Nachhaltigkeit im Tourismus unter besonderer Berücksichtigung von kleinen Tourismusgemeinden: Herausforderungen, Implementierung, Monitoring
Ergebnisse der 3. Deidesheimer Gespräche zur Tourismuswissenschaft
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Vorwort
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Umsetzung von Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene – die wachsende Bedeutung kontextbezogener Monitoringansätze in touristischen Destinationen (Anja Wollesen und Birka Valentin)
- Tourismus und Lebensqualität in Cittaslow-Städten – Ergebnisse einer empirischen Studie in Bad Essen, Deidesheim und Meldorf (Christian Eilzer und Rebekka Weis)
- Nachhaltigkeit in der deutschen Gastronomie (Matilde S. Groß)
- Nachhaltigkeitsinformationen im Buchungsprozess von Urlaubsreisen (Dirk Schmücker, Friedericke Kuhn, Eric Horster)
- Die Region Ostseefjord Schlei auf dem Weg zum Nachhaltigen Reiseziel (Max Triphaus)
- Ansätze zu einer nachhaltigen Tourismusentwicklung in den Pamir-Bergen Tadschikistans: Perspektiven, Herausforderungen und Möglichkeiten (Matthias Poeschel)
- Literaturverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Autorenverzeichnis
- Reihenübersicht
Anja Wollesen und Birka Valentin
Umsetzung von Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene – die wachsende Bedeutung kontextbezogener Monitoringansätze in touristischen Destinationen←7 | 8→←8 | 9→
1 Einleitung
„Immer mehr Kommunen machen sich auf den Weg, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung und zur Umsetzung der Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen zu leisten.“ (Bertelsmannstiftung 2018c, 4).
Das Thema Nachhaltigkeit ist somit auf kommunaler Ebene angekommen. Dies wird nicht zuletzt durch die Vielzahl von Nachhaltigkeitsberichten und Dokumentationen lokaler Agenda 21 Prozesse deutlich. Das bereits im Jahr 1992 in Rio de Janeiro durch Regierungsvertreter aus 179 Staaten verabschiedete Aktionsprogramm wurde in Deutschland bislang von 2.600 Kommunen zum Anlass genommen, eine „Lokale Agenda“ zu erarbeiten, in der Lösungen für lokale Aktivitäten zur Nachhaltigkeit aufgezeigt werden.1
Während auf der Regierungsebene „nationale Nachhaltigkeitsstrategien“ entwickelt werden, sind Kommunen aufgefordert, ihre eigene Agenda 21 zu entwickeln und dabei in den Dialog mit ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie örtlichen Organisationen und Stakeholdern zu treten, um gemeinsam ein lokales Handlungsprogramm zu entwickeln. Im Kapitel 28 der Agenda 21 wird die besondere Rolle der Kommunen als Politik- und Verwaltungsebene für die Information, Mobilisierung und Sensibilisierung der Bevölkerung für eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung hervorgehoben.
Tourismus ist auf kommunaler Ebene nur ein Handlungsfeld von vielen. Für Kommunen, deren Wertschöpfung maßgeblich vom Tourismus abhängt, ist die nachhaltige Kommunalentwicklung jedoch unmittelbar mit der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus verbunden, da dieser auf allen ←9 | 10→Nachhaltigkeitsdimensionen wirkt: der ökonomischen, sozialen und ökologischen (vgl. Rein/Strasdas 2015, 286 ff.):
– Auf der ökonomischen Ebene ist dies insbesondere die zusätzliche Wertschöpfung, die durch Touristen generiert wird. Darüber hinaus können Effekte auf die Infrastrukturentwicklung, das Image, die Vernetzung von Akteuren sowie die Entwicklung von Kompetenzen festgestellt werden.
– Auf der sozialen Ebene wird dem Tourismus u.a. ein Einfluss auf die lokale Kultur zugesprochen, da die Kulturen der Reisenden auf die der Gastgeber treffen und sich entsprechend gegenseitig beeinflussen. Die Stärkung der regionalen Kultur und Identität steht ebenso im Fokus der Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit wie die Partizipation an Entwicklungsprozessen.
– Auf der ökologischen Ebene steht insbesondere die Wirkung auf Natur und Landschaft im Vordergrund. Der Druck auf die Ökosysteme ist in einigen touristischen Destinationen sehr hoch, so dass eine natur- und umweltverträgliche Steuerung touristischer Entwicklung inzwischen zu den Kernaufgaben der betroffenen Kommunen gehört.
Der Auftrag der Weltgemeinschaft im Agenda 21 Prozess beinhaltet, dass ökologische, ökonomische und soziale Belange gleichermaßen Berücksichtigung finden, um die Herausforderungen der Globalisierung gerecht und nachhaltig zu gestalten. Für touristische Destinationen sind damit nach Baumgartner/Röhrer (1998, zitiert nach Rein/Balas 2015, 279) vier zentrale Anforderungen verbunden:
– Ökonomische Dimension: Wirtschaften orientiert an gesellschaftlichen und sozialen Bedürfnissen;
– Soziokulturelle Dimension: Demokratisierung gesellschaftlicher Entwicklung, Verteilungsgerechtigkeit weltweit, Erhaltung selbstbestimmter kultureller Dynamik;
– Ökologische Dimension: wirtschaftliches und soziales Handeln unter Rücksichtnahme auf die Grenzen der Natur;
– Institutionelle Dimension: Zugang zu Informationen und Partizipation an Entscheidungsstrukturen.
„Hauptziel des nachhaltigen Destinationsmanagements ist die Konzeption einer dauerhaft handlungsfähigen Wettbewerbseinheit, indem durch Einbeziehung der touristischen Akteure die Wertschöpfung der Destination gesichert wird und gleichzeitig ökologische und soziokulturelle Auswirkungen minimiert werden.“ (UNCED 1992 zitiert nach Rein/Balas 2015, 280). Gefordert wird in diesem Zusammenhang zunehmend, dass das Thema Nachhaltigkeit auf der ←10 | 11→„Managementebene“ integriert ist, damit gewährleistet ist, dass die strategische Ebene von Verwaltungen und Unternehmen sowie auch Destinationsmanagementorganisationen (DMO’s) Steuerungsmechanismen implementieren, die auf den Nachhaltigkeitsprinzipien beruhen und damit best mögliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Ausrichtung der Destination schaffen (vgl. DTV 2017, 9).
Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen eine Weiterentwicklung der Agenda 21 – die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. In dieser sind die Ziele der Agenda 21 mit den universellen Millenium Development Goals (MDGs) zusammengeführt. Das übergeordnete Zielsystem der Vereinten Nationen für Nachhaltigkeit wird seitdem durch die Sustainable Development Goals (SDGs) flankiert (UNDP 2016). Darin enthalten sind 17 übergeordnete globale Nachhaltigkeitsziele, welche mit zahlreichen Teilzielen und Indikatoren unterlegt sind. Die Anforderungen an den Tourismus werden in den SDGs in drei Zielen konkretisiert:
– Ziel 8.9: Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und Produkte fördert.
– Ziel 12b: Entwicklung und Implementierung von Instrumenten zur Überwachung der Auswirkungen der nachhaltigen Entwicklung auf einen nachhaltigen Tourismus, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und Produkte fördert.
– Ziel 14.7: Bis zum Jahr 2030 sollen die wirtschaftlichen Vorteile für kleine Inselentwicklungsländer (SIDS) und die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) aus der nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen erhöht werden, unter anderem durch nachhaltige Bewirtschaftung von Fischerei, Aquakultur und Tourismus.
Mit dem Start der lokalen Agenda-Prozesse haben Kommunen zahlreiche eigene Kriterienkataloge für die Umsetzung und Erfolgskontrolle der Nachhaltigkeitsaktivitäten in ihren Gemeinden entwickelt. Allein in Deutschland gibt es inzwischen mehr als 44 kommunale Nachhaltigkeitsindikatorensysteme (Döring/Heiland/Tischer 2004). Allen gemeinsam ist, dass sie durch ihre Anwendung zur Zielerreichung der übergeordneten, internationalen Abkommen, insbesondere der Agenda 2030, beitragen sollen. Die Unterschiedlichkeit der umgesetzten Nachhaltigkeitsaktivitäten in den einzelnen Kommunen verdeutlicht jedoch die Komplexität des Systems Nachhaltigkeit.
Die Herausforderung besteht letztlich darin, nicht nur den Fortschritt von Nachhaltigkeitsaktivitäten in einzelnen Kommunen messbar und transparent ←11 | 12→zu machen, sondern auch vergleichbar zu gestalten – und damit übertragbare Lösungsansätze zu identifizieren. Gerade auf der kommunalen Ebene ist es jedoch schwierig, übertragbare Ansätze zu generieren, weil die lokalen und regionalen Konstellationen immer einzigartig sind.
In touristischen Destinationen wird die Komplexität zusätzlich verstärkt. So betont Baumgartner (2008, 108) die spezifischen Herausforderungen beim Aufbau von Bewertungssystemen für das komplexe System Tourismus, „…das physische und psychische Ursachen und Wirkungen zwischen den Herkunftsländern der Reisenden und den Destinationen verknüpft (z.B. Reisetätigkeit und Motivation, Werte).“ Dies impliziert, dass es im Grunde kein Modell geben kann, das sich ohne Modifikation auf eine andere Destination übertragen lässt.
Eine erste Pilotstudie der Europäischen Kommission zur Implementierung des sogenannten „ETIS Indikatorentools“ (European Tourism Indicators System for Sustainable Destinations) – einem Managementtool und eines Monitoringsystems zur Abbildung der Nachhaltigkeitsperformance touristischer Destinationen – bestätigt diese Annahme: „Previous piloting of the ETIS has shown that there is no one set formula that works for every destination. It is important to be flexible and take an approach that best suits the destination and the group of people involved.“ (Europäische Kommission 2016, 14).
Die im vorliegenden Beitrag beschriebenen Monitoringbeispiele geben einen Einblick in den gegenwärtigen Stand zur Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit und speziell des Nachhaltigkeitsmonitorings verschiedener Handlungsebenen – aus nationaler und internationaler Perspektive. Da es bislang keine eigene Empirie speziell zu Nachhaltigkeitsmonitoringsystemen in touristischen Destinationen gibt, werden die vorhandenen Monitoringsysteme zur Unterstützung nachhaltiger Entwicklungsprozesse in ihrer Gesamtheit betrachtet.
2 Politische Meilensteine
Details
- Pages
- 170
- Publication Year
- 2020
- ISBN (PDF)
- 9783631816578
- ISBN (ePUB)
- 9783631816585
- ISBN (MOBI)
- 9783631816592
- ISBN (Softcover)
- 9783631731369
- DOI
- 10.3726/b16733
- Language
- German
- Publication date
- 2020 (April)
- Keywords
- Tourismusmanagement Destinationsmanagement Cittaslow Gastronomie Urlaubsreisen Nachhaltigkeitskonzepte Lebensqualität Nachhaltigkeitsmanagement Informationsverhalten Globalisierung
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 170 S., 14 s/w Abb., 28 Tab.