Der Kampf um Gläubige und Kinder
Das Mischehenwesen im Rheinland im 19. Jahrhundert
Summary
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Die Konfessionsverschiedenheit von Ehegatten und die daraus resultierende Frage nach der konfessionellen Beheimatung ihrer Kinder sorgten im 19. Jahrhundert für viele Konflikte innerhalb der Familien, zwischen den Konfessionen und zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staat. Die strengkatholische Mischehendisziplin mit ihrem Kernelement, dem Versprechen der katholischen Kindererziehung als Bedingung für eine katholische Trauung, war ein Indikator für die Durchsetzung des Ultramontanismus innerhalb der katholischen Kirche und ein Motor für die Herausbildung eines katholischen Milieus. Sie war ein Hauptgrund für die Verschärfung der konfessionellen Spannungen, für die Rekonfessionalisierungstendenzen im 19. Jahrhundert und für die ‚Kölner Wirren'. Sie veranlasste die evangelische Kirche, eine eigene einheitliche Mischehenzucht einzuführen.
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen
- II. Die Mischehenbewertung und das Mischehenrecht der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert
- A. Mischehenbewertung
- B. Mischehenrecht
- 1. Das Eheschließungsrecht
- 2. Das Mischehenschließungsrecht
- 3. Vor und nach einer Mischehetrauung
- III. Das staatliche Mischehenrecht in der preußischen Rheinprovinz im 19. Jahrhundert
- IV. Mischehenpolitik im Spannungsfeld zwischen katholischer Kirche, evangelischer Kirche und preußischem Staat
- A. Von der förmlichen Besitzergreifung des Rheinlandes durch Preußen im April 1815 bis zur Kabinettsorder vom 17. August 1825
- 1. Verwaltungsaufbau, Kirchenorganisation und Konfessionsverteilung im Rheinland
- 2. Zum sozialhistorischen Hintergrund der Mischehenkonflikte
- 3. Die katholische Mischehendisziplin im Rheinland
- 4. Beschwerden über die katholische Mischehendisziplin
- 5. Rechtfertigungen und Positionsdarlegungen der katholischen Bistumsverweser im Rheinland
- 6. Sachstandsberichte, Problemanzeigen und Lösungsvorschläge der rheinischen Provinzialbehörden
- 7. Rechtsetzungen und Interaktionen von Staat und Kirche
- 8. Die Kabinettsorder vom 17. August 1825
- 9. Zusammenfassung
- B. Von der Kabinettsorder vom 17. August 1825 bis zur Berliner Konvention vom 19. Juni 1834
- 1. Die Etablierung einer regulären Diözesanverwaltung im Rheinland
- 2. Die Reaktion der rheinischen Bischöfe auf die Kabinettsorder vom 17. August 1825 und die kirchenoffizielle Mischehendisziplin im Rheinland
- 3. Konflikte um die Vornahme des Aufgebots und die Ausstellung eines Verkünd- oder Entlassscheins
- 4. Konflikte um die Abhängigmachung der katholischen Trauung vom Versprechen der katholischen Kindererziehung
- 5. Konflikte um die Abhängigmachung der Absolution und der Kommunion von der katholischen Kindererziehung
- 6. Konflikte um die Abhängigmachung der Wöchnerinnenaussegnung von der katholischen Taufe und Kindererziehung
- 7. Die ‚causes célèbres‘ Bauer und Herzberg
- 8. Sachstandsberichte, Problemanzeigen und Gesetzesvorschläge der rheinischen Provinzialbehörden
- 9. Die Mischehenpolitik der preußischen Staatsregierung bis zum päpstlichen Mischehenbreve vom 25. März 1830
- 10. Die Mischehenpolitik der preußischen Staatsregierung bis zur Berliner Konvention vom 19. Juni 1834
- 11. Der Beitritt der westlichen Bischöfe zur Berliner Konvention und die Einführung der neuen Mischehendisziplin in den Bistümern Köln und Trier
- 12. Zusammenfassung
- C. Von der Berliner Konvention vom 19. Juni 1834 bis zur Beilegung der ‚Kölner Wirren‘ durch den Notenwechsel vom 23./24. September 1841
- 1. Die Pontifikatswechsel in den Bistümern Köln und Trier und die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835
- 2. Die anfängliche Rezeption der neuen Mischehendisziplin im Rheinland und die Einforderung der zugesagten staatlichen Gegenleistungen
- 3. Die Anfänge der Mischehenpolitik des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering
- 4. Publizistische Agitationen und der Widerruf des Bischofs von Trier
- 5. Die allmähliche Eskalation des Konflikts zwischen dem Kölner Erzbischof und der preußischen Regierung in der Mischehenfrage
- 6. Die tatsächliche Mischehenhandhabung des Kölner Erzbischofs in seiner Amtspraxis
- 7. Staatskirchentum versus Kirchenfreiheit
- 8. Letzte Verständigungsbemühungen und ihr Scheitern
- 9. Der Appell Droste-Vischerings an die Öffentlichkeit
- 10. Die Verhaftung und Abführung des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering
- 11. Die Allokution Papst Gregors XVI., die Aufkündigung der Berliner Konvention seitens der rheinischen Bischöfe und der Rückzug des preußischen Staats
- 12. Die Rückkehr zur strengkirchlichen Mischehendisziplin gemäß dem päpstlichen Mischehenbreve von 1830
- 13. Proteste der Rheinischen Provinzialsynode
- 14. Die diplomatische Beilegung des Kölner Mischehenkonflikts durch den Notenwechsel vom 23./24. September 1841
- 15. Fazit: Die Stellung und Bedeutung des Kölner Mischehenstreits innerhalb der deutschen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts
- D. Von 1842 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
- 1. Die Mischehendisziplin und -seelsorge der katholischen Kirche im Rheinland
- a) Der Kölner Erzbischof Geissel und der Trierer Bischof Arnoldi
- b) Der Kautionenleistungsmodus
- c) Die Dispensnachsuchung und -erteilung
- d) Der Trauungsmodus und -ritus
- e) Die Frage der Zulässigkeit einer protestantischen Vor- oder Nachtrauung
- f) Zusammenfassung des dem Pfarrklerus vorgeschriebenen Umgangs mit einem Mischeheschließungswunsch
- g) Die Sakramentenverweigerung im Fall der nichtkatholischen Trauung und Kindererziehung
- h) Die Aussegnungsverweigerung im Fall der nichtkatholischen Taufe eines neugeborenen Kindes
- i) Die Frage der kirchlichen Gültigkeit einer bloß zivil geschlossenen Mischehe
- j) Die katholische (Anti-)Mischehenpastoration und ihr Erfolg
- 2. Die Nichtintervention des preußischen Staats in die katholische Mischehendisziplin
- 3. Die Mischehendisziplin und -seelsorge der evangelischen Kirche im Rheinland
- a) Die Etablierung einer einheitlichen evangelischen Mischehendisziplin
- b) Die weitere Ausgestaltung der evangelischen Mischehendisziplin und die Entwicklung einer zentralgesteuerten Mischehenpastoral
- c) Die evangelische Mischehenseelsorge
- d) Die evangelische Mischehenzucht
- e) Die Mischehenbilanz für die evangelische Kirche
- 4. Die Vornahme des Aufgebots und die Ausstellung bzw. Abverlangung von Verkündscheinen
- 5. Der königliche Armeebefehl vom 7. Juni 1853
- V. Auseinandersetzungen um die Konfessionszugehörigkeit von Kindern aus Mischehen
- A. Auseinandersetzungen um die künftige konfessionelle Kindererziehung im Vorfeld der geplanten Mischeheschließung
- B. Auseinandersetzungen um die Taufe von Mischehenkindern
- C. Auseinandersetzungen um die konfessionelle Erziehung und den Religionsunterricht von Mischehenkindern
- 1. Zu Lebzeiten beider Elternteile
- a) Die Rechtslage und einige Rechtsfragen
- b) Die katholische Mischehendisziplin als Ursache von Ehekonflikten
- c) Der Versuch des Ehemannes zur religiösen Umerziehung seiner Kinder als Auslöser von Ehekonflikten
- 2. Nach dem Tod der Mutter
- 3. Nach dem Tod des Vaters
- a) Vorbemerkungen zum Vormundschaftsrecht
- b) Die Problematik
- c) Die Reaktion des Staats und der Ministerialerlass vom 29. Januar 1841
- d) Widerstände von Witwen und Kindern
- e) Innerbehördliche Debatten und der Ministerialerlass vom 24. Dezember 1842
- f) Der Mischehenantrag des 8. Rheinischen Provinziallandtags
- g) Die weitere Entwicklung ab 1843
- h) Der bürgerliche oder soziale Tod des Vaters
- 4. Nach dem Tod beider Elternteile
- D. Auseinandersetzungen um die Erstkommunion und Konfirmation von Mischehenkindern
- VI. Mischehen mit einem Geschiedenen
- VII. Schlussüberlegungen
- Statistikanhang
- Quellenanhang I: Brautexamens- und Beichtgespräche
- Quellenanhang II: Sitzungsprotokolle und Petitionen von evangelischen Kirchenvorständen und Synoden aus den Jahren 1818 bis 1825
- Quellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Volker Speth
Der Kampf um Gläubige
und Kinder
Das Mischehenwesen im Rheinland
im 19. Jahrhundert
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ISBN 978-3-631-76445-9 (Print)
E-ISBN 978-3-631-76448-0 (E-PDF)
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E-ISBN 978-3-631-76450-3 (MOBI)
DOI 10.3726/b14524
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Über das Buch
Die Konfessionsverschiedenheit von Ehegatten und die daraus resultierende Frage nach der konfessionellen Beheimatung ihrer Kinder sorgten im 19. Jahrhundert für viele Konflikte innerhalb der Familien, zwischen den Konfessionen und zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staat. Die strengkatholische Mischehendisziplin mit ihrem Kernelement, dem Versprechen der katholischen Kindererziehung als Bedingung für eine katholische Trauung, war ein Indikator für die Durchsetzung des Ultramontanismus innerhalb der katholischen Kirche und ein Motor für die Herausbildung eines katholischen Milieus. Sie war ein Hauptgrund für die Verschärfung der konfessionellen Spannungen, für die Konfessionalisierungstendenzen im 19. Jahrhundert und für die ‚Kölner Wirren’. Sie veranlasste die evangelische Kirche, eine eigene einheitliche Mischehenzucht einzuführen.
Zitierfähigkeit des eBooks
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Inhaltsverzeichnis
Band 1
I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen
II. Die Mischehenbewertung und das Mischehenrecht der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert
2. Das Mischehenschließungsrecht
3. Vor und nach einer Mischehetrauung
III. Das staatliche Mischehenrecht in der preußischen Rheinprovinz im 19. Jahrhundert
IV. Mischehenpolitik im Spannungsfeld zwischen katholischer Kirche, evangelischer Kirche und preußischem Staat
A. Von der förmlichen Besitzergreifung des Rheinlandes durch Preußen im April 1815 bis zur Kabinettsorder vom 17. August 1825
1. Verwaltungsaufbau, Kirchenorganisation und Konfessionsverteilung im Rheinland
2. Zum sozialhistorischen Hintergrund der Mischehenkonflikte
3. Die katholische Mischehendisziplin im Rheinland
4. Beschwerden über die katholische Mischehendisziplin
5. Rechtfertigungen und Positionsdarlegungen der katholischen Bistumsverweser im Rheinland
6. Sachstandsberichte, Problemanzeigen und Lösungsvorschläge der rheinischen Provinzialbehörden
7. Rechtsetzungen und Interaktionen von Staat und Kirche
8. Die Kabinettsorder vom 17. August 1825
9. Zusammenfassung←vii | viii→
B. Von der Kabinettsorder vom 17. August 1825 bis zur Berliner Konvention vom 19. Juni 1834
1. Die Etablierung einer regulären Diözesanverwaltung im Rheinland
2. Die Reaktion der rheinischen Bischöfe auf die Kabinettsorder vom 17. August 1825 und die kirchenoffizielle Mischehendisziplin im Rheinland
3. Konflikte um die Vornahme des Aufgebots und die Ausstellung eines Verkünd- oder Entlassscheins
4. Konflikte um die Abhängigmachung der katholischen Trauung vom Versprechen der katholischen Kindererziehung
5. Konflikte um die Abhängigmachung der Absolution und der Kommunion von der katholischen Kindererziehung
6. Konflikte um die Abhängigmachung der Wöchnerinnenaussegnung von der katholischen Taufe und Kindererziehung
7. Die ‚causes célèbres‘ Bauer und Herzberg
8. Sachstandsberichte, Problemanzeigen und Gesetzesvorschläge der rheinischen Provinzialbehörden
9. Die Mischehenpolitik der preußischen Staatsregierung bis zum päpstlichen Mischehenbreve vom 25. März 1830
10. Die Mischehenpolitik der preußischen Staatsregierung bis zur Berliner Konvention vom 19. Juni 1834
11. Der Beitritt der westlichen Bischöfe zur Berliner Konvention und die Einführung der neuen Mischehendisziplin in den Bistümern Köln und Trier
C. Von der Berliner Konvention vom 19. Juni 1834 bis zur Beilegung der ‚Kölner Wirren‘ durch den Notenwechsel vom 23./24. September 1841
1. Die Pontifikatswechsel in den Bistümern Köln und Trier und die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835
2. Die anfängliche Rezeption der neuen Mischehendisziplin im Rheinland und die Einforderung der zugesagten staatlichen Gegenleistungen
3. Die Anfänge der Mischehenpolitik des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering
4. Publizistische Agitationen und der Widerruf des Bischofs von Trier ←viii | ix→
5. Die allmähliche Eskalation des Konflikts zwischen dem Kölner Erzbischof und der preußischen Regierung in der Mischehenfrage
6. Die tatsächliche Mischehenhandhabung des Kölner Erzbischofs in seiner Amtspraxis
7. Staatskirchentum versus Kirchenfreiheit
8. Letzte Verständigungsbemühungen und ihr Scheitern
9. Der Appell Droste-Vischerings an die Öffentlichkeit
10. Die Verhaftung und Abführung des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering
11. Die Allokution Papst Gregors XVI., die Aufkündigung der Berliner Konvention seitens der rheinischen Bischöfe und der Rückzug des preußischen Staats
12. Die Rückkehr zur strengkirchlichen Mischehendisziplin gemäß dem päpstlichen Mischehenbreve von 1830
13. Proteste der Rheinischen Provinzialsynode
14. Die diplomatische Beilegung des Kölner Mischehenkonflikts durch den Notenwechsel vom 23./24. September 1841
15. Fazit: Die Stellung und Bedeutung des Kölner Mischehenstreits innerhalb der deutschen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts
D. Von 1842 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
1. Die Mischehendisziplin und -seelsorge der katholischen Kirche im Rheinland
a) Der Kölner Erzbischof Geissel und der Trierer Bischof Arnoldi
b) Der Kautionenleistungsmodus
c) Die Dispensnachsuchung und -erteilung
d) Der Trauungsmodus und -ritus
e) Die Frage der Zulässigkeit einer protestantischen Vor- oder Nachtrauung
f) Zusammenfassung des dem Pfarrklerus vorgeschriebenen Umgangs mit einem Mischeheschließungswunsch
g) Die Sakramentenverweigerung im Fall der nichtkatholischen Trauung und Kindererziehung←ix | x→
h) Die Aussegnungsverweigerung im Fall der nichtkatholischen Taufe eines neugeborenen Kindes
i) Die Frage der kirchlichen Gültigkeit einer bloß zivil geschlossenen Mischehe
j) Die katholische (Anti-)Mischehenpastoration und ihr Erfolg
2. Die Nichtintervention des preußischen Staats in die katholische Mischehendisziplin
3. Die Mischehendisziplin und -seelsorge der evangelischen Kirche im Rheinland
a) Die Etablierung einer einheitlichen evangelischen Mischehendisziplin
b) Die weitere Ausgestaltung der evangelischen Mischehendisziplin und die Entwicklung einer zentralgesteuerten Mischehenpastoral
c) Die evangelische Mischehenseelsorge
d) Die evangelische Mischehenzucht
e) Die Mischehenbilanz für die evangelische Kirche
4. Die Vornahme des Aufgebots und die Ausstellung bzw. Abverlangung von Verkündscheinen
5. Der königliche Armeebefehl vom 7. Juni 1853
V. Auseinandersetzungen um die Konfessionszugehörigkeit von Kindern aus Mischehen
A. Auseinandersetzungen um die künftige konfessionelle Kindererziehung im Vorfeld der geplanten Mischeheschließung
B. Auseinandersetzungen um die Taufe von Mischehenkindern
C. Auseinandersetzungen um die konfessionelle Erziehung und den Religionsunterricht von Mischehenkindern
1. Zu Lebzeiten beider Elternteile
a) Die Rechtslage und einige Rechtsfragen
b) Die katholische Mischehendisziplin als Ursache von Ehekonflikten
c) Der Versuch des Ehemannes zur religiösen Umerziehung seiner Kinder als Auslöser von Ehekonflikten
a) Vorbemerkungen zum Vormundschaftsrecht←x | xi→
c) Die Reaktion des Staats und der Ministerialerlass vom 29. Januar 1841
d) Widerstände von Witwen und Kindern
e) Innerbehördliche Debatten und der Ministerialerlass vom 24. Dezember 1842
f) Der Mischehenantrag des 8. Rheinischen Provinziallandtags
g) Die weitere Entwicklung ab 1843
h) Der bürgerliche oder soziale Tod des Vaters
4. Nach dem Tod beider Elternteile
D. Auseinandersetzungen um die Erstkommunion und Konfirmation von Mischehenkindern
VI. Mischehen mit einem Geschiedenen
Quellenanhang I: Brautexamens- und Beichtgespräche
Quellenanhang II: Sitzungsprotokolle und Petitionen von evangelischen Kirchenvorständen und Synoden aus den Jahren 1818 bis 1825
Literaturverzeichnis←xi | xii→ ←xii | 1→
I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen
Als Mischehen oder konfessionsverschiedene Ehen werden in diesem Werk Ehen zwischen einem getauften Katholiken und einem getauften Protestanten bezeichnet. Nicht als Mischehen bezeichnet und nicht behandelt werden eheliche Verbindungen zwischen einem Christen und einem Juden sowie zwischen einem Lutheraner und einem Reformierten.
Die Mischehenfrage erhielt dadurch ihre historische Relevanz und Brisanz, dass sie im Schnittpunkt konkurrierender oder gar antagonistischer Interessen und im Aufmerksamkeitsfokus epochaler historischer Strömungen lag, wodurch eine Untersuchung des Mischehenwesens wichtige historische Erkenntnisse verspricht. Erstens war sie Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche um die Normsetzungskompetenz und Normenpriorität, d. h. um die Frage, welche Institution in welchem Ausmaß ihre Normen zur Geltung bringen kann, ob also die Kirche das kanonische Recht, das unter anderem das Versprechen einer unterschiedslosen Erziehung aller Kinder im katholischen Bekenntnis als Grundbedingung für eine kirchliche Mischeheeinsegnung statuierte, oder ob der Staat seine abweichenden Vorstellungen und Vorschriften, die im Konfliktfall die Erziehung der Kinder in der Konfession des Vaters und eine bedingungslose Mischehentrauung vorsahen, durchsetzen kann. Im Prinzip kollidierte der integrationspolitisch begründete Wunsch des preußischen Staates nach praktischer Irenik mit dem Streben der katholischen Kirche nach einem staatsfreien Selbstbestimmungsrecht vor allem auf dem Gebiet des Kultus und der Kirchendisziplin. So ist die Mischehenproblematik ein guter Indikator für die Selbstbehauptung der Kirche gegenüber dem Staat und für das Ausmaß der korporativen Religionsfreiheit, die sich wesentlich im Recht einer Kirche manifestiert, die Bedingungen für eine Zueignung einer Sakralhandlung oder sonstigen geistlichen Amtsverrichtung an einen darum nachsuchenden Gläubigen autonom festlegen zu können. Zweitens gewann innerhalb der katholischen Kirche bald nach 1815 eine die Romorientierung und Konfessionsidentität betonende strengkirchliche Erneuerungsbewegung an Gewicht und seit den 1830er Jahren allmählich auch die Oberhand, welche die Haltung in der Mischehenfrage zum Ausweis der Kirchentreue erhob und Abstriche am strengkirchlichen Mischehenrecht, so wie es von den Päpsten definiert und propagiert wurde, als Verrat an den unaufgebbaren Lehre von der alleinseligmachenden Qualität und vom Wahrheitsmonopolbesitz der katholischen Kirche denunzierte. Anhand der Mischehenkonflikte und der katholischen Mischehenobservanz kann daher der das 19. Jahrhundert kennzeichnende Ultramontanisierungsprozess gut nachgezeichnet werden. Drittens lässt sich parallel dazu anhand der Mischehenproblematik ein gewisser, wenn auch nicht so ausgeprägter ‚Kirchwerdungsprozess‘ der evangelischen Kirche im Sinne einer←1 | 2→ institutionellen Binnenverfestigung und Außenabgrenzung rekonstruieren, denn in Reaktion auf die als aggressiv empfundene katholische Mischehendisziplin war die evangelische Kirche gezwungen, insbesondere dann eine selbständige Abwehrstrategie in Gestalt einer eigenen Mischehendisziplin und Kirchenzucht zu entwickeln, als der preußische Staat nach den ‚Kölner Wirren‘ alle seine – bislang nicht sehr erfolgreichen – Bemühungen einstellte, zugunsten der evangelischen Kirche in die katholische Mischehendisziplin zu intervenieren. Viertens konkretisierte und verdichtete sich im Mischehenproblem der konfessionelle Antagonismus zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche. Die konfessionsverschiedene Ehe war wohl der bedeutsamste alltagspraktische Kampfplatz, auf dem jenseits der theologisch-dogmatischen Kontroversen die Ansprüche der beiden Konfessionen zusammenprallten, wie allein die vielen kontroverstheologischen Streitschriften, die im 19. Jahrhundert zu diesem Thema publiziert wurden, beweisen. Die Mischehenkonflikte waren damit eine wichtige Artikulation und zugleich Triebkraft der als Konfessionalisierung etikettierten wachsenden Verfeindung der Konfessionen im 19. Jahrhundert, sodass sich diese kirchengeschichtliche Fundamentaltendenz anhand der Mischehenproblematik gut veranschaulichen und nachverfolgen lässt. Fünftens trat auf dem Gebiet der Mischehen eine Normsetzungsinstanz in Gestalt der Kirche mit dem autoritativen Anspruch auf Beeinflussung persönlicher Lebensentscheidungen auf, was die Frage nach der Rezeption und Akzeptanz der Norm durch die breite Bevölkerung aufwirft. Inwieweit haben die Katholiken das Kirchengebot beachtet, möglichst keinen nichtkatholischen Partner zu heiraten, als Mindestanforderung aber eine konfessionsverschiedene Ehe gemäß der tridentinischen Formpflicht von einem katholischen Priester nach dem Versprechen der ausschließlich katholischen Kindererziehung einsegnen zu lassen, sich jedoch keinesfalls verbotenerweise von einem evangelischen Pfarrer trauen zu lassen und vor allem ihre Kinder nicht im evangelischen Glauben zu erziehen? Inwieweit haben die Protestanten die Kirchensatzungsvorschrift beachtet, keinem Priester als Voraussetzung für eine katholische Trauung die katholische Erziehung sämtlicher Kinder zu versprechen und wenigstens die mit dem evangelischen Teil gleichgeschlechtlichen Kinder im evangelischen Glauben zu erziehen? Welchen Erfolg hatten die Kirchen bei ihren Bemühungen, die konfessionelle Abgrenzung gegenüber der andersgläubigen Außenwelt auch bei der Partnerwahl und im Familienleben der Gläubigen zur Geltung zu bringen? Die Häufigkeitskurve von Mischehen und die Beachtung der diesbezüglichen Kirchendisziplin geben somit Aufschlüsse über die Bildung konfessioneller Milieus und über die Massenbindekraft der Kirchen einerseits und über eventuelle Entkirchlichungstendenzen im 19. Jahrhundert andererseits. Sechstens verursachte die Konfessionsverschiedenheit eines Braut- oder Ehepaars zahlreiche Spannungen zwischen den Braut- bzw. Eheleuten, zwischen diesen und ihren Kindern, Eltern und sonstigen Verwandten sowie zwischen diesen allen und der Pfarrgeistlichkeit beider Konfessionen. Diese Alltagsrelevanz und Konflikthaftigkeit des Mischehenwesens gestatten es, durch eine Verbindung von veranschaulichender Verlebendigung und reflektierender Analyse dem „Katholizismus von innen und von unten“ (U. Altermatt) näherzukommen. So kann die←2 | 3→ Untersuchung des Mischehenwesens in prominenter Weise zur Rekonstruktion einer untergegangenen Kulturformation beitragen, nämlich des ‚klassischen‘ ultramontanen Katholizismus, wie er nach den Umbrüchen der Säkularisation und der Napoleonischen Zeitalters allmählich entstanden ist und sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstaunlich rasch aufgelöst hat. Diese verbale Nachbildung einer vergangenen Lebenswelt ist das Kernanliegen des Autors, das dieser schon mit den vorhergegangenen Untersuchungen zum rheinischen Wallfahrtswesen verfolgt hat. Die relative Ausführlichkeit der Quellenzitate dient wesentlich der Illustrierung und Detailzeichnung dieser verlorenen Lebenswelt, ist teilweise aber auch der Tatsache geschuldet, dass zentrale Quellenbestände zum Mischehenwesen nicht mehr oder nur noch mit Sondererlaubnis im Original benutzbar sind.
Das Untersuchungsgebiet bildet auf staatlicher und protestantischer Seite das Rheinland, verstanden als preußische Rheinprovinz, und auf katholischer Seite die Bistümer Köln und Trier, wobei auf dem Erzbistum Köln aufgrund seiner Metropolitanstellung und Konfliktzentralität ein gewisser Schwerpunkt liegt. Das Rheinland ist als Untersuchungsgebiet gut geeignet, weil die Mischehenfrage direkt nach der preußischen Inbesitznahme des Rheinlandes schnell zu einem Hauptgegenstand des Konfliktes zwischen der katholischen Kirche einerseits und der preußischen Regierung und der evangelischen Kirche andererseits avancierte, welcher Streit bekanntlich in den sogenannten ‚Kölner Wirren‘ mit der Inhaftierung des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering kulminierte. Die Einbeziehung zweier Bistümer gestattet es, die Interaktionen des Episkopats und insbesondere die Absprachen der Bischöfe über eine gemeinsame Reaktion auf staatliche Pressionen exemplarisch zu beleuchten.
Die Untersuchungszeit wird von den Eckjahren 1815 und 1900 begrenzt. Während der Anfangszeitpunkt in der Annexion des Rheinlandes durch Preußen seine sachliche Begründung findet, ist der Endzeitpunkt eine eher dezisionistische Setzung, die freilich stark vom Datenschutzgedanken mitbestimmt ist, insofern sichergestellt werden soll, dass alle genannten Personen mit Sicherheit bereits verstorben sind.
Weil zur Mischehenproblematik schon einige Studien vorliegen, diese Untersuchung auf das Rheinland in Gestalt der preußischen Rheinprovinz fokussiert ist, die ‚hohe‘ Kirchenpolitik nicht zu stark auf Kosten von sozial-, kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen dominieren soll und eine vollständige Berücksichtigung aller Quellen aufgrund ihrer schieren Überfülle nicht möglich ist, ergeben sich vielfältige Themenbegrenzungen. Einmal werden die Verhandlungen der preußischen Regierung mit der Kurie und speziell der Notenwechsel des preußischen Ministerresidenten in Rom mit ihr fast völlig ausgeblendet, zumal dieser Aspekt bereits von H. Bastgen detailliert, wenn auch etwas unstrukturiert darstellt ist1 und der Notenwechsel in der sog. ‚Römischen Staatsschrift‘ publiziert←3 | 4→ ist2. Auch die mischehenbezügliche Korrespondenz der rheinischen Bischöfe mit der Kurie oder mit Kurienvertretern, so z. B. diejenige des Kölner Erzbischofs Geissel mit dem Nuntius Viale-Prela, wird, wenn überhaupt, nur beiläufig und unsystematisch behandelt. Weiterhin findet aufgrund der regionalen Ausrichtung dieser Studie auch die zentralstaatliche Ebene nur zum Teil Berücksichtigung. Die Positionen und Aktionen der mitinvolvierten Ministerien des Äußeren, der Justiz und des Innern werden gar nicht oder nur am Rande thematisiert. Ebensowenig wird die persönliche Motivation der letztentscheidenden preußischen Könige, insbesondere des Königs Friedrich Wilhelm III., und die auf sie einwirkenden (Hof-)Einflüsse näher zu eruieren gesucht. So werden beispielsweise die von Friedrich Wilhelm III. angeforderten mischehenbezüglichen Memoranden des Staatsrats Daniels vom 17. April 18203 und des Staatsrats v. Beyme vom 26. Juli 18204 nicht ausgewertet, zumal diese keine direkten Weisungsbefugnisse in Mischehenangelegenheiten hatten. Auch die zwei in Berlin ausgearbeiteten, aber nicht realisierten Entwürfe zur Revision des preußischen Mischehenrechts werden nicht vorgestellt und analysiert, zumal dies schon F. Fonk geleistet hat.5 Stattdessen konzentriert sich die Studie bei den zentralstaatlichen Instanzen ganz auf das Kultusministerium, über das freilich die Korrespondenz der rheinischen Provinzialbehörden mit der Berliner Regierungszentrale in der Mischehenangelegenheit hauptsächlich lief, wobei der die staatliche Mischehenpolitik maßgeblich mitbestimmende katholische Oberregierungsrat Schmedding besondere Beachtung findet. Von den vielen behörden- und regierungsinternen Denkschriften, Voten und Stellungnahmen, die aufgefordert und noch mehr unaufgefordert erstellt wurden, werden allein diejenigen der qua Amtsstellung unmittelbar in den Entscheidungsprozess eingebundenen Funktionsträger berücksichtigt, also der rheinischen Bezirksregierungen, der rheinischen Konsistorien, des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, des Kultusministers und seines Vortragenden Rats Schmedding. Auf diese allerdings wird großer Wert gelegt, da in diesem ‚Selbstgespräch der Verwaltung‘ über die staatliche Mischehenpolitik diskutiert und entschieden wurde, denn Preußen war ja bis 1848 ein absolutistisch regierter Staat, sodass diese Schriftstücke gewissermaßen die Parlamentsdebatten ersetzten. Außerdem bleibt der breite zeitgenössische literarisch-publizistische Diskurs zum Mischehenproblem, der sich in zahlreichen meist konfessionalistisch-polemischen Streitschriften und Traktaten niederschlug, allein schon wegen der schieren Masse des Quellenmaterials unberücksichtigt, obwohl die darin ausgefochtenen Kontroversen und vorgebrachten Argumentationen interessante Einblicke in die staatskirchenrechtliche Diskussion, in den zwischenkonfessionellen Antagonismus und speziell in die strengkirchlich-ultramontanen Denkwelten mit ihrer herben Dichotomie zwischen der alleinigen Heiligkeit und Heilsgewinnungsmacht der katholischen←4 | 5→ Kirche und dem Höllenreich des Teufels mit seinen beiden alliierten Ausprägungen, dem die katholische Kirche knechtenden Staatskirchentum und dem in Fortführung der Reformation auf die Vernichtung des Katholizismus abzielenden Protestantismus; als Arbeitshilfe und schwacher Ersatz für eine eingehende Analyse sind im Literaturverzeichnis – natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wenigstens die deutschsprachigen Schriften bibliographisch verzeichnet. Weiterhin werden die vielen Dekanatsarbeiten zum Mischehenproblem, die namentlich im Archiv des Erzbistums Köln aufbewahrt sind, (fast) nicht ausgewertet. Eine Durchsicht ergab, dass die Mischehenfrage wohl das wichtigste Einzelthema dieser für die Dekanatskonferenzen ausgearbeiteten und zum Teil auf ihnen vorgetragenen Abhandlungen darstellte, was Rückschlüsse auf seine Bedeutsamkeit im pastoralen Alltag zulässt. Weitgehend unberücksichtigt bleibt schließlich der ganze verwaltungsinterne Schriftverkehr, in welchem statistische Erhebungen angeordnet oder statistische Angaben angefordert, über die Ratsamkeit von statistischen Eruierungen diskutiert, die Zuverlässigkeit des erhobenen Zahlenmaterials in Frage gestellt und über die Art der zu erhebenden Daten und über das Zählungsverfahren diskutiert wurde. Überhaupt sah sich der Autor angesichts des erforderlichen Arbeits- und Zeitaufwandes außerstande, das große Manko der im 19. Jahrhundert erstellten, in den diversen zeitgenössischen Konfessionsstatistiken6 veröffentlichen Mischehenstatistiken zu beseitigen, nämlich das Fehlen von repräsentativen statistischen Angaben zur Schicht- und Berufszugehörigkeit der einen anderskonfessionellen Partner heiratenden Personen, sodass eine valide Korrelierung dieser sozialen Merkmale zur Wahl eines anderskonfessionellen Ehepartners und der religiösen Kindererziehung nicht möglich ist. Das Fehlen eines auswertbaren überlokalen Datenfundus lässt an diesem Punkt jede sozialgeschichtlich orientierte Arbeit zum Mischehenwesen an ihre Quellengrenzen stoßen.
Quellenmaterial zum Mischehenwesen liegt in den staatlichen und kirchlichen Archiven in großem Ausmaß vor, das die Virulenz und Relevanz der darum kreisenden Probleme verdeutlicht. Jedoch sind auch schmerzliche Aktenverluste zu beklagen. Schon die Regierung Düsseldorf musste 1827 einräumen, dass ihre Mischehenakten für die Zeit vor 1825 auf eine ihr unerklärbare Art verloren gegangen waren,7 sodass die Überlieferung der Regierung Düsseldorf erst mit dem Jahr 1825 beginnt. Gravierender ist der vollständige Verlust der Mischehenakten der Regierung Köln für den hier untersuchten Zeitraum. Am schwerwiegendsten ist freilich das Verbrennen der allermeisten Mischehenakten des Konsistoriums Koblenz im Zweiten Weltkrieg, sodass das Wirken dieses für die evangelische Kirche des Rheinlandes zentralen Organs nur in sehr defizienter Weise anhand der Gegenüber←5 | 6→lieferung rekonstruiert werden kann, welche besonders der Aktenbestand ‚Kultusministerium‘ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und für die Zeit ab 1850, dem Gründungsjahr des Evangelischen Oberkirchenrats, dessen Aktenbestand im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin beherbergt. Dass die katholische Seite und Sichtweise ein gewisses Übergewicht in der vorliegenden Untersuchung hat, ist nicht zuletzt diesem weitgehenden Komplettverlust der mischehenbezüglichen Konsistorialakten geschuldet.
Die Historiographie hat sich zwar durchaus schon dem rheinischen Mischehenwesen im 19. Jahrhundert gewidmet, sich freilich fast ganz auf die Zeit zwischen der Inthronisation des Kölner Erzbischofs Spiegel im Jahr 1825 und dem den Kölner Mischehenstreit offiziell beilegenden Notenwechsel vom 23./24. September 1841, also auf die mit den Schlagwörtern päpstliches Mischehenbreve von 1830, Berliner Konvention von 1834 und ‚Kölner Wirren‘ umschriebenen Vorgänge beschränkt und auf die Mischehenpolitik des preußischen Staats und der katholischen Kirche konzentriert, während das in den staatlichen und kirchlichen Archiven liegende ungedruckte Aktenmaterial für den Zeiträume von 1815 bis 1825 und von 1841 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bislang noch nicht systematisch ausgewertet wurde8 und die sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen gewidmeten Textabschnitte der Sekundärliteratur kaum über eine Aneinanderreihung von impressionistischen Eindrücken und eine Wiedergabe von einzelnen ‚stories‘ hinauskommen.
Abschließend noch einige technische Bemerkungen: Vor allem für die Zeit der ‚Kölner Wirren‘ liegen viele Schriftstücke in gedruckter Form vor. Wenn in einer Quellenangabe nur die Druckfassung genannt ist, wurde nur diese der Darstellung zugrunde gelegt; ansonsten beruhen die Quelleninterpretation und die Quellenzitate auf der eigenen Transkription. Dies gilt insbesondere für den deutlich nach Abschluss der Erarbeitung der Quellenbasis für die vorliegende Untersuchung in der Reihe ‚Acta Borussica‘ erschienenen, von Christina Rathgeber herausgegebenen verdienstvollen Band ‚Von der Kirchengesellschaft zur Kirche in der Gesellschaft‘, der nach einer ausführlichen Einleitung zahlreiche edierte Quellentexte aus den Akten des Geheimen Staatsarchivs preußischer Kulturbesitz in Berlin enthält, freilich in einer stark modernisierten Schreibung und Zeichensetzung. Die eigene Transkription versucht den Buchstabenbestand in der Regel beizubehalten, um so die historische Distanz und die Fremdheit der Texte zu bewahren und zu verdeutlichen; lediglich die Zeichensetzung, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung wurden vorsichtig, wenn auch nicht immer den heutigen Standards angeglichen sowie offenkundige Schreibversehen und auch nach den zeitgenössischen Standards eindeutige Rechtschreibfehler korrigiert, falls sie sinnentstellend oder verständnisstörend sind.←6 | 7→
Lateinische Verordnungen und Rundschreiben der rheinischen Bischöfe an den Klerus, die in den einschlägigen Sammlungen insbesondere von J. Podestà und K. Dumont für das Erzbistum Köln sowie von J. Blattau und P. Weber für das Bistum Trier (s. Quellenverzeichnis – Gedruckte Quellen) Aufnahme gefunden haben, werden nicht wieder ganz zitiert, da die Lateinkenntnisse allgemein doch stark zurückgegangen sind und die wenigen Interessenten diese Rechtstexte in den genannten, leicht zugänglichen Sammlungen nachlesen können. Auch deutschsprachige Verordnungen, die in den einschlägigen Quellensammlungen wie diejenigen von J. Scotti, F. Hermens, A. de Roskovány und E. Huber/W. Huber unschwer eingesehen werden können, werden, insbesondere wenn sie vor dem eigentlichen Untersuchungszeitraum erlassen wurden oder umfangreicher sind, restriktiv zitiert. Umso ausführlicher werden normative deutsche Quellentexte zitiert, wenn sie nicht gedruckt vorliegen.
In dieser Untersuchung geht ist zentral um Auseinandersetzungen mit und zwischen Geistlichen, Eheleuten und Verwandten, welche um eine Ehepartnerwahl, eine Eheschließung, eine Taufe, eine Sakrament(ali)enspendung und vor allem um die religiöse Kindererziehung kreisen und bei denen in den Augen der meisten Beteiligten immer auch das Seelenheil tangiert war. Diese Konflikte wurden, wie es sich bei der gefühlsbeladenen und das eigene Leben unmittelbar berührenden Thematik von selbst versteht, häufig hochemotional um hochstrittige Sachverhalte und um hochpersönliche, für den Einzelnen hochbedeutsame Interessen ausgetragen, was damals wie heute leicht zum Lügen verleitet. Jedenfalls gab es erstaunlicherweise bei einer Vielzahl der Vorfälle, Kontroversen und Auseinandersetzungen (z. B. Beichtstuhlgespräche, Wortwechsel, Brautexamina, innereheliche Verabredungen, Kommunion-, Absolutions- und Aussegnungsverweigerungen) mehrere, zum Teil hochgradig widersprüchliche Versionen über ihren Inhalt und Verlauf. Gerade im Streit zwischen Eheleuten und in Familien und bei einem Vieraugengespräch eines Seelsorgers mit seinem Pfarrkind ist es im Abstand von über hundert Jahren für den Historiker nicht mehr möglich und auch letztlich müßig zu entscheiden, wer im Recht war oder die Wahrheit gesagt hatte, wenn es überhaupt eine objektive Wahrheit gab und nicht einfach nur verschiedene Wirklichkeitssichten. Deshalb bleibt in dieser Untersuchung die Wahrheitsfrage vielfach in der Schwebe und die Verwendung des Indikativs bei der Schilderung einer Auseinandersetzung bedeutet keine Identifikation des Autors mit einer bestimmten Partei, Position oder Faktenschilderung.
In dieser Studie wird wiederholt auf andere Werke des Autors verwiesen. Dies dient nicht der Eigenwerbung, sondern der Entlastung der ohnehin umfangreichen Untersuchung von bereits an anderer Stelle gemachten Ausführungen und angegebener Literatur.
Aufgrund der Vorkommenshäufigkeit wird ‚katholisch‘ und ‚evangelisch‘ bei attributivem Gebrauch vor einem Substantiv mit ‚kath.‘ bzw. ‚evang.‘ abgekürzt. Falls die Konfessionszugehörigkeit von Geistlichen nicht eigens genannt wird, ergibt sie sich aus der Amtsbezeichnung und dem Adressaten von Schreiben: Ein Kaplan oder Dechant ist immer ein katholischer, ein Prediger oder Superintendent jedesmal ein←7 | 8→ evangelischer Geistlicher und wenn ein Pfarrer sich an den Generalvikar wendet, handelt es sich immer um einen katholischen Pfarrer, dagegen um einen evangelischen, wenn er beim Konsistorium vorstellig wird.
In einer eigenen Quellendatei werden dem Interessierten zentrale Dokumente zur kirchlichen und staatlichen Mischehenpolitik zur Verfügung gestellt.
Abschließend sei den im Quellenverzeichnis genannten Archiven vor allem dafür gedankt, dass sie dem Autor durch die Zurverfügungstellung der Originalakten ein produktives Arbeiten an und mit den Quellen ermöglicht haben. Insbesondere Herr Neupert vom Landeshauptarchiv Koblenz, Herr Dühr vom Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Herr Breitfeld vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin und Frau Mokroß vom Evangelischen Zentralarchiv in Berlin haben eine überaus entgegenkommende Hilfs- und Auskunftsbereitschaft an den Tag gelegt.
Herrn Prof. Schneider von der Theologischen Fakultät Trier sei für die Übernahme der vom Verlag gewünschten und initiierten Begutachtung gedankt.
Der Hauptdank freilich gebührt meiner Frau, die dieses Werk überhaupt erst ermöglicht hat.←8 | 9→
1 H. Bastgen: Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Hl. Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen.
2 Römische Staatsschrift, S. 60 ff.
3 GStA PK, I. HA Rep. 74 L I Gen. 32; GStA PK, I. HA Rep. 84 I Nr. 65.
4 GStA PK, I. HA Rep. 74 L I Gen. Nr. 32; LNAR, Oberpräsidium Köln Nr. 910.
5 F. Fonk: Das staatliche Mischehenrecht in Preußen, S. 137–150 u. 175–187.
6 Siehe die Auflistung am Schluss des Statistikanhangs. Zur staatlichen statistischen Bevölkerungserfassung und zum Genus der amtlichen Konfessionsstatistik vgl. M. Schneider: Zahlen und Bekenntnisse.
7 Die Regierung Düsseldorf an den Kultusminister am 30. Januar 1828 (GStA PK, I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1 Abt. XVI Nr. 2 Bd. 6; LNAR, Reg. Düsseldorf Nr. 29174).
8 Für die Zeit von 1816 bis 1828 hat C. Rathgeber (Zwischen Kompromiss und Konfrontation, S. 183–197; Von der Kirchengesellschaft zur Kirche in der Gesellschaft, S. 28–40) die Bestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz ausgewertet, allerdings auch nur diese.
Details
- Pages
- Publication Year
- 2018
- ISBN (PDF)
- 9783631764480
- ISBN (ePUB)
- 9783631764497
- ISBN (MOBI)
- 9783631764503
- ISBN (Hardcover)
- 9783631764442
- DOI
- 10.3726/b14524
- Language
- German
- Publication date
- 2019 (April)
- Keywords
- Ehekonflikte Katholisches Milieu Konfessionalismus, Konfessionalisierung Kölner Kirchenstreit oder ›Kölner Wirren‹ Religionsfreiheit Ultramontanismus
- Published
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018.