Entscheidungswirkungen der Besteuerung von (im Ausland ansässigen) Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften vor dem Hintergrund von § 50i EStG
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Herausgeberangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Geleitwort
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Teil I Grundlagen der Untersuchung
- A. Problemstellung
- I. Internationalisierung des Gesellschafterkreises
- II. Entscheidungswirkungen von § 50i EStG als obligatorischer Forschungsbeitrag der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
- B. Ziel und Gang der Untersuchung
- I. Gegenstand der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
- II. Untersuchungsziel und Gang der Untersuchung
- Teil II Rechtliche und wirtschaftliche Vorgaben
- A. Grundlagen
- B. Rechtliche Vorgaben
- I. Verfassungsrechtliche Vorgaben
- 1. Systemtragende Prinzipien
- 2. Eigentumsgarantie
- 3. Gleichheitsgrundsatz
- 4. Rückwirkungsverbot
- II. Völkerrechtliche Vorgaben
- 1. Vorgaben des allgemeinen Völkerrechts
- 2. Vorgaben des Abkommensrechts als besonderes Völkerrecht
- a. Formelles Abkommensrecht
- b. Materielles Abkommensrecht
- III. Vorgaben des Europarechts
- 1. Sekundäres Europarecht
- 2. Primäres Europarecht
- C. Wirtschaftliche Vorgaben
- I. Allokationseffizienz
- a. Effizienz i.S.d. neoklassischen Volkswirtschaftslehre
- b. Betriebswirtschaftliche Entscheidungsneutralität der Besteuerung als Bedingung für Allokationseffizienz
- (1) Rechtsformneutralität
- (2) Investitionsneutralität
- (3) Finanzierungsneutralität
- II. Fiskalzweck vs. Rechts- und Planungssicherheit
- a. Fiskalzweck
- b. Rechts- und Planungssicherheit
- Teil III Darstellung der Entstrickungsbesteuerung im deutschen Steuerrecht vor Einführung von § 50i EStG
- A. Grundlagen der Entstrickungsbesteuerung
- I. Bildung und Aufdeckung stiller Reserven
- II. Begriffsdefinitionen
- 1. Gewinnrealisierung
- 2. Ersatzrealisationstatbestand als Oberbegriff
- 3. Entstrickung
- 4. Nutzungsentstrickung
- III. Historie der Entstrickungsbesteuerung
- IV. Dogmatische Rechtfertigung
- 1. Entstrickung
- 2. Wirtschaftsgut als Voraussetzung der Entstrickungsbesteuerung
- 3. Nutzungsentstrickung
- B. Entstrickungstatbestände
- I. Allgemeine Entstrickungstatbestände
- 1. EStG und KStG
- a. Einkünfte aus Betriebsvermögen
- (1) Natürliche Personen
- (2) Körperschaften
- b. Einkünfte aus Privatvermögen
- (1) Natürliche Personen
- (2) Kapitalgesellschaften
- 2. UmwStG
- 3. Gewährung eines Steueraufschubs
- a. Ausgleichsposten gem. § 4g EStG
- b. Übertragung stiller Reserven gem. § 6b EStG
- 4. Nutzungsentstrickung
- II. Alternative Formen zur Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven
- 1. Überblick
- 2. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG
- 3. Besteuerung der Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften nach § 17 Abs. 5 EStG
- 4. Entstrickungsbesteuerung von Betrieben und Teilbetrieben nach § 16 Abs. 3a EStG
- 5. Sofortbesteuerung nach § 12 Abs. 3 KStG im Falle der Sitzverlegung oder Verlegung des Orts der Geschäftsleitung in einen Drittstaat
- Teil IV Historische Entwicklung von § 50i EStG
- A. Wegzugsbesteuerung als Ausgangspunkt und darauf folgende Sicherstellung des Besteuerungsrechts im Falle des Wegzugs
- I. Wegzugsbesteuerung i.S.d. § 6 AStG als Ausgangspunkt
- II. Strukturen zur Sicherstellung des Besteuerungsrechts aufgrund zunehmender Internationalisierung des Gesellschafterkreises
- 1. Internationalisierung des Gesellschafterkreises
- 2. Strukturen zur Sicherstellung des Besteuerungsrechts vor dem Hintergrund von § 6 AStG
- 3. Früheres Rechtsverständnis und frühere Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung in Wegzugs- und Einbringungsfällen
- a. Früheres Rechtsverständnis der Finanzverwaltung
- b. Frühere Verwaltungspraxis in Wegzugsfällen
- c. Frühere Verwaltungspraxis in Einbringungsfällen
- B. Auffassung der Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Qualifikation von Einkünften vermögensverwaltender gewerblich geprägter Personengesellschaften
- I. Urteil des FG Hamburg vom 12.06.2003
- II. BFH-Urteil vom 28.04.2010
- III. Folge der Rechtsprechung in Wegzugs- und Einbringungsfällen
- C. Gesetzgebungsverfahren und Verwaltungsanweisungen als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung vom 28.04.2010
- I. Einführung von § 50i EStG mit dem AmtshilfeRLUmsG
- 1. Gescheitertes JStG 2013
- 2. Einführung von § 50i EStG mit AmtshilfeRLUmsG
- II. Ergänzung und Erweiterung von § 50i EStG mit Einführung des KroatienAnpG
- 1. Entstehung der geänderten Norm
- 2. Ergänzung von § 50i Abs. 1 EStG
- 3. Erweiterung um § 50i Abs. 2 EStG
- III. Verwaltungsanweisungen betreffend § 50i EStG i.d.F. des KroatienAnpG
- 1. BMF-Schreiben vom 26.09.2014 hinsichtlich der Anwendung der DBA auf Personengesellschaften
- 2. BMF-Schreiben vom 21.12.2015 hinsichtlich der Anwendung von § 50i Abs. 2 EStG i.d.F. des KroatienAnpG
- IV. Änderung von § 50i EStG im Rahmen des Anti-BEPS-Umsetzungsgesetzes I
- 1. Anhaltende Kritik
- 2. Änderung von § 50i Abs. 1 EStG
- 3. Änderung von § 50i Abs. 2 EStG
- Teil V Würdigung von § 50i EStG als Entstrickungsnorm
- A. Normzweck, Prüfung rechtlicher Vorgaben und Verhältnisfragen der Norm
- I. Normzweck
- 1. Grundsätzliches
- 2. „Schutzbereich“ des Fiskus
- 3. „Schutzbereich“ des Steuerpflichtigen
- 4. Gestaltungsvermeidung
- II. Prüfung rechtlicher Vorgaben
- 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
- a. Eigentumsgarantie
- (1) Schutzbereich
- (2) Eingriff
- (3) Rechtfertigung
- b. Gleichheitssatz
- (1) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem
- (2) Rechtfertigung
- (3) Einzelbetrachtungen
- c. Rückwirkungsverbot
- (1) Rückwirkung von § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG (§ 52 Abs. 48 Satz 1 EStG)
- (2) Rückwirkung von § 50i Abs. 1 Satz 2 EStG (§ 52 Abs. 48 Satz 1 EStG)
- (3) Rückwirkung von § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG (§ 52 Abs. 48 Satz 2 EStG)
- (4) Rückwirkung von § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG (§ 52 Abs. 48 Satz 3 EStG)
- (5) Rückwirkung von § 50i Abs. 2 EStG i.d.F. des Anti-BEPS-Umsetzungsgesetzes I
- 2. Völkerrechtliche Vorgaben
- a. Formelles Abkommensrecht
- (1) Zulässigkeit des Treaty-Overrides
- (2) Auswirkungen des Treaty-Overrides
- b. Materielles Abkommensrecht
- (1) Verstoß gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA durch § 50i Abs. 1 EStG
- (2) Verstoß gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA durch § 50i Abs. 2 EStG
- 3. Vorgaben des EU-Rechts
- a. Sekundäres Europarecht
- b. Primäres Europarecht
- (1) Niederlassungsfreiheit
- (2) Kapitalverkehrsfreiheit
- III. Einordnung der Norm und Verhältnisfragen
- 1. Einordnung der Norm
- 2. Verhältnisfragen
- a. Allgemeine Entstrickungstatbestände
- b. Wegzugsbesteuerung
- c. Umwandlungsteuergesetz
- B. Tatbestände, Rechtsfolgen und Würdigung von § 50i Abs. 1 EStG
- I. Besteuerung der Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinne von im DBA-Ausland ansässigen Mitunternehmern
- 1. Tatbestände
- a. Persönlicher Anwendungsbereich
- b. Zeitlicher Anwendungsbereich
- c. Sachlicher Anwendungsbereich
- (1) Vorliegen einer Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG
- (2) Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile i.S. des § 17 EStG
- (3) Steuerneutrale Übertragung oder Überführung in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft vor dem 29.06.2013
- (4) Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands vor dem 01.01.2017
- (5) Veräußerung oder Entnahme der Wirtschaftsgüter oder Anteile i.S.d. § 17 EStG ab dem 30.06.2013
- (6) Veräußerung oder Entnahme vor dem 30.06.2013
- 2. Rechtsfolgen
- II. Annahme einer Übertragung bei Einbringungen nach § 20 UmwStG
- 1. Tatbestände
- a. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich
- b. Sachlicher Anwendungsbereich
- (1) Einbringung nach § 20 UmwStG vor dem 29.06.2013 mit einer Personengesellschaft als übertragendem Rechtsträger
- (2) Gewerblichkeitsstatus vor und nach Einbringung
- (3) Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts im Einbringungszeitpunkt oder vor dem 01.01.2017
- 2. Rechtsfolgen
- III. Besteuerung der laufenden Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft
- 1. Tatbestände
- a. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich
- b. Sachlicher Anwendungsbereich
- (1) Übertragung oder Überführung der in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter/Anteile auf die Personengesellschaft oder die Gewährung neuer Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 Satz 2 EStG
- (2) Laufende Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft i.S.d. § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG
- 2. Rechtsfolge
- IV. Besteuerung von Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung
- 1. Tatbestände
- a. Persönlicher Anwendungsbereich
- b. Zeitlicher Anwendungsbereich
- c. Sachlicher Anwendungsbereich
- (1) Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Betriebsaufspaltung
- (2) Wirtschaftsgüter werden Betriebsvermögen eines Besitzunternehmens einer Betriebsaufspaltung vor dem 29.06.2013
- 2. Rechtsfolgen
- a. Entstrickungsvermeidung
- b. Besteuerung der Veräußerungs- oder Entnahmegewinne von im DBA-Ausland ansässigen Mitunternehmern
- c. Besteuerung der laufenden Einkünfte aus Besitzunternehmen
- C. Tatbestände, Rechtsfolgen und Würdigung von § 50i Abs. 2 EStG
- I. Tatbestände
- 1. Persönlicher Anwendungsbereich
- 2. Zeitlicher Anwendungsbereich
- 3. Sachlicher Anwendungsbereich
- a. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft
- b. Wirtschaftsgüter und Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 EStG als „inkriminiertes“ Betriebsvermögen
- II. Rechtsfolgen
- 1. Beschränkung der Rechtsfolge auf das eingebrachte inkriminierte Vermögen
- 2. Abhängigkeit der Rechtsfolge von Status und Umfang des Besteuerungsrechts an neu gewährten sowie mitverstrickten Anteilen
- Teil VI Belastungs- und Entscheidungswirkungen von § 50i EStG im Vergleich zu § 6 AStG
- A. Grundsätzliche Überlegungen
- B. Belastungwirkungen von § 50i EStG im Vergleich zu § 6 AStG
- I. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG
- 1. Besteuerungsgrundlagen der betrachteten Zuzugsstaaten
- a. Österreich
- b. Schweiz
- c. Vereinigte Staaten
- d. Vereinigtes Königreich
- 2. Belastungswirkungen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG
- II. Veräußerungs- und Entnahmegewinnbesteuerung nach § 50i EStG
- 1. Besteuerungsgrundlagen der betrachteten Zuzugsstaaten
- a. Österreich
- (1) Gewerblich tätige Personengesellschaften
- (2) Vermögensverwaltende Personengesellschaften
- (3) Ausländische Personengesellschaften
- (4) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
- b. Schweiz
- (1) Gewerblich tätige Personengesellschaften
- (2) Vermögensverwaltende Personengesellschaften
- (3) Ausländische Personengesellschaften
- (4) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
- c. Vereinigte Staaten
- (1) Gewerblich tätige Personengesellschaften
- (2) Vermögensverwaltende Personengesellschaften
- (3) Ausländische Personengesellschaften
- (4) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
- d. Vereinigtes Königreich
- (1) Gewerblich tätige Personengesellschaften
- (2) Vermögensverwaltende Personengesellschaften
- (3) Ausländische Personengesellschaften
- (4) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
- 2. Belastungswirkungen der Veräußerungs- und Entnahmegewinnbesteuerung nach § 50i EStG
- a. Belastungswirkungen von § 50i Abs. 1 EStG
- (1) Grundsätzliche Überlegungen
- (2) Belastungswirkungen
- b. Belastungswirkungen von § 50i Abs. 2 EStG
- (1) Grundsätzliche Überlegungen
- (2) Belastungswirkungen
- C. Entscheidungwirkungen
- 1. Aus Belastungswirkungen resultierende Verstöße
- a. Verstoß gegen den Grundsatz der Einmalbesteuerung und das Territorialitätsprinzip
- b. Verstoß gegen das Prinzip der Einfachheit, Systemhaftigkeit und Transparenz der Besteuerung (Rechts- und Planungssicherheit)
- 2. Entscheidungswirkungen
- a. Grundsätzliche Annahme
- b. Entscheidungswirkungen
- (1) Gesellschafterebene
- (a) Rückzug nach Deutschland
- (b) Einbringung in originär tätige Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG
- (2) Gesellschaftsebene
- (a) Strukturwandel
- (b) Übertragung/Überführung in originär tätige Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG
- (c) Anteilstausch
- Teil VII Schlussbetrachtung
- Anhang
- Quellenverzeichnis
- Rechtsprechungsverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Teil I Grundlagen der Untersuchung
A. Problemstellung
I. Internationalisierung des Gesellschafterkreises
Eine Vielzahl von deutschen Familienunternehmen ist in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften organisiert. Der familiäre Gesellschafterkreis „internationalisiert“ sich seit Jahren in vielen dieser Unternehmen mit zunehmender Geschwindigkeit.1 Dies ist Ausdruck der fortschreitenden Globalisierung der deutschen Wirtschaft, welcher der deutsche Gesetzgeber durch eine erhöhte Regelungsdichte und Komplexität der deutschen Ertragsbesteuerung gerecht zu werden versucht. Damit einher geht in den letzten Jahren die zunehmende Tendenz des deutschen Gesetzgebers auf eine nicht gewünschte Abkommensauslegung der Finanzgerichtsbarkeit mit sog. „Treaty-Overrides“ zu reagieren.2 Die Häufigkeit der Gesetzesänderungen sowie der Detaillierungsgrad der neu eingeführten Normen führen nach Heurung3 zu einem „Steuerchaos“ bzw. zur „Prinzipienlosigkeit oder Verlust des Sinnzusammenhangs“ und erschweren eine gesicherte wissenschaftliche Aufarbeitung der Entscheidungswirkungen der deutschen Ertragsbesteuerung. Dies zeigt sich jüngst auch durch den mit dem AmtshilfeRLUmsG4 eingeführten und mit dem KroatienAnpG5 sowie dem Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz I6 geänderten § 50i EStG. Ziel war die Versagung legaler Gestaltungen zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG mittels meist gewerblich geprägter Personengesellschaften, welche aufgrund falscher Abkommensauslegung durch die Finanzverwaltung zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts führten.
II. Entscheidungswirkungen von § 50i EStG als obligatorischer Forschungsbeitrag der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
„Um Politikmaßnahmen zu konzipieren, die das Auswanderungsgeschehen beeinflussen, sollten die politischen Entscheidungsträger die dem Verhalten der Auswanderer zu Grunde liegende Motivation verstehen – warum sie wegziehen und warum einige im Ausland bleiben, während andere zurückkehren.“7 Auch die Steuergesetzgebung beeinflusst als steuerpolitische Maßnahme das Auswanderungsgeschehen nachhaltig. Insofern stellt die wissenschaftliche Untersuchung der Ertragsbesteuerung deutscher Personengesellschaften vor dem Hintergrund von § 50i EStG mit (ausgewählten) Instrumenten der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre einen obligatorischen Forschungsbeitrag dar. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach den Wirkungen von § 50i EStG im Hinblick auf die konstitutiven betriebswirtschaftlichen Rechtsform-, Standort-, Investitons- und Finanzierungsentscheidungen der (im Ausland ansässigen) Gesellschafter deutscher Personengesellschaften.8 Des Weiteren stellt sich die Frage, wie sich die mangelnde Rechts- und Planungssicherheit auf die Entscheidungen von (im Ausland ansässigen) Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften auswirkt, da das deutsche Steuerrecht einerseits einer ständigen Einführung neuer und andererseits einer andauernden Überarbeitung bereits eingeführter Treaty-Overrides unterliegt. Soweit ersichtlich, steht eine vollumfängliche Untersuchung der Ertragbesteuerung von (im Ausland ansässigen) Gesellschaftern einer Personengesellschaft vor dem Hintergrund von § 50i EStG noch aus. Zwar finden sich in diesem Zusammenhang Ausführungen in Kommentaren9 sowie steuerrechtlichen Hand- und Lehrbüchern10, jedoch nehmen diese ausschließlich eine steuerjuristische Auslegung der Vorschrift vor, ohne eine betriebswirtschaftliche Analyse der Entscheidungswirkungen der Besteuerung von (im Ausland ansässigen) Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften vor dem Hintergrund von § 50i EStG anzustellen. Insbesondere fehlt es hier an einer Monographie, ←2 | 3→welche die steuerjuristische Auslegung der Vorschrift mit der betriebwirtschaftlichen Analyse der Entscheidungswirkungen verbindet.
Weber-Grellet11 definiert ein System als „die Ordnung einer Rechtsmaterie nach sachlichen Gesichtspunkten und unter Beachtung der durch Verfassung und Gesetz vorgegebenen Gesetzlichkeiten – positiv die Ordnung nach Regeln, negativ die Widerspruchsfreiheit.“ Ein solches System existiert zwar für die innerdeutsche Ertragsbesteuerung von Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften. Jedoch findet sich im deutschen Ertragsteuerrecht kein eigenständiges System der Ertragsbesteuerung von im Ausland ansässigen Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen Teil des deutschen Internationalen Steuerrechts (IStR). Die einschlägigen Regelungen sind demnach in zahlreichen deutschen Einzelsteuergesetzen zu finden. Es fehlt dem deutschen IStR also an einer einheitlichen Kodifizierung, einer systematischen Konzeption, aus der sich eine einheitliche Grundwertung mit der daraus folgenden Einzelwertungen ergibt.12 Der Begriff des deutschen IStR umfasst daher als Ordnungsbegriff alle steuerlichen Rechtsvorschriften, die sich speziell auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen.13 Diese Gesamtheit der zur Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte herangezogenen Rechtsvorschriften wird häufig auch als IStR im weiteren Sinne bezeichnet. Das IStR im engeren Sinne umfasst hingegen weitere steuerlich maßgebende Regelungen des supranationalen Rechts und des Völkerrechts. Daneben existieren das allgemeine und das spezielle nationale Außensteuerrecht. Das IStR im weiteren Sinne umfasst sowohl das IStR im engeren Sinne als auch das allgemeine und das spezielle nationale Außensteuerrecht.14 Im Verlauf des Dissertationsvorhabens soll unter dem Begriff „IStR“ das IStR im weiteren Sinne verstanden werden.
←3 | 4→Gegenstand der Untersuchung ist die deutsche Ertragsbesteuerung von (im Ausland ansässigen) Gesellschaftern deutscher Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) vor dem Hintergrund von § 50i EStG. Zur Definition des Begriffs der Mitunternehmerschaft ist für die Untersuchung das deutsche IStR heranzuziehen. Hiernach liegen Einkünfte aus Mitunternehmerschaften vor, wenn das deutsche IStR diese als Betriebsstätteneinkünfte qualifiziert.15 Die deutsche Ertragsbesteuerung umfasst bei natürlichen Personen als Mitunternehmern die Besteuerung von Einkünften mit ESt und GewSt und bei Körperschaften als Mitunternehmern die Besteuerung von Einkünften mit KSt und GewSt. In beiden Fällen ist allerdings zu beachten, dass die GewSt gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG auf Ebene der Personengesellschaft anfällt. Im Hinblick auf die Rechtsformwahl wird für ausgewählte Zuzugsstaaten die Frage untersucht, inwieweit § 50i EStG im Verhältnis zu § 6 AStG die Rechtsformneutralität gewährleistet. Ebenfalls wird untersucht, ob § 50i EStG auch Standortentscheidungen, Investitions- und Finanzierungsentscheidungen sowie auch die Frage der Rechts- und Planungssicherheit beeinflusst. Da § 6 AStG nur auf natürliche Personen anwendbar ist, wird die vorliegende Untersuchung auf die Entscheidungswirkungen von natürlichen Personen begrenzt. Die Untersuchung umfasst sowohl die außerordentlichen Einkünfte aus möglichen Veräußerungs- und Entnahmetatbeständen als auch die periodischen Einkünfte aus laufender Geschäftstätigkeit. Zudem werden Fragen der Besteuerung bei Umstrukturierungen einer näheren Betrachtung unterzogen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung i.S.d. § 34a EStG findet bei der Untersuchung keine Beachtung. Insofern wird eine phasengleiche vollständige Zurechnung des anteiligen Gewinns der deutschen Personengesellschaft unterstellt.
B. Ziel und Gang der Untersuchung
I. Gegenstand der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
Die Steuerforschung gliedert sich im deutschsprachigen Wissenschaftsraum in die Betriebwirtschaftliche Steuerlehre, die Finanzwissenschaft und die Steuerrechtswissenschaft. Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre umfasst die Untersuchung miteinander verbundener ökonomischer und steuerlicher Probleme aus dem Blickwinkel der Mikroökonomie.16 Der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ←4 | 5→kommt damit die Aufgabe zu, die aus der Verpflichtung zur Entrichtung von Steuern resultierenden Zweifelsfragen zu analysieren und zu erläutern sowie auf Entscheidungsalternativen hinzuweisen.17 Ziel der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft ist somit die Erfüllung von Erklärungs- und Gestaltungsaufgaben auf Basis entscheidungstheoretischer Ergebnisse.18 Bei der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre handelt es sich um einen integralen Bestandteil der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und nicht etwa um eine Betriebswirtschaftliche Funktionenlehre oder Spezielle Betriebswirtschaftslehre.19 Die Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre wiederum stellt einen Teilbereich der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre dar, welcher sich mit den Fragen der Besteuerung der Außenwirtschaftstätigkeit befasst.20 In den vergangenen Jahrzehnten rückten im Rahmen der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre neben der deskriptiven Steuerforschung auch Fragestellungen i.S.e. entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.21 Aufgabe der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ist hierbei die „Erarbeitung von Kriterien und Entscheidungsregeln für rational begründbare einzelwirtschaftliche Gestaltungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Besteuerung“22.
Im Allgemeinen wird die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung in vier aufeinander aufbauende Teilgebiete unterteilt. Bei diesen vier Teilgebieten handelt es sich um die (1) Steuersystemlehre (Rechtsnormendarstellung), die (2) Steuerwirkungslehre, die (3) Steuerplanungslehre (Steuerpolitik) und die (4) Steuergestaltungslehre (Politikberatung in steuerlichen Fragen).23
Die (1) Steuersystemlehre hat die Aufgabe der Wissensvermittlung von Kenntnissen über nationale und internationale Steuersysteme und -normen. Sie ←5 | 6→ist damit „unabdingbare Voraussetzung“24 jedweder wissenschaftlichen Untersuchung grenzüberschreitender steuerrechtlicher Sachverhalte.25
Ausgehend von der durch die Steuersystemlehre erfolgten Wissensvermittlung hat die (2) Steuerwirkungslehre das Ziel, die Konsequenzen der Besteuerung auf die unternehmerischen Entscheidungen und das Verhalten von Steuerpflichtigen sowie auf Wettbewerbsprozesse zu untersuchen und offenzulegen (sog. Steuerwirkungen).26 Unter Konsequenzen der Besteuerung sind hierbei die „Differenzen von Steuerzahlungen, die sich aus betrieblichen Entscheidungen bei vorgegebenen Steuerrechtsfolgen ableiten lassen“27, zu verstehen. Mit diesen Erkenntnissen rechtfertigt die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre ihre Erklärungsaufgabe als Teil der betriebswirtschaftlichen Forschung.28
Die (3) betriebswirtschaftliche Steuerplanung unterscheidet sich nicht von den sonstigen Grundsätzen betriebswirtschaftlicher Planung und ist somit als Teilbereich der betriebswirtschaftlichen Unternehmensplanung zu verstehen.29 Steuerplanung im Allgemeinen umfasst demnach alle zielgerichteten Überlegungen, „die das Umweltdatum ‚Steuerrecht‘ betreffen.“30 Der Zweck dieser Überlegungen besteht u.a.31 in der Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen für Unternehmen. Das Ziel grenzüberschreitender Steuerplanung im Speziellen besteht darin, „Doppelbesteuerungen zu vermeiden und die Gesamtsteuerbelastung des Auslandsengagements zu reduzieren. Grundsätzlich steht es dem Steuerpflichtigen auch bei einer grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung frei, eine Gestaltung zu entwickeln, die für ihn günstig ist.“32 ←6 | 7→Steuerplanung vollzieht sich auf der Mikroebene in der steuerlichen Gestaltung einzelner Sachverhalte, so dass die Steuergestaltung als Ausfluss der Steuerplanung zu verstehen ist.33 Hierdurch rechtfertigt die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre ihre Gestaltungsaufgabe als Teil der betriebswirtschaftlichen Forschung.34 Diese Gestaltungsaufgabe ist nach Jacobs35 „nicht moralisch fragwürdig oder gar illegitim“.
Details
- Seiten
- XXVIII, 340
- Erscheinungsjahr
- 2019
- ISBN (PDF)
- 9783631781388
- ISBN (ePUB)
- 9783631781395
- ISBN (MOBI)
- 9783631781401
- ISBN (Hardcover)
- 9783631780428
- DOI
- 10.3726/b15260
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2019 (Februar)
- Schlagworte
- Entstrickungsbesteuerung Wegzug Betriebsstätte Betriebsaufspaltung Stille Reserven
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. XXVIII, 337 S., 4 s/w Abb.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG