Die Ambivalenz des Bußgeldverfahrens
Reformbestrebungen im Ordnungswidrigkeitengesetz vor dem Hintergrund schwerer Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
Summary
Kann diese Ausgangslage für das Bußgeldverfahren zur Zerreißprobe werden und drohen bald einzelne Abspaltungen, wie etwa die des Kartellsanktionenverfahrens? Welche Reformen müsste man vornehmen, um der im Bußgeldverfahren angelegten „Ambivalenz" effektiv entgegenzutreten?
Die Arbeit versucht, diese Fragestellungen zu beantworten und konkrete Reformvorschläge zu zentralen Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes zu liefern.
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Hinführung zum Thema
- A. Problemaufriss: Die Ambivalenz des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- B. Gang der Abhandlung
- Teil 2 Abgrenzung einer Wirtschaftsordnungswidrigkeit von einer Straftat
- A. Ordnungswidrigkeit oder Straftat?
- B. Ermessensspielraum des Gesetzgebers
- C. Strafähnliche Ordnungswidrigkeiten und ordnungswidrigkeitenähnliche Straftaten
- I. Straftatbestand des § 10 RiFlEtikettG a.F.
- 1. Ausgestaltung des § 10 RiFlEtikettG a.F. als Blankettnorm
- 2. Ultima-ratio-Grundsatz als taugliche Begrenzung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums?
- 3. Handlungsvollmacht für den Gesetzgeber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- a. Beschluss zum Geschwisterbeischlaf
- b. Cannabis-Beschluss
- c. Materiell-prozessualer Beurteilungsrahmen
- d. Zwischenergebnis: Weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
- 4. Folgen für den Beschuldigten und Betroffenen: Unterschiedlicher Rechtsumfang
- II. Strafwürdigkeit und/-bedürftigkeit von sog. Hardcore-Kartellen
- 1. Begriff des „hardcore-Kartells“
- 2. Debatte um die Kriminalisierung von besonders schweren Kartellverstößen
- a. Argumente für eine Kriminalisierung von Hardcore-Kartellen
- b. Argumente gegen eine Kriminalisierung von Hardcore-Kartellen
- 3. Zwischenergebnis: Bedeutung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für die Kriminalisierung von Hardcore-Kartellen
- D. Folgerungen der Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit für das Bußgeldverfahren
- I. Sinngemäße Anwendung der Strafprozessordnung?
- II. Gestaltung des Verfahrens: Beschleunigungsgebot
- III. Mindeststandard an Betroffenenrechten?
- 1. Ausgangspunkt: Rechtsnatur der Geldbuße
- a. Vorüberlegung: Unrechtsgehalt als Definitionskriterium?
- b. Einordnung durch den nationalen und europäischen Gesetzgeber
- c. Einordnung durch nationale und europäische Gerichte
- aa. Bundesverfassungsgericht
- (1) Beschluss vom 14.10.1958 – Bußgeldverfahren
- (2) Entscheidungen zu Art. 103 Abs. 2 GG
- bb. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
- (1) Ausgangspunkt: Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK
- (2) Interpretation der strafrechtlichen Anklage: Die Engel-Kriterien
- (3) Geldbußen als strafrechtliche Anklage? Die Rechtssache Öztürk
- (4) Einschränkungen durch die Jussila-Rechtsprechung
- cc. Europäische Rechtsprechung
- d. Einordnung der Geldbußen: Strafrecht im weiteren Sinne
- 2. Folgen: Geltung zentraler strafprozessualer Grundsätze
- E. Zwischenergebnis: Divergierende Rechte im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Teil 3 Das Ordnungswidrigkeitenverfahren als Verfahrensordnung für gewichtige Ordnungsverstöße im Wirtschaftsrecht?
- A. Ordnungswidrigkeitenverfahren – Ein Überblick
- I. Vorverfahren und sein summarischer Charakter
- II. Zwischenverfahren
- III. Gerichtliches Verfahren
- IV. Rechtsbeschwerde und Vollstreckungsverfahren
- V. Ordnungswidrigkeitenverfahren eines Straßenverkehrsverstoßes
- 1. Massenverfahren bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten
- 2. Verwarnungsverfahren
- 3. Beweisrecht
- a. Ermessensspielraum des Richters
- b. Standardisierte Messverfahren
- VI. Bedeutung der Ergebnisse für Reformen von Wirtschaftsordnungswidrigkeitenverfahren
- B. Ordnungswidrigkeitenverfahren im Wirtschaftsrecht
- I. Kartellordnungswidrigkeitenverfahren
- 1. Verhängung hoher Bußgelder als Regelfall
- 2. Verfahrensrechtliche Besonderheiten
- a. Vom OWiG abweichende oder das OWiG ergänzende Verfahrensvorschriften
- aa. § 81b GWB – Auskunftspflichten
- bb. § 82a GWB – Befugnisse und Zuständigkeiten im gerichtlichen Bußgeldverfahren
- cc. § 90 GWB – Benachrichtigung und Beteiligung der Kartellbehörden
- dd. Zwischenergebnis: Herausgehobene Stellung der Bußgeldbehörden und Fokus auf Unternehmenssanktionierung
- b. Besonderheiten des Vorverfahrens
- aa. Bonusregelung, Settlement-Verfahren und Leitlinien zur Bußgeldbemessung
- bb. Einheitliche Verfahrensrechte der Betroffenen
- cc. Zwischenergebnis
- c. Besonderheiten der gerichtlichen Verhandlung
- 3. Unternehmen als Adressaten einer Geldbuße
- 4. Europäische Bezüge
- a. Angleichung des nationalen an das europäische Kartellrecht
- b. European Competition Network (ECN)
- c. Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten?
- 5. Zwischenergebnis: Unterschiede zwischen Kartell- und Straßenverkehrsordnungswidrigkeitenverfahren
- II. Ordnungswidrigkeitenverfahren im Recht des Wertpapierhandels
- 1. Besonderheiten des Verfahrens
- a. Ordnungswidrigkeiten im WpHG als Blankettnormen
- b. Sanktionierung von Unternehmen
- c. Zuständigkeit der Gerichte
- 2. Statistiken und Fallpraxis
- 3. Zwischenergebnis: Unterschiede zum Kartellbußgeldverfahren
- III. Ordnungswidrigkeitenverfahren im Steuerrecht
- 1. Besonderheiten des Verfahrens
- a. Sondervorschriften in den Steuergesetzen
- b. BuStra als zuständige Bußgeldbehörde
- 2. Statistiken und Fallpraxis
- 3. Zwischenergebnis: Eigenständigkeit des Steuerbußgeldverfahrens
- IV. Zusammenfassung: Kluft zwischen Verfahren in Straßenverkehrs- und Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
- 1. Spezialisierte Behörden und Komplexität der Verfahren
- 2. Umfangreiche Beweisaufnahme speziell in Kartellbußgeldverfahren
- 3. Einflussnahme durch das Europarecht
- C. Reformbedürftigkeit des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- I. Grenzen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- II. Fortgang der Arbeit: Grundlegende vor spezifischen Reformen
- Teil 4 Debatte um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts als Chance für das Ordnungswidrigkeitenverfahren
- A. Einführung: Debatte um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts
- I. Stand der Debatte
- 1. Gesetzesantrag aus Nordrhein-Westfalen zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden
- a. Verhängung einer Verbandssanktion
- b. Verfahrensrechtliche Neuerungen
- 2. Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes
- a. Verhängung einer Verbandssanktion
- b. Verfahrensrechtliche Neuerungen
- 3. Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15.08.2019
- 4. Kritik der Entwürfe an der derzeitigen Rechtslage
- II. Rezeption der Gesetzgebungsvorschläge
- 1. Kritik Schünemanns: Zwang zum Aufbau von Compliance-Strukturen
- 2. Bedenken des Deutschen Richterbunds und der BRAK: Überlastung der Strafrechtspflege
- 3. Gesetzesvorschlag des BUJ: Reformen im Ordnungswidrigkeitenrecht
- 4. Zwischenergebnis
- B. Folgen der Entwürfe für das Ordnungswidrigkeitenverfahren
- I. Anwendungsbereich des § 30 OWiG – de lege lata
- 1. Anknüpfungstat als Voraussetzung für die Verhängung einer Geldbuße
- 2. Unterschiedlicher Sanktionsrahmen
- 3. Verfahrensrechtliche Besonderheiten
- a. Strafrechtliche Anknüpfungstaten
- aa. Unselbstständiges Verfahren
- bb. Selbstständiges Verfahren
- b. Ordnungswidrigkeiten als Anknüpfungstaten
- aa. Unselbstständiges Verfahren
- bb. Selbstständiges Verfahren
- 4. Zwischenergebnis: § 30 OWiG als zentrale Norm für die Sanktionierung von Unternehmen
- II. Auswirkungen der Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuches auf den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 OWiG
- 1. Verbleibender Anwendungsbereich des § 30 OWiG
- 2. Anwendungsbereich des § 82 GWB innerhalb eines Verbandsstrafrechts
- 3. Zwischenergebnis: Reformbedarf des § 30 OWiG bei Einführung eines Verbandsstrafrechts
- C. Alternative Reformansätze
- I. Bedenken hinsichtlich der Einführung eines Unternehmensstrafrechts
- II. Einführung des Legalitätsprinzips für strafrechtliche Anknüpfungstaten
- 1. Rechtfertigung der Geltung des Legalitätsprinzips
- 2. Systematische Brüche durch Einführung des Legalitätsprinzips?
- 3. Konkrete Umsetzung des Vorhabens in § 30 OWiG
- III. Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen und sonstigen Mitwirkungshandlungen von Unternehmen?
- 1. Forderung nach gesetzlichen Anreizen für das Bestehen von Compliance-Systemen
- a. Vergleich zwischen natürlichen und juristischen Personen
- b. Dogmatische Fundierung des § 30 OWiG
- c. Folgeprobleme
- 2. Lösungsvorschläge in der Literatur
- a. Vorgaben des Kölner Entwurfs eines Verbandssanktionengesetzes zur Einstellung des Verfahrens als Ausgangspunkt für Reformen im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- aa. Einstellung des Verfahrens bei strafrechtlicher Anknüpfungstat
- bb. Absehen von der Verhängung einer Geldbuße bei einer Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat
- b. Im Vergleich: Die Vorgaben des BUJ zur Reform der §§ 30, 130 OWiG
- aa. Kriterium der Schwere der Zuwiderhandlung
- bb. Kriterium der umfassenden Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden
- cc. Anforderungen an ein effektives Compliance-System
- dd. Zwischenergebnis: Optimierung der geltenden Rechtslage
- c. Vorgaben des Kölner Entwurfs eines Verbandssanktionengesetzes und des BUJ zur Festlegung der Höhe der Geldbuße
- 3. Kritik an der gesetzlichen Berücksichtigung speziell von Compliance-Systemen
- 4. Entwicklungen in der Rechtsprechung und Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität
- IV. Zwischenergebnis: Einführung des Legalitätsprinzips für strafrechtliche Anknüpfungstaten und Regelung von Einstellungskriterien bzw. Kriterien zur Milderung der Geldbuße
- D. Exkurs: Verankerung des Nemo-tenetur-Grundsatzes als prozessuale Gewährleistung?
- I. Stand der Debatte
- 1. Menschenwürdebezogenes Verständnis des Bundesverfassungsgerichts
- 2. EGMR: Nemo-tenetur-Grundsatz als Teil eines fairen Verfahrens
- 3. Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Orkem
- 4. Prozessuales Verständnis des Nemo-tenetur-Grundsatzes?
- II. Schwierigkeit einer ausdrücklichen Normierung des Nemo-tenetur-Grundsatzes
- E. Ausblick und Gesamtergebnis
- Teil 5 Neuausrichtung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens?
- A. Ergänzende Verfahrensvorschriften als Sonderregelungen im GWB oder eigene Kartellverfahrensordnung?
- I. Sonderstellung des Kartellrechts im Gefüge des Ordnungswidrigkeitenrechts
- II. Kriterien für und gegen eine Abspaltung des Kartellordnungswidrigkeitenrechts
- 1. Betrachtung des Sanktionsrahmens
- 2. Sanktionierung vornehmlich juristischer Personen
- 3. Vergleich mit den Vorschriften zur Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile
- 4. Europäischer Rechtsrahmen
- a. Reichweite des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten
- b. Weitergehende Einschränkung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Åkerberg Fransson?
- aa. Urteil des EuGH in der Rechtssache Åkerberg Fransson
- bb. Reaktion des Bundesverfassungsgerichts
- cc. Urteil des EuGH in der Rechtssache Hernández
- dd. Verfahren bei Kollision von nationalen und europäischen Grundrechten?
- ee. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – Europäischer Haftbefehl
- ff. Folgeurteile des EuGH nach dem Beschluss des BVerfG zum Europäischen Haftbefehl
- gg. Kompetenzstreit zwischen BVerfG und EuGH
- III. Zwischenergebnis: Keine Abspaltung des Kartellsanktionenrechts vom Ordnungswidrigkeitenverfahren
- IV. Eigenes Kartellverfahrensrecht sui generis für juristische Personen?
- 1. Ausgangslage: Spaltung des nationalen Kartellsanktionenrechts
- 2. Verfassungsrechtliche Bedenken
- B. Verhängung von hohen Geldbußen durch die Gerichte
- I. Verfahrensrechtlicher Ansatz von Möschel
- II. Grundrechtsschutz durch Verfahren mit rechtsstaatlichem Optimierungsgebot von Brodowski
- III. Bewertung
- 1. Vorgaben des Grundgesetzes für die Verhängung von Geldbußen
- a. Art. 92 GG
- aa. Rechtshistorische Betrachtung
- bb. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- cc. Zwischenergebnis
- b. Art. 19 Abs. 4 GG/Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG
- 2. Vorgaben durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Verhängung von Geldbußen
- 3. Zwischenergebnis: Die Geldbuße als strafähnliche Sanktion
- 4. Erstinstanzliche, richterliche Verhängung einer hohen Geldbuße im Wirtschaftsrecht nach dem Vorbild des § 81 GWB a.F.?
- a. Ausklammerung von Bagatelldelikten
- b. Konkrete Ausgestaltung einer Vorschrift: § 81 GWB a.F. als Vorbild?
- c. Zweifel an der Praxistauglichkeit einer solchen Gesetzesänderung
- d. Zwischenergebnis: Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage
- C. Zusammenfassung
- Teil 6 Reformvorschläge für das Vorverfahren
- A. Partizipatorisches Ermittlungsverfahren
- I. Begriff und Bedeutungsgehalt
- 1. Alternativ-Entwurf Reform des Ermittlungsverfahrens
- 2. Begriffsverständnis in der Literatur
- 3. Zwischenergebnis: Ausbau der Rechte des Beschuldigten im Vorverfahren
- 4. Keine Reformen in Richtung partizipatorisches Ermittlungsverfahren durch den Gesetzgeber
- II. Bedeutung für eine Reform des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorverfahrens
- 1. Vorverfahren des Ordnungswidrigkeitenrechts als partizipatorisches Verfahren?
- a. Nähe zum Strafverfahren als Argument?
- b. Partizipatorisches Ermittlungsverfahren als Systembruch im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- c. Zwischenergebnis: Unterschiedlicher Standard von Betroffenenrechten?
- 2. Möglichkeit des Betroffenen auf konfrontative Zeugenbefragung bereits im Ermittlungsverfahren
- a. Zweispurigkeit des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorverfahrens – de lege ferenda
- b. Regelungsvorschlag des AE-Beweisaufnahme für den Strafprozess als Vorbild für das Ordnungswidrigkeitenverfahren?
- aa. Neuschaffung eines § 54 OWiG
- bb. Kriterien des § 54 Abs. 2 S. 2 OWiG n.F.
- (1) Höhe der Geldbuße
- (2) Grad der Beeinträchtigung von individuellen oder kollektiven Rechtsgütern
- (3) Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage
- (4) Ergebnis: Unterschiedlicher Standard an Betroffenenrechten im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- cc. Ausgestaltung des § 54 OWiG n.F. als Ermessensnorm
- dd. Problemstellungen: Ungleichbehandlung der Betroffenen und Systembruch?
- (1) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?
- (2) Systembruch im Gefüge des Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens?
- (3) Strafbefehlsverfahren und beschleunigtes Verfahren als weitere Argumente
- ee. Vorreiterrolle des Ordnungswidrigkeitenrechts
- III. Zwischenergebnis: Recht des Betroffenen auf konfrontative Zeugenbefragung im Vorverfahren bei schweren Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht
- B. Abkehr vom Opportunitätsgrundsatz im Ordnungswidrigkeitenrecht?
- I. Abgrenzung der Forschungsfrage
- II. Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätserwägungen
- III. Besonderheiten im Kartell- und Wertpapierhandelsrecht
- 1. Bonusregelung des Bundeskartellamts
- 2. Nichtverfolgungszusage
- 3. Settlement-Verfahren des Bundeskartellamts
- 4. Vorteile für den Betroffenen?
- IV. Reform des Opportunitätsgrundsatzes
- 1. Anpassung des Wortlauts der Vorschrift des § 47 Abs. 1 OWiG?
- 2. Verfolgungszwang speziell für das Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht?
- 3. Vorgaben der DSGVO als erster Riss im Fundament des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Opportunitätsprinzips?
- 4. Plädoyer für die Beibehaltung des Opportunitätsgrundsatzes
- a. Nachteile der Geltung des Legalitätsprinzips
- b. Gesetzlicher Ausschluss willkürlicher Behandlung
- c. Einschränkung des Opportunitätsgrundsatzes als Systembruch im Ordnungswidrigkeitenrecht?
- V. Ergebnis: Keine Lockerung des Opportunitätsprinzips
- C. Reform des § 47 Abs. 3 OWiG: Erweitere Einstellungsmöglichkeiten im Ordnungswidrigkeitenverfahren?
- I. Erweiterung der Einstellungsmöglichkeiten nach § 47 Abs. 3 OWiG insbesondere bei Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht
- II. Bewertung: Einschränkung rechtsstaatlicher Standards im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- 1. Zweck der Vorschrift des § 47 Abs. 3 OWiG
- 2. Historie der Gesetzgebung
- 3. Gefahr der vorschnellen Einstellung der Verfahren?
- D. Reform des § 55 OWiG
- I. Rechtslage
- 1. § 55 Abs. 1 OWiG
- 2. § 55 Abs. 2 OWiG
- II. Kritik in der Literatur: Gefährdung der Fairness des Verfahrens bei schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
- III. Bewertung
- 1. Vorgaben des Art. 6 EMRK
- a. Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK für das ordnungswidrigkeitenrechtliche Ermittlungsverfahren
- aa. „Unfaires“ Vorverfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht?
- bb. Geltung des Art. 6 Abs. 1 EMRK im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorverfahren
- b. Anforderungen an ein faires Verfahren
- 2. Vereinbarkeit von § 55 Abs. 1 OWiG mit Art. 6 EMRK
- a. Zahlreiche Äußerungsmöglichkeiten des Betroffenen als Wahrung der Gesamtfairness des Verfahrens
- b. Ausnahmeregelungen im GWB oder WpHG als Lösung?
- 3. Vereinbarkeit von § 55 Abs. 2 OWiG mit Art. 6 EMRK
- a. Rechtsprechung des EGMR
- aa. Urteil Panovits/Zypern: Effektive Ausübung der Verteidigungsrechte
- bb. Urteil Ibrahim/U.K.: Informationen über Zugang zu einem Anwalt als wichtiger Grundsatz eines fairen Verfahrens
- cc. Zusammenfassung: Schwere Widerlegbarkeit einer fehlenden Belehrung über die Möglichkeit der Verteidigerbestellung
- b. Anwendbarkeit auf Ordnungswidrigkeitenverfahren
- aa. Grundsätze
- bb. § 55 Abs. 2 OWiG als Ermessensnorm
- 4. § 55 Abs. 2 OWiG auf nationaler Ebene
- a. Rechtsprechung des BGH
- b. Einschränkungen des Nemo-tenetur-Grundsatzes im Ordnungswidrigkeitenrecht?
- 5. Reform des § 55 Abs. 2 OWiG bei schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
- a. Erneute Differenzierung zwischen einfachen und schweren Ordnungswidrigkeiten
- b. Konkrete Reformen: Blick auf die Kriterien des § 54 Abs. 2 S. 2 OWiG
- c. Alternativ: Ausnahmevorschriften in den Spezialgesetzen
- E. Reform des § 46 Abs. 2 OWiG
- I. Reichweite der Ermittlungsbefugnisse der Verwaltungsbehörden
- II. Reformvorschlag: Hinweis auf die Ermittlungspflicht der Verwaltungsbehörde von entlastenden Umständen
- 1. Normierung einer Appellfunktion
- 2. Rein symbolische Wirkung der Änderung?
- F. Reform des § 66 OWiG: Erhöhte Begründungspflicht bei schweren Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht
- I. § 66 OWiG: Vorgaben für Mindestinhalt des Bußgeldbescheids
- II. Eingeschränkte Begründungspflicht als Benachteiligung für den Betroffenen?
- III. Begründungspflicht bei schweren Ordnungswidrigkeiten
- IV. Neugestaltung der Vorschrift des § 66 OWiG
- G. Exkurs: Einsatz elektronischer Medien im Vorverfahren
- I. Bedeutung elektronischer Medien für das Ordnungswidrigkeitenverfahren
- II. Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs
- H. Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse
- I. Recht des Betroffenen auf konfrontative Zeugenbefragung für schwere Ordnungswidrigkeiten
- II. Keine Lockerungen des Opportunitätsgrundsatzes
- III. Beibehaltung der Rechtslage gemäß § 47 Abs. 3 OWiG
- IV. Hinweispflicht der Behörde auf Möglichkeit zur Verteidigerkonsultation bei schweren Ordnungswidrigkeiten
- V. Neue Appellfunktion des § 46 Abs. 2 OWiG
- VI. Erhöhte Begründungspflicht bei schweren Ordnungswidrigkeiten, § 66 Abs. 3 OWiG
- VII. Förderung der Einführung der elektronischen Akte bevorzugt in Kartellverfahren
- VIII. Zwischenergebnis: Stärkung der Betroffenenrechte im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Teil 7 Reformvorschläge für das Zwischenverfahren
- A. Zwischenverfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht: Aufwendiger als im Strafprozess?
- I. § 69 OWiG als praxistaugliche Vorschrift für das Zwischenverfahren?
- II. Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Richters als Indikator für das Verhältnis zwischen den Gerichten und Bußgeldbehörden?
- III. Notwendigkeit von Neuordnungen im Zwischenverfahren
- B. Staatsanwaltschaft als weitere Kontrollinstanz, § 69 Abs. 3 und 4 OWiG
- I. Doppelter Ermittlungsaufwand als Erschwernis beim Abschluss von schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
- II. Referentenentwurf vom 25.05.1994 zum Verzicht der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren
- III. Reformvorschlag für § 69 OWiG
- 1. Steuerstrafverfahren als Vorbild für das Ordnungswidrigkeitenverfahren?
- 2. Keine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren in einfachen Fällen
- 3. Kriterien nach § 54 Abs. 2 S. 2 OWiG und Blick in die RiStBV
- 4. Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung im Zwischenverfahren bei schweren Ordnungswidrigkeiten
- 5. Umfang der Beteiligung der Staatsanwaltschaft in Kartellverfahren de lege ferenda als Vorbild für das gesamte Ordnungswidrigkeitenverfahren?
- a. Ausgangslage: Opt-out-Möglichkeit der Staatsanwaltschaft?
- b. Vorgaben der RL 2019/1/EU: Strukturänderung für das Zwischenverfahren im Kartellbußgeldrecht?
- c. Ergebnis: Zukünftige Rolle der Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren
- 6. Konkrete Ausgestaltung des § 69 Abs. 3 und 4 OWiG
- a. Reform des § 69 Abs. 3 OWiG anhand der in § 54 Abs. 2 S. 2 OWiG genannten Kriterien
- b. Erläuterungen
- c. Umsetzung einer „opt-out“ Möglichkeit der Staatsanwaltschaft
- 7. Flankierende Maßnahmen
- a. Änderungen im Vorverfahren
- b. Verfassungsrechtliche Vorgaben
- c. Auswirkungen
- 8. Zwischenergebnis: Reduzierung der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in Bußgeldverfahren
- C. Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde, § 69 Abs. 5 OWiG
- I. Ausgangslage: Aufwendiges Verfahren durch fortdauernde Aktenweitergabe
- II. Unanfechtbarer Rückverweisungsbeschluss als Lösung?
- D. Zwischenergebnis: Entlastung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte
- Teil 8 Reformvorschläge für das Hauptverfahren
- A. Abkehr vom Grundsatz der formellen Unmittelbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ordnungswidrigkeitenrechts?
- I. Beweisaufnahme im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
- 1. Wahrheitsfindung als zentraler Grundsatz im Strafprozess
- 2. Auswirkungen der Reformen der Strafprozessordnung auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren
- II. Formeller Unmittelbarkeitsgrundsatz im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- 1. Natur des Bußgeldbescheids als Ausgangspunkt
- 2. Keine Möglichkeit eines Beweistransfers
- III. Annäherung an den Verwaltungsprozess speziell für das Kartellsanktionenverfahren?
- 1. Ausgangspunkt: § 108 Abs. 1 VwGO und § 103 Abs. 2 VwGO
- 2. Problem der Entgrenzung des Prozessstoffs?
- 3. Bedenken hinsichtlich des Frage- und Konfrontationsrechts
- 4. Bewertung der Vorschläge
- a. Vorreiterrolle des Ordnungswidrigkeitenrechts?
- aa. Orientierung am Strafprozess?
- bb. Eigenständigkeit des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- b. Einschränkung des formellen Unmittelbarkeitsgrundsatzes für sämtliche Verfahrensarten?
- aa. Zwingende Geltung des formellen Unmittelbarkeitsgrundsatzes bei einfachen Ordnungswidrigkeiten?
- bb. Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Art. 3 Abs. 1 GG
- cc. Strukturänderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- IV. Rezeption und Weiterführung der Vorschläge aus der Literatur
- 1. Zugrundelegung der Vorschläge des Zwischenberichts des Bundeskartellamts und C. Danneckers
- 2. Reformen im Ordnungswidrigkeitenverfahren vor Reformen im Strafverfahren?
- 3. Konkrete Umsetzung
- a. Neufassung des § 77a OWiG
- b. Erläuterungen zur Vorschrift
- aa. Vortrag des Vorsitzenden oder des Berichterstatters des wesentlichen Inhalts der Akten
- bb. Bekanntgabe der wesentlichen Beweismittel
- cc. Zugrundelegung des Inhalts der Akte für den weiteren Verfahrensablauf
- dd. Doppelte Äußerungsmöglichkeit der Beteiligten
- 4. (Verfassungs-)rechtliche Hindernisse
- a. Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung?
- aa. Grundsatz der Unschuldsvermutung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
- bb. Unvereinbarkeit des § 77a Abs. 1 OWiG n.F. mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung?
- (1) Gefahr einer Vorwegnahme des Urteils
- (2) Beschluss des BVerfG vom 30.04.2003 zur Reichweite der Aufklärungspflicht der Gerichte
- (3) Fehlende Aktenkenntnis der beisitzenden Richter
- b. Zusammenspiel mit § 244 Abs. 2 StPO
- aa. Umfang des Amtsermittlungsgrundsatzes im Strafprozess und im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- bb. Hypothetischer Verlauf der Beweisaufnahme und Abwägung
- cc. Vergleich mit § 77a OWiG n.F.
- dd. Zwischenergebnis: Mindestmaß an Sachverhaltsaufklärung
- c. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 1 GG
- aa. Inhalt des Art. 103 Abs. 1 GG
- bb. Einzelrechte des Art. 103 Abs. 1 GG vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Änderungen
- d. Umfang der richterlichen Kontrolle
- aa. Vorgaben des Art. 92 GG
- bb. Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG
- 5. Systembruch im Ordnungswidrigkeitenrecht?
- V. Ergebnis: Einschränkung des Grundsatzes der formellen Unmittelbarkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- B. Reform des materiellen Unmittelbarkeitsgrundsatzes
- I. Schwerfälligkeit der Beweisaufnahme bei Wirtschaftsordnungswidrigkeiten
- II. Materieller Unmittelbarkeitsgrundsatz im Recht der Ordnungswidrigkeiten
- 1. Strafprozessuale Grundsätze
- 2. Verfahrensrechtliche Besonderheiten im Ordnungswidrigkeitenrecht
- III. Konkrete Reformen
- 1. Änderung des § 77a OWiG
- 2. Zusammenspiel mit dem Amtsermittlungsgrundsatz
- 3. Starke Stellung des Richters im Ordnungswidrigkeitenverfahren?
- a. Bedenken an einer starken Stellung des Richters im Strafprozess
- b. Notwendigkeit eines Anhörungsrechts der Beteiligten
- c. Weitergehender Ausgleich: Recht auf konfrontative Zeugenbefragung
- aa. Regelung zur konfrontativen Befragung von Zeugen im Vorverfahren nicht ausreichend
- bb. Weitere Relativierung der starken Stellung des Richters
- 4. Gewährleistung des Konfrontationsrechts des Betroffenen, Art. 6 Abs. 3 lit. d) EMRK
- a. Rechtsprechung des EGMR
- aa. Inhalt und Reichweite des Art. 6 Abs. 3 lit. d) EMRK
- (1) Gewährleistungen für den Betroffenen
- (2) Einschränkungen des Fragerechts
- (3) Prüfungssystematik des EGMR
- bb. Art. 6 EMRK vor dem Hintergrund der Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
- (1) Urteil Menarini/Italien
- (2) Entscheidung P.K./Finnland
- (3) Möglichkeiten der Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
- (4) Wahrung der gesamten Fairness des Verfahrens
- b. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- c. Neufassung des § 77b OWiG in Anlehnung an §§ 250, 253 StPO AE-Beweisaufnahme?
- aa. Ausgangslage: Gewährleistung des Konfrontationsrechts des Betroffenen
- bb. Vorgaben der §§ 250, 253 AE-Beweisaufnahme
- (1) Antragsrecht nach § 250 Abs. 1 S. 2 StPO AE-Beweisaufnahme
- (2) Folgen fehlender Konfrontationsmöglichkeiten: § 253 Abs. 1 StPO AE-Beweisaufnahme
- cc. Anwendbarkeit im Recht der Ordnungswidrigkeiten
- (1) Inhaltsähnliche Regelung des § 250 Abs. 1 S. 1 StPO AE-Beweisaufnahme und § 77a Abs. 4 S. 1 OWiG n.F.
- (2) Antragsrecht des Betroffenen nach Vorbild des § 250 Abs. 1 S. 2 StPO AE-Beweisaufnahme?
- dd. Reichweite des Zustimmungserfordernisses
- (1) Begriff des Belastungszeugen
- (2) Vergleich mit der geltenden Fassung des § 77a Abs. 1 OWiG
- ee. Konkrete Fassung eines neuen § 77b OWiG
- ff. Zwischenergebnis: Konfrontationsrecht des Betroffenen
- IV. Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung?
- V. Verfassungsrechtliche Problemstellungen
- VI. Zusammenschau aller Änderungen zum formellen und materiellen Unmittelbarkeitsgrundsatz
- 1. Übersicht zu den §§ 77a, 77b OWiG n.F.
- 2. Zusammenfassung der Ergebnisse
- C. Reform des Mündlichkeitsgrundsatzes
- I. Ausgangslage: Verfahrensvereinfachungen des § 78 OWiG
- II. Reform des § 78 OWiG
- III. Verfassungsrechtliche Problemstellungen
- IV. Zwischenergebnis: Annäherung an das strafprozessuale Selbstleseverfahren
- D. Einschränkungen des Beweisantragsrechts
- I. Einschränkung des Beweisantragsrechts im Recht der Ordnungswidrigkeiten?
- II. Reformforderungen: Ausschließliche Geltung eines Beweisanregungsrechts im Kartellbußgeldverfahren
- III. Bewertung: Starke Beschneidung der Mitwirkungsrechte der Betroffenen
- 1. Bedeutung und Funktion eines Beweisantrags
- 2. Gefahr der Einschränkung der Mitwirkungsrechte der Betroffenen
- 3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- 4. Keine Beschneidung des Beweisantragsrechts: Gefährdung der Waffengleichheit des Betroffenen
- E. Prozessförderungspflichten der Parteien
- I. Annäherung an das verwaltungsgerichtliche Verfahren nach Vorbild des europäischen Kartellsanktionenrechts
- II. Bewertung: Erschwerung der Wahrheitsfindung und weitere Einschränkung der Betroffenenrechte
- 1. Systemuntauglichkeit eines solchen Vorschlags
- 2. Keine Annäherung an das europäische Kartellsanktionenrecht zu empfehlen
- 3. Ausreichende Möglichkeit zur Ablehnung verspäteter Beweisanträge
- Teil 9 Schlussbetrachtungen
- A. Zusammenfassung der Reformergebnisse
- I. Grundstruktur des Verfahrens
- 1. Keine Abspaltung des Kartellsanktionenrechts
- 2. Reform des § 30 OWiG
- 3. Keine Verhängung hoher Geldbußen durch die Gerichte in erster Instanz
- II. Reformen im Vorverfahren
- 1. Recht des Betroffenen auf konfrontative Zeugenbefragung
- 2. Keine Einschränkung des allgemeinen Opportunitätsgrundsatzes
- 3. Keine Reform des § 47 Abs. 3 OWiG
- 4. Reform des § 55 Abs. 2 OWiG bei schweren Ordnungswidrigkeiten
- 5. Systematisch-klarstellende Reform des § 46 Abs. 2 OWiG
- 6. Reform des § 66 OWiG: Erweiterte Begründungspflichten
- 7. Beschleunigung der Einführung der E-Akte
- 8. Zusammenfassung: Stärkung der Betroffenenrechte
- III. Reformen im Zwischenverfahren: Änderung des § 69 OWiG
- IV. Reformen im Hauptverfahren
- 1. Einschränkung des formellen und materiellen Unmittelbarkeitsgrundsatzes
- 2. Einschränkung des Mündlichkeitsgrundsatzes
- 3. Aufrechterhaltung des Beweisantragsrechts
- 4. Zusammenfassung: Strukturänderung für das Hauptverfahren
- B. Ausblick auf die Zukunft des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
- Abkürzungsverzeichnis
- Literaturverzeichnis
„Das Modell des Ordnungswidrigkeitenrechts erweist sich als zutiefst widersprüchlich: Es soll sanktioniert werden, aber ohne zu strafen. Das Verfahren wird im Strafgericht geführt, aber Transparenz und Rechtsschutz eines Strafprozesses werden geflissentlich umgangen.“1
A. Problemaufriss: Die Ambivalenz des Ordnungswidrigkeitenverfahrens2
Ordnungswidrigkeiten sind ein Massenphänomen.3 Viele Menschen werden im Laufe ihres Lebens mit einem Bußgeldbescheid konfrontiert, zumeist im Bereich des Straßenverkehrs.4 So beläuft sich die Zahl der im FAER5 registrierten Personen zum 1. Januar 2018 auf 10.584.187, die Zahl der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten im Jahre 2017 auf 4.431.074.6 Insgesamt entfallen damit über 95 % aller Ordnungswidrigkeiten auf straßenverkehrsrechtliche Normübertretungen.7
←31 | 32→Das Recht der Ordnungswidrigkeiten allein durch Verstöße im Straßenverkehr zu definieren, wäre jedoch verfehlt: Mittlerweile existieren in mehr als 300 Gesetzen eigene Bußgeldtatbestände.8 Deren Anwendungsbereich erstreckt sich von der Erregung unzulässigen Lärms, § 117 OWiG, über eine leichtfertige Steuerverkürzung, § 378 Abs. 1 S. 1 AO, bis hin zu einem Zuwiderhandeln gegen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, § 120 WpHG. Dies hat Auswirkungen auf den Bußgeldrahmen. Während das Erregen unzulässigen Lärms eine Geldbuße bis zu fünftausend Euro nach sich ziehen kann, ist im Fall des § 120 Abs. 18 S. 1 WpHG die Verhängung einer Geldbuße gegen eine natürliche Person von bis zu fünf Millionen Euro möglich. Gegenüber einer juristischen Person oder Personenvereinigung beläuft sich die Ahndungsmöglichkeit nach § 120 Abs. 18 S. 2 Nr. 1 WpHG sogar auf bis zu fünfzehn Millionen Euro und 15 Prozent des Gesamtumsatzes, den die juristische Person oder Personenvereinigung im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat.9
Für alle diese Unrechtstatbestände beansprucht das Ordnungswidrigkeiten- bzw. Bußgeldverfahren10 Geltung, an dessen Ende die Verhängung einer Geldbuße als nachdrückliche Pflichtenmahnung steht.11 Dabei können die verschiedenen Ordnungsverstöße einen unterschiedlichen Ermittlungsaufwand nach sich ziehen. In einem Bußgeldverfahren einer Geschwindigkeitsüberschreitung, in dem die Behörde den Betroffenen mithilfe eines Lichtbilds oder mehreren Zeugen eindeutig identifizieren kann12, lassen sich an das Vor-, Zwischen- und Hauptverfahren andere Anforderungen stellen, als bei einem Verfahren im Wirtschaftsrecht, dem ←32 | 33→im Regelfall ein komplexer Sachverhalt zugrunde liegt und der für den Betroffenen eine enorm hohe Geldbuße zur Folge haben kann.13
Angesichts der Faktoren einer hohen Geldbuße und eines umfangreichen Sachverhalts wäre eine Ausdehnung der Betroffenenrechte für schwere Wirtschaftsordnungswidrigkeiten denkbar. Hierzu merkt Weigend für das Strafverfahrensrecht an: „Je gravierender die drohende Sanktion, desto höher sind einerseits die Anforderungen an die Sicherheit der Tatsachengrundlage für die gerichtliche Entscheidung und desto ausgeprägter und effektiver müssen andererseits die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschuldigten ausgestaltet sein“.14 Im Umkehrschluss wäre es nur konsequent, die prozessualen Mitwirkungsrechte der Betroffenen für geringfügige Verstöße abzusenken und für diese Fälle eine schnellere Ahndung zuzulassen. Diese Folgerung umschreibt gleichzeitig einen Grundgedanken des Ordnungswidrigkeitenrechts und seines Verfahrens: Verstöße unterhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Grenze der Schwelle zur Strafwürdig- und Strafbedürftigkeit sollen zügig sanktioniert werden.15 Damit ist dem eingangs zitierten Standpunkt von Kutschaty entgegenzutreten: Das Ordnungswidrigkeitenverfahren will im Vergleich zum Strafprozess gerade auf übermäßige Transparenz und Rechtsschutz verzichten, um die täglich massenhaft auftretenden Ordnungsverstöße überhaupt bewältigen zu können.16 Daher stellt es grundsätzlich keinen Widerspruch dar, wenn die verfahrensrechtlichen Standards im Vergleich zum Strafprozess herabgesetzt werden.
Es wäre jedoch vorschnell, diesem Befund jeglichen Bedeutungsgehalt abzusprechen. Denn bei schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten aus dem Kartell- oder Wertpapierhandelsrecht handelt es sich nicht um Bagatellverstöße.17 Vielmehr weisen solche Ordnungswidrigkeiten einen hohen Unrechtsgehalt ←33 | 34→auf.18 Einzelne ordnungswidrigkeitenrechtliche Tatbestände können daher sogar Straftatbeständen ähneln, stellt man auf deren Sozialschädlichkeit ab.19 Achenbach stellt dazu fest, dass eine Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Wirtschaftsrecht oft nicht möglich ist, wenn man alleine auf die Schwere und Struktur solcher Verstöße abstellt.20 Damit wäre eine umfassendere Geltung der Strafprozessordnung eigentlich konsequent. Zahlreiche Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts bleiben aber aus Effizienzgründen hinter einem solchen Standard zurück, was in einer Gesamtbetrachtung speziell bei Kartellordnungswidrigkeiten einem fairen Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zuwiderlaufen könnte.21
Wandelt man die These von Kutschaty ab, lässt sich damit festhalten: Das Modell des Ordnungswidrigkeitenverfahrens erweist sich bei schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten als nicht mehr zeitgemäß: Es wird im Strafgericht geführt, aber Transparenz und Rechtsschutz eines Strafprozesses werden geflissentlich umgangen. In diesem Gedankengang erschöpft sich auch die im Arbeitstitel genannte Ambivalenz des Ordnungswidrigkeitenverfahrens:22 Ihm unterliegen sowohl geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen als auch sozialschädliche Kartellverstöße.23 Die hierfür geltenden prozessualen Vorschriften sind jedoch nicht auf die speziellen Anforderungen von komplexen Wirtschaftsordnungswidrigkeiten zugeschnitten, sondern zielen in erster Linie auf eine Ahnung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten ab.24
←34 | 35→Spiegelbildlich zu diesem Ansatz fordern zahlreiche Stimmen aufgrund der oftmals langen Verfahrensdauer bei Kartellordnungswidrigkeiten, einzelne strafprozessuale Prinzipien im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu lockern.25 Gerade die schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten sind daher ein idealer Schauplatz für den Konflikt zwischen einer effizienten Ausgestaltung des Verfahrens einerseits und der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze sowie der Garantie weitreichender Mitwirkungsrechte der Betroffenen andererseits.
Will man die hier beschriebenen Unstimmigkeiten lösen und Neuordnungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren anstreben, so steht man gleich vor mehreren Problemen. Das zeigt ein Blick auf das ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorverfahren: So erscheint eine Reform, die die Rechte des Betroffenen dort stärkt, zwar für das Kartellverfahren vorstellbar. Für Verkehrsordnungswidrigkeiten droht eine solche Forderung bereits an der Vielzahl der in der Praxis zu bewältigenden Fälle zu scheitern.26 Nicht umsonst hat der Gesetzgeber das Vorverfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht bewusst summarisch ausgestaltet.27 Ferner sind gerade Wirtschaftsordnungswidrigkeiten in hohem Maße von europäischen Vorgaben geprägt. Zahlreiche EU-Richtlinien und Verordnungen umschreiben für zukünftige Reformvorhaben im Ordnungswidrigkeitenrecht Untermaßverbote, an denen sich der Gesetzgeber orientieren muss.28 Mögliche Änderungen haben darüber hinaus auch die Besonderheiten des Verfahrens zu beachten, die sich für die Sanktionierung von juristischen Personen ergeben. In diesem Zusammenhang wird derzeit diskutiert, ob man speziell für Straftaten, die aus einem Unternehmen heraus begangen werden, ein eigenes Strafrecht für Unternehmen schaffen sollte, das von der derzeitigen Sanktionspraxis des § 30 OWiG abweicht.29
Vor diesem Hintergrund macht es sich die Untersuchung zur Aufgabe, die zen- tralen Reformbestrebungen im Verfahren für Wirtschaftsordnungswidrigkeiten ←35 | 36→darzustellen und im Kontext des derzeitigen Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu bewerten. Im Mittelpunkt stehen dabei die Änderungsvorschläge für das deutsche Kartellordnungswidrigkeitenverfahren.30 Daran anknüpfend liefert die Arbeit eigene Reformansätze, die den oben beschriebenen Konflikt für die Zukunft lösen sollen. Hindernisse eines solchen Vorhabens werden nicht nur durch die Rechtsprechung nationaler Gerichte oder durch die Vorgaben des Grundgesetzes gesteckt. Vor allem die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Interpretation durch den EGMR sollen angesichts ihrer zunehmenden Bedeutung für die Rechtspraxis bei der Ausarbeitung von Reformvorschlägen im Vordergrund der Betrachtung stehen. Im Allgemeinen und speziell für das Kartellrecht werden dabei auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Rechtsprechung des EuGH Eingang in die Arbeit finden.
Die Arbeit beginnt in Teil 2 mit der Darstellung der Ordnungswidrigkeit im Wirtschaftsrecht. Hier geht es zunächst um den Charakter einer Ordnungswidrigkeit und die Abgrenzung derselben zu einer Straftat. Der Schwerpunkt der Ausarbeitung liegt auf der zunehmenden Ausdehnung des Nebenstrafrechts durch den Gesetzgeber und der Frage um die Kriminalisierung von Hardcore-Kartellen. Aus diesem Kontext heraus werden die Eigenheiten von Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht beleuchtet. Gleichzeitig geht die Arbeit der Frage nach, welche Folgen die zutage tretenden Ergebnisse auf die grundlegende Ausgestaltung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens haben und welches Mindestmaß an Rechten den Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Blick auf den Rechtscharakter einer Geldbuße als Sanktion einer Ordnungswidrigkeit zukommen müssen.
Teil 3 setzt sich sodann vertieft mit dem Unterschied zwischen einem Ordnungswidrigkeitenverfahren im Wirtschaftsrecht und dem eines Straßenverkehrsverstoßes auseinander. Dafür wird das derzeitige Verfahren zunächst in seinen Grundlagen skizziert und anhand seines Regelfalles, nämlich dem Verstoß gegen Gebote im Straßenverkehr, beleuchtet. Im Anschluss können die so gewonnenen Ergebnisse mit dem Verfahren eines Ordnungsverstoßes im Kartell-, Wertpapierhandels- und Steuerrecht verglichen werden. Die daraus resultierenden Unterschiede sollen aufzeigen, welche grundlegenden Problemstellungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren existieren.
Die nachfolgenden Abschnitte der Arbeit knüpfen an die bestehenden verfahrensrechtlichen Unzulänglichkeiten an und widmen sich der Darstellung und Bewertung von aktuellen Reformvorschlägen, vordergründig für das Verfahren ←36 | 37→von Wirtschaftsordnungswidrigkeiten. Hierzu wirft Teil 4 zunächst die Frage auf, wie man die Debatte um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts als Chance für das Ordnungswidrigkeitenverfahren begreifen kann und mit welchen Veränderungen sich die Sanktionierung von Unternehmen für die Zukunft verwirklichen lässt. Hier soll es weniger um die Frage nach der Notwendigkeit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts gehen, als vielmehr um die möglichen Auswirkungen eines solchen auf das bestehende Ordnungswidrigkeitenverfahren. Darüber hinaus werden Reformansätze beleuchtet, wie sich die Sanktionierung von Unternehmen weiterhin über das Ordnungswidrigkeitenverfahren verwirklichen lässt.
Teil 5 befasst sich sodann mit der Problemstellung der grundlegenden Ausrichtung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Bevor die Arbeit damit auf spezielle Reformbestrebungen einzelner Vorschriften eingeht, diskutiert sie, ob speziell Kartellordnungswidrigkeiten oder allgemein schwere Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht einer eigenen Verfahrensordnung unterliegen sollten. In diesen Abschnitt gehört auch die Frage, ob die Verhängung von hohen Geldbußen bei schweren Wirtschaftsordnungswidrigkeiten de lege ferenda erstinstanzlich den Gerichten vorbehalten sein sollten. Am Ende wird damit gleichsam ein Ordnungsrahmen abgesteckt, innerhalb dessen sich spezifische Änderungen im OWiG und den jeweiligen Nebengesetzen vollziehen können.
Teil 6 greift den in Teil 4 und Teil 5 herausgearbeiteten Ordnungsrahmen auf und zielt auf die Frage nach Reformen im Vorverfahren ab. Hier wird unter anderem beleuchtet, ob eine zunehmend partizipatorische Ausgestaltung dieses Verfahrensabschnittes sinnvoll erscheint. In diesem Zusammenhang lässt sich ein Recht des Betroffenen auf konfrontative Zeugenbefragung schon im Ermittlungsverfahren diskutieren. Ein anderer Aspekt schürt Zweifel an einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung dieses Verfahrensabschnitts: Das im Vorverfahren geltende Opportunitätsprinzip ermöglicht den Behörden eine flexible Verfahrensführung und könnte speziell für schwere Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsrecht die Rechte der Betroffenen stark beschneiden.31 Daher könnte man an eine punktuelle Einschränkung dieses Grundsatzes denken. Darüber hinaus betrachtet die Arbeit geltende Vorschriften im OWiG, namentlich §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 3, 55 und 66 OWiG, die angesichts der eingangs beschriebenen Ambivalenz des Ordnungswidrigkeitenverfahrens einer genaueren Überprüfung speziell auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 EMRK bedürfen. Zuletzt werden die Auswirkungen der Einführung der elektronischen Akte auf das Kartellbußgeldverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren des Wertpapierhandelsrechts untersucht. Reformen im Vorverfahren stehen damit im Zeichen einer Stärkung der Betroffenenrechte speziell für schwere Wirtschaftsordnungswidrigkeiten.
Der 7. Teil über Reformen im Zwischenverfahren widmet sich der Fragestellung, ob die Beteiligung der Staatsanwaltschaft gem. § 69 Abs. 3, 4 OWiG in diesem ←37 | 38→Verfahrensabschnitt überhaupt noch eine sinnvolle Regelung ist und inwieweit das Zutun der Behörde für die Rechtspraxis gewinnbringend umgesetzt werden kann. Ferner wird der Frage nachgegangen, ob die Vorschrift des § 69 Abs. 5 OWiG, also die Möglichkeit des Richters der Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde bei ungenügender Aufklärung des Sachverhalts, noch praxistauglich ist und welche alternativen Regelungsansätze zur Verfügung stehen. Anders als im Vorverfahren zielen Reformen im Zwischenverfahren vornehmlich auf eine Anpassung des Verfahrens an die vorherrschende staatsanwaltliche und gerichtliche Praxis ab und versuchen eine effizientere Nutzung von staatlichen Ressourcen zu verwirklichen.
Innerhalb der Reformen im Hauptverfahren in Teil 8 geht die Arbeit der Frage nach, inwieweit man – losgelöst von der Debatte im Strafprozess – speziell für das Ordnungswidrigkeitenverfahren vom Grundsatz der formellen und materiellen Unmittelbarkeit, sowie dem Mündlichkeitsgrundsatz abrücken kann. Bedeutsam ist allen voran die Fragestellung, ob man aus Gründen der Effizienz die Ergebnisse im Vorverfahren ohne förmliche Beweiserhebung in die Hauptverhandlung transferieren sollte. An dieser Stelle beschäftigt sich die Arbeit mit zahlreichen verfassungsrechtlichen Fragen, wie etwa mit der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Unschuldsvermutung oder darüber hinaus mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 3 lit. d) EMRK. Außerhalb dieser Debatte wird für eine Reform der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Hauptverhandlung neben Einschränkungen des Beweisantragsrechts diskutiert, ob eine mögliche Einführung einer Rügeobliegenheit im Rechtsmittelverfahren als sachdienliche Änderung bewertet werden kann.
Teil 9 schließt die Arbeit durch eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ab. Gleichzeitig liefert die Arbeit einen Ausblick auf die Zukunft des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und die Herausforderungen, denen sich der Gesetzgeber bei einer Reform desselben gegenübersieht.
←38 | 39→1 So Kutschaty, ehemaliger Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen in seinem Beitrag zu einem Entwurf für ein Verbandsstrafgesetzbuch, comply 2015, 14, 16.
2 Zum Begriff: Herrlinger, ZWeR 2012, 137, 138 f., der speziell von der Ambivalenz der quasi-strafrechtlichen Einordnung des Kartellbußgeldverfahrens spricht.
3 Dies wird schon anhand der gerichtlichen Praxis deutlich. Oft werden beim Amtsgericht auf dieselbe Terminsstunde über zehn Sachen gelegt, zu diesen sog. „Massenterminen“: Fromm, NJW 2012, 1131; siehe darüber hinaus auch OLG Bamberg, Beschluss vom 01.12.2015, 3 Ss OWi 834/15, StraFo 2016, 116, 117; OLG Schleswig, Beschluss vom 09.12.2014, 1 Ss OWi 197/04 (154/04), BeckRS 2013, 20235; Frister, Strafrecht AT, S. 4 f.; KK-OWiG/Kurz, § 61, Rn. 3; Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 15, Rn. 10; Ruderisch, Rechtsprechung Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht, S. 209; Schäler, NZV 2017, 422, 423; Koehl, SVR 2018, 94, 96; Scheffler/Matthies, NZV 2007, 607, 609; Schmitz, wistra 2016, 129, 130.
4 Zu Recht weist deshalb Seier, NZV 1996, 17, darauf hin, dass das Ansehen der Justiz nicht unerheblich durch das Bußgeldverfahren geprägt werde, da zahlreiche Menschen damit in Berührung kommen; ähnlich: Fehl, S. 104; siehe auch Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 25, Rn. 1; Beck/Berr/Schäpe/Heberlein/Bergmann, OWi-Sachen Straßenverkehrsrecht, Rn. 2.
5 Das sog. Fahreignungsregister gibt Auskunft über Verkehrsteilnehmer, gegen die eine bestandskräftige Entscheidung im Zusammenhang mit Normübertretungen im Straßenverkehr ergangen ist, NK-GVR/Trautmann, § 28 StVG, Rn. 4; näher dazu auch Schurig, AnwaltKommentar StVO, § 49, S. 764 f.
6 Statistik des KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) über Verkehrsauffälligkeiten, abrufbar unter https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftfahrer/Verkehrsauffaelligkeiten/verkehrsauffaelligkeiten_node.html (zuletzt abgerufen am: 23.05.2019).
7 Beck/Berr/Schäpe/Heberlein/Bergmann, OWi-Sachen Straßenverkehrsrecht, Rn. 2; siehe auch Himmelreich/Halm/Dronkovic, Kap. 34, Rn. 1.
8 Gaier, wistra 2014, 161, 162; siehe auch Achenbach, Wirtschafts-Ordnungswidrigkeiten, S. 101, 102; Coeppicus, DAR 1985, 97, 104 f.
9 Zu den Höchstmaßfixierungen der Geldbußen im Finanzmarktrecht: Achenbach, wistra 2018, 13, 14; neben dem Recht des Wertpapierhandels können sich die Bußgelder besonders im Kartellrecht im mehrstelligen Millionenbereich bewegen, Beninca/Zschocke, S. 95. So verhängte das Bundeskartellamt Mitte April 2003 Geldbußen gegen sechs Zementhersteller in Höhe von 661 Millionen Euro; vgl. dazu auch Achenbach, Wirtschafts-Ordnungswidrigkeiten, S. 101, 104 f. oder Maiazza, S. 220.
10 Die Arbeit verwendet die Begriffe des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und Bußgeldverfahrens in übereinstimmender Weise.
11 Zum Begriff der nachdrücklichen Pflichtenmahnung: BVerfGE 27, 18, 33 = NJW 1969, 1619, 1622 = DÖV 1969, 715, 716; BVerfGE 45, 272, 289 = NJW 1977, 1629; KK-OWiG/Mitsch, § 17, Rn. 7; Maunz/Dürig/Maunz, Band V, Art. 74 GG, Rn. 65; Klesczewski, § 8, Rn. 582; Wessels/Beulke/Satzger, § 1, Rn. 20; Krumm, DAR 2010, 612; Pichler/Klar, NZKart 2015, 217, 220.
12 Siehe etwa Huckenbeck/Krumm, NZV 2017, 453, 455; vgl. vor diesem Hintergrund auch die Möglichkeit der Bestellung eines Sachverständigen des Fachgebiets der Anthropologie: Himmelreich/Halm/Dronkovic, Kap. 34, Rn. 197 und Roth/Kucklick, § 11, Rn. 84.
13 BGH, Beschl. v. 9.10.2018 – KRB 60/17 (Flüssiggas III), NZKart 2019, 155, 156 f.; Hintergrundpapier des Bundeskartellamtes zum Kartellbußgeldverfahren, S. 27; Schmitz, wistra 2016, 129, 130; Zwischenbericht des Bundeskartellamtes zum Expertenkreis Kartellsanktionenrecht, NZKart 2015, 2, 3; zur Höhe der im Kartellrecht verhängten Geldbußen: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2015/2016 (Unterrichtung durch die Bundesregierung), Drs. 18/12760, S. VIII.
14 Weigend, ZStW 113 (2001), 271, 276; ähnlich für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht: KK-Kartellrecht/Reher, Band 2, vor § 81, Rn. 7.
15 BGH, NJW 1997, 1862, 1863 = NZV 1997, 315; Klesczewski, § 9, Rn. 675; Beck/Berr/Schäpe/Heberlein/Bergmann, OWi-Sachen Straßenverkehrsrecht, Rn. 2; Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 14, Rn. 6; Schmitz, wistra 2016, 129, 130; davon unabhängig zu betrachten ist das aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, folgende Beschleunigungsgebot, das auch im Bußgeldverfahren Geltung beansprucht, Tepperwien, NStZ 2009, 1 f.
16 Vockeroth, DVP 2008, 1, 9; Engemann, JA 2002, 152, 156; siehe auch Schmitz, wistra 2016, 129, 130.
17 Schmitz, wistra 2016, 129, 130.
18 BVerfG v. 27.04.1973, WuW/E VG 235 f.; siehe ferner BGHSt 41, 385, 390 f. = NJW 1996, 1973, 1974 = NStZ 1996, 551, 552 = WRP 1996, 699, 701 = JZ 1997, 98, 99 f.: „Aus der Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 1 OWiG folgert das OLG, daß der Unrechtsgehalt einer Ordnungswidrigkeit generell hinter dem einer Straftat zurückbleibt. Ob diese Bewertung, die auf eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten mit Bagatellcharakter zutrifft, auch Kartellordnungswidrigkeiten (…) gerecht wird, erscheint zweifelhaft (…).“
19 Achenbach, Wirtschafts-Ordnungswidrigkeiten, S. 101, 108; siehe auch Bunte, NJW 2018, 123, 124.
20 Achenbach, Wirtschafts-Ordnungswidrigkeiten, S. 101, 109 f.; Biermann, ZWeR 1/2007, 1, 19, spricht gar von einem Fremdkörper im Gefüge des Ordnungswidrigkeitenrechts.
21 Schmitz, wistra 2016, 129 f.; Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Band 2, vor § 81, Rn. 279; ebenso: Hohnel/Hohnel, 2. Teil, § 68, Rn. 2.
22 Siehe dazu: Herrlinger, ZWeR 2012, 137, 138 f.
23 Achenbach, GA 2008, 1, 9 identifiziert in diesem Zusammenhang drei „Schichten“ im heutigen Ordnungswidrigkeitenrecht: Die Tatbestände gegen den reinen Verwaltungsungehorsam, bagatellarische Rechtsgutsverletzungen und große Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Sozialschädlichkeit.
24 BGH, NJW 1997, 1862, 1863 = NZV 1997, 315; Klesczewski, § 9, Rn. 675; siehe auch: Hintergrundpapier des Bundeskartellamtes zum Kartellbußgeldverfahren, S. 27; Schmitz, wistra 2016, 129, 130.
Details
- Pages
- 362
- Publication Year
- 2020
- ISBN (PDF)
- 9783631821909
- ISBN (ePUB)
- 9783631821916
- ISBN (MOBI)
- 9783631821923
- ISBN (Hardcover)
- 9783631813669
- DOI
- 10.3726/b16905
- Language
- German
- Publication date
- 2020 (May)
- Keywords
- Bußgeldverfahren Kartellbußgeldverfahren Unternehmensstrafrecht Geldbuße Wirtschaftsstrafrecht Kartellordnungswidrigkeitenverfahren
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 362 S.