Die Lizenzkette
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- § 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
- I. Einleitung
- II. Gang der Untersuchung
- § 2 Problemaufriss und Lösungsansätze
- I. Überblick über die spezifischen Probleme der Lizenzkette
- II. Die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
- III. Wirtschaftliche Hintergründe und Interessenlage
- 1. Die vermeintliche Interessenlage
- 2. Überprüfung der Interessenlage durch Praxisbeispiele
- a) Beispiel einer Lizenzkette aus der Sicht des Urhebers
- b) Lizenzkette aus der Sicht eines Rechteverwerters
- 3. Kritik an der Problemlösung durch abstrakte Interessenabwägung
- 4. Zwischenergebnis
- IV. Dogmatische Lösungsansätze und Konsistenz
- 1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für eine dingliche Lösung
- 2. Verbleibende Fragen und neue Widersprüche
- 3. Zwischenergebnis
- § 3 Die Lizenz als dingliches Recht
- I. Der Begriff der Dinglichkeit im Lizenzrecht
- II. Überblick über den Meinungsstand
- III. Die Lizenz erster Stufe als dingliches Recht
- 1. Das Fehlen gesetzlicher Regelungen
- 2. Forkels Theorie der gebundenen Rechtsübertragungen
- 3. Sachenrechtliche Ableitung
- 4. Übertragung der Ergebnisse auf das Urheberrecht
- a) Übertragung
- b) Mögliche Argumente gegen die Übertragung sachenrechtlicher Grundsätze
- c) Zwischenergebnis
- 5. Konsequenzen der Dinglichkeit
- a) Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips im Urheberrecht
- b) Das eigene Abwehrrecht des einfachen Lizenznehmers
- c) Die Lizenz in der Insolvenz
- d) Zwischenergebnis
- IV. Das Verhältnis mehrerer Lizenzen zueinander
- 1. Gesetzliche Regelungen
- 2. Kollisionsfälle bei mehreren Lizenzen
- 3. Auflösung der Kollision durch das Rangprinzip
- a) Anwendung des Rangprinzips im Urheberrecht
- b) Die Ausgestaltung des Rangprinzips
- 4. Ergebnis
- V. Die Lizenzkette in einem dinglichen Rechtssystem
- 1. Gesetzliche Regelungen
- 2. Überblick über den Meinungsstand
- 3. Die Unterlizenz als Belastung der Hauptlizenz
- a) Dogmatische Struktur der Lizenzkette nach der herrschenden Meinung
- b) Die Befugnis zur Einräumung von Unterlizenzen
- c) Der Inhalt der Unterlizenz
- d) Das Erlöschen der Unterlizenz
- e) Erlöschen der Hauptlizenz
- f) Zwischenergebnis
- 4. Die Unterlizenz als direkte Belastung des Urheberrechts
- a) Einräumung der Unterlizenz
- b) Das Verhältnis von Haupt- und Unterlizenz
- c) Das Erlöschen der Unterlizenz
- d) Erlöschen der Hauptlizenz
- e) Einräumung einer die Hauptlizenz überschreitenden Unterlizenz
- f) Einräumung mehrerer Unterlizenzen durch den Hauptlizenznehmer
- 5. Ergebnis
- § 4 Der Lizenzvertrag in der Lizenzkette
- I. Die schuldrechtliche Behandlung des Lizenzvertrags
- 1. Überblick über den Meinungsstand
- 2. Zivilrechtliche Einordnung des Lizenzvertrags
- a) Berücksichtigung der Vielgestaltigkeit von Lizenzverträgen
- b) Versuch der Reduktion auf die Grundlagen des Lizenzvertrags
- c) Gewährleistungsrechte
- 3. Ergebnis
- II. Der Lizenzvertrag in der Lizenzkette
- 1. Vertragsverhältnisse in einer intakten Lizenzkette
- a) Keine Drittwirkung von vertraglichen Ausübungsregelungen
- b) Keine Pflichten des Urhebers gegenüber dem Unterlizenznehmer
- c) Angemessene Beteiligung des Urhebers an den Verwertungserlösen
- d) Zwischenergebnis
- 2. Der Bruch am Ende der Lizenzkette
- a) Das Erlöschen der Unterlizenz unabhängig vom Hauptlizenzvertrag
- b) Erlöschen des Unterlizenzvertrags unabhängig von der Unterlizenz
- 3. Der Bruch in der Mitte der Lizenzkette
- a) Der Bruch in der schuldrechtlichen Lizenzkette
- b) Die Behandlung des Bruchs in der Lizenzkette
- 4. Ergebnis
- § 5 Weitere spezifische Probleme der Lizenzkette
- I. Die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Dritten
- II. Insolvenzrechtliche Behandlung der Lizenzkette
- 1. Grundproblematik
- 2. Die Sonderregelung im Referentenentwurf 2012
- 3. Die insolvenzrechtliche Behandlung der Lizenzkette nach geltendem Recht
- a) Die Insolvenz des Urhebers
- b) Die Insolvenz des Unterlizenznehmers
- c) Die Insolvenz des Hauptlizenznehmers
- 4. Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda
- 5. Ergebnis
- § 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
- Literaturverzeichnis
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§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
Der Begriff der „Lizenzkette“, welcher mit der Urheberrechtsreform im Jahr 2002 erstmals Erwähnung im Urheberrechtsgesetz gefunden hat1, bezeichnet ein Geflecht von Rechtsbeziehungen mehrerer Beteiligter auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts, bei welchem über mehrere Stufen Lizenzen eingeräumt werden. Gegenstand dieser Lizenzen sind Nutzungsrechte an immaterialgüterrechtlich geschützten Gütern, etwa einem urheberrechtlichen Werk, einer patentierten Erfindung oder einer Marke.
Bereits bei der Lizenzierung auf der ersten Stufe zwischen dem Inhaber des Vollrechts und dem Hauptlizenznehmer besteht für die Beteiligten eine erhebliche Zahl an Gestaltungsmöglichkeiten. Dies liegt zum einen an der recht großen Auswahl unterschiedlicher Lizenzarten. So können Lizenzen als einfache, nicht-exklusive Lizenzen oder als ausschließliche Exklusivlizenzen, jeweils mit diversen Unterformen, erteilt werden2. Zum anderen ist es den Beteiligten in gewissen Grenzen möglich, sowohl den Inhalt der Lizenz zu gestalten als auch durch Abreden im Lizenzvertrag die Ausübung der Nutzung durch den Lizenznehmer sowie die Pflichten des Lizenzgebers zu regeln3.
In der Lizenzkette wird das lizenzrechtliche Beziehungsgeflecht um mindestens einen zusätzlichen Beteiligten, den Unterlizenznehmer, erweitert. In der einfachsten Ausformung schließt sich dabei an das Verhältnis zwischen Vollrechtsinhaber und Hauptlizenznehmer ein zweites Lizenzverhältnis zwischen Hauptlizenznehmer und Unterlizenznehmer an. Während diese Konstellation bekannten Kettenstrukturen aus anderen Rechtsgebieten wie der kaufrechtlichen Lieferkette oder der Untermiete ähnelt4, stellen sich Lizenzketten in der ← 11 | 12 → Praxis häufig als wesentlich komplexere Rechtsgebilde dar. Zum einen schafft die Hinzunahme weiterer Lizenznehmer für die Beteiligten die Möglichkeit, verschiedene Lizenzen und Lizenztypen miteinander zu kombinieren – denn die Lizenzen auf den jeweiligen Stufen müssen sich keinesfalls stets entsprechen. So ist es ohne Weiteres möglich und auch üblich, dass der Vollrechtsinhaber dem Hauptlizenznehmer eine ausschließliche Lizenz gewährt, während der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer lediglich eine einfache, nicht-exklusive Lizenz oder eine auf eine bestimmte Nutzungsart beschränkte Exklusivlizenz einräumt. Zum anderen erlaubt die Ubiquität der Immaterialgüterrechte nicht lediglich mehrstufige Lizenzverhältnisse mit drei Beteiligten. Vielmehr stellen Lizenzketten gerade im Urheberrecht häufig komplizierte Strukturen aus gestuften und parallelen Lizenzverhältnissen dar, im Rahmen derer eine Vielzahl von Lizenznehmern mit der Verwertung eines einzigen Werks befasst ist5.
Wie bei Kettenstrukturen üblich schafft die Hinzunahme weiterer Beteiligter im Vergleich zur einstufigen Lizenz eine Reihe neuer Probleme, die sich insbesondere aus dem Verhältnis der Beteiligten auf den verschiedenen Stufen der Lizenzkette ergibt. Prominentestes Beispiel ist dabei die hoch umstrittene Frage des Fortbestands der Unterlizenz im Fall des Erlöschens der Hauptlizenz6, zu welcher in den letzten Jahren gleich drei höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind7. Weitere Probleme bestehen in der angemessenen Beteiligung des Vollrechtsinhabers an den durch die verschiedenen Lizenznehmer erwirtschafteten Verwertungserlösen, die Durchsetzung von Rechten innerhalb der Lizenzkette sowie gegenüber Dritten und nicht zuletzt die Auswirkungen der Insolvenz eines der Beteiligten auf die übrigen Beteiligten der Lizenzkette.
Diese Probleme hat der Gesetzgeber zwar vielfach erkannt, allerdings bislang lediglich teilweise einer Regelung zugeführt8. Angesichts der vom Gesetzgeber ← 12 | 13 → angekündigten und von der Literatur wiederholt eingeforderten9, jedoch nie erfolgten, umfassenden Regelung eines Lizenz- und Lizenzvertragsrechts verwundert es nicht, dass es sich bei diesen Regelungen häufig um partikulare Bestimmungen zur Behebung spezifischer Probleme handelt, deren konkreter Aussagegehalt oft ebenso fraglich bleibt10 wie die dogmatische Stimmigkeit, mit welcher sich die Regelung in den Kontext des Lizenzsystems einfügt11. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass über die dogmatische Behandlung der Lizenzen trotz jahrzehntelanger Diskussion bislang keine Einigkeit erzielt werden konnte12. Die Folge ist neben anhaltendem Streit über so grundlegende Fragen wie die Rechtsnatur der Lizenz eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Arbeit mit Lizenzen in der Praxis13.
An dieser Stelle besteht für die vorliegende Bearbeitung ein gewisses Dilemma. Macht es überhaupt Sinn, die Lizenzkette und deren spezifische Probleme zu untersuchen, wenn noch nicht einmal auf der ersten Lizenzstufe die grundlegenden Fragen vollständig beantwortet sind? Falls ja, wie können diese Fragen geklärt werden, ohne den Blick auf das eigentliche Thema der Untersuchung zu verlieren? Was zunächst als Problem erscheint, lässt sich jedoch durchaus als Chance betrachten, ein bereits viel bearbeitetes Rechtsgebiet aus einem etwas anderen Blickwinkel zu beleuchten. Denn die Hinzunahme weiterer Beteiligter stellt eine Reihe von Herausforderungen für das Lizenzsystem, welche im Rahmen eines rein zweipoligen Verhältnisses nicht oder nur in abgewandelter Art und Weise offenbar werden. So stellt sich bei der Beurteilung des Verhältnisses ← 13 | 14 → zwischen Haupt- und Unterlizenz eine Reihe von Fragen nach der konkreten Rechtsnatur der Lizenzen, die im Lizenzverhältnis der ersten Stufe kaum relevant und deshalb häufig nicht weiter thematisiert werden. Wie muss etwa eine Unterlizenz beschaffen sein, um – entsprechend der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung – unabhängig von der Hauptlizenz fortbestehen zu können14? Kann es überhaupt eine Rechtsposition geben, die einerseits konstitutiv durch den Lizenzgeber geschaffen wird, die andererseits von dessen eigener Rechtsposition gleichsam unabhängig ist15? Wenn ja, welche Rechte verbleiben in diesem Fall dem Hauptlizenznehmer nach Einräumung der Unterlizenz?
Wie relevant bei der Lösung dieser Probleme die Frage nach den dogmatischen Grundlagen der Lizenz und des Lizenzvertrags ist, veranschaulicht die Entscheidung „Reifen Progressiv“ des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 200916. In der ersten der drei aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen zur Lizenzkette warf der Bundesgerichtshof gleich eine ganze Reihe grundlegender Fragestellungen, namentlich zur Rechtsnatur der Lizenz, zur Charakteristik des Lizenzvertrags sowie zu dessen Verhältnis zur Lizenz bis hin zur Anwendung des Abstraktionsprinzips im Urheberrecht auf, die in ihrer Bedeutung weit über die konkrete Fragestellung hinaus gehen. In der Folgeentscheidung „M2Trade“ wurde schließlich – unter ausdrücklicher Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs17 – das Abstraktionsprinzip gleich für das gesamte Immaterialgüterrecht aufgegeben18.
Die Behandlung derartiger Fragestellungen im Wege von Rückschlüssen und Folgerungen aus der Sonderkonstellation der Lizenzkette ist freilich nur dann möglich, wenn innerhalb eines koheränten dogmatischen Systems gearbeitet wird. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die gefundene Lösung zwar für die konkret behandelte Konstellation zu überzeugen vermag, dadurch allerdings an anderer Stelle Ungereimtheiten und Widersprüche entstehen und somit entweder eine bloße Verlagerung des Problems erfolgt oder schlimmer noch ein unstimmiges und unberechenbares Rechtssystem entsteht. So ist es nur folgerichtig, wenn die im Zusammenhang mit der Lizenzkette getroffenen Aussagen des Bundesgerichtshofs zur Lösung weiterer Rechtsfragen wie etwa der Insolvenzfestigkeit der ← 14 | 15 → Lizenzen herangezogen werden19. Auch wenn Kritik an der Allgemeinheit der Aussagen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Reifen Progressiv“20 angesichts der teilweise doch überraschenden Knappheit der Argumentation nicht ganz unberechtigt sein mag, so scheint es doch letztlich unumgänglich, die Probleme der Lizenzkette nicht isoliert zu betrachten, sondern diese im Rahmen eines koheränten Lizenzsystems nach einheitlichen Regeln zu behandeln.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, ausgehend von den höchstrichterlichen Entscheidungen zur Lizenzkette ein dogmatisch stimmiges System der Lizenzkette und damit auch der Lizenzen erster Stufe zu erarbeiten und die dabei aufgeworfenen Fragestellungen zu Ende zu denken. Dass dabei in einigen zentralen Punkten Ergebnisse erzielt werden, die dem Ansatz der oft eher einzelfallorientierten herrschenden Meinung widersprechen, darf dabei nicht überraschen. Ebenso mag eine konsequente Umsetzung der erarbeiteten Grundsätze zwar in einigen Fällen zu einleuchtenden, jedoch nicht notwendigerweise zu praxisgerechten Ergebnissen führen. Auch dies gilt es indes hinzunehmen. Das Aufzeigen der auf Basis des geltenden Rechts nicht zu lösenden Probleme dient – sofern der Lösungsansatz deshalb nicht insgesamt verworfen wird – vielmehr dazu, Defizite aufzudecken, welche ggf. durch gesetzliche Regelungen einer systemkonformen Lösung zugeführt werden können.
Die vorliegende Bearbeitung soll sich aus mehreren Gründen auf das Urheberrecht konzentrieren. Zunächst ist festzustellen, dass gerade im Urheberrecht Lizenzketten in besonders starkem Maße auftreten und – im Gegensatz etwa zum Patent- oder Markenrecht – für einzelne Bereiche sogar den Regelfall bei der Rechteverwertung darstellen21. Dementsprechend bestehen im Urheberrecht ein deutlich erhöhtes Praxisbedürfnis an entsprechenden Regelungen sowie ein verhältnismäßig großer Fundus an Entscheidungen, Literatur und Musterverträgen zur Unterlizenz, aus dem für die Bearbeitung geschöpft werden kann. Weiterhin finden sich bei aller Kritik an der geringen Regelungsdichte im Urheberrecht im Vergleich zu den übrigen Bereichen des Immaterialgüterrechts immer noch mit Abstand die meisten Regelungen zum Lizenzrecht, darunter vereinzelt sogar Bestimmungen zur Unterlizenz. Schließlich kann der Bearbeiter aufgrund längerfristiger Tätigkeit in diversen Musikverlagen und Plattenfirmen auf eigene Praxiserfahrungen zurückgreifen und für die Bearbeitung gerade aus diesem Bereich Beispiele und Lösungsansätze aus der Praxis beisteuern. ← 15 | 16 →
Die Konzentration auf das Urheberrecht soll dabei jedoch keineswegs eine Absage an schutzrechtsübergreifende Ansätze darstellen, welche eine Vereinheitlichung der Grundprinzipien für sämtliche Bereiche des Immaterialgüterrechts anstreben22. Vielmehr soll bei der Bearbeitung Wert darauf gelegt werden, ein dogmatisches Konzept der Lizenzkette zu entwickeln, welches an den Regelungen des bürgerlichen Rechts ausgerichtet ist und nicht auf den besonderen Bestimmungen des Urheberrechts ruht. Die urheberrechtlichen Sonderregelungen sollen vielmehr der Lösung spezifischer urheberrechtlicher Probleme vorbehalten bleiben, die in den übrigen Bereichen des Immaterialgüterrechts nicht auftreten. Dadurch wird es erleichtert, das erarbeitete Konzept in seinen Grundstrukturen auf die übrigen Bereiche des Immaterialgüterrechts zu übertragen, um dieses sodann durch die dortigen Sonderregelungen entsprechend anzupassen.
Die Untersuchung beginnt mit einem kurzen Problemaufriss und einem Überblick über die wesentlichen Fragestellungen mehrstufiger Lizenzverhältnisse, gefolgt von einer Darstellung der aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen zur Lizenzkette und dem spezifischen Problem des Fortbestands der Unterlizenz beim Erlöschen der Hauptlizenz. Da gerade diese Problematik sowohl in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs als auch der übrigen Rechtsprechung und Lehre vielfach unter Rückgriff auf eine (abstrakte) Interessenabwägung gelöst wird, soll im Anschluss die oft postulierte Interessenlage der Beteiligten anhand mehrerer Praxisbeispiele sowohl aus der Sicht des Urhebers als auch aus der Sicht der Lizenznehmer überprüft und hinterfragt werden. Dabei werden auch die Unterschiede zwischen der im Rahmen akademischer Betrachtungen häufig dargestellten vereinfachten Lizenzkette mit nur drei Beteiligten und den in der Praxis regelmäßig auftretenden komplexen Lizenzstrukturen herausgestellt. Sodann werden die höchstrichterlichen Entscheidungen zur Lizenzkette aus dogmatischem Blickwinkel betrachtet, wobei zum einen versucht wird, die vom Bundesgerichtshof gefundene Lösung einem rechtlichen Grundkonzept zuzuordnen, zum anderen die sich dabei ergebenden Fragen und Widersprüche aufgezeigt werden. ← 16 | 17 →
Im nächsten Abschnitt soll sodann ausgehend von der in der „Reifen Progressiv“ Entscheidung aufgestellten Prämisse, bei einfachen und ausschließlichen Lizenzen handele es sich um dingliche Rechte, ein Konzept für ein koheräntes, auf den Grundsätzen des bürgerlichen Sachenrechts basierendes Rechtssystem sowohl für die Lizenz erster Stufe als auch für die Lizenzkette herausgearbeitet werden. Dabei wird zunächst das Verhältnis von Vollrecht und dinglichen Belastungen im Sachenrecht erörtert und sodann überprüft, ob und inwieweit sich die gefundenen Ergebnisse auf das Immaterialgüterrecht und speziell das Urheberrecht übertragen lassen. Weiterhin wird anhand der viel diskutierten Fragestellungen der Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips, der Abwehrbefugnis des einfachen Lizenznehmers sowie der Insolvenzfestigkeit der Lizenzen aufgezeigt, welche Konsequenzen und Abweichungen zur gegenwärtig herrschenden Meinung sich durch die konsequente Anwendung dinglicher Grundsätze für das Lizenzrecht ergeben.
Die folgende Untersuchung des Verhältnisses mehrerer gleichstufiger Lizenzen zueinander stellt einen Zwischenschritt für die sich anschließende Betrachtung der Lizenzkette auf Grundlage eines dinglichen Rechtssystems dar. Dabei soll anhand verschiedener Aspekte und Problemstellungen gezeigt werden, dass das herrschende Verständnis des Verhältnisses von Vollrecht, Lizenz und Unterlizenz als Kette voneinander abgeleiteter dinglicher Rechte erhebliche Inkonsistenzen aufweist und sich die Erkenntnisse zum Verhältnis zwischen Vollrechtsinhaber und Hauptlizenznehmer nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen Haupt- und Unterlizenznehmer übertragen lassen. Vielmehr gilt es, für die Lizenzkette auf Grundlage der zur Lizenz erster Stufe gefundenen Ergebnisse ein Modell zu entwickeln, welches das Verhältnis der verschiedenen Rechtspositionen zueinander neu definiert.
Der anschließende Abschnitt befasst sich mit den vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette als Korrelat zur dinglichen Lizenz. Zunächst soll dabei versucht werden, den Lizenzvertrag in der Vertragstypologie des bürgerlichen Rechts zu verorten. In diesem Zusammenhang wird insbesondere das Verhältnis zwischen der dinglichen Lizenz und dem Lizenzvertrag thematisiert und die allgemeine Annahme des Lizenzvertrags als Dauerschuldverhältnis kritisch hinterfragt. Anhand der so gefundenen Ergebnisse wird die vertragliche Struktur der Lizenzkette betrachtet, wobei sowohl für die „funktionierende“ als auch für die „gestörte“ Lizenzkette auftretende Probleme und Lösungen diskutiert werden. Dabei sollen auch verbleibende Defizite der erarbeiteten Lösung nicht verschwiegen, sondern vielmehr entsprechende Regelungsvorschläge gemacht werden.
Den letzten Teil der Bearbeitung bildet eine Betrachtung spezifischer Probleme der Lizenzkette, namentlich des Verhältnisses der Abwehrbefugnisse durch ← 17 | 18 → die verschiedenen Lizenznehmer sowie der Auswirkungen der Insolvenz eines der Beteiligten auf die Lizenzkette, wobei auch der mittlerweile wohl wieder verworfene Referentenentwurf zur Regelung der Insolvenz in der Lizenzkette kritisch betrachtet wird.
Die Bearbeitung schließt mit einer Darstellung der wesentlichen Ergebnisse.
1 § 32a Abs. 2 S. 1 UrhG lautet: „Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette.“
2 Vgl. die Regelungen in § 31 Abs. 2, Abs. 3 UrhG. § 29 Abs. 2 UrhG nennt darüber hinaus „schuldrechtliche Einwilligungen und Vereinbarungen zu Verwertungsrechten“.
3 Vgl. Schricker/Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Vor § 28 Rn. 85 ff.; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, § 31 Rn. 46 ff.
4 Zu Parallelen von Unterlizenz und Untermiete vgl. bereits Troller, GRUR Ausl 1952, 108, 117.
5 Vgl. die beispielhafte Aufzählung bei W. Nordemann, GRUR 1970, 174; auch Wente/Härle, GRUR 1997, 96, Fn. 1 sowie die Praxisbeispiele unter § 2 III. 2.
6 Vgl. der Überblick über den Streitstand bei Schricker/Loewenheim in Schricker/Loewenheim, § 35 Rn. 22 ff., ausführlich unter § 3 V. 3. f).
7 BGH, GRUR 2009, 946 ff. – Refine Progressive; GRUR 2012, 914 ff. – Take Five; GRUR 2012, 916 ff. – M2Trade.
8 So etwa durch die Einführung des § 32a Abs. 2 UrhG zur Sicherstellung der angemessenen Vergütung des Urhebers bei der Rechteverwertung in der Lizenzkette. Die durch die geplante Einführung des § 108a Abs. 2 InsO avisierte Regelung zur Behandlung von Lizenzketten im Referentenentwurf des BMJ vom 23.01.2012 wurde dagegen vorerst nicht umgesetzt. Die Frage des Fortbestands der Unterlizenzen bei Erlöschen der Hauptlizenz hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung zur Klärung überlassen, vgl. BT-Drs. 14/6433, S. 16.
9 Vgl. zum Urheberrecht BT-Drs. IV/270, S. 56; vgl. dazu W. Nordemann, GRUR 1991, 1 ff.; Dietz in FS Schricker (1995), 1, 8; Spautz, ZUM 1992, 186 ff.
10 Vgl. Schulze in Dreier/Schulze, § 32a Rn. 50, der feststellt, dass unklar sei, was der Gesetzgeber mit der Formulierung der „vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette“ in § 32a Abs. 2 UrhG konkret gemeint habe.
Details
- Seiten
- 316
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (PDF)
- 9783653057294
- ISBN (MOBI)
- 9783653964172
- ISBN (ePUB)
- 9783653964189
- ISBN (Paperback)
- 9783631664841
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05729-4
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Mai)
- Schlagworte
- Lizenzrecht Lizenzvertrag Lizenz Geistiges Eigentum Urheberrecht
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 316 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG