Lade Inhalt...

Der Debt-Equity-Swap als Instrument der Unternehmenssanierung nach deutschem und englischem Recht

Eine vergleichende Untersuchung praxisrelevanter rechtlicher Problemkreise bei der Umsetzung von Debt-Equity-Swaps nach deutschem und englischem Recht

von Jonas Schwarz (Autor:in)
©2015 Dissertation 363 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch vergleicht die Rahmenbedingungen für Debt-Equity-Swaps nach deutschem und englischem Recht. Hintergrund ist die in den vergangenen Jahren in Deutschland geführte Diskussion, ob u. a. die Attraktivität von Debt-Equity-Swaps nach englischem Recht Migrationen deutscher, sanierungsbedürftiger Unternehmen in das englische Recht fördert. Die Debatte litt oft unter zu oberflächlichen Analysen der englischrechtlichen Rahmenbedingungen für Debt-Equity-Swaps. Mit dem ESUG wurde das deutsche Insolvenzrecht mit dem Ziel einer Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Debt-Equity-Swaps reformiert. Der Autor untersucht, ob es durch das ESUG gelungen ist, im Vergleich zum englischen Recht als Wettbewerbsnachteil geltende Hürden des deutschen Rechts für Debt-Equity-Swaps abzubauen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Kapitel I: Einleitung und Gegenstand der Untersuchung
  • I. Einleitung
  • II. Gegenstand der Untersuchung
  • Kapitel II: Debt-Equity-Swap als Sanierungsmaßnahme und als Instrument zur Akquisition notleidender Gesellschaften
  • I. Sanierungsfunktion des Debt-Equity-Swap
  • II. Interessen der forderungsumwandelnden Gläubiger
  • III. Vorteile eines Debt-Equity-Swap für die übrigen (nicht-forderungsumwandelnden) Gläubiger
  • IV. Interessen der Altgesellschafter bei einem Debt-Equity-Swap
  • V. Debt-Equity-Swap als Instrument zur Akquisition von Krisengesellschaften
  • Kapitel III: Rechtstechnische Umsetzung eines Debt-Equity-Swap bei Kapitalgesellschaften nach deutschem und englischem Recht
  • I. Rechtstechnische Umsetzung eines Debt-Equity-Swap auf der Grundlage deutschen Aktien- und GmbH-Rechts
  • 1. Umsetzung des Debt-Equity-Swap im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung
  • a. Einbringung der Forderung im Wege einer regulären Sachkapitalerhöhung
  • b. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals mit Sacheinlageoption
  • c. Bezugsrechtsausschluss
  • d. Verbindung der Sachkapitalerhöhung mit einer vorgeschalteten vereinfachten Kapitalherabsetzung (Kapitalschnitt)
  • 2. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
  • a. Barkapitalerhöhung in Kombination mit einer Aufrechnung/ Verrechnung oder Hin- und Herzahlung
  • b. Erwerb der Anteile an der Schuldnergesellschaft von ihren bisherigen Gesellschaftern und Forderungsverzicht
  • c. Debt-Mezzanine-Swap
  • d. NewCo-Konstruktionen (Debt-for-NewCo-Equity-Swaps)
  • aa. Beteiligungskauf und Forderungsverzicht
  • bb. Übertragende Sanierung und Forderungsverzicht
  • cc. Ausgliederungsmodell (Reverse Debt-to-Equity-Swap)
  • e. Verwertung von Pfandrechten an Gesellschaftsanteilen
  • II. Rechtstechnische Umsetzung eines Debt-Equity-Swap im englischen Recht
  • 1. Umsetzung des Debt-Equity-Swap im Zuge einer Kapitalerhöhung
  • a. Grundmuster der Konstruktion
  • b. Wegfall der Notwendigkeit der Erhöhung des authorised share capital
  • c. Ermächtigung der directors zur Anteilsausgabe
  • d. Veränderung der class rights
  • e. Bezugsrechtsausschluss (disapplication of pre-emption rights)
  • f. Kapitalherabsetzung (reduction of share capital)
  • 2. Einsatz von NewCo-Konstruktionen (Debt-for-NewCo-Equity-Swaps) als Alternative
  • III. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes auf Rechtsfragen im Kontext von „klassischen“ Debt-Equity-Swaps
  • Kapitel IV: Kapitalaufbringungsregeln des deutschen und englischen Kapitalgesellschaftsrechts
  • I. Stellenwert der Kapitalaufbringungsregeln im deutschen und englischen Kapitalgesellschaftsrecht
  • II. Rechtliche Rahmenbedingungen der Forderungseinbringung nach Maßgabe des Aktien- und GmbH-Rechts
  • 1. Grundlagen
  • 2. Differenzhaftung des forderungsumwandelnden Gläubigers
  • a. Differenzhaftung bei Debt-Equity-Swaps außerhalb des Insolvenzplanverfahrens
  • b. Differenzhaftung bei Debt-Equity-Swaps innerhalb des Insolvenzplanverfahrens
  • 3. Maßstab bei der Bewertung des Einlagewerts der Forderung
  • 4. Schranken der Gestaltungsmöglichkeiten zur Umsetzung von Debt-Equity-Swaps mittels einer Barkapitalerhöhung
  • a. Verbot der Aufrechnung/Verrechnung mit Altforderungen
  • b. Lehre von der verdeckten Sacheinlage als Schranke der Gestaltungsmöglichkeiten
  • III. Rechtliche Rahmenbedingungen der Forderungseinbringung nach englischem Recht
  • 1. Grundlagen
  • 2. Qualifikation der Forderungseinbringung bei einem Debt-Equity-Swap als zulässige Tilgungsmodalität der Bareinlageforderung
  • a. Funktionsweise der sec. 583(3)(c) CA 2006 mit Blick auf die Einlageleistung bei einem Debt-Equity-Swap
  • b. Verrechnung als zulässige Tilgungsmodalität der Bareinlageforderung
  • 3. Maßstab bei der Bewertung des Einlagewerts der Forderung
  • 4. Hin- und Herzahlung als zulässige Tilgungsmodalität der Bareinlageforderung
  • 5. Schutz der Umgehung von Sacheinlagevorschriften im englischen Recht
  • IV. Europäische Harmonisierungsdefizite
  • V. Zusammenfassung und vergleichende Stellungnahme
  • Kapitel V: Unterschiedliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz nach deutschem und englischem Recht
  • I. Deutsche Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz als potentielles Hemmnis für Debt-Equity-Swaps
  • 1. Abschreckungspotential der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO
  • 2. Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO
  • 3. Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO
  • a. Tatbestand und Rechtsfolge des Sanierungsprivilegs
  • b. Stellungnahme zur Funktion des Sanierungsprivilegs im spezifischen Kontext eines Debt-Equity-Swap
  • II. Nicht-Existenz einer generellen Subordination von Gesellschafterdarlehen nach englischem Recht
  • III. Zusammenfassung und vergleichende Stellungnahme
  • Kapitel VI: Pflichtangebotsregelungen des deutschen WpÜG und des englischen City Code on Takeovers and Mergers als Hindernisse für Debt-Equity-Swaps
  • I. Relevanz übernahmerechtlicher Pflichtangebotsregelungen für Debt-Equity-Swaps
  • II. Grundzüge der Pflichtangebotsregelungen des WpÜG und City Code
  • 1. Pflichtangebotsregelung des § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG
  • 2. Pflichtangebotsregelung (mandatory bid rule) gemäß Rule 9 des City Code
  • III. Risiko der Auslösung einer Angebotspflicht durch abgestimmtes Verhalten (acting in concert)
  • 1. Stimmrechtszurechnung infolge abgestimmten Verhaltens
  • 2. Risiko des acting in concert im Anwendungsbereich des WpÜG
  • 3. Risiko des acting in concert im Anwendungsbereich des City Code
  • IV. Befreiung von der Angebotspflicht nach WpÜG und City Code beim Einsatz eines Debt-Equity-Swap als Sanierungsinstrument
  • 1. Zustimmender Gesellschafterbeschluss als Befreiungstatbestand
  • a. Whitewash procedure als Befreiungstatbestand im Anwendungsbereich des City Code
  • b. Whitewash procedure im spezifischen Kontext von Debt-Equity-Swaps
  • c. Whitewash procedure im Anwendungsbereich des WpÜG
  • 2. Befreiung von der Angebotspflicht aufgrund übernahmerechtlicher Sanierungsprivilegien
  • a. „Sanierungsbefreiung“ nach dem WpÜG
  • b. Befreiungstatbestand der Durchführung von „rescue operations“ nach dem City Code
  • V. Zusammenfassung und vergleichende Stellungnahme
  • Kapitel VII: Verfahrensrechtliche Instrumentarien des deutschen und englischen Rechts zur Einbindung dissentierender Gläubiger
  • I. Relevanz verfahrensrechtlicher Instrumentarien zur Einbindung dissentierender Gläubiger im Rahmen eines Debt-Equity-Swap
  • II. Verfahrensrechtliche Instrumentarien des deutschen Rechts zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • 1. Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) als Instrument zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • 2. Insolvenzplanverfahren als Instrument zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • a. Mehrheitsprinzip (§ 244 InsO) und Obstruktionsverbot (§ 245 InsO)
  • b. Ineffizienz des Insolvenzplanverfahrens als Instrument zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • III. Verfahrensrechtliche Instrumentarien des englischen Rechts zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • 1. Insolvenz- und Sanierungsverfahren des englischen Rechts
  • 2. Company Voluntary Arrangement (CVA) als Instrument zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • a. Company Voluntary Arrangement (CVA)
  • b. Erforderliche Abstimmungsmehrheiten im CVA-Verfahren und Reichweite der rechtlichen Bindungswirkung eines CVA
  • c. Nutzungsmöglichkeit des „Cram-Down-Potentials“ eines CVA bei Debt-Equity-Swaps
  • d. Beispiel: Schefenacker AG/plc (2007)
  • e. Nicht-Existenz einer den §§ 225a Abs. 2 S. 2, 230 Abs. 2 InsO entsprechenden Vorschrift im CVA-Verfahren
  • 3. Scheme of Arrangement (SoA) als Instrument zur Einbindung dissentierender Gläubiger bei Debt-Equity-Swaps
  • a. Scheme of Arrangement gemäß ss. 895 ff. CA 2006
  • b. Nutzungsmöglichkeit des „Cram-Down-Potentials“ eines SoA bei Debt-Equity-Swaps
  • c. Sonderproblematik: „Economic interest issue“
  • IV. Zusammenfassung und vergleichende Stellungnahme
  • Kapitel VIII: Verfahrensrechtliche Instrumentarien zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter
  • I. Relevanz des strategischen Blockadepotentials der Altgesellschafter bei der Umsetzung von Debt-Equity-Swaps
  • II. Instrumente des deutschen Rechts zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter bei Debt-Equity-Swaps
  • 1. Gesellschaftsrechtliche Treupflichten
  • 2. Insolvenzplanverfahren als Instrument zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter
  • a. Gesellschaftsrechtliche Neutralität der InsO vor Inkrafttreten des ESUG
  • b. Rechtslage nach Inkrafttreten des ESUG
  • c. Beispiel: Insolvenzplanverfahren der IVG Immobilien AG (2014)
  • III. Instrumente des englischen Rechts zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter bei Debt-Equity-Swaps
  • 1. Mangel einer positiven Zustimmungspflicht der Altgesellschafter einer plc oder Ltd.
  • 2. Eignung des Company Voluntary Arrangement (CVA) als Instrument zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter
  • 3. Eignung des Scheme of Arrangement (SoA) als Instrument zur Überwindung der Obstruktion dissentierender Altgesellschafter
  • 4. Reformvorschläge für das englische Insolvenzrecht
  • IV. Zusammenfassung und vergleichende Stellungnahme
  • Kapitel IX: Zusammenfassung der gesamten Untersuchungsergebnisse und Schlussbetrachtung
  • I. Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen
  • II. Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis

← 14 | 15 → Abkürzungsverzeichnis

← 22 | 23 → Kapitel I: Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

I. Einleitung

Seit 2008/2009 sind im Kontext finanzwirtschaftlicher Sanierungen insolvenzbedrohter Unternehmen hierzulande – wie zahlreiche Beiträge aus der Wirtschaftspresse1 und der wirtschaftsrechtlichen Literatur2 belegen – die betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Chancen und Risiken einer bilanziellen Sanierungstechnik verstärkt in den Fokus gerückt: Dies ist die „Umwandlung“ von Fremdkapital in Eigenkapital einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft, die nach verbreiteter Einschätzung zu den wichtigsten finanziellen Sanierungsinstrumenten der modernen Restrukturierungspraxis zählt.

Bei der Umsetzung dieser Sanierungstechnik werden aus der Perspektive der Schuldnergesellschaft im Zuge einer Kombination von rechtlichen Maßnahmen gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen (also Schulden der Gesellschaft, engl.: „debt“) in Eigenkapital (engl.: „equity“) umgetauscht (engl.: „to swap“ = tauschen), weshalb sich zur Bezeichnung dieser Sanierungstechnik in der internationalen, aber auch deutschen Insolvenz- und Restrukturierungspraxis der englische Begriff „Debt-Equity-Swap“ etabliert hat. Synonym verwendet werden in der Praxis auch Bezeichnungen wie „Debt-for-Equity-Swap“, „Debt-to-Equity-Swap“, „Debt-for-Equity-Conversion“ oder „Debt-Equity Exchange“. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird, trotz der dem Verfasser bekannten (und z.T. ← 23 | 24 → berechtigten) Aversion manch deutscher Juristen vor der ausufernden Verwendung von Anglizismen in der deutschen Rechtssprache, häufig auf den Begriff „Debt-Equity-Swap“ zurückgegriffen, weil dieser zum einen kurz, zum anderen der in der wirtschaftsrechtlichen Praxis hierzulande3 gegenwärtig gängigste Begriff ist.

Hinweis zur hier verwendeten Terminologie: In Deutschland werden Debt-Equity-Swaps häufig aus einer an der Bilanz der Gesellschaft orientierten Perspektive als „Umwandlung“ von Fremd- in Eigenkapital, gelegentlich auch aus einer am Gläubiger orientierten Perspektive als „Umwandlung“ von Forderungen in Gesellschaftsanteile, bezeichnet. Im Aktien- und Kapitalmarktrecht wird zwischen der „Umwandlung“ und dem „Umtausch“ von Finanzinstrumenten differenziert, wobei durch eine „Umwandlung“ das Finanzinstrument (als Gegenstand im Rechtssinne des § 90 BGB) in seinem Inhalt verändert wird, aber kein Rechtsträgerwechsel erfolgt4, während unter einem „Umtausch“ von Finanzinstrumenten die Übertragung des bisherigen Rechts eines Investors auf den Emittenten gegen den Erwerb eines anderen Rechts oder die Aufhebung des bisherigen Rechts des Investors gegen den Erwerb eines anderen Rechts verstanden wird5. Eine Umwandlung von Fremdkapitalinstrumenten in Gesellschaftsanteile scheidet nach diesem technischen Umwandlungsbegriff aus, weil eine Umwandlung danach nicht über die „Artengrenze“ hinweg erfolgen kann6. In Orientierung an dieses Begriffsverständnis von „Umwandlung“ und „Umtausch“ ist es präziser die Fallgruppe von Debt-Equity-Swaps, bei denen der Gläubiger der Gesellschaft im Gegenzug für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf seine Forderungen verzichtet oder diese auf die Gesellschaft überträgt, als „Tausch“ oder „Umtausch“ von Fremd- in Eigenkapital oder von Forderungen in Gesellschaftsanteile zu bezeichnen7. Da sich diese Terminologie aber in der insolvenzrechtlichen Literatur bislang nicht durchgesetzt hat und überwiegend von der „Umwandlung“ oder „Forderungsumwandlung“ die Rede ist, wird auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf diese unpräziseren Begriffe zurückgegriffen. Im Rahmen der Untersuchung wird des Weiteren der Begriff „forderungsumwandelnde Gläubiger“ verwendet. Auch dieser Begriff ist auf der Grundlage eines technischen Umwandlungsbegriffs unpräzise, weil eine Forderung danach nicht in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden kann. Dennoch wird der Begriff des „forderungsumwandelnden ← 24 | 25 → Gläubigers“ hier verwendet, um den Textfluss nicht stets zu überladen mit dem wohl präziseren Begriff des „Gläubigers, der im Zuge eines Umtauschs von Fremd- in Eigenkapital der Gesellschaft, im Gegenzug für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf seine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen ganz oder teilweise (im technischen oder untechnischen Sinne) verzichtet“.

Sämtliche vorstehend genannten Begriffe (Debt-Equity-Swap, o.ä.), die in den vergangen Jahren in der Wirtschaftspresse und der Fachliteratur zunehmend Erwähnung finden, sind gesetzlich nicht definiert. Sie bezeichnen vielmehr ein Ergebnis, das im Wege unterschiedlicher rechtlicher Konstruktionen erzielt werden kann (näher dazu unten8). Nach dem Grundmechanismus eines Debt-Equity-Swap besteht dieses Ergebnis schlicht darin, dass (1.) Verbindlichkeiten einer Gesellschaft reduziert werden, indem Gläubiger auf ihre gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen vollständig oder teilweise im technischen oder untechnischen Sinne verzichten, und (2.) diese Gläubiger als Gegenleistung für die Aufgabe ihrer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen eine Eigenkapitalbeteiligung am Unternehmen erhalten, die verschieden ausgestaltet sein kann. Im Ergebnis bezahlt der forderungsumwandelnde Gläubiger den Erwerb von Anteilen an der Schuldnergesellschaft mit der Aufgabe seiner Forderung, während spiegelbildlich hierzu die Schuldnergesellschaft die Befreiung von Verbindlichkeiten mit Gesellschaftsanteilen bezahlt.

Der Debt-Equity-Swap kann sich dabei auf unterschiedliche Passivposten einer Bilanz beziehen. In der praxisrelevantesten Erscheinungsform handelt es sich bei diesem Passivposten um Bankkredite, doch kann sich der Debt-Equity-Swap auch auf andere Passivposten beziehen (z.B. Mezzanine-Kapital, Gesellschafterdarlehen). Aus Sicht der Schuldnergesellschaft liegt der Reiz eines Debt-Equity-Swap primär darin, dass er die Verringerung ihrer Verbindlichkeiten und die hieraus resultierenden Sanierungseffekte (dazu unten9) ermöglicht, ohne dass die Gesellschaft hierfür liquide Mittel zur Tilgung dieser Verbindlichkeiten aufbringen muss.

In der US-amerikanischen und englischen Sanierungspraxis spielte der Debt-Equity-Swap in den vergangenen Jahrzehnten eine zentrale Rolle: Im Chapter 11-Verfahren des US-amerikanischen Bankruptcy Code ist die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen im Zuge eines Debt-Equity-Swap kraft Gesetzes explizit als zulässiger Inhalt eines Reorganisationsplans (plan of reorganization) anerkannt10. ← 25 | 26 → Ein eindrucksvolles Beispiel für die Relevanz des Debt-Equity-Swap in der US-amerikanischen Restrukturierungspraxis lieferte die finanzielle Restrukturierung der General Motors Corp. (GM), bei der Anleihegläubiger, die insgesamt Forderungen aus Anleihen i.H.v. rd. 27 Mrd. gegen GM hielten, zur Beteiligung an einem Debt-Equity-Swap aufgefordert wurden11. Mit Blick auf die englische Insolvenz- und Sanierungspraxis stellen erfahrene englische Restrukturierungsexperten fest: „A debt for equity swap is one of the most common methods of reorganising a struggling company12. Die Vielzahl der Beiträge im Schrifttum, die sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von Debt-Equity-Swaps auf der Grundlage englischen Rechts befassen13, stützt diese Einschätzung.

Aber auch in Deutschland ist die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, anders als gelegentlich verbreitet wurde14, keineswegs eine neuartige und/oder unbekannte Technik der Unternehmenssanierung15. Im deutschen wirtschaftsrechtlichen ← 26 | 27 → Schrifttum ist die Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Umsetzung dieser Sanierungstechnik – insbesondere durch Kapitalgesellschaften deutschen Rechts – jedoch in den vergangen Jahren unter dem Einfluss unterschiedlicher Entwicklungen und Faktoren neu entfacht, wobei eine Verschiebung bei der thematischen Schwerpunktsetzung zu beobachten war:

Als ein erster Beschleuniger der Diskussion um die Rahmenbedingungen des Debt-Equity-Swap auf der Grundlage deutschen Rechts wirkte seit 2003/2004 die zunehmende Bedeutung des Debt-Equity-Swap als Kernelement bei der Realisierung einer bestimmten aktiven Investitionsstrategie bei der Investition in Problemkredite (Distressed Debt Investments) durch institutionelle Finanzinvestoren (überwiegend Investmentbanken und Hedgefonds), die auf den preisgünstigen Erwerb notleidender Forderungen gegen ein krisenbefangenes Unternehmen und die nachfolgende Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung an diesem Unternehmen im Wege eines Debt-Equity-Swap gerichtet ist (näher hierzu unten16).

Insbesondere seit der Intensivierung der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ab dem Herbst 2008 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Debt-Equity-Swap hierzulande zunehmend auch losgelöst von der Thematik der Distressed Debt Investments diskutiert. In den Fokus rückten seither die Chancen und Risiken des Debt-Equity-Swap als einem Instrument zur Bilanzoptimierung durch die Reduktion von Verbindlichkeiten, das im Zuge der Auswirkungen der Krise für eine wachsende Anzahl deutscher Unternehmen interessant wird (s. oben)17. Die gestiegene Paxisrelevanz effizienter Sanierungsinstrumente zur Abfederung der Auswirkungen der Krise auf die Überlebenschancen zahlreicher deutscher Unternehmen wirkte so als ein zweiter Beschleuniger der Diskussion um die rechtlichen Rahmenbedingungen des Debt-Equity-Swap auf der Grundlage deutschen Rechts.

Details

Seiten
363
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (PDF)
9783653054286
ISBN (MOBI)
9783653967777
ISBN (ePUB)
9783653967784
ISBN (Paperback)
9783631662632
DOI
10.3726/978-3-653-05428-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
ESUG Insolvenzrecht sanierungsbedürftige Unternehmen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 363 S.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Jonas Schwarz (Autor:in)

Jonas Schwarz ist Volljurist. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg, wo er auch promovierte. Derzeit arbeitet er als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in Frankfurt am Main.

Zurück

Titel: Der Debt-Equity-Swap als Instrument der Unternehmenssanierung nach deutschem und englischem Recht