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Ethische Aspekte des Sports

Doping – Enhancement – Spitzensport

von Sandra Ückert (Band-Herausgeber:in) Andreas Mues (Band-Herausgeber:in) Winfried Joch (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband 165 Seiten

Zusammenfassung

Der Berichtband enthält Vorträge, die während einer Tagung des Berliner Forschungszentrums Ethik im Jahr 2014 gehalten wurden. Thema der Veranstaltung war die Vereinbarkeit von ethischen Normen und dem konkurrenzbetonten, auf Erfolg fixierten Spitzensport, welche in der Öffentlichkeit als selbstverständlich angenommen wird. In der Realität ist das sportliche Wettkampfgeschehen häufig durchsetzt von Verhaltensweisen und Zielorientierungen, die an dieser Vereinbarkeit berechtigte Zweifel aufkommen lassen. In den Beiträgen werden auf der Grundlage dieser Antinomie Positionen skizziert und diskutiert, die diese Vereinbarkeit für zwingend geboten halten, wenn der Sport – besonders im Umgang mit Mitteln zur Leistungssteigerung, die dem Kodex sportlichen Handelns nicht entsprechen – in humanen Gesellschaften weiterhin als Erfolgsmodell gelten soll.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Ethik & Sport: Eine Einführung
  • Sportive Handlungsvarianten im Grenzbereich menschlicher Leistungsfähigkeit
  • Das Ressourcenproblem im Sport –Anmerkungen zu den Grenzen des Wachstums im internationalen Spitzensport
  • Ethische Kulturen und Sport
  • Die integrative Ethik des Sports
  • Doping im Sport und Enhancement – Chancen zum Dialog in der Angewandten Ethik?
  • Verlust der Balance – Die Dopingproblematik im Spiegel der Leistungssportentwicklung
  • Die Autoren

Andreas Mues

Ethik & Sport: Eine Einführung

Die in diesem Band abgedruckten Beiträge wurden auf der Tagung „Ethik & Sport: Enhancement, Doping, Spitzensport“ am 10. Oktober 2014 am Berliner Forschungszentrum Ethik vorgetragen und waren und sind somit von der Zielsetzung getragen, einen Beitrag zur Versachlichung sportethischer Diskussionen insbesondere auch im öffentlichen Raum zu leisten. Denn in den aktuellen Debatten des modernen Hochleistungssports kommt es innerhalb der sportethischen Analysen immer wieder zu zyklischen Diskussionen, die primär durch Skandale aus dem Bereich der sportlichen Lebenswelt ausgelöst werden und daher eine systematische wissenschaftliche Diskussion der dahinter verborgenen Phänomene eher erschweren.

Dieser Band soll somit zum einen dazu dienen, die langfristig angelegte analytische Auseinandersetzung mit den wesentlichen Fragen der Sportethik zu befördern und zum anderen, Perspektiven für eine Verstetigung des wissenschaftlichen Austausches zu sportphilosophischen Fragen normativen Charakters unabhängig von medialen Skandalszenarien aufzuzeigen.

Die Sportethik als eine noch recht junge Bereichsethik beschäftigt sich mit der kritischen Reflexion und Begründung moralischer Normen, die dem menschlichen Handeln in der Lebenswelt des Sports zugrunde liegen (vgl. Pawlenka, 2005, S. 34).1 An dieser Stelle deutet die verwendete Terminologie von der sportlichen Lebenswelt bereits eine weit gefasste Definition des eigentlichen Zielbereiches sportethischer Reflexionen an, denn bereits Ludwig Wittgenstein legte in seinen philosophischen Untersuchungen in der Auseinandersetzung mit den Grenzen taxonomischer Klassifikationsmodelle bei der Definition von Begriffen und seiner daraus resultierenden Konzeption der Familienähnlichkeit wesentliche Probleme von Begriffen wie dem des „Spieles“ offen (vgl. Wittgenstein, 2009, § 3).2 Um zu ← 7 | 8 → vermeiden, dass sich unser Verstand bei dem Versuch der Systematisierung in diesem Sinne „Beulen holt“ (ebd., § 119), erweitern wir dementsprechend unseren sportethischen Fokus und beschäftigen uns innerhalb dieser unscharfen Grenzen mit sowohl individual- als auch sozialethischen Betrachtungen unter stetiger Berücksichtigung aktueller sportwissenschaftlicher Erkenntnisse, denn in der „rigorosen Vereinfachung aller Lebensverhältnisse im Sport, in seiner Transparenz und Überschaubarkeit sowie in seiner regelkonstituierten Eigenlogik“ (Pawlenka, 2005, S. 38) liegen die größten Chancen für exemplarische ethische Reflexionen, die auch jenseits einer wie auch immer im Detail definierten sportlichen Lebenswelt Bedeutung beanspruchen können.

Beginnend mit dem ersten Beitrag, in dem anthropologische, evolutionstheoretische, sportwissenschaftliche sowie ethische Aspekte der sportlichen Lebenswelt diskutiert werden, offenbart sich zum einen die immense Bedeutung dieses Ethikfeldes in toto, das eines der prägnantesten internationalen Sozialphänomene der Menschheit aus normativer Perspektive betrachtet, sowie zum anderen die Grundintention des Gesamtbandes, denn dieses nur interdisziplinär adäquat zu bearbeitende Themenspektrum muss in fundierter Weise normativ erschlossen werden, um angemessene und sachgerechte Diskussionen zu ermöglichen, die notwendigerweise in den Gremien des deutschen Sports geführt werden müssten.

Im anschließenden Artikel von Sandra Ückert wendet sich dieser Band in medias res einem der wesentlichen Problemfelder, insbesondere des internationalen Spitzensports, zu, denn wer über Ressourcenproblematiken und Wachstumsgrenzen nachdenkt, leistet entweder einen Beitrag zur Ökologie oder eben einen zur Sportethik. Während die ökologischen Fragen etwa großer Sportveranstaltungen dabei durchaus auch mit naturwissenschaftlichen Analyse- und Argumentationsmethoden bearbeitet werden können, bekommt der Grenzbegriff im Bereich der Sportethik zusätzlich einen individualethischen Impetus, denn es stellt sich auch die Frage nach den Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit und eines adäquaten und ethisch reflektierenden Umganges damit. Am Anfang einer dezidierten moralischen Auseinandersetzung mit diesem Problemfeld kann und muss die sportwissenschaftliche Analyse stehen, denn eine Bereichsethik, die abgekoppelt von der in ihr und durch sie diskutierten Lebenswelt argumentiert, wird mit ihrem immer auch intendierten Versuch der ← 8 | 9 → moralisch begründeten Einflussnahme auf die Realität ihres Lebensbereiches scheitern.

Nach dieser Perspektive aus der Sportwissenschaft wird im anschließenden Beitrag, genuin philosophisch, die metaethische Frage behandelt, ob und ggf. unter welchen Bedingungen sportethische Fragestellungen sinnvoll bearbeitet werden können. Hierzu skizziert Gunter Gebauer wiederkehrende Elemente der antiken griechischen Kultur im modernen Hochleistungssport. Neben den grundsätzlich erkennbaren agonalen Einstellungen in der sportlichen Lebenswelt nimmt er Bezug auf ebenfalls erkennbare Verbindungen sportlicher Praxis zum Ethos des guten Lebens und skizziert basierend auf einer analytischen Auseinandersetzung mit dem griechischen Begriff „aretē“ in einem Drei-Ebenen-Modell die sukzessiv steigende moralische Bedeutung sportlicher Handlungen sowie entsprechend korrespondierender personaler Eigenschaften.

In seinen Ausführungen zur integrativen Ethik des Sports nimmt Volker Gerhardt ebenfalls Bezug zur Tüchtigkeit (aretē), um unter Verweis auf bereits in der Antike erfolgte Erweiterungen dieses Begriffes hinsichtlich Selbstherrschaft und Selbsterkenntnis auch seine individuelle philosophische Ideengeschichte sportbezogen darzulegen. Indem er Teile seines umfassenden philosophischen Gesamtwerkes systematisch mit der Ethik des Sports in Verbindung bringt, gelingt ihm unter Bezugnahme auf frühere Arbeiten zur Selbstbestimmung, Individualität, Öffentlichkeit und Fairness nicht nur eine Grundlegung der Sportethik, sondern darüber hinaus die Ableitung konkreter Veränderungsnotwendigkeiten innerhalb der aktuellen sportlichen Lebenswelt.

Im Anschluss an diese Ausführungen befasst sich Claudia Pawlenka mit den Dialogchancen im fachspezifisch ausdifferenzierten Bereich der angewandten Ethik und diskutiert dabei insbesondere die Frage, inwiefern das Dopingkonzept aus der sportethischen Analyse sowie der Enhancementbegriff der medizinethischen Betrachtungen in einen fruchtbaren Austausch eintreten können. Dabei werden präzise einige wesentliche Begrifflichkeiten sowohl der Sport- als auch der Bioethik anschaulich und unter Berücksichtigung elementarer Differenzierungen dargelegt, und zugleich wird verdeutlicht, inwiefern die sportethische Analyse im Rahmen ihres Themenfeldes in grundsätzlichen Debatten der Medizin- und Bioethik einen wertvollen Beitrag leisten kann. ← 9 | 10 →

Einen im weitesten Sinne historischen Zugang zur Dopingproblematik findet sich anschließend bei Winfried Joch, in dessen Beitrag weniger die Begründungen für ein Dopingverbot im Sport, auch vorrangig nicht die ethische Bewertung von Doping als einem singulären Ereignis oder als systematische Praxis im Leben von Spitzensportlern im Vordergrund stehen, sondern eine Analyse jener Bedingungen, die zur Dopingmentalität im Spitzensport geführt haben – unabhängig von den Neigungen des modernen Menschen, seine subjektiv empfundenen Defizite körperlicher, mentaler und intellektueller Art durch Nachjustierung zu beheben. Schon in früheren Arbeiten charakterisierte er dabei die Vision eines mechanischen Athleten pointiert, indem er ausführte:

„Soll und Ist-Werte befinden sich in Übereinstimmung – dauerhaft, bei kompetenter Wartung störungsfrei, durch geeignete Materialprüfung ohne Ausfälle. Das leitende Interesse ist von der Vorstellung geprägt, den anfallenden Schrott gegenüber der produzierten, marktfähigen Ware zu minimieren“ (Joch, 2012, S. 7)3.

Basierend auf seiner Opposition gegen ein solches Athletenverständnis verdeutlicht Joch eindrücklich, dass die Dopingsituation im Spitzensport nicht als eine Konsequenz des „Siegescodes“ und des „Steigerungspostulats“ interpretiert werden kann, sondern als eine Fehlentwicklung des Spitzensports, deren Grundlage die einseitige Betonung des Erfolgs und die quasi berufsmäßige Sportausübung bildet. Die dadurch bedingte monostrukturierte Zielorientierung moderner Athleten gilt es zu verändern, wenn der moderne Spitzensport auch zukünftig eine gesamtgesellschaftlich tragbare und damit verbunden auch förderwürdige menschliche Lebenspraxis darstellen soll.

Damit wird dann der weite Bogen dieses Bandes geschlossen und thematisch wie inhaltlich wird, so ist zu hoffen, eine besondere Herangehensweise an die Themenwelt der Sportethik deutlich. Ausgehend von aktuellen Problemen normativen Charakters im modernen Hochleistungssport werden, formuliert seitens der Sportwissenschaft, Probleme skizziert, die mittels philosophischer Analyse bearbeitet werden können. Diese Analyse, ← 10 | 11 → erarbeitet im interdisziplinären Dialog, ist dabei von Anfang an daran ausgerichtet, tatsächliche Probleme in der aktuellen Praxis der sportlichen Lebenswelt ethisch fundiert zu reflektieren und somit einen Beitrag zur Lösung zu leisten; sie bedarf daher mitunter einer „Rückübersetzung“ in die Sprache des Sports, um dort auch adäquat wirken zu können. ← 11 | 12 →

 

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Details

Seiten
165
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (PDF)
9783653053715
ISBN (MOBI)
9783653973013
ISBN (ePUB)
9783653973020
ISBN (Paperback)
9783631659496
DOI
10.3726/978-3-653-05371-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Fairness ethische Norm Wettkampfgeschehen Konkurrenz Erfolg
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 165 S., 1 s/w Abb., 1 Tab., 1 Graf.

Biographische Angaben

Sandra Ückert (Band-Herausgeber:in) Andreas Mues (Band-Herausgeber:in) Winfried Joch (Band-Herausgeber:in)

Sandra Ückert ist Professorin für Trainings- und Bewegungswissenschaft sowie Vizepräsidentin der Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst Berlin. Andreas Mues ist Kanzler der Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst Berlin und Akademischer Geschäftsführer des Berliner Forschungszentrums Ethik. Winfried Joch ist emeritierter Professor für Sportwissenschaft am Institut für Sportwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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