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Genderkompetenzen

Ausgewählte interdisziplinäre Beiträge aus Forschung und Lehre an der Universität Leipzig

von Ilse Nagelschmidt (Band-Herausgeber:in) Britta Borrego (Band-Herausgeber:in)
©2015 Sammelband 227 Seiten
Reihe: Leipziger Gender-Kritik, Band 6

Zusammenfassung

Der Sammelband bietet Studierenden und Absolvent_innen aller Fachrichtungen, aber auch Leser_innen außerakademischer Einrichtungen ein geeignetes Lehrmaterial sowie einen Einblick in die interdisziplinären Forschungsperspektiven der Geschlechterstudien. Er gründet sich dabei auf ausgewählte Lehr- und Forschungsbeiträge des an der Universität Leipzig veranstalteten Schlüsselqualifikationsmoduls 23 «Genderkompetenzen» des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung aus den Jahren 2011–2014. Die Aufsätze veranschaulichen dabei den breiten Anwendungsbereich der Geschlechterforschung über die folgenden Schwerpunkte: Geistes- und Sozialwissenschaften, Psychologie, Sport- und Wirtschaftswissenschaften sowie Psychologie und Medizin.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort der Herausgeberinnen
  • Gender in den Geistes- und Sozialwissenschaften
  • ¿Utopie – Gender – Utopie?
  • Zum Begriff der schreibenden Praxis anhand kubanischer Literatur des período especial
  • Der Dialog nach Bohm, ein offener Gesprächsraum für Genderfragen
  • Der Geschlechterdiskurs bei Platon und Aristoteles
  • Geschlecht und Kriminalität: Aggressive Männer – sanfte Frauen?
  • Gender in Sport, Psychologie und Wirtschaft
  • Sport und Geschlecht – Sportwissenschaftliche Perspektiven der Geschlechterforschung
  • Geschlechterstereotype und Geschlechterunterschiede im Sport
  • Diversity Management aus betriebswirtschaftlicher Perspektive
  • Gender in der Medizin
  • Geschlecht und Medizin
  • Gender in der Medizin
  • Zu den Autor_innen

Vorwort der Herausgeberinnen

„Ich finde die Gender Studies sehr interessant, jedoch hatte ich es nie in all diesen Bereichen betrachtet.“

(Student_in des Schlüsselqualifikationsmoduls „Genderkompetenzen“ im Zuge der Modulevaluierung 2014/15)

Im Zuge der Modularisierung des Lehrangebots an der Universität Leipzig in den 2000er Jahren wurden genderrelevante Aspekte in der Lehre erstmalig in institutionalisierter Form sichtbar gemacht. Angehörige und Mitarbeiter_innen verschiedener disziplinärer Provenienz initiierten gemeinsam mit dem Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig (FraGes) ein Modul, welches genderbezogene Inhalte als integrativen Bestandteil des Curriculums fachübergreifend bündelt und vermittelt. Im Bereich der Schlüsselqualifikationsmodule (SQM) angesiedelt, bietet es seit seiner erstmaligen Durchführung im Jahre 2006 konstant ein an der Universität Leipzig einmaliges Lehrangebot, das dem Anspruch einer originär ideologiekritischen Sichtweise auf die wechselseitigen Beeinflussungen von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen, Kultur, Gesellschaft, der Wissenschaft und seinen Disziplinen gerecht wird. Diese Forschungsperspektiven sind oftmals unbequem, da sie blinde Flecken und Leerstellen im Geschlechter-Wissen aufdecken und bloßlegen. Ob dieses spezifischen Charakters gilt es sie jedoch zu stärken – sehen sich feministische oder genderbezogene Fragestellungen doch diversen de-legitimierenden Stimmen und Positionen ausgesetzt, wie es unlängst in polemisch geführten (Medien)Debatten und Kampagnen zu verfolgen ist. Wichtiger denn je ist zudem eine kritische Perspektive auf Gender in der Hochschule und Wissensproduktion im Zuge aktueller hochschulpolitischer Entwicklungen und Maßnahmen, seien es die Bologna-Reform oder der Hochschulpakt 2020.

Das SQM 23 „Genderkompetenzen“ vermittelt Studierenden der Bachelorstudiengänge Grundlagen der Frauen- und Geschlechterforschung, Kenntnisse um Geschlecht als Analysekategorie, Genderforschung in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, Gender in kulturellen Kontexten, aktuelle Debatten und Innovationskonzepte innerhalb der Wissenschaftsbereiche sowie eine kritische Genderkompetenz. Es erfreut sich dabei einer beständig hohen Anzahl an Anmeldungen und Teilnehmer_innen. Gestaltet und umgesetzt wird es von Professor_innen und Dozent_innen der Universität Leipzig mit weitreichender disziplinärer Herkunft, deren Rahmen beständig durch die Akquise weiterer Mitarbeiter_innen aus anderen Fakultäten oder außeruniversitärer Einrichtungen in der Stadt Leipzig ergänzt und erweitert wird. ← 7 | 8 →

Das eingangs positionierte Zitat aus der Modulevaluation des WS 2014/15 verdeutlicht das zum Einen herrschende Interesse der Studierendenschaft an den Gender Studies und spricht zum Anderen deutlich für den Bedarf an der Universität Leipzig, genderrelevante Aspekte in Lehre und Forschung sichtbar zu machen und systematisch einzubinden. Diesem Vorhaben verpflichtet, führte das Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung im Studienjahr 2013/14 das im Rahmen der LaborUniversität angesiedelte Lern-Lehr-Projekt „Doing gender. Interdisziplinäres Labor zum Erwerb von Genderkompetenzen“ durch. Das Teilprojekt der Initiative Studien in Leipzig unterstützt Lehrende der Universität Leipzig bei der Entwicklung und Umsetzung von innovativen lern- und kompetenzorientierten Lehrprojekten. Nach erfolgreicher Durchführung des Pilotprojekts streben wir nun die Verstetigung und Implementierung der Veranstaltung im Curriculum der Universität an, um der steten Nachfrage der Studierendenschaft nach genderrelevanten Inhalten innerhalb des Studiums gerecht zu werden.

Der hier vorliegende Sammelband bietet in erster Linie den Studierenden und Absolvent_innen der Alma Mater Lipsiensis eine wissenschaftliche Handreichung. Darüber hinaus stellt er Leser_innen und Interessierten anderer Hochschulstandorte sowie Adressat_innen nicht-akademischer Einrichtungen ein geeignetes Lehrmaterial zur Verfügung. Zum dritten dokumentiert er einen Teil der universitären Lehrgeschichte und macht ihn der Hochschule zugänglich.

Über viele Jahre organisierte sich die Ringvorlesung des SQM 23 gemäß ihrer Schwerpunkte und Inhalte in den drei Blöcken „Gender in Geistes- und Sozialwissenschaften“, „Gender in Sport, Psychologie und Wirtschaft“ sowie „Gender in der Medizin“. Diese Struktur gliedert auch die Abfolge der Beiträge dieses Bandes. Sie gehen aus den gehaltenden Modulveranstaltungen der Jahre 2011 bis 2014 hervor und bilden daraus eine Auswahl an etablierten Lehr- und Forschungsbereichen von Professor_innen und Mitarbeiter_innen der Universität Leipzig sowie von Gastbeiträgen aus der Feder von Nachwuchswissenschaftler_innen ab. Neben der disziplinären Vielfalt zeichnen sie sich durch vokabularisch-orthographische Heterogenität im Gebrauch von geschlechtersensibler Sprache aus. Die Aufsätze können zum Selbststudium, zur kritischen oder erbauenden Lektüre und Wissensaneignung genutzt werden; jeweils am Ende finden die Leser_innen weiterführende Fragen, Lernzielangaben und Literaturhinweise.

Diese Publikation ist nicht zuletzt das Ergebnis der konstanten Bemühung seitens engagierter Wissenschaftler_innen, Relevanz, Bedarf und Gegenwart der Geschlechterforschung innerhalb der Wissenschaften sichtbar zu machen und im Curriculum der Universität Leipzig zu etablieren. Eröffnet wird sie durch Sandra Berndt, die sich mit der Betrachtungsweise einer Utopie der Geschlechter und ← 8 | 9 → Geschlechterverhältnisse auseinandersetzt. Dabei operiert sie aus kultur- und literaturwissenschaftlicher Perspektive mit einem offenen Utopie-Begriff, als Denken von Möglichkeiten, als Idee der Utopie und beleuchtet dabei historische Entwicklungen, Denkansätze und Schriften seit dem 18. Jahrhundert. Für die Autorin ist es ein resümierender Blick auf die Denkgegenstände, denen sie und ihre Studierenden sich über drei Jahre im Zuge der Modulseminare gewidmet haben. In ihrem Artikel „Zum Begriff der schreibenden Praxis anhand kubanischer Literatur des período especial“ beleuchtet Sarah Moldenhauer den Zusammenhang der historischen Krisensituation der 1990er Jahre und der spezifischen Schreibsituation und Literaturproduktion von kubanischen Autorinnen in jenen Jahren. Der Begriff der schreibenden Praxis dient dabei als Bindeglied beider kulturspezifischer Phänomene. Für Linda Blacha stellt der Dialog nach David Bohm ein komplexes und einzigartiges Paradigma dar, das innerhalb des geschlechterwissenschaftlichen Diskurses diverse Anwendungen bietet. Als „ein offener Gesprächsraum für Genderfragen“ konstituiert sich der Dialog durch das gemeinsame Denken und Ergründen von Schlussfolgerungs- und Denkprozessen und bietet Möglichkeiten, durch ein pluralistisch-offenes Gedankenspiel eine Achtsamkeit für Denkmuster, Vorurteile und andere Denkparadoxien zu entwickeln. Gerade der gendersensibilisierenden Didaktik eröffnet sich damit ein kooperativ-reflexives Aushandlungsfeld, in dem der Nutzen eines wertschätzenden, gleichberechtigten Umgangs mit diversen Lebensweisen erlebt werden kann. Peter Heuers Beitrag gibt ausgehend von den Überlegungen Platons und Aristoteles’ differenzierte Auskünfte über den Geschlechterdiskurs im antiken Athen. Neben Platons Frauenbild innerhalb und außerhalb seiner Staatsutopie sowie Aristoteles’ Kritik an Platons Staatsutopie, werden anhand der Überlegungen der beiden Philosophen antike Vorstellungen zu Homosexualität und Päderastie erkennbar, die auf nachantike Diskurse wie bspw. innerhalb der katholischen Kirche anwendbar sind. Der Frage nach dem unterschiedlichen Kriminalitätsaufkommen zwischen den Geschlechtern geht Kurt Mühler in „Geschlecht und Kriminalität: Aggressive Männer – sanfte Frauen?“ nach. Biologische oder essentialisierende Erklärungsversuche stellen sich dahingehend als ungenügend und bedenklich heraus. Mühler findet vielmehr in den Effekten von Geschlechternormen und ihrer Wirkung auf Kriminalität über Wahrnehmung und Verhalten eine adäquate Beschreibung.

Petra Tzschoppe gibt Aufschluss über die Geschlechtersegregation und den Stellenwert von Geschlecht als Instrument der Klassifikation im Sport. Zudem wendet sie sich der Teilhabe von Frauen am Olympischen Sport einerseits und in Führungspositionen im Sport anderseits zu. Dem bedeutsamen Einfluss von Geschlechterstereotypen und der daraus resultierenden unterschiedlichen ← 9 | 10 → Bewertungen, Erwartungen und Diskriminierungen auf Partizipation, Erleben, Verhalten, Selbstkonzept und die Fremdwahrnehmung von Männern und Frauen im Sport widmet sich Dorothee Alfermann in ihrem Aufsatz. Sie verdeutlicht dieses komplexe Zusammenspiel am Beispiel des Körperbilds, des Wettkampfsports, des Gesundheitssports, der Sportberichterstattung und der motorischen Leistungsfähigkeit. In Silvia Föhrs Beitrag lernen die Leser_innen die Grundlagen des Diversity Managements kennen und vermögen es, das Konzept in betriebswirtschaftliche Instrumente einzuordnen und für die Dimension Gender anzuwenden.

Die Interferenzen und -dependenzen zwischen Geschlecht und Medizin zeigt Evelyn Kleinert auf. Nach der Darstellung der verschiedenen Ebenen der Geschlechtszugehörigkeit exemplifiziert sie diese Wechselwirkungen anhand der Krankheitsbilder Koronare Herzkrankheit und Depression sowie an Transsexualität und Intersex-Konditionen. Ortrun Riha vollzieht in ihrem Artikel „Gender in der Medizin“ einen historischen Längsschnitt in vier Etappen. Dabei befasst sie sich mit theologischen und philosophischen Argumenten für die körperliche Unterlegenheit des sogenannten ‚Schwachen Geschlechts‘ (Teil 1), den Folgen der Hexenverfolgung (Teil 2), mit Hysterie und Medikalisierung von Schönheit im Kontext von Geschlechterstereotypen in der modernen Medizin (Teil 3) und einer kurzen Kulturgeschichte der Abtreibung (Teil 4).

Die Realisierung dieses Bandes ist untrennbar mit der langjährigen organisatorischen Betreuung des Schlüsselqualifikationsmoduls und seiner Teilnehmer_innen durch Frau Dr. Uta Hanke, Geschäftsführerin des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung von 2010 bis 2014, verbunden. Für ihr wertvolles und unermüdliches Engagement zur Profilierung der Ziele und Leistungen des Zentrums gilt ihr hier an erster Stelle unser herzlicher Dank. Wie bereits zu Beginn erwähnt wurde, konstituieren und bereichern die Professor_innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen und Doktorand_innen der Universität Leipzig Angebot, Qualität und Diversität des SQM 23. Auf ihre andauernde ehrenamtliche Bereitschaft, die Geschlechterforschung an der Universität Leipzig in Form dieser Lehrveranstaltung zugänglich zu machen, sei hier mit großem Nachdruck und Wertschätzung hingewiesen. Eine wertvolle Lektüre erfordert ein qualitativ hochwertiges Lektorat, was durch Alexandra Katzmarski, Mandana Heydari und Torsten Erdbrügger vortrefflich realisiert worden ist. Ihnen sei außerordentlich für ihre gewissenhafte Arbeit gedankt.

Die Herausgeberinnen

Ilse Nagelschmidt und Britta Borrego

im April 2015 ← 10 | 11 →

Gender in den Geistes- und Sozialwissenschaften

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Details

Seiten
227
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (PDF)
9783653053784
ISBN (MOBI)
9783653972870
ISBN (ePUB)
9783653972887
ISBN (Paperback)
9783631659564
DOI
10.3726/978-3-653-05378-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Geschlechterstereotype Gender Studies Geschlechterpartizipation Geschlechternormen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 227 S., 8 Tab., 12 Graf.

Biographische Angaben

Ilse Nagelschmidt (Band-Herausgeber:in) Britta Borrego (Band-Herausgeber:in)

Ilse Nagelschmidt ist Professorin an der Universität Leipzig für das Fachgebiet Neuere und Neueste deutsche Literatur und Direktorin des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig. Britta Borrego studierte Germanistik und Hispanistik und ist seit 2014 Geschäftsführende des Zentrums für Frauen-und Geschlechterforschung der Universität Leipzig.

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