Resilienz
Stadt und Region – Reallabore der resilienzorientierten Transformation
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Altrock / Kegler - Editorial zur Buchreihe „Stadtentwicklung“
- Ulf Hahne & Harald Kegler - Vorwort
- Abstracts
- Teil A: Die Resilienzdebatte
- Harald Kegler - Eine Schwelle im Anthropozän: Vom Wachstum zur Resilienz, Anregungen für ein räumliches Lernprogramm zur resilienten Stadtgesellschaft aus historisch-strategischer Perspektive [1]
- Ulf Hahne - Resilienz als normative Herausforderung lokaler Transformationspolitik [2]
- Karl-Heinz Simon - Sozial-Ökologische Forschung und nicht-triviale Systemtransformation [3]
- Teil B: Ein Ansatz der Reallabore
- Marius Albiez, Sarah Meyer-Soylu, Oliver Parodi, Colette Waitz - Das „Quartier Zukunft – Labor Stadt“: ein reales Reallabor [4]
- Thies Schröder - Event im Reallabor: FERROPOLIS und die Energieavantgarde Anhalt [5]
- Peter Jakubowski - Resiliente Stadtentwicklung – Modellvorhaben können helfen [6]
- Karoline Augenstein, Hans Haake, Alexandra Palzkill, Uwe Schneidewind, Mandy Singer-Brodowski, Franziska Stelzer, Matthias Wanner - Von der Stadt zum urbanen Reallabor – eine Einführung am Beispiel des Reallabors Wuppertal [7]
- Autorenverzeichnis
zur Reihe „Stadtentwicklung“ und dem Auftaktband „Resilienz“
Stadtentwicklung ist ein Schlüssel zur sozialen und räumlichen Zukunftsgestaltung menschlicher Gesellschaften. Das 21. Jahrhundert wird als das „Jahrhundert der Städte“ bezeichnet. Die Städte eröffnen Chancen, stellen aber zugleich Problemgebiete dar – sie sind besonders anfällig gegenüber Störungen. Die Herausforderungen, die sich hieraus für die Organisation unserer Städte ergeben, sind riesig. Ihre Bewältigung und die nachhaltige, resilienzorientierte Ausgestaltung des städtischen Lebens ist auf interdisziplinäre Anstrengungen unter Einbeziehung unterschiedlichster Zugänge aus Ökonomie, Soziologie, Politikwissenschaften, Umwelt- und Naturwissenschaften, Architektur, Stadtplanung, Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologie angewiesen. In dem breiten Feld öffentlicher Aufgaben, die vom Städtebau über technische und soziale Infrastrukturen bis zur politischen Steuerung eines Gemeinwesens durch Institutionen und Initiativen reichen, vereinen sich Visionen für ein Zusammenleben mit praktischen Fragen seiner Ausgestaltung.
Die Buchreihe „Stadtentwicklung“ nähert sich diesen Herausforderungen in Form von Sammelbänden und Monografien mit jährlich übergreifenden Themen an. Neben den Sichten auf die Stadtentwicklung aus der deutschen Forschung rückt sie auch internationale Erkenntnisse in das Blickfeld. Unter den erheblich gewandelten Rahmenbedingungen und neuen Erkenntnissen zu globalen Entwicklungen stellt die Buchreihe eine Wiederaufnahme, Fortentwicklung und Neuinterpretation der von Udo Ernst Simonis zwischen 1979 und 2003 herausgegebenen Vorgänger-Reihe „Beiträge zur kommunalen und regionalen Planung“ dar. Sie möchte ein Forum für den Diskurs zwischen Wissenschaftlern bieten, die sich aus unterschiedlichen Fachrichtungen mit Städten auseinandersetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei übergreifende Perspektiven, die zentrale Zukunftsthemen ins Blickfeld rücken und Brücken zwischen häufig unverbundenen Erkenntnisbereichen schlagen. Mit dem Thema „Resilienz“ soll der Anfang dieser Reihe gemacht werden. Damit wird kein traditionelles Städtebau-Thema gewählt, sondern eines, das gerade dabei ist, für die Stadtentwicklung erschlossen zu werden. Vor diesem Hintergrund richtet sie sich an alle Forscherinnen und Forscher sowie an sämtliche Praktiker, die sich mit Wesen, Entwicklung und Gestaltung urbaner Lebensräume befassen.
Resilienz und Reallabore
Der immer deutlicher werdende planetare Wandel erfordert tiefgreifende Änderungen in Lebensstilen, Wirtschaftsweisen und Regulation auf globaler, nationaler und lokaler Ebene. Die notwendig erscheinende große Transformation wird jedoch nicht allein durch weltweite Übereinkommen zu erreichen sein, sondern wird von Konflikten gekennzeichnet sein und in starkem Maße getragen werden vom Beitrag der vielen kleinen und experimentellen Schritte vor Ort. Krisenumgang und Resilienz gewinnen daher als Elemente der postfossilen Transformation einen zunehmenden Stellenwert sowohl in der fachlichen Debatte um die Zukunft der Stadtregion als auch in der Praxis der Stadtentwicklung.
Vor diesem Hintergrund denkbare Wege in eine lebbare Zukunft zu gehen, wird von den Autorinnen und Autoren dieses Bandes als zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert betrachtet. Erfolgreiche Stadtentwicklung bedeutet heute, in Eigenverantwortung Beiträge zur postfossilen Transformation zu entwickeln und potentielle Krisenereignisse als Zukunftsherausforderungen wahrzunehmen. Entscheidend für die Zukunft ist die grundlegende Richtungsänderung, nicht erst die multiple Krise eintreten zu lassen und dann darauf zu reagieren, sondern einen umfassenden Umbau durch Einsicht und Voraussicht einzuleiten. Doch wie kann man sich wappnen gegen bekannte und unbekannte Risiken? Wie kann dies zugleich nach außen und innen gerecht und fair geschehen, wo erzeugt Resilienz eventuell neue Verlierer? Obschon noch keine allgemein akzeptierte theoretische Grundlage vorliegt, werden bereits erste Reallabore dieser urbanen Transformation für eine neu definierte Ära, das Anthropozän ausgerufen. Daher wird es Zeit, in diesem Stadium der wissenschaftlichen und praktischen Erkundung Orientierungen zu vermitteln. Dies möchte der vorliegende Band leisten, indem er das aktuelle Spektrum der Debatte um den Resilienzbegriff umreißt und Anregungen zur Weiterentwicklung von Theorie und Praxis zu geben versucht. Es handelt sich somit um eine erste systematische Zwischenbilanz in der breiten Debatte um urbane Resilienz und Reallabore.
Bemerkenswert ist, wie rasch sich die Begriffe Resilienz und Reallabore – und durchaus in dieser Verknüpfung – auch im deutschen Sprachraum und in der Praxis der hiesigen Stadt- und Regionalentwicklung verbreitet haben. Ein wenig ← 9 | 10 → beschleicht die Akteure das mulmige Gefühl, dass derzeit jegliche Art von Stadtentwicklungspraxis zugleich als „Reallabor“ bezeichnet werden kann und jede Aktivität zur Resilienzerhöhung beitragen könne. Umso wichtiger erscheint es uns, die theoretischen Anforderungen an Resilienz zu präzisieren und den Stand herausgehobener Praxisansätze von Laboratorien nachzuprüfen. Der Band liefert somit eine Vertiefung und Erweiterung der theoretischen Aspekte und einen aktuellen Blick auf exemplarische Praktiken.
Ausgangspunkt für diesen Band war ein Symposium zum Thema „Stadt und Region – Reallabore der resilienzorientierten Transformation“ im Sommer 2014 an der Universität Kassel, Institut für urbane Entwicklungen. Die Universität Kassel hatte die Partner der NaWis-Runde, eines Zusammenschlusses von vier Institutionen für eine „Nachhaltige Wissenschaft“ (Universität Kassel, Wuppertal Institut, Universität Lüneburg und Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam), eingeladen, als Inspiratoren ihre Positionen zu Resilienz und Reallaboren zu erörterten. In den abschließenden gemeinsamen Thesen fassten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Debatte zusammen, deren Fokus lautete: „Wird Resilienz als dynamisches urbanes Entwicklungskonzept betrachtet, erscheint die Nutzung von Reallabor-Settings auf verschiedenen Ebenen für die Forschung als besonders erfolgversprechend. Dies gilt auf verschiedenen Ebenen, vom Stadtteil bis zur Region.“ (These 7, in: GAIA 23/3 [2014], S. 285)1
Gerade weil es eine Vielzahl von konkreten Erfahrungen mit Werkstätten zum Umbau der Städte gibt, stellt sich die Frage, wie diese Erfahrungen fruchtbar gemacht werden für den „Transformational Turn“. Die Universität Kassel verfügt über ein breites Reservoir an aggregierten Erkenntnissen zu Stadtumbau und Regionalentwicklung aus verschiedenen Zusammenhängen – vom Quartier bis zur Region, aus Schrumpfungsgebieten bis zu internationalen Wachstumsinseln. Dabei spielen räumliche Experimente und die Suche nach konkreten Lösungen im stadt-regionalen Kontext eine besondere Rolle. Die gewonnenen Erkenntnisse im raumplanerischen Umgang mit dem demografischen Wandel der letzten Jahre stehen dafür prototypisch. All diese gesammelten Erfahrungen verknüpfen wissenschaftliche Beobachtung mit dem Implementieren von Erneuerungsprozessen und deren wissenschaftliche Reflexion als Zyklus, der Reallaboren eigen ist. ← 10 | 11 →
Für die Transformationsanforderungen, denen sich diese Labore zuwenden, gewinnt Resilienz zunehmend eine Schlüsselbedeutung, wie die im vorliegenden Buch vorgestellten Beispiele zeigen. Die Stadtregionen sehen sich verstärkt mit den Folgen von klimatischen Wandlungen, demografischen, sozialen oder ökonomischen Verwerfungen konfrontiert. Eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit muss, so die Einschätzung der Autorinnen und Autoren dieses Bandes, den „Umweg“ über die Resilienz gehen, will sie nicht letztlich auch die Existenz riskieren. Die leitende Frage lautete demnach: Inwieweit kann die Transformation der Stadtgesellschaft zur Erhöhung ihrer Resilienz, also ihrer Selbsterneuerungsfähigkeit, beitragen und welche Rolle kann Wissenschaft hierbei übernehmen? Mit dem Symposium sollte zunächst bilanziert werden, wo die Forschung und Praxis zur Resilienz und Transformation von Städten und Regionen stehen, um dann über zukünftige Aufgaben und ein systematisches Implementieren von resilienzorientierten Reallaboren und der Erforschung ihres Wirkens eine Diskussion einzuleiten. Mit dem jetzt vorliegenden Buch wird diese Debatte einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
Für die Publikation haben Referentinnen und Referenten ihre Beiträge aufbereitet und weiterentwickelt. Dabei zeigt sich, dass die Diskussion um die Resilienz im Kontext der Stadtentwicklung viel inhaltliche Nähe gibt, jedoch auch Nuancen in der Definition von Resilienz, der Reichweite der Aussagen zur Transformation und den Möglichkeiten einer Implementierung von Resilienz in die Praxis der Stadtentwicklung. Diese Positionen will der Band bewusst zeigen, was zwangsläufig auch zu beabsichtigten Überschneidungen führt. Die Beiträge bilden jedoch nicht nur das Symposium ab. Vielmehr wurde eine Erweiterung des Diskursrahmens, der sich gerade in jüngerer Zeit immer mehr verdeutlichte, vorgenommen und daraufhin die Auswahl und Struktur der Beiträge neu justiert. Dabei kommt der Verortung der Resilienzfrage innerhalb des Anthropozänkonzeptes ein neuer Stellenwert zu. So wurde der Band zweigeteilt. Im ersten Teil des Buches rückt die „Resilienzdebatte“ aus wissenschaftlicher und theoretischer Sicht in den Mittelpunkt, während der zweite Abschnitt dem Thema „Reallabore“ gewidmet ist. Es zeigte sich, dass hier wichtige Impulse für eine Grundlegung von Stadtentwicklung zu erwarten sind, die auch neue Praktiken in der Transformation versprechen.
Im Abschnitt „Resilienzdebatte“ finden sich drei Beiträge, welche die Theoriedebatte in verschiedener Richtung erweitern und anschlussfähig machen wollen:
Der Beitrag von Kegler macht deutlich: Resilienz ist mehr als Krisenbewältigung; es geht um grundlegende gesellschaftliche Fragen, die in ihrer politisch-ökonomischen und historischen Dimension betrachtet werden. Daraus leiten sich erste Verallgemeinerungen und praktische Schritte ab für eine urbane/regionale Resilienzstrategie. ← 11 | 12 →
Details
- Pages
- 198
- Publication Year
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783653066579
- ISBN (MOBI)
- 9783653951400
- ISBN (ePUB)
- 9783653951417
- ISBN (Hardcover)
- 9783631671818
- DOI
- 10.3726/978-3-653-06657-9
- Language
- German
- Publication date
- 2016 (April)
- Keywords
- Stadtstrategien Klimaanpassung Systemtheorie Experimente
- Published
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 198 S., 11 s/w Abb., 4 Tab., 11 Graf.