vorwort
- Einleitung
- I. Die Übernahme der Ordenssouveränität
- A. Die Legitimierung Herzog Maximilians
- B. Die Vorbereitungen für die Festlichkeiten
- C. Der Festakt der Inauguration
- II. Das Ordensfest von 1478
- A. Ablauf des Ordensfestes
- B. Die abtrünnigen Mitglieder
- C. Die Wahl neuer Mitglieder
- D. Das Wiederaufleben des internen Schiedsgerichts
- III. Die Ordensangelegenheiten zwischen 1478 und 1480
- A. Das für 1479 geplante Ordensfest
- B. Die Ordenstreffen am St. Andreas-Tag
- C. Die Planung des Ordensfestes von 1481
- IV. Neubesetzungen unter den Amtsträgern des Ordens
- V. Handschriftenbeschreibung
- Das vierte Protokollbuch
- Teil 1: Die Übergabe des Ordens an Herzog Maximilian
- Einleitung
- 18. bis 23. August 1477 in Gent
- 17. Dezember 1477 in Brüssel
- 3. Januar 1478 in Brüssel
- 28. April 1478 in Brügge
- 29. April 1478 in Brügge
- 30. April 1478 in Brügge
- Teil 2: Das Ordensfest 1478 in Brügge
- 30. April 1478
- 1. Mai 1478
- 2. Mai 1478
- 4. Mai 1478
- 5. Mai 1478
- Teil 3: Die Versammlungen zwischen 1478 und 1480
- 9. September 1478 in Brüssel
- 25. September 1478 in Brüssel
- 9. Oktober 1478 in Brüssel
- 30. November 1478 in Brüssel
- 12. März 1479 in Antwerpen
- 22. April 1479 in Gent
- 29. Dezember 1479 in Gent
- 17. Januar 1480 in Brüssel
- 16. Dezember 1480 in Brügge
- 20. Dezember 1480 in Brügge
- 23. Dezember 1480 in Brügge
- Regesten
- Verzeichnisse
- I. Verzeichnis der Feste und Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies (1430–1478)
- II. Abkürzungen
- III. Literatur
- IV. Wichtige Internetseiten
- V. Archivalienverzeichnis
- VI. Index der Orte und Personen
- Reihenübersicht
Allzu oft brechen Quellenveröffentlichungen und Darstellungen zu „Burgund” mit dem Jahre 1477 ab. Glücklicherweise setzt Sonja Dünnebeil ihre Edition der Protokollbücher und Regesten des Ordens vom Goldenen Vlies fort, desjenigen ordre de chevalerie (§ 163), der, wie der englische Hosenbandorden, bis in unsere Tage fortbesteht. Die Forschung fördert er nicht nur passiv, indem er diese Edition erlaubt, sondern seit einigen Jahren auch aktiv, durch wissenschaftliche Tagungen, die er anlässlich seiner Kapitelsitzungen an verschiedenen Orten veranstaltete.1 War in Band 3 der Höhepunkt der Regierungszeit Karls des Kühnen im Ordensfest von 1473 in Valenciennes zu beobachten, so ist es jetzt die Krise des burgundischen Staates nach dem Tod des Herrschers am 5. Januar 1477. Posthum erhielt Herzog Karl noch einmal hohes Lob: liberal et magnifique moult singulierement aimant et favorisant justice sei er gewesen; en toute magnificence et vaillance a esté renommé singulierement entre les autres princes de son temps, heißt es ganz richtig in § 124, wobei darauf zu achten ist, was nicht gelobt wurde. Denn von seinem Vater, le bon duc Phelippe, wird in ganz anderem Ton gesagt, dass er amé et tresamé de tous gewesen sei, par la bonté et doulceur qui estoit en lui (§ 126). Jetzt drohte der Orden sich aufzulösen: Dreizehn Mitglieder waren gestorben, fünf hatten die Partei Ludwigs XI. ergriffen, der Herzog von Kleve reagierte nicht auf die Einladung, verstimmt darüber, dass die Hand Marias von Burgund nicht seinem Sohn gegeben worden war, was eine diplomatische Krankheit zur Folge hatte, wie aus der Marginalie zu § 9 zu ersehen ist (und aus § 209 und 228–232). Der englische König hatte aufgehört die Ordenskette zu tragen (§ 201, 268), nur fünf altgediente Mitglieder versammelten sich um Maximilian Ende April 1478 in Brügge, und der musste erst noch zum Ordenssouverän gemacht werden und zum chevalier, denn bislang hatte er den Ritterschlag, den er sich von seinem Vater, dem Kaiser wünschte, noch gar nicht erhalten. Wie er dann Ritter wurde, ist hier ausnahmsweise einmal ganz genau beschrieben (§ 54).
Zweieinhalb Jahre später hatte sich die Situation nicht wirklich gebessert (§ 265 f.), und sie tat es auch nicht wesentlich bis zum Friedensschluss von Arras im Jahre 1482. War der Mann der Erbin Maria überhaupt berechtigt, die Ordensleitung zu übernehmen? Ludwig XI. bestritt dies: Da nunmehr er im Besitz des Herzogtums Burgund sei, unterstehe der Orden ihm. Dies wurde ausgesprochen, als die abgefallenen bzw. gefangenen Mitgliedern – Anton, der Große Bastard von Burgund, Jacques de Luxembourg-Richebourg, Philippe Pot, Philippe de Crèvecœur (beide Patenkinder Herzog Philipps des Guten), Jean de Damas-Clessy, Jean de Neufchâtel-Montaigu – aufgefordert wurden, auf dem nächsten Fest zu erscheinen und sich zu rechtfertigen. Die Schilderung, wie der Herold Fusil in Poitiers vor den versammelten Hof tritt und seine Schreiben übergeben will, wie Ludwig XI. antwortet und nach ihm, offensichtlich peinlich berührt (er trägt den ← 7 | 8 → königlichen Michaelsorden), der Herr von Richebourg, gehört zu den kostbaren Texten dieses Bandes (§ 29, Reg. 75–79, 100). Richebourg, seit 1475 in französischer Gefangenschaft und vom König davon befreit, will doch noch nicht ganz brechen, nimmt das Schreiben entgegen, antwortet, dass er kommen wolle (Reg. 99), tut es aber schließlich doch nicht. Um Clessy zu erreichen, reist ein anderer Herold, Ferrette, nach Mâcon, wo Clessy als von Ludwig XI. bestätigter Amtmann tätig war, und musste erleben, wie dort seine traditionelle Immunität ihm nichts nützte, er gefangengenommen wurde, man ihm den Wappenrock zerreißt und ihn all seiner Briefschaften beraubt (§ 119). Der Abfall vom Haus Burgund, auch in den Hofordnungen derselben Zeit aufscheinend,2 noch nie zusammenfassend untersucht,3 war in der Mehrzahl der Fälle unumkehrbar.4 Ludwig XI. zahlte mit Bedacht sehr gut: Zu den 16 größten Pensionsempfängern des Jahres 1481 (die Höchstsumme, für Pierre de Bourbon, betrug 20.000 £ von Tours) zählten auch der Große Bastard Anton und Philippe de Crèvecœur, beide mit 12.000 £, und Richebourg mit 10.000 £, ebensoviel wie Johann von Burgund, Graf von Nevers, doch kamen noch 2.000 £ für Richebourgs Frau hinzu. Jean de Damas wurde mit 5.000 £ ausgestattet,5 Philippe Pot mit 4.000 £. Jean de Neufchâtel-Montaigu erhielt 1.200 £. Zum Vergleich: Philippe de Commynes, auch er ein Patenkind Herzog Philipps des Guten wie Crèvecœur und Pot, strich 6.000 £ ein, ebensoviel ein weiterer burgundischer Bastard, Baudouin; dessen Kompagnon Jean d’Arson kam immer noch auf 1.200 £.6
Lebenswirkliche Details dieser Art enthält der Text an vielen Stellen. Wo wohnten die Ordensritter? Ludwig von Brügge, Herr von Gruuthuse, stets auch als Graf von Winchester bezeichnet, hatte sein Quartier im Genter Hof van de Walle sur la porte (§ 10). Auch Philipp de Croy-Chimay verfügte in der Residenz zu Brügge und zu Brüssel über ein Zimmer oder eher Appartement, das ihm als Erstem Kammerherrn zustand (§ 21, 22, 196, 206 219, 263). Adolf von Kleve-Ravenstein logierte in Brügge bei ihm (§ 196), in Brüssel aber besaß er seine eigene Stadtresidenz, das Hôtel Ravenstein, das sogar bis in unsere Tage erhalten ist; auch dort versammelte man sich, en sa petite chambre (§ 16). Maximilian beriet sich mit den Ordensrittern in der chambre de son retrait (§ 260, 269), der chambre de son petit retrait (§ 220), einer chambrette (§ 277), also im privaten Bereich der größten Nähe. Welche Phasen ein Briefentwurf durchlaufen musste, bis er ausgefertigt und versandt wurde, lehren die § 14–19. Wie bezeugt man einander amour und benivolence? Mit Kuss und Hand: levé par la main, baillé la main oder touchié de la main (§ 61–65), was dann nicht möglich ist, wenn der Betreffende den Arm in einer Schärpe tragt, der Gicht wegen, unter der nicht nur Adolf von Kleve-Ravenstein litt, sondern auch Saint-Pol (§ 222, 237, 269). Da musste dann die Umarmung ausreichen ← 8 | 9 → (§ 237, 261). Zwar waren alle Ordensmitglieder chevaliers freres und haulz, nobles et puissans messeigneurs (§ 239), dazu mehr oder minder fiktive cousins des Ordenssouveräns. Auch fällte dieser keine Entscheidung, ohne alle oder wenigstens die in seiner Nähe befindlichen befragt zu haben. Aber wenn man ihn anspricht, dann stets auf Knien, a genoulx humblement et reverenment (z. B. § 237). Nur Ferry de Clugny als neuernannter Kardinal von S. Vitale, obschon noch Ordenskanzler, kniete nicht (§ 276); als Bischof von Tournai hatte er es noch getan (§ 53). Die Ordensbrüder waren dennoch untereinander nicht gleich:7 Den Königen gebührte die Anrede treshault et trespuissant, bei Herzog Albrecht von Sachsen aber entfiel das tres (§ 154), die Prinzen aus dem Hause Kleve und Savoyen waren treschier et tresamé, ihnen schrieb Maximilian in erster Person, den geringeren treschier et feal im Pluralis majestatis; auch die Form von Über- und Unterschrift brachte Standesunterschiede zum Ausdruck (§ 254 f.). Eine Sonderstellung nimmt der Herr von Egmond ein, der mit tres chier et amé angeredet wurde (§ 252 f.). Als jüngerer Bruder und präsumtiver Nachfolger des Herzogs Arnold von Geldern war er ein Prinz. Aus der kleinen Abweichung spricht aber der nunmehr habsburgische Anspruch auf das Herzogtum Geldern. Köstlich ist die Instruktion für den Gesandten zu König Eduard IV. (Anrede: Sire): Sie enthält sogar die Worte, die er sprechen sollte, um quasi unbemerkt dem König eine Erklärung dafür zu entlocken, weshalb er aufgehört hatte, die Ordenskollane zu tragen (§ 201).
In den vier Jahren, die der Band behandelt, kommt es zwar zu vielen Versammlungen der vorhandenen Ordensritter mit und ohne Maximilian, aber nur zu einem einzigen Ordensfest, das auch noch verkürzt werden musste: Mehr als drei Tage lang konnte der von den Aggressionen Ludwigs XI. getriebene Fürst in Brügge nicht bleiben. Der Krieg ist das leise oder lautere, immer vorhandene Hintergrundgeräusch in diesem Band. Ludwig XI. als vorgeblicher Gesamterbe Karls des Kühnen bemächtigt sich des Herzogtums Burgund und seiner Nebenländer, greift die Franche-Comté an, rückt im Hennegau ein, bedroht Flandern und schließt zwar einen Waffenstillstand, nachdem er bei Enguinegatte südlich Thérouanne im Artois am 7. August 1479 eine heftige Niederlage erlitten hatte. Aber er bricht ihn wieder, als es ihm nützlich zu sein erscheint. Die kriegserfahrenen Ordensritter raten zu grenznahen Versammlungsorten, Saint-Omer, Lille, Douai, auch Valenciennes und Ypern, weniger zum entfernten Brüssel (§ 233, 267, 271, 273). Maximilian hält dagegen, dass gerade diese Stadt im Mittelpunkt der Niederlande liege und er dort am schnellsten von überallher Nachrichten erhalten könne (§ 223) – ein Stück Zentralitätstheorie: Brüssel wird sich auf lange Sicht als Residenz und Hauptstadt durchsetzen. Aber es stellt sich immer wieder heraus, dass das nächste Ordensfest ohnehin verschoben werden muss, erst 1481 kommt es wieder dazu. Dies wird im 5. Band, der weit fortgeschritten ist, beschrieben werden. Ungern beugte man sich derweil der Kraft der Verhältnisse und fürchtet den Spott der Franzosen (§ 240) oder deren Angriff, wenn man den Ort bekanntgäbe (§ 271, 273). Von besonderem Interesse ist ein innenpolitisches Argument, das bei den Beratungen eine bedeutende Rolle spielt, nämlich das Murren, der Unmut des flandrischen Volkes (le peuple) angesichts solch unnützen Zeitaufwands und großer Ausgaben: ce pays de Flandres murmure ja fort, heißt es. Man fürchtet während der Feierlichkeiten militärische Rückschläge zu erleiden, die dem Fürsten und seinen Räten angerechnet werden könnten (§ 239, 244, 264). Öffentliche Meinung gilt etwas, öffentliche Rituale ← 9 | 10 → (hier mehrfach als mistere bezeichnet, so z. B. § 1, 6, 37 f., 45 oder 101,8 oder auch als les louables et honnestes ceremonies, § 220), sind nicht immer angebracht.
Trotz der stets prekären Lage bestehen die wenigen noch vorhandenen Ordensmitglieder auf statutengemäßem Vorgehen (§ 130, 132 f., 178). Die vier goldenen Ordenskollanen, die in der Schlacht von Enguinegatte verloren gegangen waren (man trug sie also wirklich im Kampf), ersetzt Maximilian (§ 262 und Reg. 129 und 137–139), obwohl er kaum noch Juwelen besaß, um ehrenvoll damit aufzutreten (§ 264). Die Geheimhaltung der Statuten, der Wahlen, der Beratungen soll unter allen Umständen gewahrt werden (§ 11, 101, 188, 197–200). Desto größer die Bestürzung, als es heißt, der Herr von Croy sei von einem Ordensmitglied von seiner (gar nicht erfolgten) Wahl unterrichtet worden (§ 210, 221). Friedrich III. soll den vorgeschriebenen Hand-Eid leisten, den er gar nicht schwören darf (§ 207, 234). Maximilian kennt die üblichen Verfahren nicht und auch nicht die Leute (§ 266), er muss sich erst unterrichten. Französisch versteht er nicht, also werden ihm die Statuten ins Lateinische übersetzt (§ 12, 60, 159, 190 f.), dessen er offensichtlich mächtig ist. Andere, die Ordensritter werden sollen, können nicht einmal das, so Bartholomäus von Liechtenstein, Maximilians Hofmeister: point de françois et peu de latin (§ 157). Die Ordensmitglieder wählen ihn etwas unwillig, ebenso wie Herzog Albrecht von Sachsen (§ 132, 149–151): Man kennt den Kandidaten nicht, kann dessen Adel nicht beurteilen, die Wahl gehe auf Maximilians Gewissen (§ 133). Der kann nicht verhindern, dass der Orden seine Privilegien als Sondergruppe vermehrt (§ 172) und als allgemeines Schiedsgericht wieder auflebt, was uns Heutigen rare Einblicke in verdeckte Feindschaften, böswillige Verleumdungen und die Gefahr der division bei Hofe verschafft (§ 237 Croy-Chimay / Luxembourg-Sant Pol: les hayneux, und § 261 Savoyen-Romont / Burgund-Beveren). Die reglementären Sittenrügen, diesmal abgekürzt, geben andere Einblicke, hier in die Würfelpassion und die (übliche) eheliche Untreue des Ahnen des niederländischen Königshauses, Engelbert II. von Nassau (§ 104).
Dass Sprachenfragen noch öfter auftraten als sie es ohnehin zwischen der frankophonen Mehrheit und der germanophonen Minderheit taten, hängt mit dem verständlichen Wunsch Maximilians zusammen, seine Vertrauten auch in den Niederlanden um sich zu haben. Sogleich trennte man diejenigen de la langue franchoise von denjenigen de la nacion d’Alemaigne (§ 47), die überraschenderweise auch als Bavieres, Bayern bezeichnet werden (§ 95).
Wiederum sind die eingesandten Vorschlagslisten für die Neuwahlen aufschlussreich: Der König von Kastilien benannte mit Mathias Corvinus, dem König von Ungarn, und dem Herrn von Beveren zwei Personen, die tatsächlich gewählt wurden, daneben auch den Prinzen von Orange und den Papstnepoten Girolamo Riario und weiter ein Fülle von Leuten iberischer Herkunft (Reg. 31). Der König von Neapel favorisierte neben Mathias von Ungarn eine ganze Reihe deutscher Fürsten, auch Albrecht (Achilles) von Brandenburg und einen seiner wichtigsten neapolitanischen Räte, Diomede Carafa, Grafen von Maddaloni (Reg. 37). Die Liste des greisen, um 1396 geborenen Jean de Melun, der aus Altersgründen nicht mehr reisen kann, entsprach eher der Situation: Sechs oder gar sieben seiner Vorschläge (wenn der Herr von Becan, wie anzunehmen, mit Wolfart VI. von Borssele identisch ist) wurden angenommen, darunter auch Kaiser Friedrich III.; auch er hielt den beim Kaiser sehr einflussreichen Kurfürsten von Brandenburg für einen geeigneten Kandidaten (Reg. 46), zu dessen Wahl es aber nicht kam. ← 10 | 11 →
Deutlich treten die Funktionen der Ordensbeamten hervor: der Kanzler führt das Wort, auch für den Souverän (§ 237). Der Schatzmeister verwahrt das Ordensvermögen. Der Greffier ist das Gedächtnis des Ordens, nicht nur was den älteren Schriftverkehr angeht (§ 273), sondern auch was die Taten und Untaten der Mitglieder betrifft (§ 146): Leider sind diese Aufzeichnungen verloren. Der Wappenkönig Toison d’or vertritt den Orden und den Souverän nach Außen in dessen Personifikation als ranghoher Bote und als Unterhändler. Überhaupt kann man die Herolde bei der Arbeit beobachten, die manchmal im schieren Nichtstun besteht: Toison d’or muss mehr als drei Tage lang in Brüssel warten, ob nicht doch einer der vorgeladenen Abtrünnigen zum abgesagten Fest nach Brüssel kommt. Sein Bericht lässt miterleben, wie er sich von morgens bis abends spazierengehend (moy promenant) die Zeit in- und außerhalb des Palasts und seiner grant salle auf dem Coudenberg vertreibt, lediglich von Mahlzeiten und Gottesdiensten in Sainte-Gudule und Saint-Jacques unterbrochen (§ 256, Reg. 127). Solche Berichte bietet dieser Band mehrere: Fusil über seine Reise an den französischen Hof (§ 225, 227; Reg. 100); Riplemonde (Rupelmonde) über seine Mission nach Burgund (227, 240; Reg. 102); der Herold Ravenstein über seine Englandfahrt (§ 233, Reg. 104), zu der auch Orscamps aufbrach (Reg. 106). Im Übrigen bekräftigt der Herold Ferette (Pfirt) die Wahrhaftigkeit seines Berichts comme officier d’armes (§ 119), so wie der Edelmann sur sa foy et leaulté oder sur son honneur comme noble homme schwört (§ 237) und Maximilian in verbo principis verspricht (§ 59).
Alte Bekannte treten auf, darunter der Hofmeister und Memorialist Olivier de la Marche, der das Ordensfest zu Brügge organisierte (so wie er zehn Jahre zuvor die Hochzeit Karls des Kühnen ebendort gestaltet hatte) und für dasjenige zu Brüssel, das dann nicht zustande kam, vorgesehen war (§ 20, 225; Reg. 41 f., 105). So wird jeder, der diese Texte aufnimmt, ein Stück jener Menschen und jenes Lebens finden, das er sucht. Hier gebe ich nur hors d’œuvres als Einladung, diese Texte nicht nur als das zu lesen, was sie sein wollen, sondern gegen den Strich als wertvolle Quelle für vielerlei Fragen, von der Symbol- und Zeremonialgeschichte über die politische, kriegerische, ständische, kulturelle, weiter zum Thema Treue und Verrat, Persönlichkeit und Geschichte, Jugend und Alter, Anfang und Ende.
Da das Deutsche Historische Institut in Paris nicht dazu zu bewegen war, die im Jahre 2009 mit Band 18 eingestellte Buchreihe der „Instrumenta” wieder aufzunehmen, erscheint dieses Werk nicht mehr in blauem Gewand, sondern im rotem der Kieler Werkstücke. Das DHIP pflegt aber weiterhin das Internetportal „Prosopographia Burgundica”.9 Darin wird alsbald die pdf-Datei des vorliegenden Texts zusammen mit den ersten drei Protokollbüchern der gelehrten Welt zur Verfügung stehen.10 Die Arbeit an diesem Band finanzierte der Österreichische Wissenschaftsfond (FWF) und die Fondation pour la protection du patrimoine artisanal, historique et culturel in Lausanne, die auch noch die Druckkosten übernommen hat. Allen Mäzenen und Förderern sei hiermit der geziemende Dank gesagt.
Kronshagen bei Kiel, Pfingsten 2015 | Werner Paravicini |
1 Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, hg. von der Ordenskanzlei. Beiträge zum wissenschaftliche Symposium am 30. November und 1. Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz, Graz/Stuttgart 2007. – Fondation et rayonnement de l’Ordre de la Toison d’or. Colloque organisé à l’occasion du chapitre de la Toison d’or, Dijon, 30 novembre – 1er décembre 2007, par l’Académie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon (Mémoires de l’Académie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon, 142bis), Dijon 2008.
2 Die Veröffentlichung der Hofordnungen Marias, Maximilians und Philipps des Schönen, hg. v. Valérie Bessey, Jean-Marie Cauchies und Werner Paravicini, ist für 2017 vorgesehen, ebenfalls in der Reihe der Kieler Werkstücke.
3 Siehe aber STERCHI, Überläufer, 2003, worin mehrere ihrer Briefe gedruckt sind. Material für die Zeit vor 1477 wird der von Valérie Bessey und Werner Paravicini herausgegebene Band „La Guerre des Manifestes” bieten, dessen Erscheinen bei der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Paris, für 2016 geplant ist.
4 Hugues de Châlon, Herr von Châtelguyon, blieb dem Hause Burgund hingegen treu, s. § 134, 221, 235.
5 Chevaliers de la Toison d’or, 22000, S. 155.
6 DAUPHANT, 700 pensionnaires, 2015, hier S. 29, 43–50 sowie (in der Reihenfolge der obigen Erwähnungen) Nr. 4, 503, 671, 22, 300, 637, 242, 15, 66, 299 und 511.
7 Vgl. unten Anm. 236 zu § 253 und Anm. 1 zu Reg. 1.
8 Vgl. MELVILLE, Mystère, 2013, wo auf den Begriff allerdings nicht eingegangen wird.
9 http://www.prosopographia-burgundica.org/.
10 Gleichzeitig wird der Text dieses Protokollbuches auch auf der Seite des Peter Lang-Verlages unter http://www.peterlang.com/index.cfm?cid=902 abrufbar sein.
Mit dem unerwartetem Tod Herzog Karls des Kühnen {34} von Burgund während der Schlacht von Nancy am 5. Januar 14771 begann in dem Staatengebilde des burgundischen Herzogtums eine neue Ära, denn Karl hinterließ nur eine unverheiratete Tochter als Alleinerbin. Herzogin Maria2 sah sich bald mit inneren und äußeren Angriffen konfrontiert und wählte zur Rettung ihres Erbes die Heirat mit Maximilian, dem Sohn Kaiser Friedrichs III.3
Im August 1477 traf dann Maximilian von Österreich als strahlender Held gefeiert in den Niederlanden ein und übernahm als Ehemann Marias die Herrschaftsansprüche seines verstorbenen Schwiegervaters Karls und damit auch die Souveränität über den Orden vom Goldenen Vlies. In dem vorliegenden 4. Protokollbuch wird ausführlich Maximilians erste Bewährungsprobe als Souverän des Ordens im Zeitraum zwischen 1477 und 1480 beschrieben.4 Dabei teilt sich die Handschrift in drei Teile:
Der erste Teil beschreibt auf 27 Folia den Weg bis zur Ordensübernahme von seiner Ankunft in den Niederlanden bis hin zur feierlichen, öffentlichen Einführung in den Orden in der Salvator-Kirche in Brügge am 30. April 1478.5
Im Anschluss daran schloss sich das erste Ordensfest unter seiner Führung an. Die Beschreibung dieses Festes bildet den zweiten Teil der Handschrift. Bedingt durch den ← 13 | 14 → französischen Einfall in den Hennegau nahm sich Maximilian jedoch nur knappe drei Tage Zeit, um den Orden und dessen wenige anwesende Mitglieder kennenzulernen. Die Zeit reichte jedoch aus, um die wichtigsten Gottesdienste zu absolvieren und die auf ein Drittel reduzierten Mitgliederzahl durch Neuwahlen zu ergänzen. Zahlreiche andere wichtige Agenden konnten jedoch nicht erledigt werden, deshalb beschlossen die versammelten Ordensmitglieder, dass im folgenden Jahr ein weiteres Ordensfest veranstaltet werden sollte.6
Der dritte Teil der Handschrift beschreibt die verschiedenen außerordentlichen Sitzungen zwischen Oktober 1478 und Dezember 1480, bei denen für die dringendsten Angelegenheiten des Ordens Lösungen gesucht wurden, das für 1478 geplante Fest vorbereitet und dann nach eingehender Diskussion aufgrund der politisch unsicheren Zeiten abgesagt wurde. Zuletzt legten die versammelten Mitglieder im Dezember 1480 fest, dass nun ein neues Ordensfest dringend notwendig sei, wofür sie die Einladungen versandten.7 Die Beschreibung der weiteren Vorbereitungen und dieses Festes selbst sind dann aber schon Bestandteil des 5. Protokollbuches, dessen Edition ebenfalls schon bald nach dem Erscheinen dieses Bandes erscheinen wird.
Auf insgesamt 89 Folia erfährt man durch das 4. Protokollbuch vieles über die Annäherung zwischen Herzog Maximilian und dem Orden vom Goldenen Vlies und dessen Mitgliedern. Einen Überblick sollen die folgenden Seiten der Einleitung geben, aber dort können nicht alle Facetten dieses beeindruckenden Textes berücksichtigt werden. Nach ausführlicher Beschreibung der Handschrift folgt dann die Edition der Handschrift, die sich nach den bewährten Vorgaben der ersten drei bereits veröffentlichten Protokollbücher richtet.8 Ergänzend wurde im Anhang ein Regestenverzeichnis aller bekannten und im Zusammenhang mit dem Orden bis zum Tode Herzog Karls des Kühnen stehenden Schriftstücke hinzugefügt.9 Ein Verzeichnis der Ordensmitglieder zwischen 1430 und 1478, ein Literaturverzeichnis sowie ein Archivalien-, Orts- und Namensindex sollen zur schnelleren Orientierung dienen.
Die Realisierung der vorliegenden Edition wurde dankenswerter Weise ermöglicht durch die finanziellen Unterstützung der Fondation pour la protection du patrimoine artisanal, historique et culturel in Lausanne und des Österreichischen Wissenschaftsfonds (Projekte FWF P 21478-G18: Der Orden vom Goldenen Vlies unter Maximilian I. [1477–1486] und P 25157-G18: Der Orden vom Goldenen Vlies zwischen Loyalität und Felonie [1484–1493]). Dem Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies, DI Alexander Pachta-Reyhofen, danke ich für die Erlaubnis für ← 14 | 15 → die Benutzung des Ordensarchivs und die gute Zusammenarbeit. Meinem Lehrer Prof. Dr. Werner Paravicini, der auf vielfältige Art und Weise schon lange meine Arbeit unterstützt, diesen Band kritisch durchgesehen hat und ihn in seiner „wiederbelebten“ Reihe „Kieler Werkstücke, Reihe D: Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters“ aufnimmt, möchte ich an dieser Stelle meine große Dankbarkeit ausdrücken. Bei einer Edition ist das Vieraugenprinzip äußerst wichtig und so danke ich Frau Dr. Andrea Berlin (Bochum/Hagen) für ihr Kollationieren der Handschrift. Besondere Aufmerksamkeit verlangte die lange lateinische Rede des Ordenskanzlers anlässlich Maximilians Einsetzung als Ordenssouverän: Frau MMag. Katharina Kaska (Wien) hat nicht nur den Text transkribiert, sondern auch soweit als möglich die klassischen Zitate identifiziert. Einige Hinweise dazu erhielt ich auch von Frau Dr. Anke Paravicini (Kiel) und Frau Dr. Giesela Naegle (Paris/Gießen). Zahlreiche Hinweise und Hilfestellungen erhielt ich von Dr. Roland Forster (Eferding), Dr. Eva Helfenstein (ehemals Havard), Dr. Torsten Hiltmann (Münster), Dr. Renate Holzschuh-Hofer (Wien), Dr. Anne-Katrin Kunde (Wien/Luxembourg), Corinna Pichler, BA (Wien), Dr. Claudia Rotthoff-Kraus (Aachen), Marcus Stiebing (Jena) und vielen anderen. Mit meinen großen und kleinen Fragen zur Editionstechnik oder zum Textverständnis fand ich stets ein offenes Ohr bei meinen Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Editionsunternehmen & Quellenforschung / MIR des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, hier vor allem bei Dr. Renate Kohn, Mag. Gertrud Mras, Dr. Andrea Rzihacek, Dr. Kornelia Holzner-Tobisch, Dr. Manfred Hollegger und PD Dr. Andreas Zajic. Ihnen allen sei hier gedankt!
I. Die Übernahme der Ordenssouveränität
Der erste Teil der Handschrift beschreibt den Weg von Maximilians Ankunft in den Niederlanden im August 1477 und seiner Hochzeit mit Herzogin Maria von Burgund bis zu seiner feierlichen Inauguration als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies.10 Drei Tage nach der Hochzeit versammelten sich einige Mitglieder und Amtsträger des Ordens vom Goldenen Vlies, um über die Zukunft des Ordens zu beraten. Schnell sind sie sich einig, dass statutengemäß Maximilian die Ordenssouveränität zustehe.11 Dieses Anliegen unterbreiteten sie dem neuen Herzog in einer Audienz am 23. August 1477.12 Der Kanzler und Sprecher des Ordens Ferry de Clugny, Bischof von Tournai, trug nach einer langen Rede über die Vorzüge des Ordens Maximilian die Führung über den Orden vom Goldenen Vlies an. Maximilian ließ durch seinen Rat Dr. Wilhelm Maroltinger in einer lateinischen Rede für das Angebot danken, gab aber zu bedenken, dass ihm der Ritterschlag fehle. Zuletzt wurden die Vliesritter um eine lateinische Übersetzung der Ordensstatuten gebeten, damit Maximilian und seine Räte sich mit dem Orden vertraut machen könnten. Jedoch erst am 17. Dezember 1477 erhielten die Ordensmitglieder Maximilians Zusage, den Orden übernehmen zu wollen. Bei dieser Gelegenheit wurde dann auch beschlossen, die Ordensübernahme mit einem Ordensfest zu verbinden. ← 15 | 16 →
A. Die Legitimierung Herzog Maximilians
Im ersten Teil des Protokolles finden sich neben den Schilderungen über Maximilians Annäherung an den Orden umfangreiche Eintragungen, die beweisen sollten, dass Maximilian auch tatsächlich der legitime Nachfolger Herzog Karls war.13 Dies erfolgte in zwei verschiedenen Argumentationssträngen, nämlich durch die Berufung auf die Erbfolgeregelung der Statuten des Ordens vom Goldenen Vlies einerseits und durch die Betonung, dass die Heirat nach dem Willen und Wunsch des verstorbenen Herzog Karl geschlossen worden war, andererseits.
In den Statuten wurde die Nachfolge in der Ordenssouveränität klar geregelt:14 Wenn der Souverän ohne männlichen Erben verstirbt, soll der Ehemann der Erbtochter den Orden vom Goldenen Vlies übernehmen. Des weiteren bestimmen die Statuten, dass bis zur Verheiratung der Erbtochter oder bis zur Volljährigkeit ihres Ehemannes oder des Erben, die Mitglieder aus ihren Reihen einen wählen sollen, der bis zur Volljährigkeit und bis zum Ritterschlag des designierten Nachfolgers die Ordensgeschäfte führen sollte.
Somit hatte Herzog Maximilian eindeutig durch seine Heirat mit Maria Anrecht auf die Souveränität über den Orden. Die einleitenden Eintragungen im Protokollbuch betonen des Weiteren, dass Maria die einzige Tochter und somit legitime Erbin Herzog Karls und dessen Herrschaften und Besitzungen war.15 Dem gegenüber hatte König Ludwig XI. von Frankreich behauptet, dass die französischen Kronlehen Burgunds als reine Mannlehen nicht an Maria übergehen könnten. Deshalb hatte er nach dem Tode Herzog Karls seine Truppen gegen das Herzogtum und die Freigrafschaft Burgund sowie gegen die nördlichen Grenzgebiete in die Pikardie und den Artois in Bewegung gesetzt. Darüber hinaus wählte er auch den gerichtlichen Weg und ließ im Frühjahr 1478 am Parlament von Paris einen Prozess gegen den verstorbenen Herzog Karl wegen Majestätsverbrechens eröffnen, um auf diesem Weg seine Rückforderung auf die burgundischen Gebiete zu untermauern.16 Mit der Begründung die Souveränität über den Orden vom Goldenen Vlies sei an das Herzogtum Burgund geknüpft, proklamierte Ludwig XI. Anfang Mai 1478 sich selbst zum Souverän des Ordens und verbot den an seinem Hof weilenden Vliesrittern, zu dem Ordensfest nach Brügge zu reisen, zu dem Herzog Maximilian eingeladen hatte.17 ← 16 | 17 →
Um ihr Erbe vor den äußeren Angriffen König Ludwigs XI., aber auch vor den inneren Angriffen und Unruhen zu schützen, wurde nach dem Tod Karls seine unverheiratete Erbin Maria von allen Seiten gedrängt, möglichst schnell zu heiraten. Kandidaten standen angesichts ihrer immensen Besitzungen und des sagenhaften burgundischen Reichtums mehrere zu Verfügung, allen voran der Kaisersohn Maximilian. In Frage kamen aber auch der achtjährige französische Dauphin Karl, Herzog Georg von Clarence und Anton Woodville, beide aus der Familie des englischen Königs Eduards IV., sowie mehrere am burgundischen Hof aufgewachsene Adlige, wie der Jungherzog Johann II. von Kleve, dessen Cousins Philipp von Kleve oder Adolf von Egmond. Bald zeigte sich eine Mehrheit für den Kaisersohn Maximilian, der seit 1463 immer wieder und mit wechselnder Intensität als einer der vielen möglichen Heiratskandidaten gehandelt worden war. Herzog Karl sah in der Verheiratung seiner einzigen Tochter ein Faustpfand zur Durchsetzung seiner ehrgeizigen Pläne18 und spätestens in den 1470er Jahren erhoffte er sich durch die Verheiratung seiner Tochter mit dem Sohne Kaiser Friedrichs III. die römisch-deutsche Königs- und Kaiserkrone zu erringen oder wenigsten ein (von Frankreich) unabhängiges Königreich zu erhalten. Diese Verhandlungen scheiterten während des großen Treffens in Trier zwischen ihm und Kaiser Friedrich III. im Herbst 1473.19 Überraschenderweise stimmte Karl dann aber nach seiner Niederlage bei Grandson am 6. Mai 1476 der Heirat zwischen Maximilian und Maria zu, ohne auf seinen bisherigen Forderungen zu bestehen.20 Der für den November 1476 geplante Hochzeittermin in Köln verstrich zwar, aber Karl, Maria und Maximilian tauschten in dieser Zeit mehrere Briefe und ← 17 | 18 → Urkunden aus, die ihre Freude an der bevorstehenden Hochzeit bekundeten.21 Die Ereignisse nach dem Tod Karls zeigen aber, dass dennoch auch andere Kandidaten noch Hoffnung auf eine Ehe mit Maria hatten. Nachdem Kaiser Friedrich III. Ende Januar 1477 von Karls Tod erfahren hatte, warb er einerseits in zahlreichen Briefen bei den wichtigsten burgundischen Amtsträgern, Städten und Ständen für die burgundisch-habsburgische Heirat und entsandte andererseits eine hochkarätige Gesandtschaft nach Burgund.22 Diese erwirkte, dass am 21. April 1477 die Heirat zwischen Maximilian und Maria per procuram geschlossen wurde. Im darauf folgenden August trafen die Brautleute zum ersten Mal zusammen und wurden am 19. August in Gent getraut.23
Im Protokollbuch wird eigens betont, dass über diese Heiratsverbindung schon während des Trierer Treffens und durch verschiedene Gesandtschaften verhandelt worden war und dass Herzog Karl noch vor seinem Tode die Heiratsverträge ausgestellt und besiegelt hatte.24 Johann Jacob Fugger geht in seinem „Spiegel der Ehren“ mit Herzog Karls Zustimmung für die burgundisch-habsburgische Heirat noch weiter, in dem er berichtet, dass Karl beim Besteigen seines Pferdes, um in die Schlacht von Nancy zu reiten, einem seiner Vertrautesten mündlich anbefahle, auch einen geschriebenen Zettel darüber zustellte, wie es mit seinen Landen nach seinem Tod gehalten und an wen seine Tochter Maria vermählt werden sollte.25
Neben Karls Zustimmung zur Heirat wurde im Protokollbuch aber auch erwähnt, dass nach seinem Tod eine kaiserliche Gesandtschaft bei Herzogin Maria und Karls Witwe Margarete erfolgreich für die Heirat geworben hatte.26 ← 18 | 19 →
Abbildung 1 Die Wappentafeln von 1478 in der Salvatorkirche in Brügge
B. Die Vorbereitungen für die Festlichkeiten
Nachdem Maximilian am 17. Dezember 1477 zugestimmt hatte, die Ordenssouveränität anzunehmen, wurde mit der Planung des Festaktes, der öffentlich zelebriert werden sollte, und des daran anschließenden Ordensfestes begonnen.
Damit auch die weit entfernt lebenden Mitglieder rechtzeitig von den geplanten Ordensfeierlichkeiten erfuhren, wurden alsbald die Einladungsschreiben aufgesetzt. Man beschloss dazu zwei verschiedenen Schreiben zu verfassen: Im ersten Schreiben, das im Namen Maximilians verfasst und von diesem eigenhändig unterschrieben wurde, teilte Maximilian den Mitgliedern mit, dass er durch seine Heirat mit Maria von Burgund auch die Nachfolge als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies antreten werde. Dazu und zu dem daran anschließenden Ordensfest lud er die Mitglieder ein und wies sie darauf hin, dass sie im Falle des Nichterscheinens die entsprechenden Absageschreiben und Vorschläge zur Neubesetzung der zwölf vakanten Mitgliederplätze senden sollten. In einem zweiten Schreiben bestätigten die drei bei Maximilian weilenden Ordensritter, namentlich Adolf von Kleve {55}, Ludwig von Brügge {61} und Philippe de Croy {74}, die Richtigkeit von Maximilians Einladungsschreiben.27 ← 19 | 20 →
Dennoch wurde die Rechtmäßigkeit der Einladungen von zwei Seiten in Frage gestellt: Zum einen von König Ludwig XI. von Frankreich, der wie schon berichtet, selbst Anspruch auf die Ordenssouveränität erhob, und zum anderen von König Eduard IV. von England {63}.28 Letzterer sandte zwar am 14. März 1478 einen Brief mit seiner Absage, verweigerte aber weitere Formalitäten, wie Ernennung eines Stellvertreters und Wahlvorschläge, da die Einladung seiner Meinung nach nicht von einem ordentlich eingesetzten Souverän erfolgt sei.
Details
- Pages
- 350
- Publication Year
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783653061444
- ISBN (MOBI)
- 9783653961126
- ISBN (ePUB)
- 9783653961133
- ISBN (Hardcover)
- 9783631666784
- DOI
- 10.3726/978-3-653-06144-4
- Open Access
- CC-BY-NC-ND
- Language
- German
- Publication date
- 2016 (March)
- Keywords
- Ritterorden Zeremonie Quellenedition Adelskultur
- Published
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 350 S., 1 farb. Abb., 1 s/w Abb.